Während die ‘Orion’ sicher auf dem Boatyard von Astypalaia steht, legen wir einen Zwischenstopp in Athen ein – das bietet sich an, denn egal ob man die Insel mit dem Flugzeug oder mit der Fähre verlässt, in Athen muss man immer umsteigen. Wir entscheiden uns für den einstündigen Flug mit der Propellermaschine – eine problemlose Art zu reisen, wenn nicht gerade mal wieder eine Herde Ziegen die Startbahn von Astypalaia blockiert …
Mit gut drei Millionen Einwohnern im Stadtgebiet und vier bis fünf Millionen im gesamten Ballungsraum (so genau weiß man das nicht, da es keine Meldepflicht gibt) ist die griechische Hauptstadt gewaltig groß – fast die Hälfte der Landesbevölkerung lebt hier!
Erwartet haben wir daher eine lärmende, abgasverseuchte Betonwüste – doch schon auf den ersten Blick überrascht uns die Stadt: zwar sind eine Unmenge Menschen in der U-Bahn und auf den Straßen unterwegs, aber das Treiben wirkt eher lebendig als hektisch, und die Häuser wachsen nicht so hoch in den Himmel wie in vielen anderen Großstädten. Das mag an der langen Entwicklungsgeschichte liegen: seit 7500 Jahren leben hier kontinuierlich Menschen, womit Athen eine der ältesten Siedlungen Europas ist, und diese sehr langsam gewachsene Struktur spürt man; Hochhäuser zu bauen ist ohnehin verboten, da diese das historische Stadtbild zerstören würden – sehr weise!
Auch trägt durchaus positiv zum Eindruck bei, dass Griechenland seit langer Zeit eher nicht im Reichtum lebt – das hat der Stadt die charakterlosen Glasfassaden der Büro- und Verwaltungsgebäude der nordwesteuropäischen Großstädte erspart. Natürlich gibt es auch die Kehrseite: etliche Gebäude sind bis zur Unbewohnbarkeit verfallen, was aber irgendwie ins Stadtbild passt, denn dieses ist natürlich ohnehin von Ruinen durchzogen – nirgendwo kann man eine Baggerschaufel ansetzen, ohne auf jahrtausendealte Überreste zu stoßen. Viele davon hat man freigelegt und restauriert, so dass sich überall im Stadtgebiet Freiflächen mit Säulenreihen und Tempelfundamenten finden.
Über all dem wacht die antike Stadtfestung, die Akropolis – welche trotz der starken Zerstörung während der Belagerung durch die Venezianer 1687 einen eindrucksvollen Anblick bietet.
Die Akropolis ist natürlich auch das touristische Ziel Nr. 1 in Athen; allerdings ist der Vormittag des 10. Dezember ausnahmsweise (Athen zählt 348 Sonnentage!) mal völlig verregnet, so dass wir beschließen, statt dessen lieber das Archäologische Nationalmuseum zu besuchen.
Die 11.000 Exponate umfassende Sammlung anzuschauen ist mehr als tagesfüllend: man findet nicht nur die zu erwartenden Statuen aus der hellenistischen Epoche, sondern auch interessante Stücke aus prähistorischer Zeit, welche belegen, wie weit fortgeschritten Kunsthandwerk und Kultur schon in der Zeit vor aller Geschichtsschreibung waren.
Wirklich beeindruckend sind die Details der Marmor- und Bronzearbeiten aus der Blütezeit der altgriechischen Kultur: schaut man sich die Naturtreue der Körperformen und die Lebendigkeit der Bewegungsdynamik an, so wird klar, dass die großen Künstler der Renaissance wenig neu erfunden, sondern vielmehr jahrtausendelang verschüttetes Können wiederentdeckt haben. Manche Werke gehen sogar schon über das Ziel einer möglichst naturalistischen Wiedergabe hinaus und zeigen abstrakte Elemente, wie im Expressionismus des frühen 20. Jahrhunderts.
Man muss kein großer Kunstliebhaber sein, um sich vom direkten, unmittelbaren Kontakt mit dem, was ganz offensichtlich die Grundlage unserer abendländischen Kultur ist, berühren zu lassen – damit hat alles angefangen, was uns heute umtreibt.
Neben den Wundern der Kunst beherbergt das Museum auch eine naturwissenschaftlich-technische Sensation: den Mechanismus von Antikythera, 1900 in einem Schiffswrack entdeckt; dabei handelt es sich um einen aus Zahnrädern gebauten Analogrechner zur Darstellung astronomischer Größen.
Bis zu diesem Fund war man der Ansicht, die bekannten Erkenntnisse der alten Griechen in Mathematik und Astronomie seien eher philosophischer Natur gewesen, aber bis zur Renaissance nie in konkrete Technologie umgesetzt worden – und dann findet man diesen Mechanismus, welcher aus unzähligen Zahnrädern und anderen feinmechanischen Teilen besteht, darunter fortgeschrittene Mechanismen wie Umlaufrädergetriebe und Kurbelschleifen, mit dem selbst die Mondanomalien korrekt wiedergegeben werden können! Unglaublich, was man alles schon einmal gekonnt – und wieder vergessen hat …
Im Februar kehren wir nach Griechenland zurück und planen wieder einen Aufenthalt in Athen ein – nicht nur dass wir dieses Mal die Akropolis anschauen wollen, die Stadt hat uns auch einfach gut gefallen. Das Wetter ist schon frühlingshaft mild, und in der Altstadt Athens brodelt das Leben: alle Cafés und Kneipen sind bis auf den letzten Platz besetzt, und die Straßen voller Menschen. Nach der coronabedingten Weltuntergangsstimmung in Deutschland tut es schon unbeschreiblich gut, diesen Ausdruck nicht zu unterdrückender Lebendigkeit zu erleben!
Auch auf der Akropolis ist einiges los, dem Vernehmen nach aber ist das nichts gegen die Menschenmassen, die sich im Sommer täglich durch das Gelände wälzen – gut, dass wir nicht in der Saison hier sind! Der gut 150 Meter hohe, plateauförmige Berg beherbergt die ältesten Teile Athens; nach der Zerstörung durch die Perser wurde das Areal unter Perikles, einem der gewählten (!) Oberhäupter der Athener, in der Zeit zwischen 467 v. Chr. und 406 v. Chr. neu bebaut.
Das bekannteste und herausragendste Bauwerk ist wohl der Parthenon-Tempel, welcher der Stadtgöttin Athene gewidmet war und ein 11 Meter hohes Standbild der Göttin, bestehend aus Elfenbein und Gold (über eine Tonne!), beherbergte (von dem nur kleine Nachbildungen die Jahrtausende überdauert haben). Sowohl die Architektur als auch die künstlerische Bauausschmückung sind einzigartig, was selbst aus den Resten, welche die bereits erwähnte Zerstörung durch die Venezianer 1687 sowie den dreisten Kunstraub durch Lord Elgin Anfang des 19. Jahrhunderts überlebt haben, noch zu ersehen ist.
Bei einem Gebäude dieses Ausmaßes (ca. 30 x 70 Meter Grundfläche, knapp 14 Meter Höhe) spielen für die möglichst harmonische Wahrnehmung perspektivische Effekte eine große Rolle. Tatsächlich ist praktisch nichts an dem Gebäude gerade oder gleichmäßig: die Grundlinien sind konkav, die Säulen kippen nach innen und sind je nach Position im Gebäude unterschiedlich geformt. In der Summe aber sieht unser Auge nur eines: Harmonie und Perfektion – nicht ohne Grund gilt der Parthenon als eines der bedeutendsten Bauwerke der Welt. Wer’s nicht glaubt, schaue sich im Vergleich Kopien wie z.B. die Walhalla in Regensburg an – größer, aber unausgewogener, weil man von den Feinheiten des Originals 1842 noch nichts (bzw. nichts mehr) wusste.
Auch die anderen erhaltenen Bauwerke sind beeindruckend und haben den Maßstab für abendländische Architektur definiert, so etwa die Propyläen, die Torhallen im Zugang zum Tempelbezirk (kopiert z.B. im Brandenburger Tor), das Erechtheion mit seinen großartigen Karyatiden oder der Niketempel.
An den Hängen der Akropolis liegt das rund 17.000 Zuschauern Platz bietende Dionysostheater – nicht irgendein weiteres antikes Theater, sondern das Theater überhaupt: hier wurden die berühmten klassischen Tragödien von Aischylos, Sophokles und Euripides uraufgeführt, und es gilt als die Geburtsstätte des klassischen Dramas – und damit richtungsweisend für unsere gesamte Literatur.
Nach so viel bedeutungsschwerer Geschichte verbringen wir den Rest des Tages mit Spaziergängen durch die Stadt, wobei selbstverständlich kulinarische Aspekte nicht fehlen dürfen – das Preisniveau ist in Athen etwas höher als in der griechischen Provinz, aber für deutsche Verhältnisse immer noch äußerst moderat, und die Auswahl und Qualität lassen wirklich keine Wünsche offen.
Am Sonntag fahren wir mit der U-Bahn nach Piräus, wo sich seit seit dem Altertum der Hafen Athens befindet; von hier steuern regelmäßige Fähren die ganze ägäische Inselwelt an, und eine davon bringt uns in rund achtstündiger Fahrt zurück nach Astypalaia.
Am Sonntagmorgen, den 24. Oktober, verlassen wir den Hafen von Ormos Marathokambou auf Samos mit Südostkurs; vor uns liegt der Dodekanes, wo unsere Sommerrunde nach Nordgriechenland Ende Mai dieses Jahres begonnen hat. Wir sind also wieder in vertrauten Gewässern, allerdings haben wir uns hier vor 5 Monaten nicht allzu viel Zeit lassen können, und so gibt es noch genügend Inseln und Buchten, die wir noch nicht kennen.
Das erste Ziel soll Agathonisi sein, die nördlichste bewohnte Insel im Dodekanes; 22 Seemeilen sind es bis dorthin, und die Wettervorhersagen versprechen Nordwestwind zwischen 4 und 6 Beaufort – na, denken wir, da kann ja nichts schiefgehen! Wie so häufig unterscheidet sich die Realität aber signifikant von allen Wettermodellen: auf den ersten zwei bis drei Seemeilen schieben uns noch Fallwinde von bis zu 20 Knoten an, und dann kommt der Wind auf einmal innerhalb weniger Minuten völlig zum Erliegen; ja, nach einer Weile stellt sich sogar ein schwacher Südwind von drei oder vier Knoten ein – was soll man denn damit anfangen?
Wir beschließen notgedrungen, uns aus der Windabdeckung von Samos herauszumotoren – was grundsätzlich auch gelingt, allerdings erst, als die Küste von Agathonisi schon zum Greifen nahe ist; dann setzt der Wind fast eben so plötzlich wieder ein, wie er drei Stunden zuvor verschwunden war. Wir lernen daraus, dass die gut 1400 Meter hohe Insel Samos offenbar in der Lage ist, kräftigen Nordwind auf rund 15 Seemeilen völlig zu verschlucken …
Agios Georgios / Agathonisi
Wir umrunden die kleine Insel und laufen – nun bei 20 Knoten Gegenwind, was denn sonst – in die nach Süden offene Bucht von Agios Georgios ein. Dort gibt es einen Fähranleger, der sich naheliegenderweise für einen längeren Aufenthalt verbietet, eine schöne Sandfläche zum Ankern, in deren Mitte eine sehr raumgreifende Hanse 558 schwojt, und schließlich den Anleger für die Fischer; dort steigt der Grund zum Kai hin schnell an, aber die ‘Orion’ ist hier mit ihrem Tiefenprofil mal wieder im Vorteil – während wir vom Bugspriet noch einen langen Schritt an Land machen können, hätte es bei unserem ankernden Nachbarn schon längst geknirscht.
Die Insel hat vielleicht 100 Einwohner, ein Café, eine Taverna, einen Minimarkt – und unzählige Ziegen. Sehr beschaulich geht es hier zu, für Ruhesuchende das richtige Ziel; allerdings ist der größte Teil der kargen Insel praktisch unzugänglich, man kann nur über erstaunlich gut ausgebaute Straßen zwischen den drei Ortsteilen laufen, sonst gibt es nur Wildnis. Für einen Tag aber ein nettes Ziel, besonders wenn draußen der Meltemi mit inzwischen 6 bis 7 Windstärken bläst und man hier bei gutem Schutz in der Sonne abhängen kann 🙂
Limani / Arkoi
Dienstagmorgen zieht es uns weiter: knapp 20 Seemeilen westlich liegt die Insel Arkoi, und der immer noch kräftige Nordwind trägt uns mit gerefftem Groß und Klüver in rauschender Fahrt dorthin – eigentlich hätte man bei dem tollen Wind auch gleich bis Patmos durchsegeln können, aber wir fanden es im Mai auf Arkoi so nett, dass wir dort noch einmal Station machen wollten. Wir kommen also schon am späten Mittag an, und so fällt es uns nicht ganz so schwer, den eigentlich vorgesehenen Aufenthaltstag auf Arkoi wegen der weiteren Wetterentwicklung zu streichen; wir kehren am Abend nochmal in der Taverna von Nikolas ein und legen am Mittwochmorgen wieder ab.
Skala / Patmos
Immer noch weht der Nordwind, allerdings etwas schwächer als am Vortag; es reicht aber völlig, um die 12 Seemeilen bis in den Hafen der Nachbarinsel Patmos unter Segeln zurückzulegen. Nach dem winzigen Hafen von Arkoi ein ziemlicher Kontrast: rund um eine geräumige Bucht ziehen sich die Hafenanlagen, die groß genug sind, um Kreuzfahrtschiffe aufzunehmen.
Aufgrund dessen hatten wir keine allzu großen Erwartungen an die Insel, fürchteten wir doch Massentourismus à la Mykonos; wir werden aber positiv überrascht: der Hafenort Skala ist wirklich hübsch mit seinen weißen Häusern und steingepflasterten Straßen, die Gastronomie bietet keine überteuerte Massenabspeisung, sondern die in Griechenland übliche hohe Qualität zu vernünftigen Preisen – und über die Andenkenläden mit Made-in-China-Nippes kann man ja auch mal hinwegsehen 🙂
Am Donnerstag den 28. wollen wir die Insel erkunden: eigentlich war schon ein Mietwagen angedacht, aber beim Kartenstudium stellen wir fest, dass sich die Hauptsehenswürdigkeiten von Patmos in einer längeren Rundwanderung erreichen lassen, und so entscheiden wir uns gegen das Auto.
Zunächst geht es eine gute Stunde stramm bergauf in die Chora; dabei führt die Straße an der Johannesgrotte vorbei, welcher die Insel ihre Berühmtheit im Umfeld der orthodoxen Kirche verdankt: hier hat der Prophet Johannes, der in römischer Verbannung auf der Insel weilte, das letzte Buch des Neuen Testaments, die Offenbarung des Johannes, niedergeschrieben – diesem Umstand verdankt Patmos den in unseren Ohren etwas seltsamen Beinamen ‘Insel der Apokalypse’. Jener Johannes ist übrigens nach neuerem Stand der Geschichtsforschung nicht identisch mit dem Apostel Johannes, wie man früher angenommen hat; nichtsdestotrotz ist diesem das 1088 gegründete Kloster, dessen burgartige Erscheinung sich über der Chora erhebt, gewidmet.
In der Chora geraten wir mitten in die Feierlichkeiten zum 28. Oktober, dem Ochi-Tag (gr. όχι = nein) – hier gedenkt man in Griechenland den Ereignissen von 1940, als Mussolini den Griechen anbot, sich wehrlos den Streitkräften Italiens zu ergeben, statt von diesen gewaltsam überrannt zu werden; die Griechen lehnten ab, und fügten in der Folge den zahlen- und ausrüstungsmäßig weit überlegenen Italienern eine vernichtende Niederlage zu – das hatte der Diktator sich wohl anders vorgestellt.
Zur Feier des Tages marschiert die örtliche Militärgarnison (ca. 20 Mann) auf, und sämtliche Schulkinder der Insel nehmen an dem Umzug teil – die Straßen wimmeln vor Menschen. Mit dem Ende des Umzugs kehrt aber bald wieder Ruhe ein, und wir können die verwinkelten Straßen des Ortes erkunden. Viele der Gebäude sind gut erhalten und in strahlendem Weiß gestrichen, ein echtes Bilderbuchdorf, das verständlicherweise im Sommer so viele Besucher anzieht; jetzt ist natürlich nichts mehr los, nachdem sich die Umzugsteilnehmer zerstreut haben, gehört der Ort uns quasi allein. Die Kontraste von tiefblauem Himmel, weißen Mauern und leuchtenden Bougainvilleen faszinieren uns immer wieder – ein Fest für’s Auge!
Hier ist die Wanderung aber noch nicht zu Ende: wir steigen von der Chora hinab ins nächste Tal, um dann auf den Profitis Ilias zu steigen, mit 269 Metern die höchste Erhebung der Insel.
Die gleichnamige Kapelle nimmt praktisch die gesamte Fläche des Felsendoms ein, aber man kann mit etwas Kletterei einen Rastplatz mit grandioser Aussicht über Patmos und die umgebende Inselwelt erreichen; wir können Ikaria, Fournoi, Samos, Arkoi, Leipsoi, Leros, Levitha und schemenhaft selbst noch Amorgos sehen – und stellen einmal mehr fest, dass der Dodekanes wie zum Segeln gemacht ist!
Nach dem langen Rückweg bis zum Hafen sind wir einigermaßen erschöpft, aber nicht zu sehr, um der lokalen Gastronomie noch einen Besuch abzustatten – wie immer nehmen wir eine positive Erinnerung mit.
Paralia Kambos / Leipsoi
Am Freitag verlassen wir Patmos schon wieder – gerne hätten wir noch ein paar Ankerbuchten kennengelernt, aber es ist der vorerst letzte Tag mit passendem Wind, und so wollen wir noch ein Stückchen weiterkommen; um dies zu ermöglichen, hatten wir auch unseren Aufenthalt auf Arkoi schon verkürzt.
Wir segeln bei frischem Nordnordwest zur Nachbarinsel Leipsoi; hier waren wir im Mai schon mal, haben damals aber an der Südseite geankert, während wir jetzt die große Bucht anlaufen, in welcher der Hauptort der Insel und der einzige Hafen liegen. Wir ankern direkt neben dem Hafen vorm Strand von Kambos, um den laut Wettervorhersage letzten sonnigen Abend für einige Tage in der Natur zu genießen – und den Hafen erst anlaufen zu müssen, wenn kein so starker (Seiten-)Wind mehr das Anlegemanöver verkompliziert.
Limani / Leipsoi
Am Samstagmorgen ist dies wie angekündigt der Fall, und wir machen mit dem Heck voran an der Pier von Leipsoi fest. Da das Wetter noch viel länger stabil bleibt als vorhergesagt – das Einsetzen des Regens wurde inzwischen auf Sonntag verschoben – können wir noch in aller Ruhe einen entspannten Tag an Bord und im Ort verbringen, wobei letzteres unvermeidlich mit der Aufnahme weiterer kalorienreicher Köstlichkeiten verbunden ist: die Konditorei im Ort ist umwerfend gut!
Am Sonntag ist es dann tatsächlich bewölkt, und über den ganzen Tag verteilt fallen auch wirklich mehrmals ein paar Tropfen Regen – so richtig regnet es hier ja eher selten. Es ist aber unfreundlich genug, um das Boot kaum zu verlassen; eine gute Gelegenheit, sich einiger anstehenden Arbeiten an Bord anzunehmen, aber auch, um einfach mal nichts zu tun – man mag es ja kaum für möglich halten, aber die Tage sind ganz schön ausgefüllt, Langeweile kommt jedenfalls nicht auf. Am späten Nachmittag reißt die Wolkendecke auch auf, und wir bekommen mal einen anderen Abendhimmel zu sehen: dramatisch werden die dicken Wolken von der untergehenden Sonne angestrahlt. Dass das jetzt wegen der in der vergangenen Nacht erfolgten Zeitumstellung schon eine Stunde früher geschieht, ist allerdings nicht so schön …
Paralia Blephoutis / Leros
Am Morgen des 1. November ist der Himmel wieder blau, und zum Mittag hin hat sich ein ganz leichter Nordwind angesagt; eine gute Gelegenheit, ein wenig Strecke nach Süden gutzumachen, und uns dabei eine Ankerbucht mit Südschutz zu suchen, für die Nacht von Dienstag auf Mittwoch ist nämlich kräftiger Südwind angesagt.
Wir segeln also nur mit Klüver bei 6 bis 8 Knoten Wind auf Leros zu; natürlich ginge das schneller, wenn wir den Gennaker rausholen würden, aber bei gerade mal 8 Seemeilen Tagesdistanz siegt die Faulheit … wir kriechen also ganz friedlich mit ein bis 2 Knoten Fahrt über die fast völlig glatte See – perfekt, um in der Sonne zu liegen und ein Buch zu lesen, während der Autopilot den Kurs hält.
Am späten Mittag erreichen wir eine tief eingeschnittene und nur über eine schmale Durchfahrt von Norden zugängliche Bucht im Norden von Leros und ankern vorm Strand von Blephoutis auf 5 bis 6 Meter Tiefe über reinem Sandgrund – hier kann der Südwind kommen. Wir nutzen die Wärme der Nachmittagssonne und springen in das mit 20 Grad zwar nicht mehr wirklich warme, aber dafür kristallklare und verlockend leuchtende Wasser – und müssen uns immer wieder vor Augen halten, dass heute der November begonnen hat!
Der Dienstag beginnt mit völliger Windstille, aber im Laufe des Vormittags setzt langsam der angekündigte Südwind ein; dabei ist es noch fast wolkenlos sonnig und deutlich über 20 Grad warm. Wir genießen die Ruhe in der hübschen Ankerbucht und das herrliche Wetter; mit dem Südwind soll es sich wieder zuziehen und etwas regnen, noch ist davon aber nichts zu sehen.
Agia Marina / Leros
Nachdem es in der Nacht auf Mittwoch den angekündigten Südwind und tatsächlich etwas Regen gegeben hat, sieht es am nächsten Morgen schon wieder ganz freundlich aus, und der Wind hat auch an Stärke verloren; wir lassen uns davon unter Klüver aus der Bucht heraustragen und halten an der Ostküste der Insel auf die nächste große Bucht zu. Dort liegt der Fischerhafen von Agia Marina, wo wir einen Liegeplatz an der Seite des kleinen Fähranlegers finden; uns ist zwar nicht so ganz klar ob wir dort liegen dürfen, aber wenn nicht, so sagen wir uns nach einem Jahr Griechenland-Erfahrung, wird uns das schon jemand mitteilen – was nicht explizit verboten ist, ist normalerweise erlaubt.
Agia Marina erweist sich als netter kleiner Ort; hier – und nicht im deutlich größeren Lakki – befindet sich auch die Gemeindeverwaltung der Insel. Überragt werden Ort und Bucht von der immer noch imposanten Johanniter-Festung aus dem 14. Jahrhundert; der Weg dort hinauf erweist sich als äußerst schweißtreibend, denn der Südwind hat auch eine Temperaturerhöhung mit sich gebracht: über 25 Grad sind es im Schatten – den man aber auf dem gesamten Aufstieg vergeblich sucht. Es lohnt sich dennoch, die Mühe auf sich zu nehmen, sowohl für die Festung selbst wie auch für den Ausblick, der sich von dort über Leros bietet.
Wir bleiben am Donnerstag noch in Agia Marina, denn wir wollen noch ein wenig die Umgebung erkunden, und Wind gibt es auch keinen. Wir unternehmen eine Wanderung, die uns über Platanos auf der gegenüberliegenden Seite der Halbinsel bis an die Bucht von Lakki und zurück führt. Platanos verfügt über einen schönen Strand aus ganz feinem Kies und stimmungsvollen Cafés an dessen Rand, von denen aus sich eine tolle Aussicht gen Süden bis nach Kalymnos genießen lässt – herrlich, hier mit einem Freddo in der Wärme zu chillen!
Auch am Freitag ist noch kein brauchbarer Wind in Sicht, aber die Flaute ändert ihre Richtung: es läuft leichter Schwell aus Nord in die Bucht, Vorbote einer Winddrehung. Nun erhebt auch tatsächlich jemand Anspruch auf unseren Liegeplatz: ein Kreuzer der griechischen Küstenwache möchte dort anlegen. Die Uniformierten fragen aber sehr höflich, ob es uns etwas ausmachen würde, das Boot etwas in Richtung der Fischer zu verholen, und nehmen auch gleich die Leinen, um zu helfen – ach, wäre der Umgang mit Seglern (die man hier als ‘Gäste’ in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes versteht) doch überall so!
Paralia Vromolithos / Leros
Wegen des Schwells und des aufkommenden Nordwindes verlassen wir aber später doch noch unseren Liegeplatz – nicht ohne vorher nochmal die einfach göttliche Konditorei gleich am Hafen zu besuchen …
Wir motoren um die Halbinsel, um diejenige Bucht zu erreichen, die wir am Vortag umwandert haben. Wir finden vor Vromolithos ein ausgedehntes Bojenfeld und machen uns der Faulheit halber dort für die Nacht fest – während der Saison wird hier wohl eine Gebühr erhoben, jetzt aber offensichtlich nicht mehr.
Den Nachmittag verbringen wir mit Schnorcheln (auf über 8 Meter Wassertiefe erkennt man jedes Sandkorn am Boden) und Lesen, in der Sonne fühlt es sich hochsommerlich an – am 5. November!
Palionisos / Kalymnos
Am Samstag gibt es dann endlich Nordwind – wirklich nicht viel, aber gerade genug um uns die kaum 12 Seemeilen bis hinüber nach Kalymnos vorzunehmen. Leider gibt es deutlich mehr Dünung als der Wind erwarten ließe, und so schaukeln wir uns unter heiß brennender Sonne gen Süden.
Beeindruckend ist die Silhouette der 700 Meter hohen Insel, die sich gegen die Sonne im Südwesten wie ein Scherenschnitt abzeichnet; der Nordteil der Insel fällt steil ins Meer ab und ist praktisch unbewohnt.
Erste Ankermöglichkeit an der Ostküste ist Palionisos – von einem Ort zu sprechen wäre schon übertrieben, es gibt nur drei Tavernen, die einige Muringbojen ausgelegt haben, um Segler anzulocken; erst seit 2009 führt eine Schotterstraße hierher, vorher war die Siedlung nur zu Fuß und per Boot zu erreichen. Die Einfahrt erinnert an einen norwegischen Fjord, so steil ragen zu beiden Seiten die Felsen auf; am Ende der Bucht angeln wir uns eine der Bojen und verbringen eine ruhige Nacht – die leider recht früh beginnt, weil die Sonne schon am Nachmittag hinter dem Gebirge verschwindet.
Vathy / Kalymnos
Am Sonntag gibt es weiter Flaute aus nördlichen Richtungen – wieder nehmen wir uns nur eine kurze Strecke von gut 7 Seemeilen vor, damit wir nicht nur motoren müssen, und tatsächlich können wir unter Segeln den größeren Teil der Strecke zurücklegen; erst als wir auch noch in die Abdeckung der Insel geraten, fällt die Fahrt auf unter einen Knoten, und wir werfen für die letzte halbe Stunde den Motor an.
Die Einfahrt ist ähnlich fjordartig wie in Palionisos, dahinter tut sich aber ein kleines Fischerdorf vor einem fruchtbaren Tal auf. Es gibt einen kleinen Anleger mit Platz für drei oder vier Gäste; wir bekommen vom rührigen Hafenmeister Manolis einen Platz zugewiesen, er organisiert auch gleich eine Landstromversorgung per Kabeltrommel – den Strom müssen wir bezahlen, der Liegeplatz kostet … nichts!
Die Lage zwischen hohen Felsen ist wirklich attraktiv, das Wasser leuchtet in herrlichem Türkis, die Häuser sind gepflegt, die Tavernen einladend – was für ein schöner Ort! Im Sommer wird es hier wohl auch recht voll mit Tagesausflüglern aus Kos, nun aber ist es ganz ruhig. Autovermietungen gibt es nur im Hauptort der Insel, aber Manolis organisiert für uns gleich die Überstellung eines Mietwagens für den nächsten Tag nach Vathy – was will man mehr.
Am nächsten Morgen holt uns also Nikos, der Besitzer des Autoverleihs, mit einem kleinen Nissan ab, und wir fahren zusammen nach Pothia, dem Hauptort der Insel, von wo wir unsere Erkundung beginnen. Ähnlich wie Lakki auf Leros kann Pothia seine italienische Vergangenheit nicht leugnen, die alten Gebäude und Villen befinden sich aber in wesentlich besserem Zustand als dort. Der große Hafen wirkt sehr lebendig, und man flaniert an unzähligen Cafés entlang, während man ihn umrundet.
Nach dem Hafenbummel fahren wir mit dem Auto zunächst in Richtung der Chora, die heute mit dem Hafenort Pothia zusammengewachsen ist. Hier gibt es – wie es sich für jede griechische Insel gehört – auch ein Kastro, welches allerdings stark verfallen ist; nichtsdestotrotz lohnt sich der Aufstieg für den tollen Ausblick über die Insel.
Kalymnos war lange Zeit als Insel der Schwammtaucher bekannt; in den letzten Jahren sind die Erträge aber stark zurückgegangen, da die Schwämme durch noch unbekannte Ursachen dezimiert werden – die Meeresverschmutzung ist dabei kein unwahrscheinlicher Kandidat. Die qualitativ besten Schwämme werden aus großer Tiefe geholt; dies war früher eine sehr gefährliche Arbeit, da es durch zu schnelles Auftauchen zur Taucherkrankheit kommt. Dies war so verbreitet, dass die dadurch bedingten Lähmungen in die traditionellen Tänze der Insel eingegangen sind.
Heute verdient man sein Geld ungefährlicher: die ungemein steilen Höhenzüge der Insel sind zu einem beliebten Ziel für Sportkletterer aus aller Welt geworden, und während die Segelsaison sich ihrem Ende entgegen neigt, nimmt die Kletterei jetzt, wo es nicht mehr so heiß ist, erst mal richtig Fahrt auf; auf unserer Fahrt entlang der Westküste sehen wir hauptsächlich mit Kletterausrüstung behängte Sportler, die sich auf den Weg zu den Touren machen.
Hinreißend ist der Ausblick von der Küstenstraße auf die vorgelagerte Insel Telendos, die steil aus dem Meer aufragt – das Spiel der Sonne auf dem Wasser, die Farben des Meeres und der Felsen sind ein visueller Genuss.
Endpunkt der Straße und auch einer der Höhepunkte des Ausflugs ist der Ort Emborios weiter im Norden der Insel; der Ausblick, der sich vom Kiesstrand des Ortes nach Süden bietet, ist wirklich wunderschön – hier, denken wir, würden wir auch gerne mal ankern!
Zum Tagesabschluss fahren wir schließlich noch an den Strand von Kantouni, wo wir die Sonne im Meer versinken sehen … immer wieder wunderschön.
Was für ein Ankerplatz!
Der Kiesstrand von Emborios
Sonnenuntergang vor Kantouni
Vlichadhia / Kalymnos
Im Laufe des Dienstags soll dann endlich Nordwind einsetzen; wir wollen den besten Absprungort zur Überfahrt nach Astypalaia ansteuern und beschließen also, erst mal abzuwarten, um vielleicht den Wind schon nutzen zu können. Es wird aber Nachmittag, ohne dass sich ein Lüftchen rührt, und so müssen wir schließlich die gut 7 Seemeilen nach Vlichadhia motoren, um noch beim letzten Tageslicht eine gute Stelle zum Ankern auswählen zu können.
Nach einem windstillen und beschaulichen Abend in der hübschen Ankerbucht geht es dann um drei Uhr in der Nacht los: plötzlich kommt Wind auf, und binnen kürzester Zeit ergreifen Böen von über 30 Knoten die ‘Orion’. Der Anker hält, aber der Rest der Nacht wird nicht sehr erholsam …
Am Mittwoch geht es genauso weiter: durchgängig 7 Beaufort den ganzen Tag, in Böen bis zu 9, See 2,6 Meter charakteristische Wellenhöhe lautet die Vorhersage; da bleiben wir lieber noch vor Anker und lassen uns bei strahlendem Sonnenschein (Meltemiwetter!) den Wind um die Ohren pfeifen – so ist es eben, wochenlang Flaute und dann viel zu viel Wind.
Maltezana / Astypalaia
In der Nacht zum Donnerstag scheint es sich tatsächlich etwas beruhigt zu haben, in unserer Ankerbucht messen wir kaum noch 12 Knoten Wind; da auch die aktuellen Vorhersagen in den Morgenstunden noch 5, später dann nur noch 4 Windstärken versprechen, binden wir nur ein Reff ins Groß und lichten gleich nach Sonnenaufgang um 7 Uhr den Anker, um aus der Bucht zu segeln und uns auf die knapp 40 Seemeilen lange Überfahrt nach Astypalaia zu machen..
Während wir uns langsam von der Küste entfernen, nimmt die Windgeschwindigkeit ab statt zu; nach einer halben Stunde haben wir völlige Flaute und müssen uns tatsächlich unter Motor dort herausschieben – denn dass es sich nur um die Abdeckung von Kalymnos handelt, das ist uns schon klar.
Nach einer weiteren halben Stunde sehen wir dann voraus weiße Kronen auf den Wellen, und schlagartig ist der Wind wieder da, aber nicht mit den angekündigten 5 Beaufort, sondern mit knackigen 7 Windstärken, in den Spitzen lesen wir auch 36 Knoten ab (Windstärke 8) – und das mit nur einmal gerefftem Groß und vollem Klüver! Die Wellen wachsen innerhalb weniger Minuten zu beeindruckenden Bergen; trotz des raumen Windeinfallwinkels schieben wir ordentlich Lage, während die ‘Orion’ mit über 8 Knoten durchs Wasser schießt – schön schnell, aber doch etwas unheimlich, wir sind definitiv übertakelt. Richtig wäre natürlich, das zweite Reff ins Groß zu binden und den Klüver gegen den Kutter zu tauschen, das ergibt einen ausgewogenen Segeldruckpunkt – aber das Groß reffen bei stürmischem Wind und drei bis fünf Meter hohen Wellen grenzt ja an Arbeit, also beschließen wir das Groß im ersten Reff zu belassen und dafür gar kein Vorsegel zu setzen – natürlich wird das Boot so luvgierig durch das Drehmoment des weit offenen Großsegels, aber eine Viertelumdrehung des Steuerrads genügt, um dies zu kompensieren, und unsere Aries-Windsteueranlage kommt offenbar auch damit klar – also erfreuen wir uns die nächsten Stunden an immer noch gut 6 Knoten Fahrt und der glitzernden Sonne auf der aufgewühlten See!
Bald können wir Astypalaia am Horizont ausmachen, und schnell kommt die Insel näher. Am frühen Mittag geht der Wind tatsächlich etwas zurück, wir messen nur noch eine 6 im Mittel, und die Böen erreichen gerade die 7; wir können nun auch das Kuttersegel hinzunehmen, und gegen 14 Uhr haben wir die Insel umrundet und legen an der Pier von Maltezana an – hätten wir geahnt, dass wir so schnell unterwegs sind, hätten wir auch ausschlafen können.
Von hier sind wir nach dem endlosen Lockdown-Winter vor knapp 6 Monaten und rund 1600 Seemeilen zu unserer Runde durch die nördliche Ägäis aufgebrochen, und nun zurückzukehren fühlt sich fast wie eine Heimkehr an – der Fischer, der unsere Leinen annimmt, begrüßt uns gleich als alte Bekannte, und bald schon heißen uns unsere Freunde, die wir im letzten Winter hier gewonnen haben, herzlich willkommen auf Astypalaia!
Skala / Astypalaia
Freitag weht dann endlich wirklich nicht mehr so viel Wind, und wir verholen uns die drei Seemeilen bis in den Hafen der Insel – wie oft haben wir diese Strecke schon zurückgelegt! Nach dem Anlegen begrüßt uns auch unser Hafenkater und holt sich die lange vermissten Streichel- und Futtereinheiten ab; er ist gesprächig wie immer und wohlgenährter denn je, offenbar hatte er einen guten Sommer 🙂
Auch hier verbringen wir einige (sehr!) lange Wiedersehens-Abende – und leben uns schnell wieder ein, so als seien wir kaum weg gewesen. Nach dem Wochenende verholen wir uns nochmal nach Maltezana, dann wieder zurück in den Hafen, wie immer es der Wind so will; auch ein Ausflug zum Ankern in die Bucht von Glyno bei 7 bis 8 Windstärken aus Südost bleibt uns nicht erspart – letztes Jahr um diese Zeit hatten wir noch stabilen Nordwind, nun ist es viel unbeständiger. Auf der Insel wartet man allerdings verzweifelt auf Regen, da sich der Wassersepeicher über den Sommer bedrohlich geleert hat, wir wollen uns also über ein paar Wolken nicht beschweren …
Winterlager
Am 1. Dezember ist es dann soweit: es ist sonniges Wetter und kaum Wind angesagt, also begeben wir uns an die Pier von Maltezana, wo gegen Mittag Nikitas vom Boatyard mit einem großen Schlepper mit Kranausleger ankommt, um erst mal unseren Mast zu legen – was keine Probleme bereitet, wir haben da ja genug Übung. Interessanter wird schon der Transport zum etwa einen Kilometer entfernten Werftgelände: ein mit Mais beladener LKW bekommt unseren Mast kurzerhand oben aufgelegt und nimmt ihn eben mit …
Wir fahren danach um die Ecke zum Strand von Schoinondas, wo schon der Slipwagen auf uns wartet: das Einfahren und Fixieren des Bootes läuft erst mal völlig problemlos, nur als der Schlepper den (gewaltig schweren!) Slipwagen zusammen mit der ‘Orion’ auf den Strand ziehen will, gibt es Ärger: die Räder drehen durch und graben sich tief in den Sand. Aber zum Glück gibt es ja hier für alles eine Lösung: binnen kurzer Zeit kommt ein großer Radlader angefahren und wird mit Stahlseilen noch vor den Schlepper gespannt! Ob das europäischen Standards entspricht darf angezweifelt werden, aber es funktioniert – bald darauf stehen wir auf dem Strand und wenig später, nach einer gemächlichen Fahrt über 100 Meter Straße, erreichen wir den Boatyard. Der Kiel wird unterfüttert, der Slipwagen hydraulisch abgesenkt, sechs massive Stützen in Position gebracht – und nach insgesamt 5 Stunden sind wir auf unserem Winterplatz angekommen!
Am Montagmorgen den 4. Oktober verlassen wir nach fast zwei Wochen endlich Limnos – nicht, dass es uns hier nicht gefallen hätte, aber die Saison ist selbst in der Ägäis nicht endlos …
Wir legen mit dem ersten Licht der Morgendämmerung ab, denn uns trennen etwa 60 Seemeilen vom nächstgelegenen Hafen auf der Insel Lesvos, unserem nächsten Ziel. Laut Vorhersage sollen auch heute auf der vor uns liegenden Strecke um die 22 Knoten Wind aus Nordnordost wehen, also eine kleine Windstärke 6; die charakteristische Wellenhöhe ist wie erhofft auf etwa anderthalb Meter gesunken – wie gesagt, laut Vorhersage. Die Realität sieht zunächst mal ganz anders aus: als wir den Hafen von Myrina verlassen, kann der Windmesser kaum mehr als 10 Knoten vermelden – damit kommen wir nie nach Lesvos! Also muss tatsächlich erst mal eine Stunde der Motor mitlaufen, während über Limnos malerisch die Sonne aufgeht. Von den zunächst eingebundenen zwei Reffs im Großsegel schütten wir eines gleich mal wieder aus – Vollzeug zu setzen trauen wir uns dann aber doch nicht.
Mit gutem Grund, denn wenig später stellen wir fest, dass es mal wieder nur die Abdeckung durch die Insel war, die uns getäuscht hat: kaum haben wir freie Sicht nach Osten, legt der Wind immer mehr zu, und der Motor hat Ruhe. Gegen Mittag haben wir die angesagten Windstärken erreicht, und da wir uns zwischenzeitlich nicht motivieren konnten das zweite Reff wieder einzubinden, gleiten wir leicht übertakelt mit gut 6 Knoten bei halbem bis raumem Wind durch die Wellen! Das macht so viel Spaß, wer mag denn da auf die Bremse treten?!
Aber natürlich kommt, was kommen musste: zum Nachmittag legt der Wind auch weiter zu und erreicht die 7 Beaufort, in Böen auch häufiger mal die 8; wir ersetzen noch den Klüver durch das kleinere Kuttersegel, aber das Groß fassen wir nicht an – es läuft doch soooo schön! Und so ziehen wir eben häufiger mal die Leereling durchs Wasser, ziehen den Kopf ein wenn mal wieder eine Welle übers Deck bricht und erfreuen uns ansonsten über 7 Knoten Fahrt – damit erreichen wir Lesvos noch deutlich vor Sonnenuntergang, wer hätte das gedacht!
Sigri / Lesvos
Der starke Wind bleibt uns bis zuletzt erhalten, aber vor unserem Ziel, dem Ort Sigri, liegt eine längliche Insel vorgelagert, die eine große, gut geschützte Bucht bildet; kaum haben wir das Südende der Insel passiert, sind die hohen Wellen verschwunden, und wir können problemlos die Segel herunterholen und einen Ankerplatz südlich der Halbinsel, auf der Sigri liegt, ansteuern; der Ankergrund ist zwar nicht so berauschend, wir brauchen zwei Anläufe, bis das Eisen hält (und das kommt bei unserem Ankergeschirr wirklich selten vor), aber die Windabdeckung ist so gut, dass es darauf nicht wirklich ankommt. Wir freuen uns über die erfolgreiche Überfahrt, genießen noch die unbeschreiblichen Farbverläufe des Abendhimmels nach Sonnenuntergang und verbringen schließlich eine ruhige, lange Nacht vor Anker.
Ormos Apothikes / Lesvos
Am nächsten Morgen schlafen wir zwar verdientermaßen aus, machen uns dann aber gleich auf den Weg, ohne vorher noch den Ort Sigri anzuschauen – Lesvos ist immerhin die drittgrößte Insel Griechenlands, und wir wollen die kommenden zwei Tage, an denen noch der Meltemi wehen soll, ausnutzen, um entlang der Südküste Strecke zu machen.
Tatsächlich können wir gut segeln, im Wellenlee der Insel müssen wir uns nicht mehr mit brechenden Wellen herumschlagen, aber genug Wind kommt über die hohen Bergketten – wenn auch recht ungleichmäßig, von 5 bis 25 Knoten ist alles drin. Gut, dass die ‘Orion’ letzteres auch mit viel Tuch geduldig hinnimmt – und voll Salz ist vom Vortag ja eh schon alles.
Die vorbeiziehende Küste im Südosten der Insel ist wieder deutlich gebirgiger als es Limnos war, aber ebenso trocken. Lesvos weist zwei sehr große Einbuchtungen auf, die nur über schmale Passagen mit dem Meer verbunden sind und quasi Binnenseecharakter haben, den Kolpos Kallonis und den Kolpos Geras; noch in der Zufahrt zum Kolpos Kallonis – die übrigens betonnt ist, das sieht man hierzulande nicht gerade häufig! – liegt eine Ankerbucht vor einer Flussmündung, Ormos Apothikes, die unser Tagesziel darstellt.
Wir folgen also erstmals seit einer gefühlten Ewigkeit wieder einem betonnten Fahrwasser durch die felsige Einfahrt und können wenig später den Anker vor der Flussmündung auf schlammigem Grund werfen. Der Halt ist ausgezeichnet, und am nächsten Morgen verstehen wir auch, warum: der Schlamm ist sehr fest und zäh, wir haben offenbar den Anker vollständig darin vergraben, denn er ist bis zum Ende mit dem klebrigen Zeug überzogen, als er wieder ans Tageslicht kommt.
Paralia Tsilia / Lesvos
Auch am Mittwoch geht die Reise weiter entlang der Küste: wir können unter Vorsegel den Ankerplatz im Kolpos Kallonis verlassen und machen zunächst gute Fahrt bei unverändert abwechslungsreichen Windverhältnissen.
Erst als wir in den Bereich der Insel kommen, wo die fast 1000 Meter hohen Gebirgsketten bis dicht an die Küste reichen, erfahren wir so massive Windabdeckung, dass für eine Stunde der Motor helfen muss – verrückt genug, wenn man gerade noch mit gerefftem Tuch auf der Seite gelegen hat! Dafür wird die Landschaft ab hier viel grüner, und auf der Höhe des Ortes Plomari hat uns auch der Wind wieder eingeholt, und wir können den Rest der Strecke bis kurz vor die Einfahrt in den Kolpos Geras wieder segeln.
Hier ist es landschaftlich besonders reizvoll, die Küste bietet wild zerklüftete Felsen, vorgelagerte Inselchen und tief eingeschnittene Buchten. In einer davon finden wir für die Nacht einen guten Ankerplatz vorm Strand von Tsilia; hier gibt es zwei Häuser, eine hübsche Kapelle und die Ruinen einer alten Olivenpresse – Idylle am Ende der Welt. Nach einem Abendessen vom Bordgrill verbringen wir hier begleitet vom Bimmeln der Ziegenglocken eine ruhige Nacht – hier könnte man auch länger bleiben!
Skala Loutron / Lesvos
Wir müssen aber am nächsten Tag weiterziehen, denn zum einen brauchen wir langsam mal eine Einkaufsmöglichkeit, und zum anderen kündigt sich schlechteres Wetter an, und das wollen wir lieber im Schutz des Kolpos Geras abwettern. Dorthin ist es nicht mehr weit, quasi um die nächste Ecke beginnt die Zufahrt; diese ist aber einige Seemeilen lang, und bei Flaute aus variablen Richtungen müssen wir diese Strecke motoren.
Dabei zieht ein schöner Ankerplatz nach dem anderen an uns vorbei: von Felsen eingerahmte Sandstrände vor Olivenhainen, was für eine schöne Gegend! Gegen Mittag lassen wir vor Skala Loutron den Anker fallen; der Ort liegt in der letzten Einbuchtung, bevor sich die Zufahrt in den eigentlichen Kolpos aufweitet.
Die nächste Einkaufsmöglichkeit erfordert eine halbstündige Wanderung hinauf in den eigentlichen Ort Loutra; diese führt durch ausgedehnte Olivenhaine, so dass einem der Weg nicht lang wird. Wir erstehen noch die üblichen Köstlichkeiten in der Bäckerei und verbringen dann eine sehr ruhige Nacht an unserem Ankerplatz.
Auch am nächsten Tag ist das Wetter zunächst noch schön, so dass wir zunächst noch einmal nach Loutra und sodann auf einen kleinen Berg neben unserer Ankerbucht wandern können; über einen steilen, aber gut ausgebauten Weg gelangt man zur Kapelle Panagia Apsili, von der sich ein schöner Blick über die Bucht und das Tal bietet – dafür hat sich wie immer die Mühe gelohnt. Am Nachmittag zieht es sich dann immer mehr zu, und für den Abend erwarten wir ausgiebigen Regen – ja, das gibt es tatsächlich auch mal!
Mytilini / Lesvos
Am Samstagmorgen ist aber die Welt wieder in Ordnung, die Sonne scheint; dafür gibt es aber leider gar keinen Wind, so dass wir die 13 Seemeilen um die Südostspitze der Insel unter Motor zurücklegen müssen. Unser Ziel ist Mytilini, die Hauptstadt der Insel, und dort laufen wir statt des Stadthafens die dortige Marina an – dort soll es viel ruhiger sein, es gibt Strom und Wasser und vor allem: eine richtige, heiße Dusche! Mit knapp 19 € pro Nacht ist es dort zwar für griechische Verhältnisse teuer, aber wir können uns ja noch an andere Maßstäbe erinnern, und so genießen wir erst mal für eine halbe Stunde das herabregnende Wasser 🙂
Der Ort selbst genießt keinen allzu guten Ruf, da es hier in den vergangenen Jahren zu großen Problemen im Zusammenhang mit dem nahegelegenen Flüchtlingslager bei Moria gekommen war; die Tourismusbranche hat darunter noch mehr zu leiden gehabt als es im restlichen Land wegen Covid-19 der Fall war. In dem für 2.800 Menschen konzipierten Lager waren bis zu 20.000 Menschen unter entsetzlichen Umständen untergebracht; naheliegenderweise kam es mit der Zeit zu immer mehr Protesten, die auf eine schnellere Bearbeitung der Asylanträge drängten, und diese wiederum wurden von der griechischen Polizei mit Tränengaseinsätzen beantwortet – tja, wer möchte da noch Urlaub machen.
Eskaliert ist die Lage dann im September letzten Jahres, als im Lager die ersten Covid-Infektionen festgestellt und daraufhin das Lager komplett abgeriegelt wurde – über Abstand und Hygiene braucht man bei einer derartigen Überfüllung wohl nicht mehr zu diskutieren, und was wird wohl passieren, wenn man 20.000 Menschen auf engstem Raum hinter Stacheldraht einsperrt und dann dem Gerücht Vorschub leistet, dass alle dort sterben werden?! Es kam zur Massenpanik und dem bekannten Großbrand, bei dem das Lager vollständig zerstört wurde.
Heute ist das Vergangenheit; das Lager wurde nicht wieder aufgebaut, und außer massiver Präsenz der Küstenwache auf See bemerken wir nichts von der Flüchtlingsproblematik. Mytilini verfügt auch über eine Altstadt mit gemütlichen Tavernen und Cafés, das unvermeidliche Kastro und die architektonisch aus der Reihe fallende Kirche Agios Therapon; ansonsten fanden wir aber z.B. Kavala oder zuletzt Myrina auf Limnos ansprechender.
Aber Lesvos besteht ja nicht nur aus der Hauptstadt; am Sonntag mieten wir mal wieder ein Auto, um mehr von der Insel ansehen zu können. Wer sich übrigens über die Schreibweise gewundert hat: auf Griechisch heißt die Insel ‘Λέσβος’, und der Buchstabe ‘β’, zu dem wir ‘beta’ sagen, wurde zwar im Altgriechischen wie unser ‘b’ ausgesprochen, aber im Neugriechischen eben nicht mehr – heute heißt er hier ‘vita’ und die Schreibweise mit ‘v’ gibt also das wieder, was man sagen muss, wenn man nach dem Weg hierhin fragt und verstanden werden möchte 🙂
Zunächst besuchen wir in einem Tal bei Moria (ja, am ehemaligen Lager sind wir auch vorbeigefahren – entsetzlich!) das spätrömische Aquädukt, welches dazu diente, die Stadt Mytilini aus dem Gebirge im Inselinneren mit Wasser zu versorgen; man wandert durch die vollständig mit Olivenbäumen bewachsene Talsohle darauf zu und kann am Fundament angekommen seine Hand auf die vor fast 2000 Jahren behauenen Steinblöcke legen und mit dem Kopf im Nacken die 27 Meter hohen Bögen bestaunen – von Absperrungen hält man hier ja nicht so viel. Schon beeindruckend, mit den Fingern die Meißelspuren zu verfolgen, die der Steinmetz vor so langer Zeit hinterlassen hat … und wunderschön gelegen ist das Bauwerk allemal.
Weiter geht es in Richtung der Nordküste; dabei fahren wir durch ausgedehnte Bergregionen, die Höhen von bis zu annähernd 1000 Metern erreichen. Die Landschaft ist im ganzen Inselinneren recht grün, und malerische, kleine Dörfer schmiegen sich in die Bergflanken.
Eine sehr schöne Strecke, an deren Ende zwei vielbesuchte Orte auf der Insel liegen: da ist zunächst das kleine Küstenörtchen Petra, berühmt für seine hoch auf einem Felsendom mitten im Ort thronende Kirche Panagia Glykofiloussa; von hier genießt man einen schönen Ausblick über die Küste.
Vor dort ist es nicht mehr weit bis Mithymna; der Ort wurde in einen äußerst steilen Berghang gebaut und wird von einem gut erhaltenen Kastro überragt – von dort kann man die nur 5 Seemeilen entfernte Küste der Türkei betrachten. Seine Beliebtheit bei den Touristen verdankt der Ort seiner ungewöhnlichen Lage: die Häuser sind in beträchtlicher Höhe auf verbreiterte und befestigte Felsvorsprünge erbaut, und die verschiedenen Ebenen des Ortes sind nur über treppenartige Gassen verbunden – für Autos gibt es hier keinen Platz und viel zu große Steigungen. Hat man die Höhe erst mal erklommen, findet man weinüberrankte Gassen und dekorative Bruchsteingemäuer – in denen sich natürlich ausschließlich Restaurants, Cafés, Boutiquen und kleine Hotels befinden. Trotz der ausschließlich touristischen Nutzung aber ein sehenswerter Ort, und wir finden auch ein winziges Café, dessen Außenbereich einfach aus kleinen Tischchen und großen Kissen auf den Stufen der angrenzenden Seitengasse besteht – also, schöner kann’s ja kaum noch werden!
Hanglage: Mithymna
Gasse in Mithymna
‘Unser’ Freiluft-Café
Weiter geht’s zurück durch die Berge und am Nordrand des großen Kolpos Kallonis entlang; hier gibt es auch von Menschenhand geschaffene Lagunen zur Salzgewinnung, und wir können sogar Flamingos im flachen Wasser beobachten. Ziel ist aber der Ort Polichnitos, oder besser gesagt das Gebiet mit heißen Quellen in der Nähe des Ortes: mitten im Nichts sprudelt hier fast kochend heißes Wasser aus dem Boden! In so heißem Wasser kann nicht viel leben – bestimmte Bakterien aber schon, und diese verleihen dem Grund intensiv rote Farben! Wo es sich langsam etwas abkühlt können auch einfache Grünalgen überdauern, die auch sehr intensiv gefärbt sind; dazu kommen reinweiß auskristallisierte Salze.
Die ganze Umgebung sieht also aus, als sei hier ein großer Farbkasten ausgeleert worden, und über all dem steigen Dampfschwaden auf – märchenhaft!
Früher sind diese Quellen natürlich auch für Bäder genutzt worden, und an etlichen Orten auf der Insel kann man sich auch in solchen Wellness-Spas verwöhnen lassen; hier jedoch sind die alten Badehäuser verfallen, manche seit langem, manche sehen erst kürzlich geschlossen aus – nun, wirtschaftliche Krisen gab es hier ja genug.
Weiter fahren wir durch eine hügelige Landschaft, die uns durch ihre Üppigkeit erstaunt: richtig dichte, grüne Wälder gibt es, und das in großer Ausdehnung; immer wieder sehen wir Ausschilderungen von Wanderwegen – Lesvos muss auch für Wanderer ein empfehlenswertes Ziel sein!
Zuletzt besuchen wir noch das Bergdorf Agiasos – und bekommen den Mund nicht mehr zu vor Staunen, was hier los ist! Hunderte Autos sowie einige Reisebusse parken in der einzigen Zufahrtsstraße, und der – zugegebenermaßen recht hübsche – Ort wimmelt vor Menschen. Alle Geschäfte sind geöffnet – es ist Sonntag! – und bieten Töpferware, Lederwaren, Essbares und einfach Nippes an, ein großes Restaurant und Café liegt neben dem anderen. Kristallisationskeim dieser Beliebtheit scheint neben der einsamen Lage im Gebirge die äußerst prächtig ausgestattete Kirche zu sein – aber als Ort für unser Abendessen, wie wir das eigentlich geplant hatten, scheint uns das doch weniger geeignet zu sein, da haben wir es doch gerne weniger touristisch.
Daher biegen wir kurz vor Mytilini noch in ein unscheinbares Dorf ab und setzen uns dort in die Taverna zu den Einheimischen; das bringt zwar mit sich, dass die Bedienung einen roten Kopf bekommt weil sie kein Englisch kann, aber wenn wir etwas auf Griechisch verstehen, dann sind es die Namen von Gerichten 🙂 So kommen wir zu einem einfachen, aber authentischen, frisch gekochten (und sehr reichhaltigen!) Abendessen, für das wir sagenhafte 13,50 € bezahlen dürfen – zusammen wohlgemerkt. Einfach nicht zu fassen …
Nach all den greifbaren Schönheiten sei zum Schluss nicht unerwähnt gelassen, dass Lesvos der Welt auch große immaterielle Güter hinterlassen hat: die Insel war im 7. Jahrhundert v. Chr. die Wirkungsstätte der großen Dichterin Sappho, die als wichtigste Lyrikerin der Antike gilt; ihr Schaffen hat die Kulturgeschichte der Menschheit von der römischen Antike bis ins 20. Jahrhundert stark beeinflusst – und ihre die weibliche Schönheit besingenden Lieder haben zur geläufigen Adjektivierung des Inselnamens geführt (dies aber wohl eher aufgrund mittelalterlicher – also 2000 Jahre später ausgeübter – Versuche, ihr Werk zu schmähen).
Phteli / Lesvos
Am Montag verlassen wir Mytilini und fahren zurück zur Einfahrt in den Kolpos Geras; hier gibt es mit der kleinen Bucht Phteli einen der ganz wenigen Plätze an der Südküste, die Schutz vor südlichen Winden bieten. Die soll es nämlich am Dienstag geben, zusammen mit Regen – schon wieder! Das wollen wir vor anker durchziehen lassen, um dann am Mittwoch die Weiterreise gen Süden antreten zu können.
Wie meistens fällt der Regen nicht sehr üppig aus, und auch der Wind hält sich in den Anker nicht wirklich herausfordernden Grenzen, so dass wir einen ruhigen Tag in der Bucht mit schönem Ausblick auf die östlichen Bergzüge und … mal wieder Olivenhaine verbringen.
Paralia Bilali / Oinoussa
Mittwoch um 8 Uhr gehen wir dann Anker auf und verlassen Lesvos endgültig; die Windvorhersage für den Tag ist nicht gerade berauschend, aber wenigstens soll der schwache Wind nicht auch noch genau von vorne kommen …
Die erste Stunde legen wir unter Motor zurück, dann haben wir uns soweit aus dem Windschatten der Insel freigefahren, dass wir tatsächlich die Fahrt unter Segeln fortsetzen können; teilweise weht es mit bis zu 18 Knoten aus Nordwest – doppelt so viel wie vorhergesagt – und wir machen gute Fahrt am Wind. Das Vergnügen hält aber nicht lange an, nach zwei Stunden hat sich der WInd auf 6 Knoten reduziert, und damit machen wir einfach nicht genug Fahrt, um die Tagesdistanz von knapp 40 Seemeilen bis Sonnenuntergang zu bewältigen, und so muss für den Rest der strecke wieder der Motor ran.
Das Wetter ist weniger sonnig als vorhergesagt, während wir uns den verteilten Landmassen im Süden entgegenschieben: steuerbord voraus die Insel Chios, recht voraus die viel kleinere Insel Oinoussa und backbord voraus – viel näher als die beiden anderen – die türkische Küste, die wir in wenigen Seemeilen Abstand passieren. Wir fahren durch die Lücke zwischen Chios und Oinoussa, biegen nach Osten ab und suchen uns die erste geeignete Ankerbucht, Paralia Bilali; das Inseldorf mit seinem gut geschützten Hafen liegt nur eine Seemeile weiter, aber da wir ohnehin keine Zeit haben anzulanden und die Insel anzuschauen, können wir ebensogut hier ankern.
Chios Marina / Chios
Am Donnerstagmorgen ziehen wir nämlich gleich weiter, um die letzten 10 Seemeilen bis zur Chios Marina zurückzulegen; dabei handelt es sich um eine weitere der vielen, nie fertiggestellten Marinas in Griechenland; Molen und Piers bieten Schutz, sonst gibt es nichts, kostet aber eben auch nichts. Und Schutz brauchen wir, denn auch wenn an diesem Morgen die Sonne strahlt und gerade mal ein sanfter Südwind einsetzt, so kommt doch der Kern des Sturmtiefs auf uns zu, dessen Vorboten schon seit einer Woche das Wetter bestimmen und zu der ungewöhnlichen Häufigkeit von Wolken und Regenwetter führten.
Bevor wir aber den Hafen erreichen, haben wir noch eine kleine Begegnung mit zwei schwer bewaffneten Schnellbooten der griechischen Küstenwache: während wir gerade eine Wende fahren, um nicht vor den Bug eines großen Frachters zu kommen und unsere Aufmerksamkeit also eher nach vorne als nach achtern gerichtet war, kamen diese mit höchster Geschwindigkeit hinter uns auf und wollen wohl gerade längsseits kommen, als wir den Kurs um 90 Grad änderten und anfingen, wie wild an den Schoten zu reißen – nachdem sie aber befunden haben dass es sich nicht um einen Fluchtversuch handeln kann, haben sie geduldig gewartet bis die ‘Orion’ wieder auf Kurs war, um uns dann ihre Fragen zu stellen: woher wir denn kämen, doch wohl nicht aus der Türkei? Nein – dann ist ja alles gut. Und vollständige Papiere hätten wir auch an Bord? Ja, sicher – na, dann schönen Tag noch, und mit 45 Knoten brausen sie schon wieder davon …
Das waren aber noch nicht genug Erlebnisse für einen Vormittag: nach dem Einlaufen in die Marina haben wir wie üblich eine kleine Runde gedreht, um mögliche Liegeplätze auszukundschaften; und als wir uns gerade einen ausgesucht hatten und darauf zusteuern wollten, kam auf einmal dicker, schwarzer Qualm aus dem Auspuff, und der Motor brachte keinen Schub mehr aufs Wasser, mehr Gas führte nur zu mehr Qualm. Unnötig zu erwähnen, dass der Südwind inzwischen schon aufgefrischt war und uns hilflos quer übers Hafenbecken zu treiben begann – auf die dort liegenden Boote zu. Glücklicherweise war die Crew eines australischen Seglers zum Helfen auf die Pier gekommen, und so konnten wir ihnen schnell noch lange Leinen zuwerfen, mit deren Hilfe wir dann die ‘Orion’ sicher an die Pier ziehen konnten – das war knapp!
Sicher festgemacht war der Fehler auch schnell gefunden: die auf dem Ende des Schalldämpfers der Verbrennungsluftansaugung sitzende Schaumgummikappe war in den Schalldämpfer und durch diesen hindurch bis zu einem Krümmer direkt am Motor gesaugt worden, und hat dort – gut komprimiert – dafür gesorgt, dass praktisch keine Luft mehr durchkommt. Verstopfung beseitigt, und der Motor atmet wieder befreit auf. Kleine Ursache, große Wirkung – und natürlich passiert so etwas im ungelegensten Moment!
Nachdem wir uns etwas von der Aufregung erholt hatten, sind wir noch bis zum gut 20 Minuten entfernten Ortskern gelaufen; ein sehr großer Stadthafen liegt eingebettet in einladende Einkaufsstraßen, und direkt daneben die imposanten Mauern einer alten Festung – ungewöhnlicherweise mal nicht auf einem Felsengipfel erbaut, sondern nach Art einer Wasserburg im flachen Land. Der Ort spricht uns durchaus an, aber bevor wir ihn und die Insel weiter erkunden können, müssen wir erst mal zurück an Bord, denn die ersten Wolken verfinstern die Sonne.
Die Festung am Hafen
In der Fußgängerzone
Blick über den Hafen
Am Abend trinken wir mit unseren australischen Rettern das eine oder andere Glas Wein (und lernen dabei, dass es Kängurus in Wirklichkeit gar nicht gibt – ein so absurdes Tier kann doch nur ein Scherz sein, mit dem die Australier seit Jahrhunderten den Rest der Welt zum Besten halten ;-)) und warten zusammen auf die Kaltfront des riesigen Tiefs – diese erreicht uns erst am frühen Freitagmorgen, dafür aber richtig: Böen von 40 Knoten fegen über die Marina, und heftige Gewitter mit anhaltenden Regenfällen verbreiten Weltuntergangsstimmung. Gut, dass wir sicher an sechs Festmacherleinen hängen: da kann man in Ruhe abwarten und Tee trinken …
Den ganzen Freitag und Samstag bestimmt das Sturmtief noch das Wetter: immer wieder schütteln heftige Böen das Rigg, und es regnet kräftig. Am Sonntag aber scheint es überstanden zu sein, nur noch wenige Wolken ziehen über Chios, und wir beschließen, mit dem Mietwagen die Insel zu erkunden.
Chios ist die fünftgrößte Insel Griechenlands und vor allem bekannt für ihren Mastix-Anbau: durch Anritzen der Rinde des Mastix-Strauchs wird die harzige Substanz gewonnen, welche seit der Bronzezeit für ein bemerkenswert breites Anwendungsspektrum geschätzt wird: als wasserbeständiger Lack, Firnis, Dichtungsmittel, Räucherwerk bei kultischen Handlungen, zur Einbalsamierung von Mumien im alten Ägypten, als Heilmittel gegen eine Vielzahl von Beschwerden und als Gewürz- oder Aromatisierungszutat in der Küche, wobei letztere Anwendung heute überwiegt: auf der Insel gibt es Mastix-Süßigkeiten in allen Variationen zu kaufen.
Da die Gewinnung aufwändig ist, war Mastix ein kostbares Handelsgut, und seine Erzeuger erlangten einen gewissen Wohlstand, was wiederum Piraten anzog; daher wurden die Dörfer der Mastix-Bauern als Wehrdörfer angelegt: nach außen hin bieten sie eine geschlossene Front, die nur durch wenige Tore betreten werden kann, und im inneren findet sich ein völlig unsystematisches Gewirr von Gassen, Durchgängen, Gewölben, Kehren, Sackgassen und Verbindungselementen, welches einen konzentrierten Vorstoß von Eindringlichen unmöglich macht. Erbaut ist alles aus dem grob gebrochenen, lokalen Vulkangestein.
Was die Mastix-Dörfer auf Chios so besonders macht, ist ihr Erhaltungszustand: alles steht noch so da wie im Mittelalter angelegt! Man fühlt sich wie ein Zeitreisender, wenn man durch die verschlungenen Pfade und Tunnel läuft – und oft genug folgt man dem falschen Weg und landet vor einer massiven Wand, bevor man es auf den zentralen Platz geschafft hat.
Einige Häuser sind liebevoll renoviert und beherbergen Tavernas, Cafés und Unterkünfte, sehr viele aber stehen auch leer, womöglich schon sehr lange, denn für den mittelalterlichen Originalzustand gibt es sehr traurige Gründe: als Vergeltung für den griechischen Freiheitskampf ermordeten die osmanischen Besatzer im April 1822 rund 25.000 Einwohner und verkauften die restlichen 45.000 in die Sklaverei, wodurch die Entwicklung der Insel zu einem abrupten Halt kam; erst 1912 wurde die Insel endlich wieder Bestandteil Griechenlands, aber die darauf folgenden Jahrzehnte waren nun auch nicht unbedingt geeignet, den Glanz vergangener Zeiten wiedererstehen zu lassen.
Mesta: kleine Gassen, …
… alte Gewölbe …
… und schöne Fassaden
Neben den Mastix-Dörfern bietet sie Insel aber auch eine Menge schöner Natur: während der Süden eher hügelig ist, ragen im Norden Berge bis knapp 1300 Meter in die Höhe. Ausgedehnte Wälder bezeugen, dass es hier genug Regenfälle gibt, und die aus zerklüftetem Vulkangestein bestehende Küste umschließt viele traumhafte Buchten und Strände, darunter solche Besonderheiten wie den Strand Mavra Volia, der vollständig aus rundgeschliffenen, schwarzen Lava-Kieseln besteht.
Bemerkenswert ist übrigens auch, mit wie vielen Besuchern man all dies teilen muss: während man in den Mastix-Dörfern noch vereinzelte Touristen trifft, hat man die gesamte Bergregion im Norden quasi für sich allein! Hier gibt es kaum noch Dörfer, die Natur selbst ist die Attraktion; wir erklimmen in Serpentinen die Bergflanken und bewundern das Licht der schon tiefer stehenden Sonne auf den Gipfeln, während sich der Tag – und damit unser Ausflug – langsam dem Ende entgegen neigt.
Emborio / Chios
Ab Montag versprechen die Wetterdienste endlich wieder Nordwind; dies wollen wir uns zu Nutze machen, um auf die nächste Insel weiterzureisen: nach Samos soll es gehen! Allerdings ist der Weg dahin recht weit und der Wind soll erst im Tagesverlauf an Kraft gewinnen, und so beschließen wir, noch eine Übernachtung an der Südspitze von Chios einzulegen. Viel günstiger wäre ein Stopp an der türkischen Küste, aber so einfach, wie wir das aus dem Schengen-Raum gewohnt sind, ist es ja nun leider nicht überall: wir müssten einen offiziellen Hafen anlaufen und dort einklarieren – und zurück in Griechenland das gleiche Spiel nochmal! Also, mal eben in der Türkei übernachten ist nicht …
Stattdessen steuern wir also die kleine Bucht von Emborio an, den letzten Ankerplatz an der Südostküste, welcher noch Schutz gegen Nordwind und -welle bieten kann; und tatsächlich, schon beim Heransegeln an den Küstenabschnitt fällt uns das Tuch ein, und in der Ankerbucht bekommen wir die ganze Nacht nichts davon mit, wie der Nordwind laut Vorhersagen immer mehr zulegt – so soll das sein! Auch die Umgebung ist still und friedlich, wir schauen auf eine kleine Kapelle, in den wenigen Häusern des Ortes ist nicht viel los – die Saison ist vorüber. Gleich nebenan liegt übrigens Mavra Volia, der schwarze Strand – aber da waren wir ja gestern mit dem Auto, also bleiben wir an Bord und genießen den Abend!
Limnionas / Samos
Mit Sonnenaufgang lichten wir den Anker und verlassen Chios – zunächst unter Motor, denn es wehen kaum 5 Knoten Wind in unserer Ankerbucht. Wir sind schon recht verunsichert, ob der von allen Vorhersagen angekündigte Starkwind nun eintrifft oder nicht, aber wir haben ja am Vortag das Ausmaß der Abdeckung durch die Küste erlebt; daher motoren wir mit zweifach gerefftem Großsegel ohne Wind auf Kurs Südost, was sich schon etwas merkwürdig anfühlt 🙂
Aber wir müssen nicht lange warten: zwei bis drei Seemeilen ab der Küste stellt sich ein schöner Nordwind von 15 bis 20 Knoten ein! Der Motor hat Ruhe, und mit Klüver und reduziertem Großsegel machen wir gute Fahrt Richtung Samos.
Gegen Mittag wundern wir uns aber doch langsam, denn die vorhergesagten Windstärken sind noch nicht erreicht – sollen wir nicht doch ausreffen? Aber gut, dass wir uns dagegen entscheiden: gegen 15 Uhr, als wir langsam in den Bereich der Winddüse zwischen den hoch aufragenden Inseln Samos und Ikaria kommen, legt es binnen kürzester Zeit auf die angesagten 6 Beaufort zu – und darüber hinaus! Wir jagen mit 7 Knoten Samos entgegen, bis wir bei rasch zunehmender Wellenhöhe immer mehr Wasser in Lee übernehmen und vom Klüver- auf das Kuttersegel wechseln; damit machen wir immer noch über 5 Knoten, das genügt! Die über 1400 Meter aufragenden Gebirge bewirken die Bildung einer großen Konvektionswolke über der Nordflanke der Insel – am sonst wolkenlosen Himmel ein bemerkenswerter Anblick.
Erst nach dem Runden des Südwestkaps Agios Domenikos deckt uns die Insel vom Wind ab – aber kurz vorm ersten möglichen Ankerplatz ist der Wind wieder voll da, ja, er wird sogar noch durch den mächtigen Berg vor uns verstärkt und pfeift in Böen von 35 Knoten über den Ankerplatz! Immer wieder begegnen wir hier zwei Situationen: hinter bergigen Inseln gibt es entweder gar keinen Wind oder doppelt so viel wie davor – aber welchen der beiden Effekte eine Insel machen wird, weiß man erst, wenn man da ist …
Wir lassen uns davon aber nicht abschrecken, der Ankergrund ist hervorragend und die Aussicht auf die majestätische Felswand direkt vor uns hinreißend, also freuen wir uns über 46 schnell zurückgelegte Seemeilen und vertrauen uns unserem Ankergeschirr an, während stürmische Winde am Rigg zerren – durchaus gemütlich 🙂
Im Laufe der Nacht lässt der Wind aber nach, und so verbringen wir eine gute erste Nacht vor Anker auf Samos.
Ormos Marathokambou / Samos
Am Mittwochmorgen weht so wenig Wind, dass wir unter Motor den Ankerplatz verlassen müssen; unser Ziel ist der Hafen von Ormos Marathokambou, nur wenige Seemeilen östlich gelegen. Wir staunen nicht schlecht, als wir 20 Minuten später wieder 30 Knoten vom Windmesser ablesen können – in Wahrheit hat der Wind also über Nacht gar nicht abgenommen, sondern nur geringfügig die Richtung geändert, so dass er nun östlich des Gebirges über die Insel fegt statt westlich wie in der Nacht zuvor; eine weitere Erfahrung zum Thema ‘Windabdeckung oder Windverstärkung’ …
Wir beschließen jedenfalls, dass uns das zu heftig ist um in einen unbekannten, kleinen Hafen einzulaufen, zumal sich vorm Strand direkt westlich des Hafens hervorragender Ankergrund anbietet, dem die Mole noch zusätzlichen Schwellschutz schenkt; wir ankern also wieder, und bekommen nach einem entspannten Nachmittag einen sensationellen Abendhimmel über den Bergen von Samos geboten.
Am nächsten Morgen fahren wir eben um die Mole und biegen in den Hafen ein – und stellen zunächst mal fest, dass man auch bei Starkwind hätte einlaufen können, der Yachthafen bietet so viel Platz an nagelneuen Piers, dass man zu jeder Windrichtung passende Längsseitsplätze finden kann … aber besser etwas zu umsichtig, als bei 35 Knoten Seitenwind rückwärts vor Buganker anlegen zu müssen und dabei in den Nachbarn zu dengeln!
Trotz des gepflegten Erscheinungsbildes und der funktionierenden Strom- und Wasseranschlüsse ist das Liegen kostenlos – hier soll mal eine Marina entstehen, aber ob das Wirklichkeit wird, bevor die Anlagen wieder verfallen sind, das weiß man in Griechenland nie …
Uns jedenfalls gefällt der Hafen wie auch der kleine Ort – der mit etlichen Tavernas, einem Minimarkt, zwei Bäckereien und einer Tankstelle mit angeschlossener Autovermietung alles bietet, was man braucht – auf den ersten Blick, und wir reservieren uns gleich einen Mietwagen für den folgenden Tag.
Am Freitag erkunden wir also Samos; unser Weg führt uns zunächst an der Südküste entlang bis zum Ort Pythagoreio, benannt nach dem berühmtesten Sohn der Insel: Pythagoras von Samos (ca. 570 – 510 v. Chr.). Dem nach dem Philosophen und Mathematiker benannten Dreieckssatz konnte wohl in den letzten zweieinhalbtausend Jahren niemand in der Schule entgehen (sofern er denn eine besucht hat – wir klammern also das Mittelalter mal aus).
Pythagoras befindet sich aber in guter Gesellschaft: auch der Philosoph Epikur wurde hier geboren (341 v. Chr.), ebenso wie der Astronom Aristarchos (310 v. Chr.), auf den das erste heliozentrische Weltbild zurückgeführt wird; auch der Historiker Herodot, der ‘Vater der Geschichtsschreibung’, lebte zeitweise auf der Insel. Beschäftigt man sich mit dem Leben und Wirken solcher Menschen, muss man doch staunen, in welcher Blüte die Wissenschaften im alten Griechenland standen – ein Wissen, welches wir dann zwei Jahrtausende später während der Renaissance ‘wiederentdecken’ durften.
Pythagoreio jedenfalls ist ein recht touristischer Hafenort mit einer ausgedehnten Seepromenade, an deren Ende dem Namensgeber ein Denkmal gesetzt wurde; auch ein paar hübsche Altstadtgassen gibt es, an der Ruine der türkischen Festung gelegen. Nicht weit entfernt befand sich im Altertum eine gewaltige, der Göttin Hera gewidmete Tempelanlage, von der leider bis auf eine einzige Säule nichts stehengeblieben ist.
Weiter geht die Fahrt an die Nordküste der Insel; hier befindet sich an einer tief eingeschnittenen Bucht der Hauptort der Insel, Kato Vathy oder einfach nur Samos genannt. Obwohl hier auch nur knapp 7000 Menschen leben, kommt der Ort uns schon recht städtisch vor – viel Verkehr, viele Menschen, so etwas ist man ja kaum noch gewohnt 😉
Beim Erdbeben vom 30. Oktober letzen Jahres, welches wir auf Pano Kouphonisi erlebt haben, sind hier zwei Menschen ums Leben gekommen, und zahlreiche historische Gebäude schwer beschädigt worden; wir sehen einige arg in Mitleidenschaft gezogene Fassaden, die weiträumig abgesperrt sind und durchaus den Eindruck machen, zeitnah ganz zusammenbrechen zu können (der Grad der Baufälligkeit, bei dem man hier ein Gebäude absperren zu müssen glaubt, unterscheidet sich signifikant von den in Deutschland angewandten Kriterien 😉 ).
Zum Höhepunkt des Tages wird für uns die Fahrt entlang der Nordseite des Ambelos-Gebirges zurück in den Westen der Insel; wir machen einen Abstecher ins Bergdorf Manolates, lassen dort das Auto stehen und wandern gut zwei Stunden in 400 bis 600 Metern Höhe durch die bezaubernde Berglandschaft zum Nachbardorf Stavrinides. Üppig grüne und intensiv duftende Nadelwälder wechseln sich mit zerklüfteten Felsen und Olivenhainen ab; da wir häufig im Schatten der Berge gehen, lässt sich die Temperatur sehr gut aushalten. Die Wanderwege sind zahlreich und gut gekennzeichnet (hier zu Lande nicht unbedingt die Regel), womit sich Samos wirklich auch für einen Wanderurlaub empfiehlt.
Über den Hafenort Karlovasi fahren wir zurück nach Ormos Marathokambou; der Tag ist schnell vergangen, und wir haben eine sehr vielseitige und schöne Insel kennengelernt.
Dort verbringen wir auch noch den Samstag – es ist herrliches Wetter, um sich im Cockpit die an Bergwanderungen nicht mehr gewöhnten Beine erholen zu lassen, außerdem stehen ein paar Bootspflegearbeiten an; Wind weht auch keiner, aber das soll sich morgen ändern – dann geht die Reise weiter!
Nach einer kurzen Nacht verlassen wir am Samstagmorgen die Bucht von Porto Koupho und setzen nach dem Runden der Südspitze Sithonias Kurs auf den Berg Athos; wie wir es schon früher in diesem Seegebiet erlebt haben, läuft uns eine in Relation zum mäßigen (Gegen-)Wind hohe Welle entgegen, was in einem recht unbefriedigenden Vorwärtskommen resultiert; nach einiger Zeit müssen wir wieder den Motor hinzunehmen, um nicht immer tiefer in den Singitischen Golf hineingedrückt zu werden. Wir werden wieder an den Perserkönig Xerxes und sein Kanalbauprojekt quer durch den Isthmus von Athos erinnert – so schlecht war die Idee gar nicht, gäbe es den Kanal heute noch, bliebe uns etliche Mühe erspart!
Es ist schon 18 Uhr, als wir endlich die Südostspitze von Athos runden und den Kurs deutlich nördlicher setzen können, so dass der den ganzen Tag wehende Südost vom Gegen- zum Halbwind wird; erfreut stoppen wir den Motor und setzen alle Segel. Kaum sind wir damit fertig – es sind wirklich keine 10 Minuten vergangen! – als der Wind schlagartig einschläft … es ist schon etwas deprimierend, dass der Wind, welcher uns 9 Stunden beständig entgegenwehte, in dem Moment stirbt, in dem wir ihn gebrauchen könnten! Und es bleibt dabei, der Wind erreicht keine drei Knoten mehr; der Schwell ist aber natürlich noch da, so dass es unmöglich ist, das Boot unter Segeln zu stabilisieren – statt einer Nacht ruhigen Segelns können wir den Motor also gleich wieder starten und uns weitere 8 Stunden zudröhnen lassen 🙁
Rosoukremos / Thasos
Wir motoren also ins Thrakische Meer, das nördliche Nebenmeer der Ägäis, welches sich von Athos im Westen bis zur Halbinsel Gallipoli im Osten erstreckt. Kurz vor zwei Uhr in der Nacht erreichen wir nach 60 Seemeilen die Insel Thasos; wir ankern in tiefer Finsternis – bald ist Neumond – vorm Strand von Rosoukremos, was aber auf reinem Sandgrund kein Problem darstellt, nur etwas unheimlich ist es, die Wellen am Strand voraus hören zu können, ohne wirklich etwas zu sehen; die Wunder moderner GPS-Navigation …
Nach einigen Stunden Schlaf und einem ausgiebigen Bad, bei dem wir auch den zahlreichen Seepocken zu Leibe rücken, welche sich während des Aufenthalts in Thessaloniki auf dem Unterwasserschiff breit gemacht haben, verholen wir uns in den nahe gelegenen Hafen von
Limenaria / Thasos
Hier finden wir einen perfekten Längsseitsplatz an der nagelneuen Kaimauer, der es uns erlaubt, auch bei dem für die nächsten Tage angesagten Starkwind die ‘Orion’ mal alleine zu lassen. Auch für hübsche Strom- und Wassersäulen haben die EU-Gelder noch gereicht; nur die Verbindung mit dem Stromnetz lässt wohl seit mehreren Jahren auf sich warten – ja, wir sind eben in Griechenland 🙂 Dafür ist es nett und völlig kostenlos, wer wird sich da über fehlenden Strom beschweren …
Den Sonntagnachmittag sowie den ganzen Montag hängen wir erst mal in Limenaria ab – der Alarmstart in Thessaloniki und die folgenden drei langen Tage hängen uns doch noch nach. Aber gelohnt hat es sich, letzten Donnerstag konnten wir ja wirklich toll segeln, und am heutigen Montag setzt der Meltemi auch wie angekündigt in solcher Stärke ein, dass eine spätere Überfahrt nach Thasos völlig unmöglich gewesen wäre.
Dienstag weht es auf See immer noch mit 8 bis 9 Windstärken, wovon wir aber im Hafen von Limenaria nur die Hälfte abbekommen; inzwischen wieder ausgeruhter, mieten wir uns ein Auto und erkunden die Insel.
Thasos ist die nördlichste Insel der Ägäis; sie ist annähernd rund und durchgehend gebirgig, das Ypsarion-Massiv ragt über 1200 Meter aus dem Meer. Dadurch findet man auf der Insel eine Vielzahl von Bodenschätzen wie Gold, Silber, Kupfer und Blei, die hier seit dem Altertum abgebaut und verarbeitet werden. Aber auch das Gestein selbst ist begehrt: überall auf der Insel findet man Marmor, der von der Antike bis zur heutigen Zeit abgebaut und exportiert wird. Als Folge davon sind die Nebenprodukte des Abbaus – Marmorbrocken und -schotter – überall auf der Insel als Baumaterial zu finden. Für uns, die wir an die Kostbarkeit des Materials gewöhnt sind, ist es schon merkwürdig, Hafenmolen aus Marmorbrocken zu sehen oder auf schneeweißen Schotterpisten in die Berge zu fahren …
Durchgängig befahrbar ist nur eine etwa 100 Kilometer lange Ringstraße um die Insel; von dort ziehen sich Stichstraßen zu den Bergdörfern, die früher die Besiedelungszentren waren, ihre Bedeutung jedoch an die Küstenorte abtreten mussten, als die Zeit der regelmäßigen Piratenüberfälle vorüber war. So sind von der ehemaligen Hauptstadt Kastro nur noch Ruinen übrig, die allerdings in neuerer Zeit wieder zu Ferienhäusern aufgebaut werden.
Wir erfreuen uns an der wilden Küstenlandschaft – der heftig auf die Nordostseite der Insel treffende Meltemi trägt seinen Teil dazu bei – und den grünen Gebirgslandschaften. Überall sieht man noch Spuren der Waldbrände, die vor einigen Jahren die Insel heimgesucht haben; viele Bäume haben die Feuer aber auch überlebt, nur ihre schwarz-verkohlte Rinde kündet noch von der Katastrophe.
Die Dörfer sind lebendig und von vielen Touristen, vor allem aus den Balkanstaaten, besucht; zum Teil ist es uns tatsächlich etwas zu voll, die winzigen Dorfdurchfahrten kollabieren unter dem Ansturm der Mietwagen. Um die heutige Inselhauptstadt Limena finden sich zahlreiche Ausgrabungen aus der Antike, selten sind aber mehr als die Fundamente von Tempeln und Gebäuden erhalten. Die in die steilen Hänge gebauten Bergdörfer erfordern zum Teil gute Nerven beim Befahren mit einem PKW – Esel wären hier angebrachter – und leben heute von den Touristen, denen sich hier zahlreiche Tavernen zur Einkehr anbieten.
Wir machen auch eine Wanderung zu einem kleinen Stausee, aus dem sich ein ‘Wasserfall’ ergießt – nun, bei gutem Willen kann man den Wasserstrahl als armdick bezeichnen, der ein paar Meter an den Felsen herabfließt 🙂 Aber für Wasserfälle kommt man ja auch nicht nach Thasos, eher schon für Olivenhaine – über Kilometer ziehen sich im Tal von Maries die jahrhundertealten, knorrigen Bäume.
Leider zeigt sich der Himmel an unserem Ausflugstag meistens bedeckt – damit rechnet man ja gar nicht mehr nach monatelangem Sonnenschein! Aber wir versuchen die Vorteile zu sehen: es ist nicht so heiß, wenn man mal herumlaufen möchte 🙂
Die nächsten zwei Tage kommt es noch dicker: nicht nur, dass sich Wolken am Himmel breit machen, es regnet auch noch! Das haben wir nicht gebucht … also bleiben wir an Bord im Hafen von Limenaria und verlassen das Boot nur, um mal wieder zu erleben, wie nett, lecker und preiswert man hier ein Abendessen in der Taverna bekommt 🙂
Kavala
Am Freitagmorgen scheint aber wieder die Sonne, wie sich das gehört, und so verlassen wir bei schwachem Wind den Hafen, um nördlichen Kurs auf die größere Hafenstadt Kavala zu nehmen. Nach einiger Zeit stellt sich sogar sanfter Südwind ein, mit dem wir bis vor die Hafenmolen segeln können – offenbar der gleiche thermische Wind, den wir schon um Chalkidiki kennengelernt haben und der sich immer dann durchsetzt, wenn es keinen ‘echten’ Wind gibt.
Wir freuen uns, noch einen Platz an der äußersten Pier zu bekommen, die laut Revierführer für Gäste vorgesehen sein soll. Stromsäulen gibt es auch – allerdings braucht man für die eine Chipkarte. Kein Problem, denken wir, und laufen zur Hafenverwaltung, um uns anzumelden. Dort ist aber Freitag um 17 Uhr schon geschlossen … die Hafenpolizei in der Etage darüber rückt die Telefonnummer eines gewissen Pavlos raus, den sollen wir anrufen – der meldet sich aber nicht und ruft auch nicht zurück. Zurück am Hafen raten uns zum hiesigen Yachtclub gehörende Einheimische, zum Schrankenhäuschen am Parkplatz zu gehen, die verkauften auch die Karten; der nach einer halben Stunde aufgetriebene Parkplatzwärter weiß davon aber nichts und schickt uns zum anderen Parkplatz am entferntesten Ende des Hafens; dort bekommen wir nach einer halben Stunde Fußmarsch von seinem dortigen Kollegen aber die gleiche Antwort. Gegenüber ist das Fährterminal, dort sprechen wir jemanden von der Küstenwache an; der freundliche Offizier zückt sein Smartphone und telefoniert 10 Minuten, bis er schließlich die gleiche Telefonnummer ermittelt hat, die wir schon von der Hafenpolizei bekommen hatten; bei dem auf Griechisch geführten Gespräch fielen keine uns bekannten Schimpfworte (aber wir kennen ja auch nur die Grundausstattung), doch danach kündigte Pavlos ganz hilfsbereit an, uns eine Karte zum Boot zu bringen – was er dann auch um kurz nach 20 Uhr getan hat, nachdem wir den ganzen Weg dorthin zurückgelaufen waren. Die Karte samt 32 Euro Guthaben und normalerweise fälliger Kaution hat er uns dann einfach so dagelassen – ach, wir sehen uns schon noch … so haben wir in drei Stunden mal wieder alle Vor- und Nachteile Griechenlands auf einmal präsentiert bekommen: nichts läuft, aber alle sind nett, hilfsbereit und vertrauensvoll.
Am Samstag erkunden wir die Stadt; Kavala hat etwa 70.000 Einwohner, wirkt aber auf uns eher größer, da die zur Verfügung stehende Fläche durch die umliegenden Berge begrenzt ist und sich daher die Häuser dicht an dicht drängen und in die Höhe wachsen. Vor 2700 Jahren wurde die Stadt als Kolonie von Thasos gegründet – man kann ermessen, welche Bedeutung damals die Insel hatte. Die nächsten Jahrtausende vergehen mit der landestypischen Abfolge römisch – byzantinisch – venezianisch – osmanisch, von denen jede Epoche ihre Baudenkmäler hinterlassen hat: so gibt es ein hervorragend erhaltenes römisches Aquädukt, eine ebenso sehenswerte byzantinische Burg, sowie das prächtige Geburtshaus von Muhammad Ali (nein, nicht der Boxer …).
Römisches Aquädukt
Im Kastro
Villa Muhammad Alis
Kirche der Panagia
Wir besichtigen das Kastro, von dessen Turm sich eine herrliche Aussicht über die ganze Stadt und das Umland bietet, und laufen durch die steilen Gassen der Altstadt. Die näher am Hafen gelegene Neustadt hat architektonisch wenig zu bieten, aber die Fußgängerzone mit ihren vielen kleinen Geschäften, Cafés und Restaurants wirkt einladend und bietet sich zum Shopping und Ausgehen an. Direkt an unserem Ende des Hafens gibt es einen kleinen Vergnügungspark mit Riesenrad, welches am Abend bunt beleuchtet ist. Wir fühlen uns hier wohl!
Unseren ‘Kartenbeauftragten’ Pavlos sehen wir übrigens weder am Samstag noch am Sonntagvormittag wieder; die Chipkarte deponieren wir zusammen mit dem großzügig aufgerundeten Stromverbrauch von knapp drei Euro im Café – von einem eventuellen Liegegeld war nie die Rede …
Limenas / Thasos
Sonntagmittag verlassen wir Kavala, um mit Hilfe des nachmittäglichen Seewindes die 17 Seemeilen bis Limenas, dem Haupthafen von Thasos an der Nordseite der Insel, zurückzulegen – und tatsächlich geht der Plan auf, wir können nach dem Setzen der Segel den Motor ausschalten und mit halbem Wind von rund 10 Knoten durch die fast völlig glatte See gleiten – sehr schön ist das!
Der neue Hafen von Limenas bietet dem Sportbootfahrer nichts außer endlos viel Platz längsseits an den langen Molen – dafür kostet er natürlich auch nichts. Nebenan im alten Hafen ist es gemütlicher, aber auch enger und recht untief, hier liegen eigentlich nur Fischer und ein paar einheimische Segelboote, die Tagestouren anbieten. Wir bleiben am Montag noch hier, um nochmal in Ruhe durch den recht touristischen und dennoch wirklich netten Ort gehen zu können, den wir im Rahmen unserer Autorundfahrt letzte Woche nur kurz besuchen konnten. Diesmal schaffen wir es auch, das antike Theater zu finden – nur ist es dummerweise wegen Restaurierungsarbeiten geschlossen … macht nichts, Ruinen hatten wir ja schon reichlich 🙂
Aliki / Thasos
Dienstag kehren wir den Plan vom Sonntag um: wir brechen gleich nach dem Frühstück auf, um noch den nächtlichen Landwind mitnehmen zu können für eine Reise entlang der Ostküste nach Süden. Zunächst ist dieser aber einfach zu schwach, und wir müssen noch motoren; als wir aber aus der Passage zwischen Thasos und dem Festland herauskommen, wird der Wind kräftiger, und wir können einige Stunden unter Gennaker segeln.
Vorbei zieht der ‘Golden Beach‘, einer der meistbeworbenen Strände von Thasos – nicht ohne Grund, wir blicken auf kilometerweise besten Sandstrand, und vor allem der Hintergrund ist beeindruckend: statt einer Wand aus Beton wie an den meisten Stränden Spaniens zieht sich dort eine majestätische Bergkette von über 1000 Metern Höhe entlang. Immer wieder fallen die schneeweißen Flecken in den bewaldeten Berghängen auf: hier wird der Marmor, das weiße Gold der Insel Thasos, abgebaut.
Am späten Mittag erreichen wir die Ankerbucht Aliki; hier bildet eine kleine Halbinsel perfekten Schutz vor dem praktisch ständigen Schwell aus Nordost und rahmt einen Badestrand ein, der es zwar an Länge nicht mit dem ‘Golden Beach‘ aufnehmen kann, aber ansonsten sicher zum Schönsten gehört, was die Insel zu bieten hat: die Spitze der Halbinsel besteht nämlich auch großenteils aus Marmor, und so segelt man an weißen Klippen entlang und ankert auf einem Sandgrund, der so weiß und gleichmäßig ist, dass man sich kaum wagt, seinen Anker darauf fallen zu lassen 😉
Am Strand herrscht reger Badebetrieb; es hat heute wieder knapp 30 Grad bei wolkenlosem Himmel, in der Sonne fühlt es sich noch beliebig viel wärmer an – da kommt es ganz gelegen, dass das Wasser schon etwas erfrischender ist als noch im Juli auf Chalkidiki. Wir schnorcheln entlang der spektakulär zerklüfteten Marmorfelsen bis zur Spitze der Halbinsel; hier finden sich Reste eines antiken Steinbruchs, wo man seit 2000 Jahren unfertige Säulentrommeln bewundern und auf tonnenschweren Liegen aus rundgeschliffenem, glitzernd-weißen Marmor in der Sonne baden kann. Wirklich überall stehen Schwärme aus dutzenden bis hunderten Fischen – ein besonderes Erlebnis, durch diese hindurchzutauchen und die Koordination der Bewegung der unzähligen kleinen Fische zu beobachten: der Schwarm verhält sich wie ein formbarer Organismus, öffnet geschmeidig eine Lücke für den Schwimmer und schließt diese wieder nahtlos.
Perfekter Schutz, perfekter Ankergrund, regelmäßige Tiefen und wunderschöne Umgebung: sicher ist Aliki einer unserer schönsten Ankerplätze – und überhaupt, nachdem wir so viele Tage in Häfen gelegen haben, tut es wirklich gut, mal wieder in einer richtigen Naturbucht zu ankern!
Kamariotissa / Samothraki
Nach einer ruhigen Nacht verlassen wir relativ früh am Mittwochmorgen den Ankerplatz; für den Vormittag ist etwas Nordwind versprochen, der gegen Mittag nach vorübergehender Flaute durch Südwind ersetzt werden soll. Das ist zwar keine berauschende Vorhersage für die gut 35 Seemeilen lange Überfahrt nach Samothraki, doch immer noch besser als Gegenwind …
Der Nordwind erhebt sich nicht über eine Geschwindigkeit von vier bis 5 Knoten – damit lässt sich nichts anfangen, also läuft bis zu Mittag mal wieder der Motor. Ab 13 Uhr beginnt aber der Wind tatsächlich aus Südwest zu wehen und schwingt sich auf 8 bis 9 Knoten auf, so dass wir endlich den Gennaker setzen und die zweite Tageshälfte angenehm segeln können; bald beginnt sich auch der Umriss von Samothraki am Horizont abzuzeichnen. Die Insel ist deutlich kleiner als Thasos, ragt aber mit über 1600 Metern noch höher aus dem Wasser auf; aus der Entfernung meint man auf einen einzigen, aus dem Meer aufragenden Felsen zuzufahren.
Als wir gegen 19 Uhr den Hafen von Kamariotissa (den einzigen brauchbaren auf der Insel) erreichen, ist es sehr warm und feucht, und am Himmel ziehen sich drohende Wolkenberge zusammen – gerade noch rechtzeitig! Kurz darauf zieht ein Gewitter über uns hinweg und bringt auch etwas Regen mit, danach klärt sich er Himmel aber schnell wieder auf.
Auch am nächsten Tag strahlendes Wetter – wir erkunden den Ort und die hiesigen Einkaufsmöglichkeiten (mit dem Schwerpunkt auf den ‘Ζαχαροπλαστεία’, den Konditoreien …) und erholen uns ansonsten vom doch recht langen Schlag am Vortag (wir staunen immer wieder, wie erschöpft man doch nach 12 Stunden Wind und Sonne ist, auch wenn man im engeren Sinne keine harte Arbeit geleistet hat).
Freitag aber wollen wir mehr von der Insel sehen: wir fahren mit dem (immerhin mehrmals täglich verkehrenden) Linienbus für landesüblich kleines Geld in die Chora, die alte Inselhauptstadt. Während die Menschen früher auf allen ägäischen Inseln eher in den Bergen gesiedelt haben, um sich besser vor Piratenüberfällen schützen zu können, haben in jüngerer Vergangenheit diese Siedlungen meist zu Gunsten der Hafenorte an Bedeutung verloren und sind teilweise völlig verlassen und verfallen; auf Samothraki dagegen hat dieser Vorgang erst viel später eingesetzt, einfach weil es aufgrund der abweisenden Küste keinen attraktiven Hafenort gab. Erst in den 90er Jahren wurde der Hafen von Kamariotissa mit einer künstlichen Schutzmole versehen, so dass der Ort wachsen konnte und heute Besiedelungs- und Verwaltungszentrum der Insel ist; die Chora jedoch ist nach wie vor ein lebendiger Ort – und sehr malerisch noch dazu: in den steilen Berghang schmiegen sich viele alte Häuser um enge Gassen und Treppen, unter alten Platanen sitzt man vor den Cafés und Tavernas; darüber wachen die Ruinen des alten Kastros, welche man kostenlos besichtigen kann und dazu sogar noch einen Infoflyer ausgehändigt bekommt.
Alte Bäume spenden Schatten
Überm Ort wacht die alte Burg
Ausblick vom Kastro
Gestärkt von einem großen griechischen Mokka und köstlichem Gebäck machen wir uns auf den Fußmarsch Richtung Norden nach Paleopoli – diese ‘alte Stadt’ ist zwar heute praktisch nicht mehr existent, aber hier befinden sich die berühmtesten archäologischen Stätten der Insel, das ‘Heiligtum der großen Götter’. Dabei handelt es sich um das wichtigste Heiligtum der Kabiren-Verehrung, eines Mysterienkults, von dessen Herkunft und Inhalt man heute nur noch wenig weiß – und der gerade deshalb natürlich die Phantasie der Menschen anregt. Mythologisch sind die Kabiren jedenfalls eng mit der Seefahrt verknüpft, also kann es für einen Segler in jedem Fall nicht verkehrt sein, die Reste ihrer Tempel besucht zu haben 🙂
Der berühmteste Fund der Ausgrabungen wurde 1863 getätigt: da fand der damalige französische Vizekonsul im Osmanischen Reich die Bruchstücke der Nike von Samothrake, einer überlebensgroßen Skulptur der Siegesgöttin, die seitdem das Vorbild für zahlreiche ähnliche Darstellungen weltweit geworden ist, so zum Beispiel in Berlin auf der Siegessäule. Die Statue wurde damals nach Paris verbracht, wo sie heute noch im Louvre zu besichtigen ist; seit der NS-Zeit nennt man so etwas Kunstraub, aber vorher war das offenbar ganz normal …
Der besonderen Atmosphäre im Gelände des Heiligtums kann man sich auch nach Jahrtausenden kaum entziehen; ein tief eingeschnittenes Tal umrahmend, liegen die Tempelruinen unter dem majestätischen Panorama des zentralen Gebirges. Leicht kann man sich vorstellen, dass der Vorläufer des Kabirenkults die Verehrung lokaler Naturgottheiten war – immerhin ist eine Besiedelung der Insel seit 8000 Jahren belegt, da stellt die hellenische Zeit ja nur die ‘jüngere Vergangenheit’ dar.
Zum Abschluss eines gelungenen Tages wandern wir noch eine gute Stunde entlang der Küstenstraße nach Kamariotissa zurück; dabei ist es ganz schön warm, aber wir sind froh, dass solche Ausflüge nach der extremen Hitze im Sommer überhaupt wieder möglich sind.
Der Samstag sollte eigentlich ein ruhiger Tag zur Erholung werden: da die Busse auf der Insel am Wochenende nicht fahren, sind wir erst mal an weiteren Ausflügen gehindert. Ab späten Nachmittag wird es aber doch noch aufregend: ein Gewitter zieht über die Insel, wie wir selten eines erlebt haben. Binnen Minuten steigt der Luftdruck um 5 Hektopascal, während die Temperatur um ebensoviele Grade sinkt, der Wind dreht um 180 Grad, und aus dem Nichts erfassen Böen mit bis zu 54 Knoten das Boot – das ist fast Windstärke 11! Das Wasser im Hafen scheint zu kochen, die Boote reißen wild an ihren Leinen, und Gischt fliegt über die meterhohe Betonmole – na, wenn einen so etwas auf See erwischt ….
Nach einer halben Stunde ist der Spuk weitestgehend vorbei, dafür hält der Abend noch eine unangenehme Überraschung für uns bereit: mit dem Versiegen des Solarstroms schaltet sich der Kühlschrank ab. Wie kann das, die Batterien sind doch noch zu 76% voll?!? Aber die Spannung ist viel zu niedrig, da stimmt was nicht … nach kurzer Zeit ist der Verursacher identifiziert: eine der 12 Zellen, die (zu je drei Zellen im 6V-Block) in Reihe geschaltet unsere Verbraucherbatterie ergeben, ist defekt und liefert keine Spannung mehr – da hilft es auch nichts, wenn die anderen 11 sich noch so viel Mühe geben. Wir müssen also zusehen, dass wir irgendwo Ersatz für einen der 6V-Blöcke auftreiben können … aber höchstwahrscheinlich nicht auf Samothraki und ganz sicher nicht am Sonntag.
Am Montag fahren die Busse wieder, und so können wir einen weiteren Ausflug machen; diesmal steht eine Wanderung auf der wasserreichen Nordseite der Insel auf dem Programm. Der Bus fährt schon um 6:30 (um die Schulkinder aus den kleinen Siedlungen abzuholen) und danach erst wieder am frühen Nachmittag, also müssen wir früh raus.
Der freundliche Busfahrer setzt uns auf einem Parkplatz an der Mündung des Flusses Phonias ab; von hier führt uns der Weg im ersten Tageslicht zunächst sanft ansteigend durch einen märchenhaften Wald aus uralten Platanen, knorrig und ausladend, häufig mit Höhlen im Stamm, die groß genug sind um einen Menschen aufzunehmen.
Schon bald erreichen wir den ersten Wasserfall, der sich aus 15 Metern Höhe in ein Becken ergießt, im welchem das Wasser durch die natürliche Bodenform aufgestaut wird; solche Pools heißen ‘vathra‘ und sind auf der Insel in großer Zahl zu finden. Für norwegische Verhältnisse sind die Wassermengen nicht beeindruckend, aber dieser Wasserfall stellt alles in den Schatten, was wir in Griechenland bislang gesehen haben! Überhaupt ist es faszinierend, wie völlig anders die Welt auf dieser Seite der Gebirgskette aussieht: während die dem Hafen zugewandte Seite braun, trocken und abweisend ist, hüllen sich die gegenüberliegenden Bergflanken in dichtes, geradezu urwaldartig anmutendes Grün – ein herrlicher Anblick für den an Trockenheit etwas übersättigten Reisenden!
Die Beschaffenheit des Weges ändert sich nun schlagartig: es geht steil bergauf, in den Felsen sind sogar eiserne Krampen geschlagen, um den Aufstieg zu erleichtern; passend dazu warnen große Schilder den flipfloptragenden Touristen davor, sich tiefer in die Natur zu begeben.
Wir lassen und nicht abschrecken und kraxeln schweißtreibende anderthalb Stunden steil Bergauf, lassen dabei die Abzweigung zum nächsten Wasserfall erst mal links liegen und erreichen schließlich den Endpunkt des Weges; hier stürzt das Wasser des Phonias 35 Meter in die Tiefe, natürlich wieder in einen natürlichen Pool – der höchste Wasserfall der Insel liegt vor uns.
Gerne wären wir noch tiefer ins Gebirge gewandert, aber der Pfad endet hier, und wir finden auch keine Möglichkeit auf eigene Faust weiterzuwandern, zu steil sind die umliegenden Felswände; wir machen uns also auf den Rückweg, nur dass wir diesmal zum zweiten Wasserfall abbiegen. Dieser hat zwar keine so große Fallhöhe, aber das vathra, in das er sich ergießt, ist zweifelsohne das Schönste seiner Art.
In allen Grüntönen schimmert das kristallklare Wasser und lockt mit seiner Frische den verschwitzten Wanderer; bildhübsch ist die Umgebung mit ihren glattgeschliffenen Felsformationen und alten Platanen – ein toller Ort für eine ausgiebige Rast. Wir profitieren nun davon, so früh aufgebrochen zu sein – alles hier gehört noch uns allein, wir haben bislang keine Menschenseele getroffen.
Dies ändert sich, als wir auf dem Rückweg wieder den ersten Wasserfall und damit das Ende des steilen Abschnitts erreichen; auf einmal füllen etliche Ausflügler die Wege, und die magische Stimmung des frühen Morgens ist dahin. Schön ist es dennoch, denn nun flutet das Sonnenlicht ins Flusstal, lässt die Steine im Flussbett weiß leuchten und spielt mit den Blättern der Bäume.
Wir gehen noch ein Stück weiter bis zur Mündung des Phonias ins Meer; hier steht die Ruine eines mittelalterlichen Wachturms, welcher einen weiten Ausblick entlang der ganzen Nordküste ermöglichte. In der Nähe befindet sich auch eine Taverna mit Tischen unter – wie sollte es anders sein – großen Platanen; hier genießen wir einen Kaffee und verbringen die Wartezeit, bis unser Busfahrer uns – zur Begrüßung hupend, man kennt sich ja nun – wieder aufsammelt und zurück nach Kamariotissa bringt.
Dort suchen wir uns am Abend noch ein nettes Lokal für ein Abschiedsessen (und werden – wie immer – problemlos fündig), denn in der Nacht soll der Wind auf Nordost drehen: gute Bedingungen für eine Fortsetzung der Reise.
Mourtzephlos / Limnos
So verlassen wir am Dienstagmorgen den Hafen von Kamariotissa; die verschiedenen Wettermodelle sagen sehr unterschiedliche Windstärken voraus, und so rechnen wir mit allem zwischen 5 und 25 Knoten. Im Schutz der über 1600 Meter hohen Berge von Samothraki ist wenig Wind zu spüren, doch kaum verlassen wir den Hafen, frischt es erheblich auf, und beachtliche Wellen rollen von Nordosten heran. Bald können wir auf Südsüdwestkurs abfallen und rauschen nur unter Klüver mit 5 Knoten die Wellenberge hinunter – also liegen doch die Modelle richtig, die 5 bis 6 Windstärken angesagt haben, denken wir. Es dauert aber keine Stunde, bis der Wind innerhalb von Minuten zunächst einschläft – und dann sogar die Richtung umkehrt und von vorne kommt! Was ist das, liegen doch die Schwachwindvorhersagen richtiger oder sind wir einfach in den Windschatten der Insel geraten? Wir müssen tatsächlich motoren, aber nach einer Stunde bekommen wir die Antwort: so schnell, wie der Wind weg war, ist er auch wieder da, nun aber mit 6 bis 7 Beaufort, in Böen auch gerne mal 8 – stürmischer Wind!
Das ist mehr, als irgendein Modell vorhergesagt hat – wir reduzieren zeitweise die Besegelung noch weiter und machen nur unter Kutter immer noch 6 Knoten Fahrt. Wie immer fühlt sich das Heulen im Rigg etwas unheimlich an, und die beeindruckenden Wellen schaffen es auch alle paar Minuten mal bis übers ganze Boot, aber die ‘Orion’ hat damit keine Probleme und eilt, von der Windsteueranlage perfekt auf Kurs gehalten, dem Ziel entgegen: der Insel Limnos, die wir nach etwa 40 Seemeilen und 9 Stunden erreichen.
Erstmöglicher Ankerplatz ist der Strand hinter dem Nordwestkap Mourtzephlos; dort liegen wir bestens geschützt vor der 2 Meter hohen See, die weiter draußen vorbeizieht; nur der Wind schafft es mühelos über die flache Landbrücke und hält sich die ganze Nacht noch bei 20 bis 25 Knoten – typisch für den Meltemi, der gerne auch über Nacht weht, während den meisten anderen Winden im Mittelmeer mit Sonnenuntergang die Puste ausgeht. Wie bekommen zur Belohnung für den windigen Tag einen klaren und tiefroten Sonnenuntergang geboten und müssen uns über Nacht erst mal wieder daran gewöhnen, dass der Anker auch bei kräftigem Wind hält – seit unserer Übernachtung vor Tinos im Juni haben wir nicht mehr bei ernsthaftem Wind geankert.
Myrina / Limnos
Am Mittwochmorgen geht es gleich weiter in den Hafen von Myrina; die 8 Seemeilen legen wir bei anhaltendem Nordost, aber im Wellenschutz der Insel, ganz schnell und bequem zurück, so dass wir noch vor Mittag dort mit dem Heck zum Kai anlegen – was sich als gut erweist, denn später wird es noch ziemlich voll im Hafen.
Myrina ist mit über 5000 Einwohnern der größte Ort auf Limnos und auch der Fährhafen; hier hoffen wir Ersatz für unsere ausgefallene Batterie zu bekommen – und damit vergeht auch unser erster Nachmittag hier: der in etwa 20 Minuten fußläufig zu erreichende Autoteilehändler ist etwas überfordert mit unserem Anliegen, aber – wie immer – so hilfsbereit wie nur möglich. Die Dame des Hauses beginnt herumzutelefonieren; die ersten Großhändler erweisen sich als auch nicht ergiebig, und so bittet sie uns, später nochmal wiederzukommen, um in Ruhe nach unserer Batterie suchen zu können. Wie erledigen ein paar Einkäufe – Limnos hat einen Lidl! – und kommen zur Lagebesprechung zurück, zu der auch der Sohn der Familie hinzugezogen wird, dessen Englisch belastbarer ist. Nach wie vor gibt es aber kein Ergebnis: man wartet auf verschiedene Rückrufe und will sich melden. Das geschieht dann am gleichen Abend, als unerwartet die ganze Familie am Kai steht – um uns zu erzählen, dass es immer noch keine Ergebnisse gibt, aber noch mehrere Möglichkeiten offen sind.
Auch am folgenden Tag besuchen wir zweimal den Laden; inzwischen ist in Athen noch eine baugleiche Batterie aufgetaucht, aber die liegt schon lange auf Lager, und es muss erst getestet werden, ob die noch taugt; alternativ gäbe es ein etwas anderes Modell, aber das hat sehr lange Lieferzeit und ist teuer. Wir sind also immer noch nicht weiter, aber die ganze Familie ist im Einsatz, um uns zu helfen – wir müssen an unser kleines Stromdrama in Kavala denken: in Deutschland wäre es wahrscheinlich viel einfacher, so eine Batterie zu kaufen, aber wenn nicht, würde niemand sich so viel Mühe geben, das Problem zu lösen …
Dazwischen können wir uns endlich auch mal um die uns umgebenden Sehenswürdigkeiten kümmern, und davon gibt es eine Menge: der Hafen liegt malerisch unter dem Kastro aus dem 13. Jahrhundert, der Ort verfügt über eine langgezogene Einkaufsstraße, die ganz mit wildem Wein überrankt ist und in der Sommerhitze herrliche Kühle verspricht. Die Geschichte der Insel reicht natürlich wie immer noch viel weiter zurück: es wurden 15.000 Jahre alte Besiedlungsspuren gefunden, und in der Frühbronzezeit, vor 6.000 Jahren, kam der Insel bereits große Bedeutung als Handelsknotenpunkt in der Ägäis zu – die damals entstandene Siedlung Poliochni gilt als älteste Stadt Europas!
Wir steigen zum Kastro auf, welches sich als beeindruckend umfangreiche Anlage erweist: der ganze Berg ist überzogen mit zinnenbewehrten Mauern, Bastionen, Türmen und Gebäuden, die zum Teil gut erhalten bzw. restauriert sind. Zahlreiche Infotafeln führen den Besucher durch die Anlage – wir sind mehr als erstaunt, dass es all das ohne Eintrittsgeld zu sehen gibt!
Im Kastro
Ruinen mit Aussicht
Altes Pulvermagazin
Neben der Festungsanlage selbst ist es der Ausblick von hier oben, der begeistert: an der Küste erstrecken sich zu beiden Seiten des Burgbergs die Ortsteile von Myrina mit dem Hafen im Süden und den ausgedehnten Stränden im Norden, und die Sonne funkelt auf dem tiefblauen Meer – auch heute ist es noch gut windig!
Auch am Freitagvormittag steht die Batterie im Mittelpunkt des Geschehens: die im Lager in Athen ‘gefundene’ ist für brauchbar befunden worden und soll sich nun auf den Weg nach Limnos machen; für uns zusammen mit dem schwachwindigen und sonnig-warmen Wetter, welches für Wochenende angesagt ist, Grund genug, erst mal dem Hafen den Rücken zu kehren und uns ein paar schöne Ankerplätze im Süden der Insel anzuschauen!
Ormos Kondias / Limnos
Wir kreuzen einige Seemeilen gegen den schwachen Südwind auf, bis wir um das Südwestkap der Insel abfallen können; dort lockt uns schon ein sehr interessant aussehender Ankerplatz, der aber gegen Wind und See aus Süd keinen Schutz bietet; wir fahren also noch einige Seemeilen weiter, bis wir in die Bucht von Kondias einbiegen und dort hinter einem kleinen Vorsprung auch gute Abdeckung finden; zunächst nehmen wir an, weit und breit das einzige Boot zu sein, denn begegnet ist uns auf dem Wasser niemand; nach einiger Zeit läuft aber noch ein Boot unter deutscher Flagge ein und ankert neben uns – aus Essen sind die zwei Herren, erfahren wir. Die Welt ist doch klein!
Ein besonderer Tag ist heute auch, denn seit genau einem Jahr sind wir in griechischen Gewässern unterwegs. Passend dazu schenkt uns die Natur mal wieder einen wunderschönen Abend: zwar ist die Südseite von Limnos sehr, sehr karg und trocken, aber in der tiefstehenden Sonne verfärben sich die niedrigen Hügel in den tollsten Rot-, Braun- und Ockertönen, wirklich hübsch anzusehen 🙂
Kobi / Limnos
Am Samstagmorgen schwimmen wir erst mal ein paar Runden ums Boot, dann geht es ein Stück weiter die Küste entlang nach Osten, zunächst noch mit ein wenig Südwind, wir setzen alle Segel und freuen uns am Segeln nur so zum Spaß, ohne ein Ziel erreichen zu müssen. Am Nachmittag wird der Wind aber immer schwächen, so dass wir schließlich mit weniger als einem Knoten durch die stille See gleiten, bis letztendlich doch der Motor ran muss, um uns die letzte Seemeile bis auf einen geeigneten Ankerplatz zu schieben.
Diesen finden wir hinter der kleinen Insel Kobi, die mit einer Kette von kaum aus dem Wasser ragenden Felsen mit dem Festland verbunden ist. Dieses Riff bietet perfekten Schutz vorm Schwell, lässt aber den freien Blick Richtung Südwesten zu, wo sich am Abendhimmel die Nachbarinsel Agios Efstratios abzeichnet – wieder eingebettet in ein prächtiges Farbenspiel. Dazu gibt’s Abendessen vom Grill, mit Pilzen, Halloumi, Brot mit Avokado-Dip, Salat aus roter Beete und Feta … so lässt es sich aushalten!
Die Bucht von Moudros, an deren Eingang wir nun ankern, spielte übrigens eine wichtige Rolle im Ersten Weltkrieg: zunächst wurden hier die alliierten Truppen für die Invasion der Gallipoli-Halbinsel zusammengezogen, und am 30. Oktober 1918 wurde in Moudros der Waffenstillstand unterzeichnet, welcher das Ende des osmanischen Reiches besiegelte – und den Auslöser des Kampfes eines gewissen Kemal Atatürk für den heutigen Staat Türkei darstellte.
Akrotiri Tiganis / Limnos
Sonntag machen wir uns auf den Rückweg Richtung Akrotiri Tiganis, nun mit nördlichem Wind, so dass wir den am Freitag ausgelassenen Ankerplatz direkt hinterm Kap ansteuern können. Dabei haben wir einen schönen Blick auf den Berg Athos in der Ferne, der über einer Schicht aus Dunst zu schweben scheint, mit seiner eigenen kleinen Wolkenkrone, während ansonsten der Himmel völlig wolkenlos ist – sehr dekorativ!
Wir machen gute Fahrt, und schon gegen 14 Uhr steuern wir die kleine, zu drei Seiten geschlossene Bucht an. Die Einfahrt weist einige Untiefen auf, aber sowohl auf den über die Seekarten gelegten Satellitenbildern als auch in der hoch stehenden Mittagssonne lassen sich diese gut erkennen und umfahren. Drinnen angekommen, finden wir eine schöne Sandfläche, auf welcher der Anker guten Halt findet. Später leisten uns auch noch ein paar Fischerboote Gesellschaft, die sich hier ein paar Stunden ausruhen, bevor es in der Abenddämmerung wieder hinaus geht.
Myrina / Limnos
Montagmorgen geht es nach einem erfrischenden Bad dann zurück nach Myrina; der Nordwind weht schon etwas stärker, bis morgen soll er sich zum Meltemi entwickeln, und dann wollen wir hoffentlich unsere Batterie im Empfang nehmen …
Dienstagnachmittag bringt uns tatsächlich der Händler die Ersatzbatterie netterweise bis ans Boot – bei knapp 50 Kilo Gewicht eine mehr als willkommene Gefälligkeit. Leider zeigt sich, dass der Lieferant in Athen sie bei der Überprüfung nur bis zur Hälfte geladen hat – wie bekommen wir nun einen einzelnen 6V-Block auf den Ladestand der anderen drei, bevor wir sie zusammenschalten können? Wir finden eine provisorische Lösung, aber nur mit 2 Ampere Ladestrom – das dauert Tage!
Macht aber nichts, denn der angekündigte Meltemi hat sich inzwischen eingestellt, und zwar ordentlich: Dienstag wäre die letzte Chance zum Weitersegeln gewesen, seit Mittwoch bläst es in Sturmstärke, die signifikante Wellenhöhe schwankt zwischen zwei und drei Metern – da muss man wirklich nicht unterwegs sein. Als Alternativprogramm mieten wir uns am Donnerstag mal wieder ein Auto (mit 30 € wirklich recht günstig) und schauen uns den Rest der Insel an.
Da gibt es sehr viel zu sehen: die geologische Entstehung aus gefalteten Sedimentschichten und vulkanischer Aktivität hat zu vielen Besonderheiten geführt: an der Nordküste, am Kap Falakro, gibt es bizarr geformte Lavalandschaften zu bestaunen. Die Erosion hat hier wundersame, einförmige Gebilde geschaffen, die aus mehreren Schichten zu bestehen scheinen, und überhaupt sind die glatten, geschwungenen Formen der Felsen in ihren leuchtenden Sand- bis Brauntönen toll anzuschauen.
Außergewöhnliche Küste:
bizarre Lavakugeln …
… und Gesteinsstrukturen
Auch finden sich im gebirgigen Teil der Insel zahlreiche Grotten verschiedenster Größe in den Felsen, die auf uns den Eindruck machen, als seien hier beim Erkalten der Lava Gasblasen eingeschlossen worden. Zum Teil sind diese so groß, dass man eine kleine Kirche hineinbauen konnte: Panagia Kakaviotissa, die weltweit einzige Kirche ohne Dach – das braucht sie nicht, denn der Felsenüberhang schützt das gesamte Gebäude.
Der größte Teil der Insel ist aber flach; im Zentrum findet sich etwas Landwirtschaft, hier wächst auch der auf der Insel erzeugte Wein, und im Osten gibt es ausgedehnte Lagunen, die größtenteils trockenfallen und Salzseen bilden. Im Frühjahr, wenn die Seen noch mehr Wasser führen, lassen sich hier Flamingos und zahlreiche andere Vogelarten beobachten, nun im Herbst beeindrucken sie mit ihrer endlos wirkenden, leuchtend weißen und spiegelglatten Fläche.
Auch an Hinterlassenschaften der Antike gibt es einiges zu sehen: bei Kondopouli besuchen wir das Theater von Hephaistia. Diese etwa 1000 v. Chr. gegründete Stadt war einst sehr mächtig und ist nach Hephaistos, dem antiken Gott des Feuers und der Schmiedekunst, benannt; der Sage nach soll dieser in den Vulkanen unter Limnos sein Schmiedefeuer betreiben.
Wie auf Samothraki gibt es auch hier ein den Kabiren gewidmetes Heiligtum, wovon aber weniger erhalten ist; zur Besichtigung der Ausgrabung gibt es aber ungewöhnlich gut ausgearbeitete Informationen, und außerdem kann man vom Ausgrabungsgelände zu einer zum Meer hin offenen Höhle absteigen, die nur zu betreten ist, indem man sich durch einen engen Spalt im Felsen zwängt und einige Meter durch knietiefes Wasser watet.
Hier soll der Sagenheld Philoktetes 10 Jahre gelebt haben, bevor er von Odysseus durch eine List bewogen wurde, in den schon fast ebenso lang andauernden Kampf um Troja (welches Limnos gleich gegenüber an der Küste der heutigen Türkei liegt) einzugreifen.
Weiter schauen wir uns noch einige der kleineren Dörfer der Insel an, finden in Kondias eine sehr dekorativ gelegene Reihe alter Windmühlen und besuchen die allein auf einem Inselchen gelegene Kapelle Agios Nikolaos. Rund 10 Stunden sind wir unterwegs und freuen uns, eine weitere Insel kennengelernt zu haben, die wieder anders ist als die zuvor besuchten Inseln, aber genauso sehenswert.
Windmühlen bei Kondias
Agios Nikolaos
Blick über die Berglandschaft
Auch am Freitag und Samstag lässt der Meltemi noch nicht wirklich nach; wir machen uns ein paar ruhige Tage im Hafen von Myrina, besuchen ein gerade stattfindendes Kurzfilmfestival mit internationalen Beiträgen und verbringen einen netten Abend mit unseren britischen Hafennachbarn in der Taverne. Am Sonntag lässt der Wind endlich etwas nach, so dass wir für den Montagmorgen die Weiterreise planen.
Am Donnerstag den 8. Juli soll es endlich den Wind geben, der uns den letzten größeren Seeschlag bis zum Sommerziel Thessaloniki ohne endlose Motorfahrt ermöglichen soll – nach fast vier Wochen Dauerflaute und Hitzewelle sehnlichst herbeigewünscht und kaum noch für möglich gehalten. Als in der letzten Nacht in der Ankerbucht auf Kyra Panagia der Nordost noch nicht wie angekündigt aufkommen will, befürchten wir schon das Schlimmste, brechen aber dennoch kurz vor Sonnenaufgang auf – in der ersten Tageshälfte ist mehr Wind als am Nachmittag angesagt.
Bei gerade mal 7 bis 8 Knoten segeln wir in den neuen Tag – wenigstens kommt der Wind östlicher und damit für uns günstiger als angesagt, und ein herrlicher Sonnenaufgang tröstet uns über die magere Windstärke hinweg.
Dann geschieht das Unerwartete: statt zum Mittag hin abzuflauen, wird der Wind stärker: bei einem gemäßigten Amwindkurs laufen wir unter Vollzeug zeitweise über 5 Knoten – so können wir ohne Motorunterstützung ans Ziel kommen!
Sithonia / Porto Koupho
Am frühen Nachmittag liegen nach 40 Seemeilen die steilen Felsenklippen von Sithonia vor uns, dem mittleren Finger der Chalkidiki-Halbinsel. Die Einfahrt in den Naturhafen von Porto Koupho ist spektakulär: man fährt auf hohe, zerklüftete Felswände zu, und erst kurz vor der Einfahrt kann man diese als solche erkennen; dahinter tut sich eine ausgedehnte Bucht auf, mit langen Stränden und dem kleinen Ort gleichen Namens.
Die wenigen Plätze am Kai sind belegt, wie ankern also davor – wie etliche andere Yachten auch, der Hafen ist sehr beliebt. Nicht ohne Grund: während draußen der ganztägige Nordost einen knappen Meter See aufgebaut hat, ist das Innere der Bucht völlig frei von Schwell. Nur das Wasser ist nicht so klar, wie wir es von den Inseln gewohnt sind, bei etwa 5 Metern Tiefe gerät der Grund außer Sicht – wir ankern also blind auf knapp 15 Metern. Der Schutz durch die umliegenden Berge ist gut, nur einzelne Böen arbeiten sich hin und wieder in die Bucht; wir verbringen eine ruhige Nacht und landen am nächsten Morgen noch am Stadthafen an, um im einzigen Supermarkt Einkäufe zu erledigen – der Ort ist erstaunlich klein für seine Lage an so einem hervorragenden Naturhafen.
Sithonia / Paralia Azapiko
Eigentlich zieht es uns an die Ostküste Sithonias, aber da der Meltemi, der uns am Vortag so freundlich zur Chalkidiki getragen hat, noch einige Tage wehen soll, beschließen wir erst mal ein Stück die Westküste heraufzufahren, um besseren Schutz vor dem aus Nordost heranrollenden Schwell zu haben. Wie immer wenn es irgendwie möglich ist verlassen wir unseren Ankerplatz unter Segeln – was sich aber im Talkessel von Porto Koupho als Herausforderung erweist, da der Wind sich sowohl in Richtung als auch in Stärke – zwischen 3 und 30 Knoten ist alles drin – als sehr abwechslungsreich erweist. Nachdem wir mehrmals unter Vollzeug die Relingdrähte durchs Wasser gezogen haben, um kurz darauf wieder in der Flaute einzuparken, erreichen wir endlich die offene See, und der Wind wird gleichmäßiger.
Ohne eigentliches Ziel werfen wir schon nach 7 Seemeilen den Anker vor einem hübschen Strand; eine kleine Strandbar lässt Reggae statt wummernder Bässe erklingen – hier kann man bleiben. Richtig toll aber finden wir die riesigen Bäume am Ufer: gerade noch haben wir uns darüber gefreut, überhaupt mal wieder einen Baum zu sehen, und nun gibt es hier gewaltige Nadelhözer, deren Stämme sicher einen Meter messen – das haben wir vermisst!
Etwas weniger begeistert uns, dass das Wasser auch hier nicht wirklich klar ist, es gibt wohl einfach viel mehr Schwebstoffe organischer Herkunft als auf den – klein und felsig, einsam in der Ägäis gelegenen – Inseln. Dafür ist das Wasser noch wärmer – was aber bei der anhaltenden Affenhitze kein Vorteil ist, bei über 30 Grad ist der Kopfsprung kaum noch erfrischend. Erst nach Sonnenuntergang wird es erträglich – langsam verstehen wir, warum in Griechenland niemand vor 21 Uhr ans Abendessen denkt.
Sithonia / Agia Kyriaki
Auch am Samstag segeln wir nur einen kleinen Schlag – an dieser Küste findet sich ein schöner Ankerplatz neben dem anderen. Im 6 Seemeilen nordwestlich gelegenen Agia Kyriaki gibt es einen Campingplatz (und nicht viel sonst), zu dem ein Supermarkt gehört; wir ankern vorm Strand und fahren mit dem Dinghi zum Einkaufen, frisches Obst und Gemüse sind immer willkommen. Nur ein kleines Stück nördlich der Siedlung, hinter einer felsigen Halbinsel, finden wir eine kleine Bucht mit dekorativer Umgebung und gutem Schutz vor dem uns immer noch inzwischen aus Süd nachlaufenden Schwell; wir legen eine Landleine an die Felsen, um den Bug aus der Bucht herauszeigen zu lassen, und alles ist gut.
Sithonia / Akrotiri Sithonias
Am Sonntag segeln wir dann die Strecke der vergangenen zwei Tage wieder zurück – es ist der letzte Tag, für den etwas Nordost angesagt ist, am Montag wollen wir uns dann auf die Ostseite von Sithonia trauen. Bis zur Höhe von Porto Koupho kommen wit auch ganz gut voran, nur für das letzte Stück bis zum Ende der Halbinsel muss der Motor ran.
Hinter dem Kap verbergen sich mehrere Strände, vor denen man ankern kann und Schutz vor dem Schwell aus Ost findet; wir entscheiden und für einen ohne Straßenanbindung, der deswegen auf der Google-Karte ‘Secret Beach’ heißt – das klingt doch gut! Als ganz so geheim erweist er sich dann doch nicht, ein paar wenige Menschen sehen wir; insgesamt aber ein sehr ruhiges Fleckchen, an dem die Abendsonne die terrakottafarbenen Felsen dekorativ zum Glühen bringt.
Sithonia / Sarti
Montagmorgen geht es dann ums Kap auf die Ostseite von Sithonia; die Wetterdienste geben nur 0,1 m Schwell aus Ost an, das sollte sich ja machen lassen. Leider sieht die Realität mal wieder anders aus: als wir – wie erwartet bei Flaute und unter Motor – die Nase um die Ecke strecken, laufen uns Wellen von einem Meter Höhe entgegen. Überflüssig zu erwähnen, welch berauschende Fahrt über Grund wir damit machen …
Nach einer Stunde Rodeo können wir endlich den Kurs etwas nördlicher setzen und werden wenigstens schneller; der Motor läuft aber 4 Stunden, bis wir vor dem ausgedehnten Strand von Sarti den Anker werfen – und den Heckanker gleich hinterher, um den Bug im hier immer noch einen halben Meter hohen Schwell zu halten. Die Anlandung im Dinghi am Strand gerät in der beträchtlichen Brandung zu einem kleinen Abenteuer, aber wir wollen im größten Supermarkt weit und breit einkaufen, und einen Freddo Espresso in einer der zahlreichen Strandbars haben wir uns auch verdient.
Besonderes Highlight an dieser Küste ist der Blick quer über den Singitischen Golf auf den Berg Athos, dessen Spitze das Meer um mehr als 2000 Meter überragt. Die zahlreichen Klöster der Mönchsrepublik sind auf diese Entfernung natürlich nicht zu erkennen, aber die Silhouette des Berges ist ein toller Anblick!
Sarti ist der größte Badeort der Gegend mit seinem kilometerlangen Sandstrand; entsprechend touristisch geprägt ist das Dorf, welches wir aber dennoch ganz sympathisch finden – natürlich gibt es unzählige Restaurants, Bars, Kramläden und Hotels, aber anders als es in Spanien an einem vergleichbaren Strand der Fall wäre, haben diese selten mehr als ein Dutzend Zimmer – zwölfstöckige Bettenbunker wie auf Mallorca sucht man hier vergeblich.
Gegen Abend beruhigt sich auch wie erhofft der Schwell etwas, so dass wir nach einem Abendessen mit Blick auf das Treiben der Badenden eine halbwegs brauchbare Nacht vorm Strand von Sarti verbringen – so weit es die unverändert grausamen Temperaturen an Bord eben zulassen …
Sithonia / Dhiaporos – Koukos
Dienstagmorgen warten wir nach der Erfahrung vom Vortag erst mal etwas, bis der Wind östlicher kommt; gegen 11 Uhr können wir unsere beiden Anker aufholen und uns langsam von einer sanften Brise nur unter Klüver auf die See hinaustragen lassen. Tatsächlich dreht der Wind weiter, so dass wir bald sogar den Gennaker setzen können und erstaunlich gute Fahrt machen – eine unerwartete Freude, bei der Wettervorhersage haben wir befürchtet, auch die zweite Hälfte der Strecke bis zur Insel Dhiaporos motoren zu müssen.
Gegen 16 Uhr erreichen wir die enge Passage im Süden der Insel; dahinter öffnet sich ein lagunenartiger Sund mit eher geringen Wassertiefen, sandigem Grund und perfektem Schutz vor Schwell. Die Zahl der möglichen Ankerplätze ist schier endlos; wir entscheiden uns für den Strand vor Koukos an der Südseite von Dhiaporos. Die Insel ist eher flach, mit ihren Bäumen, Wiesen und rundgeschliffenen Felsen mutet sie fast etwas schwedisch an; ein paat Villen stehen darauf, sonst nichts. Wir bekommen einen schönen Sonnenuntergang geboten und genießen eine sehr, sehr ruhige Nacht.
Den nächsten Tag beschließen wir, hier zu bleiben, und mit dem Dinghi einen Ausflug eine gute Seemeile nach Süden zum Dorf Vourvourou zu unternehmen. Hier dreht sich alles um den Wassersport: auf zwei Kilometern Länge reiht sich ein Motorboot-, Jetski- oder Kajakverleih an den anderen; so etwas wie einen Dorfkern finden wir nicht, wohl aber natürlich Restaurants, Cafés und Supermärkte zur Versorgung der zahlreichen Gäste – die, betrachtet man die Autokennzeichen, quasi ausschließlich aus den Balkanstaaten anreisen. Fremdsprachenkenntnisse scheinen dort nicht hoch im Kurs zu stehen: die junge Kellnerin im Café erstrahlt förmlich, als wir ihr ein ‘Ευχαριστώ πολύ’ schenken 🙂
Sithonia / Elia Agiou Nikolaou
Donnerstag ziehen wir ein kleines Stück weiter: ganze zwei Seemeilen geht es nach Norden durch den Sund bis zum Inselchen Elia; dahinter gibt es einen Ankerplatz von 5 bis 6 m Tiefe auf Sandgrund – und entsprechend herrlichen Farben! Das Wasser ist hier auch endlich wieder etwas klarer als an unseren bisherigen Ankerplätzen auf Sithonia, also beste Schnorchelbedingungen, wozu auch die dekorativ geformten Felsen am Ufer beitragen, in deren Spalten sich vielerlei bunte Fische tummeln. Ab und an leistet uns ein kleines Motorboot für einen Badestopp Gesellschaft, ansonsten bleiben wir allein – erstaunlich, wir finden diesen Ankerplatz noch viel besser als den letzten!
Sithonia / Paralia Lagonisi
Unsere Tagesdistanzen werden immer kürzer: es geht eine Seemeile um eine Landzunge in die Nachbarbucht; als wir in diese hineinschauen können, laden uns gleich mehrere Uferstreifen zum Ankern ein. Wir entscheiden uns ausnahmsweise mal gegen den mit dem naturbelassensten Hintergrund, denn gegenüber liegt Lagonisi, einer der schönsten Strände Sithonias.
Entsprechend ist hier eine Menge los, aber zur Abwechslung finden wir es auch mal ganz interessant, vor einem Badeparadies zu ankern: der Trubel am Strand, die Tretboote, die planschenden Kinder – solange die Strandbar keine unerträgliche Musik spielt (und hier hört man rein gar nichts), ist das ganz schön, sozusagen ein Strandurlaub auf Zeit.
Und die Sandfläche, auf der wir ankern, ist sehr ausgedehnt, so dass wir mitten in einem türkisblauen Traum liegen – und schnorcheln kann man hier natürlich auch hervorragend, über den weißen Sand zu gleiten fühlt sich so schwerelos an, und über dem sich am Rand des Strandes anschließenden Felsenriff gibt es auch eine Menge zu sehen. Große Schwärme winziger Fische bewegen sich über den sonnendurchfluteten Seegraswiesen wie eine Einheit – ebenso rätselhaft wie faszinierend, wie die sich koordinieren!
Sithonia / Ormos Panagias
Am Samstag fahren wir wieder eine Bucht weiter – in Luftlinie nur wenige 100 Meter … Ziel ist die Marina Panagia, die gegenüber dem Dorf Ormos Panagias liegt. Diese ist gar nicht so klein, aber kaum auf Gäste ausgerichtet, und so sind wir froh, hier einen Platz zu bekommen, denn sowohl unsere Wasservorräte als auch unser Batteriestand brauchen etwas Nachschub; 20 Euro Liegegeld inklusive Strom und Wasser sind für griechische Verhältnisse gar nicht so wenig, aber als erste kostenpflichtige Übernachtung seit Linaria auf Skyros wohl finanzierbar 🙂
Wir fahren mit dem Dinghi zum Einkaufen über die Bucht ins Dorf, welches hauptsächlich auf Tagesfahrten zur Athos-Halbinsel ausgerichtet ist; einen Supermarkt und ein Café mit gutem Freddo und hervorrragender Portokalopita (sirupgetränkter Orangenkuchen) gibt es aber auch. Dann wandern wir noch zu einem Hofverkauf eines lokalen Olivenbauern – wir erwerben zwei Kanister Öl und einige Pfund sensationell guter Oliven zu einem Preis, der einem nach deutschen Maßstäben das Gefühl gibt, die armen Leute bestohlen zu haben …
Sithonia / Dhiaporos – Kriphtos
In der Nacht zum Sonntag kommt ausnahmsweise mal Wind auf, in der Marina liegen wir aber gut geschützt. Wir warten noch bis zum Mittag, und als es sich dann etwas beruhigt hat, legen wir ab und fahren rund drei Seemeilen zurück zur Insel Dhiaporos; diese hat an ihrer Nordseite einen fjordartigen Einschnitt von mehr als einer halben Seemeile Tiefe, welcher perfekten Schutz vor dem vom Wind aufgeworfenen Schwell verspricht.
Dem ist dann auch so, nach etwa einem Meter Wellenhöhe vor der Einfahrt liegen wir tief in der Bucht völlig still – jedenfalls was die See betrifft: es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen der kleinen Charter-Motorboote, deren Gashebel nur zwei Stellungen kennt, von denen eine mit ‘Baden’ beschriftet ist 😉 Ab 19 Uhr kehrt aber Ruhe ein, und in der Nacht teilen wir uns die geräumige Bucht mit nur einer anderen Segelyacht. Dadurch, dass erstmals seit geraumer Zeit ein paar Wolken den Himmel bedecken, ist es auch etwas weniger heiß im Boot, was die Nacht umso ergiebiger macht …
Sithonia / Dhiaporos – Agios Isidhoros
Ausnahmsweise mal halbwegs ausgeruht verlegen wir uns am Montagmorgen auf die Außenseite von Dhiaporos hinter die kleine Insel Agios Isidhoros.
Der Sund zwischen den Inseln wird von der Tourismusbranche als ‘Blue Lagoon’ vermarktet; ganz übertrieben ist das nicht, das Farbspiel des Wassers über ausgedehnten Sandflächen ist wirklich hinreißend – wie so oft hier, die Farben sind für uns mit die tiefsten Eindrücke, die wir in der Ägäis aufnehmen.
Die Landschaft auf den Inseln ist aber auch durchaus reizvoll: zwar recht trocken, aber auch Mitte Juli noch nicht völlig verdorrt, und die Hügelrücken sind mit großen, schattenspendenden Bäumen bewachsen. Wäre es nicht so heiß, könnte man hier auch ein herrliches Picknick veranstalten 🙂
Von den zahlreichen Besuchern – über den Tag besuchen uns sicher um die 100 Motorboote, jedes davon mit der charakteristischen Vollgas-Welle sowohl bei der Ankunft wie auch bei der Abfahrt – betritt aber niemand das Ufer; es ist auch wirklich zu heiß, die hier eingefügten Fotos sind teuer erkauft. Ein Rätsel ist uns, dass bei dem Aufkommen von Badenden und gut motorisierten Booten mit schlecht bis nicht ausgebildeten Bootsführern (40 PS – ‘no license required!’) das Wasser nicht eher rot als blau ist …
Athos / Amouliani – Paralia Kalopigado
Der Dienstagmorgen empfängt uns mit einem ungewöhnlichen Anblick: dicke Wolken hängen am Himmel, und es regnet einige Tropfen! Aber schon gegen 10 Uhr beginnt es aufzureißen, und bald danach stellen sich die kleinen Motorboote wieder ein: wir zählen knapp 50 in unserer Bucht!
Eigentlich wollten wir noch einen Tag bleiben, aber das ist uns doch zu voll, und außerdem ist für den Nachmittag etwas Südostwind angesagt – eine gute Gelegenheit, den Singitischen Golf zu queren und die vor der schmalsten Stelle der Athos-Halbinsel gelegene Insel Amouliani zu besuchen; hier, bei der Ortschaft Trypiti, ließ der persische Großkönig Xerxes der I. um 480 v. Chr. einen Kanal ausheben, um seine Flotte ohne den gefährlichen Umweg um den Berg Athos in den Krieg gegen die Griechen schicken zu können. Geholfen hat es ihm nichts – nach der Niederlage in der Seeschlacht bei Salamis musste er sich nach Kleinasien zurückziehen, womit die Grundlage für den Aufstiegs Athens – und letztendlich einer europäischen Kultur, wie wir sie heute kennen – gelegt war.
Am Strand von Kalopigado auf Amouliani spürt man aber wenig vom Hauch der großen Weltgeschichte: fröhliche Menschen genießen das kühle Nass (nun ja … über 30 Grad sind nicht mehr wirklich kühl), eine kleine Beach Bar serviert die Getränke an die Liegestühle. Die Charterbootquote ist dramatisch abgefallen, und überhaupt geht es hier etwas ruhiger zu als gegenüber um Dhiaporos herum – vielleicht dämpft der schwere Schatten der nahen Mönchsrepublik den Badetourismus etwas 😉
Am Mittwochmorgen landen wir mit dem Dinghi am Strand an und wandern ins knapp anderthalb Kilometer entfernt liegende Inseldorf, bevor die Sonne zu hoch am Himmel steht und jede Bewegung unmöglich macht; auch hier geht es ruhig zu, aber mehrere gutsortierte Supermärkte und eine Bäckerei versorgen uns mit Frischwaren für die kommenden Tage – prima!
Sithonia / Paralia Klimataria
Am Donnerstag brechen wir früh auf: für den Vormittag ist etwas Nordwind angesagt, der dann immer östlicher drehen soll, und bevor das geschieht, wollen wir ein möglichst langes Stück an der Küste von Athos entlangsegeln – in gebührender Entfernung, versteht sich, denn ein gewisser Mindestabstand ist einzuhalten. Anlanden ist streng verboten, die Mönchsrepublik darf nur nach langfristiger Voranmeldung betreten werden, der Zutritt ist auf 10 ausländische Besucher pro Tag kontingentiert, und Frauen dürfen grundsätzlich schon mal gar nicht herein. Hier ist die Zeit vor 1000 Jahren stehengeblieben …
Von den beeindruckenden Klöstern sieht man so leider nicht besonders viel, aber der ‘Heilige Berg’ Athos selbst löst sich langsam aus seinem eigenen Schatten und bietet einen tollen Anblick, wie er so – mit spitzem Gipfel, wie ein anständiger Berg zu sein hat, und einer kleinen Wolkenkrone – über 2000 Meter steil aus dem Wasser aufragt.
Die angekündigte Winddrehung wird leider – wie so häufig – von einer stundenlangen, nicht angekündigten Flaute begleitet, so dass unser Tag auch nach hinten lang wird – wir müssen ja noch nach Sithonia hinüber, mangels Ansteuerbarkeit von Athos. Irgendwann haben wir uns aber auch – bei beträchtlichem, unangenehmen Schwell, der von Osten um das Ende von Athos zu kommen scheint – bis zum Strand von Klimataria in der Nähe von Sykia vorangedümpelt. Zwischen Bug- und Heckanker liegen wir ausgerichtet zum Schwell vorm Badestrand mit den üblichen Strandbars und Restaurants, genießen einen zauberhaften Abendhimmel und haben eine gute Position für die Nacht gefunden – denken wir …
Sithonia – Porto Koupho
Mitten in der Nacht dreht der Wind plötzlich wieder auf, nur aus einer neuen Richtung: er weht diagonal über den Singitischen Golf und baut binnen kürzester Zeit eine Windsee auf, die nicht zu unserer Ausrichtung passen will. Die ‘Orion’ beginnt an der Kette zu stampfen; als sich auch noch durch das fortwährende Rucken an der Kette langsam aber sicher der Anker in Bewegung zu setzen beginnt, meldet sich der Ankeralarm, und um 5 Uhr ist die Nacht endgültig vorüber. Wir schauen uns beim Morgenkaffee noch in aller Ruhe an, wie die Felsen hinter uns beharrlich näher rücken, und als es hell genug ist, beschließen wir, gleich loszufahren statt nochmal umzuankern.
Bedingt durch diesen unfreiwillig frühen Aufbruch runden wir schon gegen 11 Uhr das Akrotiri Sithonias und beschließen aufgrund unserer Erschöpfung, die Fahrt nicht mehr weiter als bis Porto Koupho fortzusetzen, unserem ersten Ankerplatz auf Chalkidiki vor gut zwei Wochen. Da an der Pier gerade ein Platz frei ist, gehen wir kurz längsseits, füllen unseren Wassertank und tragen größere Mengen Getränke die wenigen Schritte vom kleinen Supermarkt zum Boot – das ist doch einfacher als mit dem Dinghi! Danach suchen wir uns noch einen Platz im Ankerfeld – wir wissen nicht so genau, ob wohl noch jemand den Platz an der Pier beansprucht, und besonders geeignet ist diese für uns auch nicht mit ihren herausstehenden Moniereisen und den alten Autoreifen …
Sithonia – Stiladhari
Nach einer wie erhofft sehr ruhigen Nacht vor Anker in Porto Koupho können wir am Samstagvormittag unter Segeln aus der Bucht fahren; wie beim letzten Mal erleben wir sehr abwechslungsreiche Windverhältnisse in der Ausfahrt, sind diesmal aber besser vorbereitet: wir fahren nur unter Klüver, und müssen hinterher dankenswerterweise nicht eine halbe Stunde aufräumen unter Deck …
Sechs Seemeilen können wir hoch am Nordost segeln, bis wir uns einen Ankerplatz vorm Strand des Ortes Stiladhari – eigentlich eher eine Siedlung von ein paar Ferienhäusern – suchen. Den Platz hatten wir erspäht, als wir vor zwei Wochen ganz in der Nähe vor Azapiko geankert haben; die Umgebung ist die gleiche, aber anders als dort gibt es keine Strandbar – Ruhe pur. Am Nachmittag wird diese etwas vom thermischen Südwind gestört, der recht kräftig einsetzt und laut die Wellen unter unser vom Heckanker fixiertes Heck schlagen lässt, aber gegen Abend legt sich dieser erwartungsgemäß wieder, und in der Nacht hört man nur das leise Rauschen der Wellen auf dem Strand. Außerdem kühlt es sich im Boot auf paradiesische 27 Grad ab – das hatten wir schon sehr lange nicht mehr!
Sithonia – Diaporti
Die Entfernung vom Vortag können wir am Sonntag nochmal halbieren – und das ist noch erstaunlich viel, denn unseren neuen Ankerplatz kann man vom alten aus schon sehen! Um dorthin zu gelangen, müssen wir aber die Halbinsel Punta umrunden; diese ist nur durch eine umspülte Kiesbrücke mit dem Land verbunden, über welche man leicht hinwegblicken kann, und auf deren Rückseite befindet sich unser Tagesziel.
Am Nachmittag schwimmen wir herüber zu diesem besonderen Strand; die Verbindung ist so schmal, dass man mit je einem Bein in den zwei verschiedenen Buchten stehen kann 🙂 Die Sonne scheint heute wieder heißer, aber wenigstens bietet das Wasser noch etwas Erfrischung …
Sithonia / Agia Kyriaki
Montagmorgen scheint es erst mal vorbei zu sein mit dem wenigen Wind, den es zuletzt noch gab; wir müssen unseren Ankerplatz unter Maschine verlassen und stolze drei Seemeilen bis zum nächsten Ziel motoren – und das auch nur, weil einige Untiefen im Weg liegen, der direkte Weg wäre noch viel kürzer.
In der Nähe von Agia Kyriaki haben wir vor gut zwei Wochen schon einmal geankert; damals hatten wir uns eine Bucht direkt südlich des Ortes angeschaut, diese war aber schon mit so vielen Tagesausflüglern besetzt, das wir uns nicht noch dazwischenquetschen wollten. Diesmal sieht es anders aus: um 10 Uhr ist noch niemand da, wir können uns einen schönen Sandflecken für den Buganker suchen und eine Heckleine zu den Felsen zwischen zwei kleinen Stränden ausbringen. Die kleine Bucht ist gut geschützt vor Schwell und Wind, und rundherum sieht man ausschließlich Strand, Felsen, Bäume und Buschwerk – kein Haus, keine Straße. Diese verläuft aber nur 30 Meter hinterm Strand, gut verborgen durch die dichte Vegetation, so dass wir den kleinen Supermarkt auf dem Campingplatz fußläufig erreichen können – prima!
Außer uns haben nur zwei Camper am Strand ihr Zelt aufgeschlagen (ja, so etwas ist in Griechenland möglich!); später besucht uns noch eine riesige Motoryacht und beglückt uns einige Stunden lang mit dem Lärm ihres Generators, verzieht sich aber glücklicherweise am Nachmittag wieder – das hätten wir nicht die ganze Nacht 20 Meter neben der Koje haben müssen.
Wir finden es ganz bezaubernd hier, um die Felsen herum lässt es sich schön schnorcheln, und die Temperaturen sind auch halbwegs erträglich; diesbezüglich erreichen uns aber schlechte Nachrichten: nach der frühesten Hitzewelle aller Zeiten und der ausgedehntesten Hitzewelle seit langem erreicht uns nun die dritte Hitzewelle dieses Sommers (die Unterbrechungen fanden wir eher schwer auszumachen). Diese wird als schlimmste Hitzewelle seit 34 Jahren angekündigt: bis 44 Grad sind fürs kommende Wochenende angesagt! Das kann heiter werden …
Kelyfos
Aufgrund der grausigen Wetteraussichten beschließen wir, uns so lange es geht noch zu schonen, und bleiben ganze drei Nächte in der Ankerbucht, die wir als eine der schönsten auf Chalkidiki empfinden. Am Donnerstag geht es dann aber doch weiter, schließlich sind es noch rund 70 Seemeilen bis Thessaloniki, wo wir am Sonntag eintreffen möchten; wir verlassen Sithonia und fahren zur 5 Seemeilen vorgelagert liegenden Insel Kelyfos, die wegen ihrer Form auch als die ‘Schildkröte’ bezeichnet wird – eine durchaus zutreffende Assoziation, wie wir finden.
Wir finden einen Ankerplatz auf der Nordwestseite vor einer bizarr geformten Felsenküste, leider nur auf recht großer Wassertiefe von knapp 20 Metern – für schlechteres Wetter wäre das nichts, aber davon kann ja keine Rede sein. Das Schnorcheln um die zerklüfteten Felsen ist besonders schön – einerseits, weil das Wasser hier draußen noch etwas klarer als an der Küste von Sithonia ist, andererseits auch, weil es ein bis zwei Grad kälter ist 🙂 So weit ist es also schon gekommen, dass wir uns nach kälterem Wasser sehnen …
Kassandra / Nea Potidaia
Am Freitag warten wir erst mal bis nach 11 Uhr, bevor wir die ‘Schildkröte’ verlassen; um diese Zeit kommt meist etwas thermischer Südwind auf, und den wollen wir nutzen für unsere Fahrt bis zum Ende des Toronäischen Golfs. Hier, bei der Ortschaft Nea Potidaia aus der Halbinsel Kassandra, gibt es einen Kanal hinüber in den Thermaischen Golf, und den wollen wir passieren.
Erst mal liegen aber 20 Seemeilen vor uns; glücklicherweise ist der mit 6 bis 8 Knoten wehende Südwind zwar recht schwach, aber sehr beständig, und die See ist ziemlich glatt, so dass wir den Gennaker setzen können und mit um die 3 Knoten sanft dahingleiten – ein sehr schönes Segeln ist das! Dabei zieht die Küste von Kassandra vorbei; der westlichste ‘Finger’ von Chalkidiki ist deutlich flacher als Sithonia (von Athos ganz zu schweigen) und verfügt über ausgedehnte Strände, aber einen eher wenig strukturierten Küstenverlauf.
Etwas verleidet wird einem der Tag nur durch die Temperaturen: die vergangene Nacht war schon unerträglich und schlaflos, und den ganzen Tag suchen wir auch nur verzweifelt nach Schatten (wozu ein Gennaker bei Südwind keinen wertvollen Beitrag leistet, der wirft seinen Schatten voraus ins Wasser). Aber immerhin müssen wir nicht nur motoren (was wir schon befürchtet hatten), und erreichen gegen 18 Uhr den Strand von Nea Potidaia, wo wir ankern, um die Passage des Kanals am kommenden Morgen bei Windstille angehen zu können.
Akra Epanomis
Am letzen Tag des Monats Juli geht es früh los – geschlafen haben wir wegen der Hitze ohnehin praktisch gar nicht, und da können wir auch gleich die Zeit direkt nach Sonnenaufgang nutzen, wo es noch nicht so heiß ist.
Wind weht auch keiner, und das passt uns ganz gut für die als erstes anstehende Querung des Kanals von Nea Potidaia. In Norwegen wäre die Passage einer 17-Meter-Brücke völlig alltäglich, hier aber ist es die einzige Brücke weit und breit – und die Angaben in den nautischen Veröffentlichungen zu Durchfahrthöhe und Kanaltiefe sind spärlich (um es vorsichtig auszudrücken).
Es ist also die schlechte Informationslage, die uns etwas nervös sein lässt: ist die Brücke richtig vermessen? Ist der Kanal nicht versandet und ewig nicht mehr gebaggert? Also tasten wir uns gaaanz langsam an das Bauwerk heran – und siehe da, die Antenne im Masttopp flutscht ohne Berührung unter der Brücke hindurch, und auch nach unten haben wir nie weniger als einen guten Meter Wasser unter dem Kiel – sehr schön!
Nach der Passage macht sich nun die Abwesenheit von Wind eher störend bemerkbar: wir müssen erst mal stundenlang motoren, bis wir gegen Mittag für einige Stunden segeln können, allerdings so langsam, dass wir in dieser Zeit kaum ein Viertel der Gesamtstrecke von 28 Seemeilen zurücklegen. Wir erreichen gegen 18 Uhr das Kap von Epanomi – eine lange Landzunge aus reinem Sand, die sich immer schmaler werdend in die See streckt und noch über eine weitere Seemeile in Untiefen ausläuft; dahinter ankern wir für die Nacht.
Für die Schifffahrt ein Hindernis, für die Camper ein Traum: über Kilometer ist der Strand übersät mit Autos, Caravans und Zelten – anders als in Deutschland darf man hier offenbar einfach irgendwo in der Natur sein Zelt aufschlagen (oder falls man es nicht darf, stört sich niemand daran). Bei den herrschenden Temperaturen sicher eine rettende Zuflucht für viele Menschen aus der nahen Großstadt …
Thessaloniki
Am Sonntag den 1. August machen wir uns auf zum letzten Seeschlag vor der Sommerpause; 16 Seemeilen sind es bis zur Marina Aretsou bei Thessaloniki, wo wir einen Liegeplatz für den August reserviert haben – wir fahren komplett unter Maschine, es gibt einfach keinen Wind. Auf den letzten Meilen schält sich langsam die mit 325.000 Einwohnern zweitgrößte Stadt Griechenlands (man beachte den Abstand zu Athen mit seinen 5 Millionen- halb Griechenland wohnt in der Hauptstadt!) aus dem Dunst – so eine große Stadt haben wir lange nicht mehr gesehen!
Die Aufnahme in der Marina ist sehr freundlich, wir sind nur erstaunt, wie wenig los ist – von den 260 Liegeplätzen sind vielleicht 60 belegt. Wir erfahren aber, das die meisten Plätze vermietet sind – die Boote sind wohl wegen der Corona-Situation gar nicht erst ins Wasser gekommen dieses Jahr …
Montag stehen erst mal Bootsarbeiten an: Motor- und Batterieservice, großes Aufräumen, Vorratseinkäufe (es gibt einen Lidl in anderthalb Kilometern Entfernung!) und nach 10 Monaten brauchen wir auch mal wieder Treibstoff: ein Kleinlaster von der Tankstelle bringt uns ohne Aufpreis 300 Liter Diesel, und wir sind wieder mal erfreut, wie gut das klappt – überteuerte Bootstankstellen hat und braucht hier niemand. Außerdem ergreifen wir überlebensnotwendige Maßnahmen: wir buchen uns für drei Nächte in ein Hotel direkt an der Marina ein, stellen die Klimaanlage auf Maximalleistung und bekommen erstmals seit zwei Monaten wieder Luft in der Nacht …
So gestärkt, trauen wir uns am Dienstag in die Stadt – für 90 Cent mit dem Bus, der alle paar Minuten fährt, bequem zu erreichen. Thessaloniki wurde 315 v. Chr. vom makedonischen König Kassandros gegründet; benannt nach seiner Frau, einer Halbschwester Alexanders des Großen – und der begegnet einem natürlich überall in der Stadt. Menschen lebten hier allerdings schon viel länger: in der Nähe wurde der Schädel eines frühen Hominiden gefunden, der mindestens 200.000 Jahre alt sein soll.
Der große Alexander zog aus, um die Bedrohung des Kleinstaates Makedonien durch das übermächtige Perserreich zu beenden – und tat dies so gründlich, dass er mit seiner Armee den indischen Subkontinent erreichte, bevor er umkehrte. Dafür, dass er im Alter von 33 Jahren verstarb, hat er einen beachtlichen Einfluss auf die Weltgeschichte gehabt: mit ihm begann die dreihundertjährige Zeit des Hellenismus, die erst mit der römischen Eroberung endete und letztlich die Grundlage unserer heutigen europäischen Kultur darstellt.
Die heutige Stadt zeigt noch einige archäologische Spuren aus dieser Zeit, ferner natürlich die Großbauten der römischen Periode, und aus der sich daran anschließenden byzantinischen Zeit hauptsächlich Kirchenbauten, welche die ältesten erhaltenen christlichen Kirchen überhaupt sind. Mit der Eroberung von Byzanz durch die Ottomanen 1430 begann eine fünfhundertjährige Periode, aus der leider nicht mehr viel erhalten ist, da ein Großfeuer 1890 große Teile der Stadt verwüstete. Was heute den Kernbereich der Stadt darstellt sind daher größtenteils recht gesichtslose Zweckbauten der Nachkriegszeit – architektonisch wahrlich keine Perlen. Dazwischen läuft man größere Distanzen zwischen den archäologischen Stätten und historischen Gebäuden – bei weit über 40 Grad im Schatten eine ziemliche Tortur.
Unser Plan, den Nachmittag zur ‘Erholung’ im klimatisierten archäologischen Museum zu verbringen, geht auch nicht so recht auf: wenn man sich halb tot endlich in die mäßig kühlen Räume geschleppt hat und dann drei Stunden durch die Maske atmen muss, ist man vom Regen in die Traufe gelangt …
Interessant ist es dennoch, im Museum wie auch ansonsten in der Stadt: den Mangel an architektonischer Schönheit kompensiert Thessaloniki durch eine freundliche Stimmung, ein umwerfendes kulinarisches Angebot und eine tolle Lage mit ständigem Meerblick! Wenn es doch nur nicht so entsetzlich heiß wäre … Wir gönnen uns noch ein leckeres Abendessen im alten Hafenviertel Ladadika, bevor wir ins rettende, klimatisierte Hotelzimmer zurückkehren.
Teile der noch gut erhaltenen Stadtmauern
Agios Pavlos
Galerius-Rotunde: erst Tempel, dann Kirche, dann Moschee – eine typische Entwicklung in Thessaloniki
In Ladadika kommt endlich ein Altstadt-Gefühl auf
Am Mittwoch den 4. August bereiten wir die ‘Orion’ für ihre Zeit allein in der Marina Thessaloniki vor – nochmal ein schlimmer Tag bei extremen Hitzewerten. Als wir Donnerstagmorgen den klimatisierten Flughafen erreichen, sind wir wirklich froh, dies erst mal hinter uns lassen zu können.
Kassandra / Nea Potidaia
Vier Wochen später ist es mit gut 30 Grad immer noch warm in Thessaloniki, aber kein Vergleich zur Hitze im Juli: man kann sich noch bewegen, und vor allem kühlt es in der Nacht vernünftig ab. Wir verbringen einen etwas stressigen Nachmittag, weil wir das Boot unbedingt bis zum Donnerstagmorgen abreisefertig haben wollen, da ist nämlich guter Nordwestwind angesagt!
Den gibt es auch, sogar etwas mehr als erwartet: mit 6 bis 7 Windstärken weht es über die Bucht von Thessaloniki, und die ‘Orion’ fliegt – nur unter Klüversegel – mit gut 6 Knoten Fahrt nach Süden! In Windeseile erreichen wir das Kap von Epanomis und beschließen, dass wir auch gleich den Rest der Strecke bis Kassandra noch schaffen können 🙂
Der Wind dreht etwas mit und bleibt uns auch am Nachmittag noch mit Stärke 4 bis 5 erhalten, so dass wir vor 19 Uhr nach 42 Seemeilen den Kanal von Nea Potidaia erreichen. Pünktlich dazu schläft der Wind zunächst ein und dreht dann auf Südost, so dass wir auf der Westseite der Kanalmündung ankern können. Wir bekommen zum Ende dieses sehr schönen Segeltags auch noch einen tollen Sonnenuntergang geboten; danach zeichnet sich am feuerroten Abendhimmel deutlich der Umriss des knapp 3000 Meter hohen Olymp-Massivs ab, welches man den ganzen Tag nur am Horizont erahnen konnte – so wünschen uns Zeus & Co. noch eine gute Weiterreise! 🙂
Sithonia / Porto Koupho
Am Freitag ist unser Windglück aber vorbei: zunächst motoren wir in der Morgenflaute durch den Kanal, der jetzt bei der zweiten Passage nicht mehr so spannend ist – wir vertrauen mal darauf, dass er nicht in 5 Wochen völlig versandet ist. Danach will sich aber der angekündigte Ostwind nicht einstellen; erst am späten Vormittag frischt es auf, aber aus Südost statt Ost: genau unsere Fahrtrichtung.
Wir wollen bis zum Ende Sithonias, und das ist kreuzend nicht zu schaffen, also muss stundenlang der Motor ran. Zu allem Überfluss baut sich eine kurze und steile Welle auf, und den Strom haben wir auch noch gegen uns, so dass wir zeitweise kaum noch 2 Knoten über Grund schaffen … entsprechend genervt sind wir, als wir nach über 10 Stunden endlich das gerade mal 35 Seemeilen entfernte Porto Koupho erreichen; wir ankern diesmal am Südende der Bucht, um am nächsten Tag gleich wieder herausfahren zu können; ein gutes Abendessen und die herrliche Abendstimmung über der Bucht bauen uns aber wieder etwas auf, und die hervorragend geschützte Bucht schenkt und eine ruhige Nacht vor Anker.
Nachdem uns am Ende der Kaphireas-Straße der Wind verlassen hat, motoren wir die ganze Nacht gen Norden über die spiegelglatte See; etwa 60 Seemeilen sind es bis Skyros, der südlichsten Insel der Nördlichen Sporaden. Mit Sonnenaufgang zeichnet sich die Insel mit ihren sanft geschwungenen Formen am Horizont ab; beim Näherkommen sehen wir Büsche und Bäume – aber keinerlei Straßen oder Häuser. Dafür riechen wir etwas: der Rest des nächtlichen Landwindes weht uns einen intensiven Kräuterduft entgegen! Aber über zwei Seemeilen, das kann doch eigentlich gar nicht sein …
Doch als wir in der einsamen und wild-romantischen Bucht Ormos Renes den Anker geworfen haben, erkennen wir die Ursache: die gesamten umgebenden Hügel sind mit Thymian- und Salbeipflanzen bedeckt! Nicht hier und da eine, wie es hier ja häufig vorkommt, sondern wirklich Abertausende, mehrere Quadratkilometer Kräutergarten! Als dann auch noch wilde Ponys am Strand auftauchen, sind wir endgültig überzeugt, den richtigen Ankerplatz ausgesucht zu haben 🙂
Wir erholen uns von der schlaflosen Nacht beim Schnorcheln, Sonnenbaden und Grillen; und auch den folgenden Tag bleiben wir gerne noch hier und unternehmen eine mehrstündige Wanderung durch die Umgebung (wobei wir feststellen, dass die Kräuterdichte langsam auf ein ‘normales’ Niveau absinkt – so extrem ist es nur um unsere Bucht herum; zahllose Bienenvölker wissen das ebenfalls zu schätzen, rundherum summt es überall).
Am Abend gibt es leider noch eine unschöne Überraschung, die so gar nicht zum gelungenen Tag passen will: die Bordtoilette versagt den Dienst. Bis zwei Uhr in der Nacht dauern die Reparaturarbeiten an, in deren Verlauf sich herausstellt, dass die Toilette selbst unschuldig ist, im Zweiwegehahn vorm Abwassertank lag eine Verstopfung vor – nun, wenn man Segler so erzählen hört, muss wohl jeder mal durch diese berühmt-berüchtigte Reparatur durch …
Skyros / Linaria
Am Samstag sind wir also schon wieder etwas übernächtigt, als wir nach 10 Seemeilen Motorfahrt (der Wind scheint sich in dieser Gegend nicht mehr blicken lassen zu wollen) die Marina von Linaria erreichen; über diese haben wir aus diversen Quellen nur das Allerbeste gehört, es sei die bestgeführte Marina Griechenlands.
Wir haben nun bislang nur Kalamata zum Vergleich (Marinas in unserem Sinne gibt es ja hier nicht gerade an jeder Ecke), können aber den Eindruck schnell nachvollziehen: der Hafen ist klein und von einem sehr hübschen Örtchen mit Cafés und Restaurants (aber ohne lärmende Partyschuppen!) umgeben, der Hafenmeister ist äußerst nett und hilfsbereit, es gibt Duschen (allein schon bemerkenswert genug!), und deren Zustand ist äußerst landesuntypisch: voll funktionsfähig, perfekt und ansprechend gefliest, und das Wasser fließt dahin ab wo es hingehört 😉 Zwischen 19 und 20 Uhr gibt es ein besonderes Erlebnis: Licht aus, Diskokugel an, und 80er-Jahre-Hits aus der Musikanlage – klingt schräg, ist es auch, aber total nett und lustig! Und das Gesamtpaket gibt es inklusive Strom, Wasser und WLAN für knapp 19 Euro pro Tag – bezieht man das Preis/Leistungs-Verhältnis mit ein, würden wir auch von der besten Marina des Mittelmeers sprechen!
Überhaupt hat man hier einen Sinn für schrägen Humor: wenn sich die (im Besitz der Inselgemeinde befindliche) Fähre nähert, schallen dramatische Fanfaren von Richard Strauss (den meisten aus Stanley Kubricks Film ‘2001’ bekannt) aus den Lautsprechern … wir amüsieren uns köstlich!
Am Sonntag wollten wir gerne die Insel mit dem Mietwagen erkunden, doch leider ist bei allen 6 Autovermietungen nichts mehr zu bekommen: es ist Pfingsten (orthodoxer Kalender!), und da platzt die Insel vor griechischen Besuchern aus allen Nähten. Also machen wir uns mit dem Fahrrad auf den Weg in die 10 Kilometer entfernte Chora – bergauf und bergab unter sengender Sonne!
Aber der Ausflug lohnt sich, die weißen Häuser mit ihren zum Teil winzigen Treppen und Gassen, die sich die steilen Hänge des Burgbergs heraufziehen, sind wirklich ein Erlebnis, und vom Kastro aus hat man eine überwältigende Aussicht über den Ort, die Berge und die Nordküste der Insel – nachdem man wieder zu Atem gekommen ist nach dem Aufstieg …
In den breiteren Straßen der Altstadt, in denen sich auch die Geschäfte und die Gastronomie befinden, ist auch entsprechend viel los – aber unangenehm voll ist es noch nicht, und sobald man in die Seitenstraßen geht (speziell bergauf!) ist man schnell allein; auch bis hoch auf die Burg verlaufen sich nur wenige Touristen.
Wir freuen uns jedenfalls, die Strapazen der Radtour auf uns genommen zu haben, können auch in den kleinen Geschäften noch frisches Obst erstehen und erholen uns in einem reizenden Café bei einem Freddo Cappuccino, dem griechischen Sommergetränk Nr. 1. Gerne wären wir auch noch in die Bergregionen gefahren, aber mit dem Fahrrad ist das einfach keine Option kurz vor der Sommersonnenwende: zwar erreicht die Sonne hier ‘nur’ eine Mittagshöhe von etwa 75°, aber das fühlt sich schon ganz schön senkrecht an!
Skyros / Paralia Pevkos
Da sich auch am Montag keine Entspannung an der Mietwagenfront abzeichnet und uns die Nächte im – ja ansonsten ganz tollen! – Hafen von Linaria zu stickig sind, verholen wir uns drei Seemeilen vor den nächsten Strand zum Ankern – wieder unter Motor, es will einfach kein Wind aufkommen.
Der Strand vom Pevkos ist etwas abgelegen, dementsprechend selbst am Feiertag nicht sehr überlaufen; es gibt eine Taverna und ein Café, einige Sonnenschirme mit Liegen, und das war’s – abgesehen von der herrlich grünen Umgebung! Endlich mal wieder Bäume – die umgebenden Hügel sind saftig grün, mit pinkfarbenen Oleanderflecken durchsetzt, und bilden einen reizvollen Farbkontrast zu den beige-rot-braunen Felsen. Das Wasser geht auf 28 Grad, und ist bei doch ziemlicher Hitze der vorzuziehende Aufenthaltsort; hier warten wir erst mal auf Wind …
Ab Dienstag leistet uns dabei die ‘Aino’ aus Finnland Gesellschaft, die wir schon auf Andros kennengelernt haben; wir verbringen nette Stunden miteinander und warten ansonsten auf Wind und Abkühlung – beides vergeblich. Am Freitag gibt die ‘Aino’ auf und verlässt Skyros unter Motor; wir haben noch genug von der letzten langen Motorfahrt und wollen weiter abwarten, verholen uns aber noch einmal in den netten Hafen von Linaria, um Einkäufe zu ergänzen – wenn es doch nur nicht so heiß wäre, es wird mit jedem Tag schlimmer, mittlerweile sind es am Abend fast 38 Grad unter Deck, und bei völliger Flaute ist es unmöglich, in der Nacht einen nennenswerten Luftaustausch zu erzielen – das macht keinen Spaß!
Skyros / Ormos Oros
Ab Samstag ist eine langsame Windzunahme angekündigt; wir visieren den Montag zum endgültigen Verlassen von Skyros an und wollen und bis dahin in kleinen Schritten von Ankerbucht zu Ankerbucht vorarbeiten. Nach dem Verlassen des Hafens weht es tatsächlich mit rund 10 Knoten – nicht viel, aber nach den letzten 10 Tagen schon eine Sensation! Natürlich exakt auf die Nase, aber es ist ja nicht weit, also beschließen wir zu kreuzen; leider dreht der Wind in den kommenden drei Stunden langsam mit, so dass wir unserem Ziel noch nicht ernsthaft nähergekommen sind, als urplötzlich der Wind auf mittlere 25 bis 30 Knoten auffrischt – damit hat nun niemand gerechnet! Das Boot ist nach ewigem Flautengedümpel nicht unbedingt auf 7 bis 8 Windstärken eingerichtet (vorsichtig ausgedrückt …), uns fliegen alle möglichen Dinge um die Ohren, und so starten wir doch den Motor und stampfen die letzten zwei Seemeilen im Schneckentempo gegen die plötzlich aufgewühlte See – das hätten wir auch drei Stunden früher bei viel weniger Wind mit deutlich mehr Fahrt haben können!
So erreichen wir das eigentlich nur 5 Seemeilen entfernte Ziel Ormos Oros an der Nordwestküste von Skyros nach gut 11 Seemeilen Fahrt in vier Stunden, von denen anderthalb der Motor lief – eine desaströse Bilanz für den ersten Segeltag seit langem! Aber unser Ankerplatz tröstet uns darüber hinweg: hier wächst üppiger Wald, hohe Klippen ragen aus türkisblauem Wasser, Marmorfelsen leuchten blendend weiß aus dem satten Grün – und das völlig ohne Straßenzugang und Spuren menschlichen Wirkens! Ein ganz toller Ankerplatz, der auch so guten Schutz vor dem unverändert blasenden Starkwind bietet, dass sich unmittelbar unter den Klippen die Windrichtung umkehrt und eine sanfte Brise in die Bucht hineinweht. Wir sind froh, diese Bucht nicht verpasst zu haben!
Skyros / Skyropoula
Sonntag geht es wieder ein kleines Stück weiter: 6 Seemeilen sind es bis zu der vorgelagerten Insel Skyropoula. Diesmal klappt es besser mit dem Segeln: wir können unter Klüver den Anker lichten und die ganze Strecke bis zum Einlaufen in die angepeilte Bucht bei 12 bis 15 Knoten halbem Wind auch nur unter Vorsegel zurücklegen – bequem und dennoch halbwegs zügig. Aus der Nähe erweist sich auch das aus größerer Entfernung recht felsig wirkende Skyropoula als recht grün, auch wenn es hier eher Buschwerk als Bäume gibt. Aber dann der Blick in die Bucht: endlos viel rein weißer Sandgrund, der dem Wasser eine hinreißende Farbe verleiht!
Die Ufer bestehen aus stark zerklüfteten Felsen – ein Paradies zum Schnorcheln, wie wir wenig später feststellen dürfen: viele bunte Fische beleben die bizarr geformte Unterwasserwelt, zahllose Seeigel bewohnen die Unterwasserhänge; und auf einem kleinen Stück tief in der Bucht weichen sogar die Felsen zurück und der feine Sandgrund reicht bis zum Strand. Schon die zweite Ankerbucht in Folge ein Volltreffer!
Die Sonne brennt zwar unverändert unbarmherzig vom Himmel, aber der leichte Wind hält sich den ganzen Tag und macht das Leben etwas erträglicher – wenigstens geht Luft durchs Boot …
Skantzoura / Prasso
Am Montagmorgen verlassen wir den Skyros-Archipel, nachdem wir seit 10 Tagen dem dafür angekündigten Wind entgegengesehen haben. Aber die Realität bleibt deutlich hinter den Erwartungen zurück: statt der angekündigten 9 Knoten Nord gibt es 5 Knoten Nordwest – also zu wenig und auch noch genau gegenan! Natürlich kreuzen wir tapfer auf; als wir aber nach 6 Stunden auf See ganze 7 Seemeilen in die richtige Richtung gutgemacht haben, müssen wir einsehen, dass es so nicht weitergehen kann – bis Alonnisos sind es noch 25 Seemeilen … also muss schon wieder der Motor ran.
Weitere drei Stunden später sind wir vom Lärm so zermürbt, dass wir beschließen, eine Übernachtung auf der Skantzoura-Inselgruppe einzulegen; diese gehört zu einem Naturschutzgebiet, und eigentlich ist Ankern dort nur tagsüber erlaubt. Da wir aber gründlich die Nase voll vom Motoren haben und außerdem den Sinn dieser Einschränkung nicht wirklich erkennen können, beschließen wir, erst mal bis Sonnenuntergang zu ankern und zu sehen, ob uns jemand vertreiben kommt – was natürlich nicht der Fall ist. Wir verbringen also eine ruhige Nacht vor dem Inselchen Prasso und brechen gleich am nächsten Morgen wieder auf.
Alonnisos / Marpounda
Endlich meint es der Wind etwas besser mit uns: zwar ist er mit 6 bis 8 Knoten immer noch recht schwach, aber er weht halbwegs beständig und kommt aus Nordost (wie es hier eigentlich vollkommen normal ist). Außerdem gibt es praktisch keinen Schwell, so dass selbst mit dem wenigen Wind der Gennaker problemlos steht und wir zwei bis drei Konten Fahrt machen können – nicht schnell, aber wunderschön ruhig und entspannt!
So kommt man auch zum Ziel, und gegen Mittag liegt die Passage zwischen den Inseln Skopelos und Alonnisos vor uns. Gleich hinter der Südwestspitze von Alonnisos finden wir einen hübschen Ankerplatz direkt an einer farbenprächtigen Steilküste mit einem kleinen Strand davor und weißen Ferienhäusern zwischen den Bäumen – wir fühlen uns etwas an die Algarve erinnert. Das Wasser hat 29 Grad, und – wie eigentlich inzwischen jeden Tag – springen wir erst mal herein. Die felsigen Ufer bieten reichlich Lebensraum für Fische, wir schwimmen inmitten von Schwärmen hunderter Minifische, und in größerer Tiefe stehen auch zahlreiche größere Exemplare; nur wie wir die auf unseren Teller bekommen sollen wissen wir leider nicht …
Skopelos
Am letzten Tag des Monats Juni verlassen wir Alonnisos auch schon wieder – aber nur vorübergehend; wir wollen und die westliche Nachbarinsel Skopelos anschauen, und da zum Wochenende Westwind angesagt ist, sollten wir vorher dort hinsegeln, um dann mit Rückenwind nach Alonnisos zurückkehren zu können.
Eigentlich verspricht die Wettervorhersage auch für den Hinweg noch schwachen Rückenwind, praktisch ist es aber sehr schwacher Gegenwind, so dass wir zwar noch unter Segeln den Anker aufholen können, aber nach einer guten halben Stunde aufgeben und den Motor starten müssen. Wenigstens ist es nicht weit, nach 6 Seemeilen laufen wir in den geräumigen Hafen des Hauptortes von Skopelos ein, der praktischerweise genauso heißt. Der Anblick von See ist einladend: zwischen grünen Bergflanken schmiegen sich die weißen Häuser des Ortes an die Hänge über dem Hafen. Platz genug gibt es auch – allerdings ist es gut, dass wir so früh sind, später am Tag wird sich der Hafen mit einer Unmenge riesiger Charteryachten füllen.
Für den Donnerstag mieten wir uns ein Auto – um die Insel zu erkunden natürlich, aber der Nebeneffekt, einige Stunden die Klimanlage genießen zu dürfen, spielt auch eine gewisse Rolle; es ist einfach unerträglich heiß (der sehr nette junge Mann von der Autovermietung bestätigt einmal mehr: nein, normal ist das nicht, selbst im August wäre das noch außergewöhnlich, so heiß wird es normalerweise nicht – da haben wir ja mal wieder richtig Glück gehabt!). Verfahren kann man sich schwerlich, es gibt nur eine Hauptstraße, die die verschiedenen kleineren Orte der Insel verbindet.
Wir sind zunächst einmal begeistert von den waldigen Bergen, durch die wir fahren: so einen richtigen Wald haben wir lange nicht gesehen! Einigen Stichstraßen folgen wir zu besonders spektakulären Küstenlandschaften, Stränden oder Sehenswürdigkeiten – dazu ist anzumerken, dass auf Skopelos 2008 Teile des Musicalfilms ‘Mamma Mia!’ gedreht wurden, und diese Drehorte üben offenbar eine gewaltige Anziehungskraft auf internationale Besucher aus; an der Kapelle Agios Ioannis ist es noch nicht einmal mehr möglich, einen Parkplatz zu finden.
Wir machen fortan einen Bogen um diese Rummelplätze und genießen die 99% der Insel, die still und beschaulich sind – und ebenso schön. Besonders die Wälder haben es uns angetan; nahe des nördlichen Inselendes lassen wir das Auto stehen und wandern eine Stunde einen Küstenweg entlang zum Leuchtturm von Gourdouni, immer abwechselnd durch Wald und offene Abschnitte – mit dem leichten Seewind lassen sich auch diese aushalten.
Auch die Dörfer sind sehenswert; wir besuchen Glossa und Loutraki, wo wir uns in einem netten Café erholen. Dort kommt ein Polizist an unseren Tisch und bittet sehr freundlich darum, das Auto umzuparken – wir haben ein gut verstecktes Halteverbotsschild übersehen; der Beamte entschuldigt sich fast dafür, dass es da steht. In Deutschland hätte man das Problem mit einem Strafzettel gelöst …
Die Altstadt des Hauptortes besticht wie üblich durch schattige Gassen und weiße Häuser mit überquellender Blütenpracht. Bei den herrschenden Temperaturen zeigen sich die Vorteile dieser Architektur: zwischen den Häusern ist es vergleichsweise kühl, und es geht immer ein leichter Windhauch. Ganz anders an Bord: am Abend sind es 40 Grad unter Deck, und auch als gegen Mitternacht endlich der angekündigte Westwind einsetzt, gibt es eher eine böse Überraschung: dieser ist noch heißer, die Temperaturen steigen wieder! Völlig absurd, um zwei Uhr in der Nacht in kräftigem Wind von 20 Knoten zu stehen, der glühend heiß aus einem riesigen Fön zu kommen scheint …
Alonnisos / Chrisi Milia
Völlig übernächtigt verlassen wir am frühen Freitagmorgen den Hafen von Skopelos – es soll am Vormittag noch etwas Nordwestwind geben, und den wollen wir nutzen.
Tatsächlich weht auch eine leichte Brise, die sich in der Passage zwischen den Inseln sogar noch etwas verstärkt. Da wir nicht weit kommen müssen, können wir nur unter Klüver langsam dahingleiten, bis wir gegen Mittag nach 10 Seemeilen unser Ziel erreichen, die Ankerbucht vor Chrisi Milia auf Alonnisos. Diese ist von weißen Klippen umgeben, an deren Saum es sich hervorragend schnorcheln lässt – und das Wasser ist erfreulicherweise ‘nur’ 28 Grad warm, so dass man sich sogar etwas darin abkühlen kann 🙂
Alonnisos / Kokkinokastro
In der Nacht ziehen Gewitter über die nördliche Ägäis; wir bekommen davon auf Alonnisos nichts mit, aber die Luft kühlt sich etwas ab – welch unbeschreibliche Wohltat! Erstmals seit Wochen können wir eine Nacht richtig schlafen – leider ist aber laut Wettervorhersage das Vergnügen nicht von Dauer, die nächsten Nächte sollen schon wieder stetig wärmer werden.
Wir beschließen, den Tag zur Erholung zu nutzen, und fahren nur eine Viertelstunde unter Motor um die Ecke in die übernächste Ankerbucht (ja, kein Tippfehler: auf einer Strecke von 1.2 Seemeilen haben wir eine weitere Ankermöglichkeit auf ausgedehnten Sandflächen vor langem Strand links liegen lassen), um eine etwas andere Aussicht genießen zu können: hier sind die Klippen rot! Abgesehen davon ist das Programm identisch: schwimmen, schnorcheln, gekühlte Melone essen, und ansonsten vor der Sonne verstecken so gut es eben geht …
Peristera / Paralia Vasiliko
Sonntag kommt tatsächlich ein wenig Wind auf; diesen lassen wir nicht ungenutzt, und segeln die beeindruckende Strecke von 5 Seemeilen auf die direkt östlich von Alonnisos liegende Insel Peristera. Der Ankerplatz vorm kleinen Strand von Vasiliko hat relativ tiefes Wasser, wir müssen auf fast 15 Metern Tiefe ankern, da der einzige Platz näher am Strand bereits von einem Motorboot besetzt ist; das hat den Nachteil, dass man beim Schnorcheln den Grund kaum mehr erkennen kann, halten tut das Grundgeschirr aber auch hier bestens. Am Nachmittag füllt sich die Bucht weiter: zwei Segler und zwei Charterkatamarane leisten uns Gesellschaft. So voll haben wir es ja schon lange nicht mehr erlebt! Aber es sind ruhige Zeitgenossen, und so verbringen wir einen entspannten Abend in grüner Umgebung.
Alonnisos / Steni Vala
Am Montag hat es sich mit dem Wind wieder völlig erledigt; das ist uns aber mal ganz recht so, denn unser Tagesziel liegt nur gut zwei Seemeilen entfernt genau gegenüber auf Alonnisos, und gilt als ziemlich problematisch in der Ansteuerung, da möchten wir nicht bei viel Wind reinfahren: der kleine Fischerhafen von Steni Vala hat vorm Kai nur sehr unzureichende Wassertiefen. Die großen Charterboote, die hier mit Buganker und Heck voraus anlegen, müssen mindestens zwei Meter vorm Ufer aufstoppen, sonst bohrt sich die empfindliche Ruderanlage in die Felsen; ein unmögliches Manöver, wenn nicht jemand an Land die Leinen fängt, denn springen kann so weit niemand.
Wir sind sehr froh um die klassische (um das Wort ‘altmodisch’ zu vermeiden) Rumpfform der ‘Orion’ und ihre Skandinavienausrüstung: völlig entspannt lassen wir den Heckanker fallen und schieben den endlos langen Bug bis über die Kaimauer. So ein undramatisches Anlegemanöver sieht man hier nicht alle Tage – wer weiß, wie viele Kautionen dieser Hafen schon gekostet hat!
Der winzige Ort besteht nur aus ein paar Cafés und Restaurants, die sich auch auf die Versorgung von Seglern spezialisiert haben: es gibt einen gut sortierten Supermarkt, und man kann sich an eine garantiert nicht VDE-konforme Elektroinstallation anstöpseln sowie Wasser aus dem Schlauch nehmen, wenn man bei dem Lokal, vor dem man angelegt hat, einkehrt – eine gute Regelung, finden wir!
Kyra Panagia / Agios Petros
Am Dienstagmorgen verlassen wir aus Steni Vala, nachdem wir noch etwas Hafenkino genießen durften: die große Charteryacht rechts neben uns holt zusammen mit ihrem Anker gleich auch den unseres linken Nachbarn hoch – sehr zu dessen Begeisterung, versteht sich. Das kann passieren, wenn es so eng ist – befremdlicher ist, wie ungeschickt sich die vielköpfige Crew anschickt, die fremde Kette von der eigenen Fluke herunterzuziehen; das dauert locker 10 Minuten, während dessen unser Nachbar keinen Halt gegen die Kaimauer hat … gut, dass es nicht windig ist.
Wir segeln im Sund zwischen Alonnisos und Peristeri gen Nordosten zur gut 10 Seemeilen entfernten Insel Kyra Panagia; diese ist unbewohnt und gehört zur Schutzzone A des Alonnisos Marine Park, wie auch schon Skantzoura; im Unterschied zur letzteren Insel darf man hier aber über Nacht ankern. Der hier vorkommenden Mönchsrobbe begegnen wir leider nicht, wohl aber finden wir eine traumhaft schöne Ankerbucht, ganz geschlossen mit einem kleinen Inselchen in der Einfahrt, reinem weißen Sandgrund und 5 bis 6 Meter türkisfarbenem Wasser darüber – und vielen andere Yachten, die sich das auch anschauen wollen. An Land darf man nicht, aus Naturschutzgründen, wohl aber stundenlang mit dem Jetski durchs Ankerfeld düsen – das verstehe, wer will.
Kyra Panagia / Ormos Planitis
Bevor wir Kyra Panagia und damit die Nördlichen Sporaden verlassen, wollen wir uns noch die zweite Ankerbucht im Norden anschauen; Wind gibt es keinen, also motoren wir einmal um die Insel herum. Dies gestaltet sich kurzweiliger als gedacht, die zerklüftete Felsenküste mit ihren zahlreichen Aushöhlungen bietet viel zu sehen.
Nach anderthalb Stunden erreichen wir die ausgedehnte Bucht Ormos Planitis, welche durch eine schmale und nur wenige Meter tiefe Einfahrt von der See getrennt ist; dahinter öffnet sich eine ausgedehnte Wasserfläche mit angenehmen Wassertiefen und gutem Halt auf schlammigem Grund – hier können dutzende Yachten Schutz finden. Wir sind ein wenig an die Bucht Vathy auf Astypalaia erinnert, in der wir im Winter einige Male Zuflucht gesucht haben; auch diese vertieft sich nach einer flachen Durchfahrt und weist durch die Kesselform eine ähnliche Bodenbeschaffenheit auf, ebenso wie eine milchig-türkise Farbe des Wassers – das ist zwar zum Schnorcheln nicht so spannend, aber im strahlenden Sonnenschein ein toller Anblick. Da Ormos Planitis aber eine unregelmäßigere Form hat und damit für jede Windrichtung das ideale Fleckchen bereit hält, ist sie unser neuer Spitzenreiter auf der Liste der natürlichen Sturmzufluchten 🙂
Auch hier leiten uns einige andere Yachten Gesellschaft, aber bei den Ausmaßen der Bucht fühlt es sich nicht voll an; vielleicht schreckt der Ort auch ein bestimmtes Publikum ab, es gibt nämlich absolut keinen Mobilfunkempfang 😉 Wir verbringen einen entpannten Nachmittag mit dem üblichen Abkühlungsprogramm und ohne Jetski, sowie eine ruhige, wenn auch etwas kurze Nacht – am nächsten Morgen wollen wir nämlich früh aufbrechen und Richtung Chalkidiki segeln, es ist tatsächlich endlich etwas Wind angesagt!
Wir verbringen eine relativ ruhige Nacht an unserem Ankerplatz am Ende der Welt – ab und an erreicht etwas Schwell das Boot, aber Wind haben wir praktisch keinen. Das verleitet uns, am nächsten Morgen das Großsegel gleich ohne Reff zu setzen, schließlich sind nur etwa 12 Knoten Wind für die Überfahrt nach Westen angesagt. Kaum runden wir aber die Inselspitze mit dem Leuchtturm Kavos Papas, bläst es mit 6 Beaufort in die Segel, und die ‘Orion’ nimmt fast 7 Knoten Fahrt auf – wir hätten es wirklich wissen müssen. Nach wenigen Minuten beruhigt es sich aber auf 12 bis 15 Knoten Wind – der berüchtigte Kap-Effekt …
So rollen wir also auch noch beide Vorsegel aus, und mit halbem Wind und gerade mal einem guten halben Meter Welle machen wir gleichmäßig schnelle Fahrt bei sehr moderater Lage. Die Aries steuert, und uns bleibt nicht zu tun als die Reise zu genießen, vor uns 30 Seemeilen tiefstes Blau bis Mykonos, und überall am Horizont zeichnen sich die Umrisse von Inseln ab. Die Sonne strahlt wie immer, aber es ist dennoch nicht zu heiß, denn der Nordwind bringt kühlere Luft mit. So herrlich sind wir schon sehr lange nicht gesegelt – wie schön es doch ist, wenn der Wind mal weder zu schwach noch zu stark ist und nicht vor vorne kommt 🙂
Einige Zeilen aus dem wohl griechischsten aller griechischen Romane kommen einem in den Sinn:
Glücklich der Mensch, der vor seinem Tode für würdig befunden wird, das Ägäische Meer zu befahren. […] Es gibt keine Freude, die das menschliche Herz so bewegt, so tief in das Paradies versenken kann, als wenn man den Namen jeder einzelnen Insel flüsternd, auf einem Schiff die Wogen dieses Meeres durchfurcht. Nirgends woanders wird man so friedlich und behaglich aus der Wirklichkeit in den Traum versetzt. Die Grenzen verschwimmen, und die Masten selbst des altersschwächsten Schiffes treiben Knospen und Weintrauben. Hier in Griechenland ist das Wunder die sichere Blüte der Notwendigkeit.
Nikos Kazantzakis, Alexis Sorbas
Mykonos / Agia Anna
So erreichen wir schon am frühen Nachmittag Mykonos; die für ihren Party-Tourismus und ihre völlig überzogenen Preise bekannte Insel ist für uns weniger Ziel um ihrer selbst willen, als vielmehr ein guter Ort, um den für die nächsten Tage angekündigten Starkwind abzuwettern.
Wir haben uns dazu diejenige Bucht ausgesucht, die nach den Google-Informationen die geringste Dichte an Party-Clubs direkt am Strand aufweist, Agia Anna. Als wir gerade ankern wollen, schießt ein RIB auf uns zu und fragt, ob die Eigner schon mal in die Bar übersetzen wollen, während die Crew sich um das Boot kümmert – wir lehnen dankend ab und stellen fest, in einer anderen Welt angekommen zu sein (deren dienstbaren Geistern aber seltsamerweise die Fähigkeit zu fehlen scheint, aus dem Anblick des Bootes Rückschlüsse auf den erzielbaren Umsatz zu ziehen). Die Motoryachten der siebenstelligen Preisklasse mit den Bikinischönheiten auf dem Vordeck, die sich hier außer uns noch so tummeln, nehmen das Angebot aber gerne an …
Wir verbringen zwei Tage bei bis zu 30 Knoten Nordwind in dieser Bucht vor Anker; am zweiten Tag lässt der Wind wenigstens soweit nach, dass wir uns trauen, mit dem Dinghi an Land überzusetzen. Viel zu sehen gibt es dort aber nicht, der Minimarkt ist geschlossen, und der Weg bis in den Hauptort der Insel viel zu weit (10 Kilometer). Macht nichts, bei herrlichem Wetter kann man es auch an Bord gut aushalten und zuschauen, wie der Windgenerator die Batterien lädt 🙂
Sonntagmorgen beschließen wir weiterzuziehen; beim Aufholen des Ankers erleben wir aber erst mal eine Überraschung: während der letzten zwei Tage waren zwei junge Männer im Schlauchboot und mit Taucherausrüstung damit beschäftigt, neue Muringleinen- und bojen an die Betonklötze auf dem Grund zu knoten; nun dürfen wir feststellen, dass die beiden Helden eine schöne, dicke Trosse mit Boje an den Bügel unseres Ankers geknotet haben – im sonnendurchfluteten, kristallklaren Wasser auf weißem Sandgrund ist offenbar ein Betonklotz kaum von einem Bügelanker mit Kette und daranhängendem Boot zu unterscheiden …
Rineia / Ormos Parianos
Unser Ziel ist eine Ankerbucht an der Südseite der westlich von Mykonos gelegenen Insel Rineia; diese soll uns als Ausgangspunkt für unseren Besuch für unseren geplanten Besuch auf Delos dienen. Auf dem Weg dorthin passieren wir viele schöne Strände, aber mit zunehmender Annäherung an den Hauptort von Mykonos steigt auch die Bebauungsdichte und die Zahl der vor Anker liegenden Superyachten.
Auch unsere Zielbucht ist brechend voll, wir können nur noch einen Platz in viel zu flachem Wasser finden; beim Schnorcheln stellen wir fest, dass ein Durchtauchen zwischen Kiel und Grund nicht mehr möglich ist, da sind kaum noch 20 Zentimeter. Aber wie immer leert sich die Bucht gegen Abend, und wir können noch umankern; nur eine Yacht der 60-Meter-Klasse bleibt – und veranstaltet nach Einbruch der Dunkelheit noch ein Privatfeuerwerk für uns 🙂
Delos
Am Montagmorgen motoren wir zwei Seemeilen bis zur Insel Delos; es herrscht ziemliche Flaute, und das ist auch gut so, denn die wenigen Ankerplätze taugen nicht viel, man liegt ziemlich ungeschützt in der Durchfahrt zwischen Delos und Rineia auf sehr durchwachsenem Grund.
Dem Mythos nach schwamm die Insel einst im Meer, bis Poseidon sie an vier diamantenen Säulen befestigte. Artemis und Apollon wurden hier geboren, und so wurde Delos das Zentrum der Verehrung dieser Gottheiten. All die konkurrierenden griechischen Stadtstaaten errichteten Vertretungen und Tempel auf der Insel, und natürlich wollte jeder größer und prächtiger bauen als die Konkurrenz. So wurde Delos eines der Zentren der antiken Welt – bis zu 30.000 Menschen lebten hier, vor zweieinhalbtausend Jahren eine gewaltige Zahl. Auch der Handel blühte, Kaufleute aus der ganzen damals bekannten Welt kamen hierher – und durften auch alle ihre Heiligtümer errichten, religiöse Toleranz war in vorchristlicher Zeit noch gar kein Problem. So blühte Delos über Jahrhunderte, bis es 87 v.Chr. im Mithridatischen Krieg zerstört wurde.
Ruinen auf Delos
Baukasten für Archäologen
Die berühmte Löwenterrasse
Perfekte Ausführung bis ins Detail
Heute ist die Insel ein gewaltiges Trümmerfeld; es gibt keine spektakulären, wiedererrichteten Großbauten, aber die Ausdehnung und die Detail beeindrucken sehr, wie überhaupt schon das Gefühl, auf so geschichtsträchtigem Boden zu wandeln. Die Grundmauern der Tempel- und Wohnbezirke sind umfassend erhalten, so dass man richtiggehend das Gefühl hat, durch die alten Gassen zu gehen; überall sieht man reich verzierte Marmorarbeiten, Säulenteile, Statuenreste, Tonscherben. Man watet quasi knietief durch die Geschichte – ein wirklich toller Ort, wenn man sich für die Antike interessiert! Wir sind froh, dass uns die Flaute einen Besuch ermöglicht hat – außer mit dem eigenen Boot kann man die Insel nur mit dem Ausflugsboot ab Mykonos erreichen.
Haus der Delphine
Mosaik im Haus der Masken
Haus des Dioskurides und der Kleopatra
Das Amphitheater
Rineia / Ormos Kasari
Da das Ankern im Umfeld von Delos nur während der Öffnungszeiten der Ausgrabungsstätten erlaubt ist, ziehen wir nach unserer Rückkehr vom Landgang noch weiter; Ziel für die kommende Nacht ist wieder die Nachbarinsel Rineia, diesmal eine Ankerbucht weiter nördlich. Diese ist wie schon gewohnt von Ausflüglern ab Mykonos gut besucht – verständlich, all diese Buchten sind hervorragend zum Baden geeignet, und das Wasser hat inzwischen schon 24 Grad erreicht.
Einer unserer Nachbarn schafft es, unseren Maßstab von ‘groß’ wieder ein Stück weiterzuschieben: die 2018 gebaute, 116 Meter lange und 250 Millionen Dollar teure ‘Ulysses’, gerüchteweise im Besitz von Mark Zuckerberg, mit einem 24 Meter langen ‘Beiboot’ und eigenem Hubschrauberlandeplatz. Man gönnt sich ja sonst nichts …
Syros / Ermoupoli
Wir verlassen am nächsten Morgen den Einzugsbereich von Mykonos mit seinen Superyachten; nicht dass diese nicht in einer halben Stunde das 17 Seemeilen entfernte Ermoupoli auf Syros erreichen könnten, doch in der etwas industriell angehauchten Kykladenhauptstadt gibt es wenig, was diese Klientel anlocken könnte – wir werden sie nicht vermissen!
Für uns schließt sich hier ein Kreis: Mitte Oktober waren wir schon mal in Ermoupoli, und nachdem wir erfreulicherweise trotz angekündigter Flaute Syros doch unter Segeln erreichen konnten (wenn auch mit einiger Geduld), machen wir wieder in der nie fertiggestellten Marina fest. Von hier läuft man nur gut eine Viertelstunde zur einzigen Lidl-Filiale weit und breit – der perfekte Ort, um haltbare Vorräte für die nächsten Wochen einzukaufen: für Discounter-Waren sind die deutschen Supermarktketten europaweit einfach unschlagbar, während man frisches Obst und Gemüse in jedem winzigen griechischen Laden in einer Qualität bekommt, von der man auch auf dem deutschen Wochenmarkt nur träumen kann.
Gerne verbringen wir auch den folgenden Tag noch in Ermoupoli; schon bei unserem ersten Besuch hat uns der Ort gut gefallen, nun wirkt aber – wohl jahreszeitlich bedingt – alles noch viel lebendiger: viele Geschäfte, die im Oktober schon Winterpause hatten, sind nun geöffnet, und die Straßen quellen über vor gutgelaunter Lebendigkeit. So viele kleine Läden aller Art, Boutiquen mit geschmackvollen Sommersachen, Obst- und Gemüsehändler mit herrlichen Auslagen (viel aus lokalem Anbau), und vor allem unzählige Restaurants und Cafés: in kleinen Seitengassen zwischen alten Natursteinhäusern nehmen die Tische die gesamte Breite der Straße ein, welche komplett von schattenspendenden Bougainvilleen überrankt wird – besser geht’s doch kaum noch!
Oder hier?
Oder lieber hier?
Oder doch hier?
Tinos / Ormos Stavros
Am Donnerstag muss es dann aber doch weitergehen, schließlich droht der Gegenwind immer stärker zu werden; wir steuern die Insel Tinos an, die nordwestlich von Syros liegt. Der Wind kommt recht nördlich mit etwa 5 bis 6 Windstärken, in Böen sehen wir auch gerne mal eine 7; durch die Abdeckung der Insel baut sich keine allzu hohe See auf, so dass wir mit einem Reff im Groß und Kuttersegel gute Höhe laufen können und am frühen Nachmittag in einer kleinen Bucht nördlich des Hafens von Tinos ankern, Ormos Stavros.
Tinos ist in der altgriechischen Mythologie der Geburtsort des Windgottes Aiolos, und wir verstehen auch bald, wie man auf diese Idee gekommen ist: während der Wind schon auf der ganzen Überfahrt deutlich stärker war als vorhergesagt, legt es zum Abend, wo sich eigentlich Flaute einstellen sollte, immer mehr zu, und wir verbringen eine nicht so ruhige Nacht bei 25 bis 35 Knoten Wind; eine entmastete und auf die Felsen gespülte Segelyacht am Rande der Bucht bietet die passende Kulisse dazu.
Andros / Batsi
Freitagmorgen checken wir alle erdenklichen Quellen für Wettervorhersagen: Nordost, da ist man sich einig, und zwischen 8 und 12 Knoten, je nachdem, welchem Modell man vertrauen mag. Aber warum pfeift es unterdessen weiter mit 25 Knoten um den Mast? Eine absurde Situation, wenn alle Wetterprognosen so wenig mit der Realität zu tun haben, man beginnt an seinem Verstand zu zweifeln – und daran, ob wir nicht einfach nur einen völlig obskuren lokalen Effekt erleben, Wind der durch die Form der Berge vor uns fokussiert wird?
Wir entschließen uns, alles auf die letztere Möglichkeit zu setzen, anstatt einen Tag zu warten (da ist nämlich gar kein Wind mehr angesagt) – und liegen natürlich falsch. Auch eine halbe Seemeile vom Ankerplatz entfernt nimmt der Wind nicht ab, im Gegenteil, wir lesen auch häufig Werte in den 30ern ab. Wenigstens erlaubt die Windrichtung in Verbindung mit der Abwesenheit von Schwell (wir sind schließlich im Lee von Tinos), so eben den Zielkurs anzulegen, und so richten wir uns also darauf ein, die nächsten 30 Seemeilen hoch am Wind gegen eine 6 bis 7 anzukämpfen.
Doch selbst das kommt anders: vor der schmalen Passage zwischen Tinos und der nordwestlichen Nachbarinsel Andros nimmt der Wind plötzlich ab – gerade hier, wo wir eigentlich nochmal mit einer Zunahme gerechnet hätten. Auf einmal können wir sämtliche Reffs wieder ausschütten, und weitere zwei Stunden später müssen wir sogar für die letzten 6 Seemeilen die Maschine starten, da rein gar kein Wind mehr weht. Nun, vielleicht war die vorhergesagte 3 bis 4 als Mittelwert von 0 und 7 zu verstehen …
Wir erreichen jedenfalls nach einem langen, anstrengenden Tag den Hafen von Batsi auf Andros und bekommen noch einen der wenigen Längsseitsplätze; es gibt sogar einen jungen Hafenmeister, der uns einweist und die Leinen annimmt, außerdem freundlich auf die Wasser- und Stromanschlüsse hinweist. Wohin wir denn zum Bezahlen müssen? Oh, no, the harbour is free of charge … Also, kostenloses Liegen mit Wasser und Strom ist uns ja schon mehrmals in Griechenland begegnet, aber sogar mit Personal?!? Manch ein Deutscher wirft den Griechen mangelnde Geschäftstüchtigkeit vor, wir aber empfinden das anders: Häfen sind für ein Volk von Seefahren von extremer Bedeutung, und Fremde bei sich aufzunehmen eine uralte Form der Gastfreundschaft, so wie man selbst ja auch darauf angewiesen ist, woanders aufgenommen zu werden. Der Chartersegler, der schon mal 200 Euro pro Nacht für eine Muringboje vor Ibiza gezahlt hat, ist so begeistert, dass er mit der vielköpfigen Crew die nächste Taverna stürmt und mindestens den gleichen Betrag dort auf den Kopf haut – ein Geschäftsmodell für die Gemeinde als Ganzes, welches eher auf Langfristigkeit als kurzfristige Gewinnmaximierung ausgerichtet ist und allen Beteiligten mehr Freude bereitet. Wir finden, von den Griechen kann man etwas lernen …
Batsi: die hübsche Kirche, …
… der gastfreundliche Hafen …
… und der herrliche Strand
Auch bei uns schlägt das an: wir bleiben mehrere Tage (wobei natürlich auch die zur Weiterreise unbrauchbaren Wetteraussichten eine Rolle spielen), kaufen fleißig in den örtlichen Geschäften ein und mieten uns für einen Tag ein Auto, um die Insel zu erkunden.
Da gibt es eine Menge zu sehen: die fast 40 Kilometer lange Insel ist überwiegend gebirgig, mehrere Höhenzüge ragen bis knapp 1000 Meter in die Höhe. Dadurch – und ihre Lage näher am Festland – bekommt Andros mehr Regen ab als viele andere Kykladeninseln. Endlose Serpentinenstraßen schneiden sich durch das spärlich besiedelte Inland; es herrscht kaum Verkehr, man kann beliebig langsam fahren und die Aussicht genießen. Die aufs Meer – sei es nach Osten oder Westen – ist eh spektakulär, aber uns begeistert es auch sehr, mal wieder Berge und Täler mit grünem Buschwerk zu sehen. Vielerorts wächst in den feuchteren Einschnitten wilder Oleander und blüht prächtiger als in so manchem Park in nördlicheren Gefilden.
Wir machen eine kleine Wanderung in eine Schlucht und besichtigen eine besondere Attraktion: ein echtes Fließgewässer, sogar mit Wasserfall! Weiter geht es nach Chora, dem Hauptort der Insel; hier gibt es einen mittelalterlichen Stadtkern auf einer Landzunge, an deren Ende die nur über eine steile, etwas fragil wirkende Brücke ohne jegliches Geländer zu erreichende Ruine der venezianischen Festung liegt.
Noch weiter draußen, auf einem Felsen in der See, steht der kleine Leuchtturm von Tourlitis, eines der bekanntesten Motive der Insel; er wurde 1897 erbaut, 1943 bei einem deutschen Luftangriff zerstört und in dern 90er Jahren originalgetreu wiederaufgebaut.
Die Burgruine mit der alten Brücke …
… und der Tourlitis-Leuchtturm
Weiter führt uns der Weg, immer wieder hoch auf die Bergrücken und hinab ins nächste Tal; wir nehmen eine kleine – etwas abenteuerliche – Stichstraße und erreichen nach einer kleinen Wanderung eine weitere Burgruine, die der Höhenburg von Andros. Hier sind noch umfassende Grundmauern erhalten, vor allem aber lohnt sich der Ausblick von der auf einem schroff aufragenden Felsplateau errichteten Anlage – herrlich!
Wir stoßen auch überall auf markierte Wanderwege – eine ziemliche Ausnahme auf den Kykladen. Gerade in der nicht so heißen Jahreszeit ist die Insel sicher ein lohnendes Ziel für Wanderer, und selbst jetzt – Mitte Juni – ist es einige hundert Meter über dem Meeresspiegel doch merklich kühler als unten im Hafen, man kann tatsächlich noch wandern, ohne sofort zu zerfließen.
Am Montag und Dienstag zieht ein Tiefdruckgebiet durch, welches Wolken, unberechenbare Winde und sogar etwas Regen mit sich bringt – da bleiben wir doch lieber im freundlichen und kostenlosen Hafen von Batsi. Das Wetter für die Weiterfahrt will auch mit Bedacht gewählt sein, liegt vor uns doch die Straße von Kaphireas, die Meerenge zwischen Andros und Evvia (Euböa): hier kommt einem normalerweise der Wind kräftig entgegen, und dazu noch das halbe ägäische Meer – 6 bis 7 Knoten Gegenstrom sollen sich unter ungünstigen Bedingungen aufbauen können. Ganz klar, für kleine Boote ist die Meerenge dann unpassierbar, also warten wir auf bessere Bedingungen.
Am Mittwoch den 16. ist es dann soweit: zwar ist hauptsächlich Flaute angesagt, aber die wenigstens aus Südwest – eine sehr ungewöhnliche Windrichtung, die wir nutzen müssen, auch wenn es auf viele Motorstunden hinausläuft. Wir verlassen am Mittag den Hafen und können auch einige Stunden bei 2 bis 3 Windstärken segeln – langsam, aber wir arbeiten uns stetig durch die gefürchtete Passage, ständig dem sehr dichten Verkehr an Containerschiffen und Tankern ausweichend, die etwas schneller als wir unterwegs sind.
Am Abend frischt der Wind sogar etwas auf, und wir freuen uns schon auf eine Nachtfahrt unter Gennaker, aber gerade als wir das Cavo Doro passieren, das nördliche Ende der Kaphireas-Straße, ist es schlagartig vorbei damit: mit ein bis zwei Knoten Wind kann auch das Leichtwindsegel nichts mehr anfangen, und so muss der Motor ran und schiebt uns gen Norden heraus aus den Kykladen …
Am 20. Mai ist es endlich soweit: nach sechseinhalb Monaten Lockdown verlassen wir Astypalaia! Einerseits sind wir natürlich sehr froh darum, endlich etwas mehr von Griechenland sehen zu können, nachdem wir ein halbes Jahr unseres Lebens damit verloren haben, unsere 10 Quadratmeter Wohnfläche vor wechselnden Stürmen in Sicherheit zu bringen, andererseits haben wir durch unseren unfreiwilligen Aufenthalt auch nette Menschen kennengelernt und die Insel wirklich lieb gewonnen – aber wir sind uns auch sicher, wiederzukommen, also legen wir am Donnerstagmorgen hochmotiviert ab. Unser Weg soll uns nach Norden führen, bevor der vorherrschende Nordwind im Sommer immer stärker wird (natürlich sind wir viel zu spät dran …); wir folgen dabei zunächst der der türkischen Küste vorgelagerten Inselkette des Dodekanes, welche – anders als der Name (“Zwölf Inseln”) vermuten lässt – rund 160 Inseln umfasst.
Levitha
Die Windvorhersagen versprechen einen schönen Segeltag: sanfte 12 Knoten aus Südwest sollten uns unter Gennaker langsam aber stetig nach Norden schieben. Nun, in der Realität sind es zunächst nur 5 Knoten, und zwar aus Nordost – kleiner Unterschied; und der Gennaker ist das einzige Segel, welches an diesem Tag nicht zum Einsatz kommen wird. Zwei Stunden motoren wir gegenan, bis wir um die Südostspitze Astypalaias nach Norden abbiegen und endlich unter Großsegel und Code 0 am (Ost-)Wind segeln können. Erst als wir weitere zwei Stunden später aus dem Windschatten der Insel kommen, dreht der Wind auf West – und weht mal mit 18 Knoten, was uns bei der beachtlichen Segelfläche mit sechseinhalb Knoten herrliche Fahrt machen lässt, dann bricht er wieder auf 5 Knoten zusammen, was uns mit anderthalb Knoten und flappendem Tuch in den gar nicht so kleinen Wellen schaukeln lässt. Da wir auch am 6. Tag nach der Impfung gesundheitlich immer noch angeschlagen sind, wird der erste Segeltag nicht so erholsam wie erhofft, so dass wir recht froh sind, nach 10 Stunden endlich die Südbucht der Insel Levitha anzusteuern.
Hier erwartet uns eine weitere Überraschung: wir sind nicht etwa allein, sondern eine ganze Flottille riesiger Charterboote hat bereits einen Großteil der ausgelegten Muringbojen in Beschlag genommen. Offenbar haben die Charterfirmen keine Zeit verloren und unmittelbar mit der Öffnung Griechenlands die ersten Touristen aufs Wasser geschickt … Wir finden noch eine letzte freie Muring mitten um Feld der restlichen Boote, versuchen den Trubel und die blinkenden Lichterketten auszublenden und fallen erschöpft in die Koje.
Am nächsten Morgen sieht die Welt schon besser aus: die Flottille hat sich in aller Frühe aus dem Staub gemacht, denn der Wind soll ja auf Nord drehen und deutlich zulegen. Wir lassen das neue Dinghi zu Wasser und paddeln an den Anleger, um die Insel zu erkunden. In deren Mitte befinden sich landwirtschaftlich genutzte Flächen, der Rest gehört den Ziegen. Bewohnt und bewirtschaftet wird Levitha von einer einzigen Familie – seit etlichen Generationen. Diese betreibt auch eine einfache Taverna für die hier übernachtenden Boote – was offenbar kein Geheimtipp mehr ist, auch am Freitag kommen neue Boote dazu.
Das Muringfeld auf Levitha
Inselbewohner
Wir erwandern die kargen Anhöhen, auch um dort etwas Mobilfunkabdeckung zu suchen und die Wettervorhersagen für die kommenden Tage zu aktualisieren, ansonsten ist die Insel die perfekte Kommunikations-Entgiftung: in die Ankerbucht verirrt sich keine elektromagnetische Welle. Selbstredend gibt es keine Straße, zum Bauernhof mit der Wirtschaft führt ein Trampelpfad; überhaupt gibt es nichts als schroff-schöne Landschaft und ganz, ganz viel Ruhe – was uns wirklich sehr gelegen kommt nach den anstrengenden letzten Tagen.
Wir verbringen zwei herrliche Tage an der Muring, während die Sonne auf uns brennt und der kühlende Meltemi mit 7 Windstärken über die Insel pfeift, lesen viel und schauen ansonsten zu, wie der Windgenerator und die Solarzellen die Batterien wieder randvoll laden; am Samstagabend kehren wir in die Taverna ein und genießen ein einfaches, authentisches und köstliches Essen. Levitha ist ein wirklich gelungener Neustart nach so langer Durststrecke!
Leros / Lakki
Am Sonntagmorgen lösen wir die Leine zur Muring und fahren unter Segeln aus der Bucht – sicherheitshalber mit einem Reff im Groß, denn durch die Abdeckung der Insel ist schwer vorherzusagen, wie viel Wind draußen wirklich weht. Schon nach wenigen Minuten erwischen uns Böen von 25 Knoten; wir sind ganz froh um das Reff und etwas nervös, was wohl jenseits des Inselwindschattens auf uns warten mag (wie sehr man sich doch an tagesaktuelle Wettervorhersagen gewöhnt hat und wie seltsam es ist, drei Tage im Funkloch verbracht zu haben!). Nach einer Stunde runden wir das östliche Inselende – und der Wind nimmt ab! Berge können also nicht nur Windabdeckung bieten, sondern auch durch Fallwinde den auf See herrschenden Wind noch verstärken – und dummerweise weiß man vorher nie, welcher der beiden Effekte überwiegen wird …
Wir segeln 22 Seemeilen bei nordwestlichen Winden um 4 bis 5 Richtung Nordost, die Insel Leros ist unser Tagesziel – aber egal in welche Richtung man schaut, überall sind bergige Inseln am Horizont! Wir sehen hinter uns noch Amorgos, an Backbord Ikaria und Patmos, voraus Leros, weiter an Steuerbord die beeindruckende Silhouette von Kalymnos und weit entfernt Kos, alles eingebettet in tiefstes Blau – ein toller Anblick!
Gegen 15 Uhr erreichen wir die tief eingeschnittene und gut geschützte Bucht Lakki mit dem gleichnamigen Ort; früher hieß dieser Portolago – eine italienische Gründung, die während der italienischen Herrschaft über den Dodekanes 1912-43 als Flottenbasis diente. Das merkt man dem Ort an: die Gebäude sehen überhaupt nicht griechisch aus, der italienische Rationalismus der 30er Jahre beherrscht das Stadtbild. Direkt vor der Uferpromenade gibt es einen hervorragenden Ankerplatz, wo wir unseren Segeltag beenden und zu alkoholischen Kaltgetränken übergehen (es gibt noch spanische Sangria an Bord!).
Am nächsten Tag erkunden wir den Ort; durch die benachbarte, große Marina gibt es mehrere Läden für Bootszubehör, und Supermärkte sowieso. Die meisten der italienischen Großbauten sind ganz schön heruntergekommen – der Wert des faschistischen Architektur als Baudenkmal darf auch sicher in Frage gestellt werden, dennoch gibt es kaum woanders noch so viel Bausubstanz aus dieser Zeit, vielleicht würde es sich doch lohnen, ein wenig mehr für den Erhalt zu tun.
Eine weitere Auffälligkeit: hier wachsen Bäume! Auf Astypalaia haben wir ein halbes Jahr nur Zitrusfrüchte, Oliven und Feigen gesehen, doch hier gibt es zahlreiche Pinien, die einen herrlichen Duft verströmen; insgesamt scheint es mehr Wasser zu geben, überall blühen Oleander, Bougainvilleen, Jasmin … der 30 Grad warme Wind weht uns eine betörende Duftkomposition in die Nase – himmlisch! Danach noch ein Bad im mit knapp 23 Grad doch noch erfrischenden Wasser – was will man mehr?!?
Archangelos
Dienstagmorgen nutzen wir noch die Nähe des Ortes für ein richtiges Frühstück mit frischem Brot von der Bäckerei und machen uns dann wieder auf dem Weg – nach Norden, also gegen den Wind. Allzu große Fortschritte sind da nicht zu machen, also kreuzen wir nur bis zu der kleinen Insel Archangelos, welche der Nordküste von Leros vorgelagert ist.
Dort finden wir eine schöne Ankerbucht, in die unmittelbar vor uns eine Charteryacht mit deutschsprachiger Crew einläuft. Dagegen ist zunächst nichts zu sagen, hier ist genug Platz für zwei Boote; unsere Begeisterung sinkt aber rapide, als nebenan gegen 18 Uhr wieder die Maschine gestartet wird – und läuft, und läuft … nach einer Stunde erkundigen wir uns, wie lange wir den Lärm beim Abendessen noch genießen dürfen – ach, so eine Stunde, sie müssen halt Batterien laden … das hätten sie gerne nach ihrer Ankunft tun können, oder sonst am nächsten Morgen, aber an allen Ankerplätzen der Welt gilt eigentlich die Regel, dass man keinen Lärm mehr macht, wenn die Sonne zum Sinkflug ansetzt – so also kommen Chartersegler zu ihrem guten Ruf!
Leipsoi / Kochlakoura
Nach einer ruhigen Nacht vor Anker machen wir uns wieder auf den Weg, wir wollen zur nächsten größeren Insel übersetzen, Leipsoi; weit ist die nicht weg, aber natürlich gegen den Wind, was die gesegelte Strecke fast verdoppelt. Es läuft aber ganz gut, der Wind ist gleichmäßiger, und wir nehmen das erste Reff aus dem Groß, welches am Vortag noch sicherer schien.
Vom ewigen Gegenwind abgesehen ist das Wetter unbeschreiblich gut: jeden Tag scheint von früh bis spät die Sonne vom wolkenlosen Himmel, und die Reflexionen lassen die dunkelblaue See funkeln – eine Freude, hier segeln zu können! Wir finden bei Kochlakoura eine passende Ankerbucht an der Südostküste von Leipsoi, deren Sandgrund die Farben zum Türkis verschiebt. Tamarisken säumen den langen Strand, die Umgebung ist von buntem Felsgestein dominiert, ein paar gepflegte, kleine Häuser stehen an den Hängen – und allein sind wir auch noch, obwohl mühelos ein Dutzend Yachten unterkämen!
Am nächsten Vormittag laufen wir in den zwei Kilometer entfernten Hafenort der Insel; die Landschaft auf dem Weg dorthin ist überraschend grün, es wird Landwirtschaft betrieben und viel Wein angebaut. Der Fischerhafen hat auch eine Pier für Yachten, der kleine Ort ist freundlich und bietet neben kleinen Läden eine sehr gut sortierte Bäckerei/Konditorei.
Panagia tou Charou
Der Hauptort von Leipsoi
In den Straßen der Altstadt
Makronisi
Zurück an Bord können wir uns zunächst nicht entscheiden, ob wir nicht noch eine zweite Nacht hier bleiben sollen oder doch weiterziehen; wir entscheiden uns für letzteres, weil wir hoffen noch etwas brauchbaren Wind am Nachmittag mitnehmen zu können – und einen weiteren, vielversprechenden Ankerplatz kennenlernen möchten. Die Hoffnung auf guten Wind wird enttäuscht, wir müssen längere Zeit motoren, aber der Ankerplatz vor der kleinen Insel Makronisi, welche vor der Südküste von Arkoi liegt, hält, was er verspricht: völlige Einsamkeit und hinreißendes Türkis soweit das Auge reicht, ein paradiesisches Plätzchen!
Wir schwimmen ein paar Runden und wollen gerade aus dem Wasser steigen, als sich ein RIB der Coast Guard nähert und unsere Papiere kontrollieren will; schlechtes Timing, aber die beiden jungen Beamten sind sehr nett und warten geduldig, bis wir uns notdürftig abgetrocknet haben. Danach ist aber auch unsere Geduld gefordert: der Formularsatz verlangt nach einer unbeschreiblichen Menge Informationen. Wir geben geduldig Auskunft, alle möglichen Dokumente werden abfotografiert – wir haben den Eindruck, dass die Kontrolle für die beiden nochmal eine Stunde Papierkram zurück im Hafen nach sich zieht. Bürokratie kann man hier also auch gut …
Arkoi
In den Hafen von Arkoi sind es am Freitagmorgen dann nur zwei Seemeilen; es gibt ein Stück Betonkai, an dem rund ein halbes Duzend Boote mit Buganker und Heckleinen festmachen können, keine Strom- oder Wasseranschlüsse, einen geschlossenen Minimarkt und drei äußerst einladende Tavernas. Die wenigen Einwohner sind gewohnt freundlich, die Häuser sehr hübsch anzusehen – ein griechisches Dort wie aus dem Bilderbuch!
Der Hafen von Arkoi
Landschaft auf Arkoi
Taverna am Hafen
Gerne bleiben wir hier auch noch den ganzen Samstag und kehren am Abend in eine der Tavernas ein; wie immer ein positives Erlebnis, auch hier wird alles aus frischen Zutaten auf Bestellung gekocht, und das zu sehr vernünftigen Preisen. Der Wirt spricht sehr gut Englisch, wir unterhalten uns nett und verbringen einen schönen Abend. Nur die Nacht wird leider unerfreulich: die Crews mehrerer Yachten fallen in die andere Taverna ein und motivieren den Wirt dazu, bis nach 3 Uhr die ganze Insel zu beschallen – das hat man davon, nicht in der Einsamkeit zu ankern!
Phournoi / Paralia Vlychada
Entsprechend müde starten wir am Sonntag, und das Wetter passt sich der Stimmung an: es ist bewölkt! Wir empfinden das als ganz angenehm, weil uns mal nicht die Sonne verbrennt; viel Wind gibt es allerdings auch nicht, so dass wir die letzten Meilen bis zu unserem Ziel am Südende der Insel Phournoi motoren müssen. Diese liegt unter der Lücke zwischen den großen Inseln Ikaria und Samos, welche das nördliche Ende der südlichen Sporaden bilden, aber eigentlich schon nicht mehr zum Dodekanes gehören; durch diese Lage ist Phournoi in besonderem Maße den starken Nordwinden ausgesetzt. So gesehen ist dieser eher flautige Tag eine gute Gelegenheit, die Insel zu besuchen, und wenn es auch nur für eine Übernachtung ist; zum Abend bietet sich aus unserer nach Süden offenen Ankerbucht noch ein bezaubernder Blick auf den Schattenriss von Patmos in Pastelltönen.
Ikaria / Agios Kirykos
Am 31. Mai verlassen wir Phournoi schon wieder, um die letzten 12 Seemeilen Richtung Nordwesten bis Ikaria zurückzulegen; auch heute ist noch wenig Wind angesagt, und das ist eine Chance Strecke gegen den Meltemi gutzumachen, die wir nicht ungenutzt lassen können. Wieder können wir einen Teil der Strecke segeln (wenn auch nur mit sehr viel Geduld) und müssen nur die letzten Meilen motoren, bis wir den neuen Hafen von Agios Kyrikos erreichen.
Die Insel Ikaria bietet einen beeindruckenden Anblick: auf der ganzen Länge von rund 40 Kilometern ragt ein über 1000 Meter hoher Gebirgszug steil aus dem Meer. Dies führt zum einen zu der bereits erwähnten Windfokussierung in der Passage zu Samos, zum anderen zu üblen Fallböen auf der Leeseite der Insel. Der besagte neue Hafen bietet guten Schutz, ist er doch erst vor wenigen Jahren als kleine, aber moderne Marina angelegt worden; nur für die Inbetriebnahme hat es nie gereicht, so liegt man jetzt hier kostenlos längsseits vor abgeschalteten Stromsäulen.
Die kleine Siedlung daneben ist der Hauptort der Insel: da Ikaria nicht über einen internationalen Flughafen verfügt, gehen die Touristenströme weitgehend an der Insel vorbei. Und das trotz des bekannten Namens: hier soll der Sage nach Ikarus auf der Flucht aus dem minotaurischen Labyrinth auf Kreta mit seinen aus Federn und Wachs konstruierten Flügen zu nahe an die Sonne gekommen und tödlich verunglückt sein, als das Wachs schmolz und so das Fluggerät auseinander fiel. Nach übereinstimmender Ansicht der Seglergemeinde wird ihn aber eher der heftige Meltemi gerupft haben …
Wir mögen die ‘Inselhauptstadt’ – es gibt nur kleine Supermärkte mit (wie immer) herrlich frischem Obst und Gemüse, wie es solches in Deutschland für kein Geld der Welt zu kaufen gibt, nette Cafés und Restaurants, duftende Bäckereien und Konditoreien – und freundliche Menschen: am Hafen will ein Handwerker einen Auftrag ausführen und bringt dazu 5 verschiedene Verlängerungskabel und Kabeltrommeln mit, die er aneinandersteckt (eine sehr griechische Herangehensweise); zum Schluss fehlen ihm aber immer noch 10 Meter: wir leihen ihm unser Verlängerungskabel und dürfen uns dafür mit an seinem Strom bedienen, um die Batterien zu laden. So hilft man sich gegenseitig 🙂
Am Dienstag den 1. Juni bekommen wir einen ersten Eindruck von den berüchtigten Fallböen: der Nordwind ist wieder da, und wir haben jede Minute 55 Sekunden Flaute und 5 Sekunden Böen der Stärke 6 – den ganzen Tag. Wir unternehmen eine Wanderung die Küste entlang zum Nachbarort Therma – wie der Name andeutet gibt es hier heiße Quellen, die seit der Antike genutzt werden. Der Ort liegt dekorativ eingebettet in die Berghänge, direkt am Hafen gibt es eine Grotte, in der heißes Wasser aus den Felsen quillt und sich mit dem Seewasser vermischt, und ein kleines Stück weiter die Küste entlang stehen auch noch ein paar antike Mauern. Die eigentliche Attraktion ist aber der Blick aufs Meer: die zerklüfteten Felsen im Vordergrund, das türkisfarbene Wasser in der Brandungszone, und das endlos tiefe und weite Blau dahinter … man kann sich daran kaum satt sehen!
Ikaria / Agios Georgios
Am Mittwochmorgen kaufen wir noch ein Brot in der kleinsten Bäckerei des Ortes – und stellen fest, dass es eines der besten ist, die wir in Griechenland je bekommen haben! Nach einem derart gelungenen Frühstück machen wir uns auf den Weg zum Südwestende der Insel, knapp 20 Seemeilen sind es bis dorthin.
Wie immer ist Nordnordwest angesagt, aber im Windschatten des hohen Bergrückens bekommen wir so ziemlich alles, sowohl was Windrichtung als auch -stärke anbelangt. Kein ganz anspruchsloses Segeln, ist man doch bei Fallböen der Stärke 6 bis 7 ganz froh um ein Reff im Groß, muss dann aber auch mal eine halbe Stunde Flautengedümpel mit gerefftem Tuch aushalten.
Dafür entschädigt die vorbeiziehende Landschaft: praktisch ohne Unterbrechung hält der Gebirgszug seine Höhe von rund 1000 Metern, die Flanken fallen steil ins Meer ab – so sehr, dass sich nur an wenigen Stellen Ortschaften bilden konnten.
Je weiter wir zum Ende der Insel kommen wird es immer noch dünner besiedelt; schließlich lassen wir nach 7 Stunden den Anker auf 10 m Tiefe über Sandgrund in der allerletzten Bucht vor der Südwestspitze fallen, in wildromantischer Umgebung, eingerahmt von steilen Felswänden, die mit hausgroßen Brocken übersät sind. Das Wasser ist völlig klar, trotz der Tiefe sieht man jedes Sandkorn am Grund – und die Farbe erst …
Natürlich arbeitet sich etwas Schwell um das Kap, aber geschütztere Ankerplätze gibt es an dieser abweisenden Küste nicht, und gen Westen liegen 30 Seemeilen offenes Wasser bis zu den Kykladen vor uns – und die Schönheit dieses Ortes entschädigt für ein wenig Geschaukel 🙂
Noch am Freitagnachmittag besucht uns ein Beamter von der lokalen Polizei, um uns in flüssigstem Englisch über den bevorstehenden Lockdown zu informieren: alle Geschäfte bis auf Lebensmittelläden sind geschlossen, es besteht allgemeine Maskenpflicht auch im Freien, und man darf nicht mehr grundlos seine Wohnung verlassen. Die Liste der möglichen Gründe ist aber um einen entscheidenden Punkt länger als seinerzeit in Spanien: Ausübung körperlicher Betätigung im Freien, mit bis zu zwei Personen, ist erlaubt – man muss sich nur selbst eine Genehmigung ausstellen: ein Zettel, auf den man Name, Anschrift, Ausgangszeit und -grund schreibt, genügt! Davon konnten wir auf Ibiza nur träumen …
Auch weiteren, stark von den Erlebnissen im Frühjahr beeinflussten Fragen begegnet der junge Mann mit merklichem Erstaunen: ja, natürlich dürfen wir den Hafen jederzeit verlassen, um irgendwo in der Nähe zu ankern, dabei käme man ja schließlich nicht mit anderen Menschen in Kontakt; und ja, selbstverständlich dürften wir dann dennoch jederzeit zurückkommen, um Schutz zu suchen, einzukaufen oder Wasser zu bunkern; genauso dürften wir auch die ganze Zeit bleiben wenn uns das lieber sei, und kostenlos sei das alles ohnehin – dies sei ja schließlich ein Schutzhafen, dafür sei er ja da. Der Beamte zeigt auch keinerlei Ambitionen, sich irgendwelche Ausweise oder Bootspapiere zeigen zu lassen oder diese gar zu fotokopieren, und freundlich ist er ohnehin – so unterschiedlich kann man also in verschiedenen Ländern mit ein und derselben Problematik umgehen; wir bedanken uns herzlich und denken im Stillen: dreitausend Jahre Zivilisation hinterlassen eben doch ihre Spuren!
Wir ergänzen also noch einige Vorräte und richten uns auf einen mehrwöchigen Aufenthalt in den Gewässern um Astypalaia ein; im Prinzip dürften wir sogar weitersegeln, aber andere Inseln zu besuchen, auf denen man sich dann nichts anschauen kann, erscheint auch nicht so sinnvoll, und dieser Flecken Erde lädt durchaus zum Verweilen ein: es gibt eine große Auswahl an schönen und sicheren Ankerbuchten, und die ganze Stimmung ist sehr entspannt. Am Montag verlassen wir den Hafen, denn es soll wieder windiger werden, und wir fanden es wesentlich angenehmer, letzte Woche bei Starkwind vor Analipsi zu ankern, als am Wochenende im kabbeligen Hafen in die Festmacher zu rucken.
Genau dorthin segeln wir auch zurück und verbringen den Rest der Woche bei meistens sonnigem Wetter und spätsommerlichen Temperaturen (für deutsche Verhältnisse) vor Anker. Der Minimarkt im Dorf ist weiter geöffnet, und man kennt sich bald besser, so dass wir auf Bestellung auch frische Backwaren bekommen, die aus der Chora geliefert werden. Die Besitzerin hat immer Zeit für ein nettes Gespräch und erzählt davon, wie schwer dieses Jahr für die Inselbewohner wat, weil kaum Touristen gekommen sind; hier hat man das Gefühl, dass neben den praktischen Reisebeschränkungen auch die Angst vor möglichen Gefahren viele Ausländer von einer Griechenlandreise abgehalten hat. So stellt sich heraus, dass viele Einheimische ihre Masken aufsetzen, um uns Ausländer nicht abzuschrecken – selbst hält man hier nicht so viel davon … nun, kein Kunststück auf einer 1400-Einwohner-Insel ohne Kontakt zum Rest der Welt, auf der es keinen einzigen (!) Infizierten gab oder gibt, die Sache entspannt zu sehen. Einmal am Tag fährt der Inselpolizist seine Runde und wird vorher per Telefonkette angekündigt, so dass alle schnell ihre Masken aufsetzen können, ihm freundlich zuwinken – und danach die Angelegenheit wieder bis zum kommenden Tag vergessen können. Es würde uns nicht wundern, wenn man mit dem richtigen Klopfzeichen an der Hintertür abends auch Einlass in der Taverne findet …
Inzwischen haben wir auch Gesellschaft bekommen, die österreichische Yacht ‘Vitamine’ ankert neben uns, und da sich – schon wieder ganz anders als im Frühjahr vor Sant Antoni – wirklich kein Mensch dafür interessiert, was die Segler so untereinander treiben, können wir das eine oder andere Glas Wein zusammen trinken und Seemannsgarn spinnen 🙂
Am 16. November, nach genau einer Woche vor Analipsi, entscheiden wir uns, mal wieder für eine Nacht in den kaum drei Seemeilen entfernten Hafen zu fahren, denn wir müssen Trinkwasser bunkern. Dort erwartet uns eine Überrschung: wir haben die Leinen noch nicht fest, und der Motor läuft noch, als zwei Uniformierte in heller Aufregung auf uns zulaufen und erklären, wir müssten sofort wieder ablegen! Es stellt sich heraus, dass diese nichts davon wussten, dass wir schon seit 14 Tagen auf der Insel sind und dachten, wir kämen von anderswo und hätten womöglich Viren an Bord. Ein Gespräch mit dem Vorgesetzten am nächsten Morgen bringt endgültig Rechtssicherheit: es bleibt dabei, wir dürfen kommen und gehen wie wir wollen, solange wir nicht zwischendurch andere Inseln anlaufen. Mit Regeln, die in einem Sinnzusammenhang mit der Virusausbreitung stehen, können wir ja gut leben, also ist wieder alles gut, und wir wollen auch gleich wieder auslaufen, da die kommende Nacht ausnahmsweise mal schwach windig werden soll und wir so zur Abwechslung eine kleinere Ankerbucht besuchen können.
Wir segeln zur kleinen Insel Kounoupoi ganz im Südosten des Astypalaia-Archipels; diese bietet zwei wunderschöne Ankerbuchten, offen nach Osten und Westen, getrennt nur von einem Kiesstrand. Wir entscheiden uns für die westliche Bucht, Ormos Lanta, und ankern auf 5 m Tiefe in perfekt klarem Wasser. Die Insel ist unbewohnt, wir teilen sie nur mit einigen Ziegen; da diese keine Masken tragen, nutzen auch wir die Gelegenheit für eine Wanderung ohne Ausgangserlaubnis und erfrischen uns anschließend mit einem Sprung ins immer noch 23 Grad warme Wasser. Dabei zeigt sich, dass der Anker auf dem recht felsigen Grund nicht gut eingegraben ist; gleich daneben liegt jedoch ein großer Betonklotz von einer alten Muring in viereinhalb Metern Tiefe auf dem Boden, eben einen langen Festmacher durch die eingegossene Kette gefädelt, und schon liegt die ‘Orion’ sicher für die Nacht.
Der Abend ist wundervoll, und wir bekommen endlich mal wieder uneingeschränkte Sicht auf den Sonnenuntergang; nur eine kleine Mondsichel erhellt den vollkommen wolkenlosen Himmel, so dass Millionen von Sternen funkeln und die Milchstraße so hell leuchtet, dass man in ihrem Schein lesen zu können meint. Ein kleiner Abstecher, der sich unbedingt gelohnt hat!
Mittwoch müssen wir dennoch wieder zurück nach Analipsi segeln, der Nordwind soll im Laufe des Tages wieder zulegen und dann den Rest der Woche mit den üblichen 6 Beaufort wehen, da wollen wir doch lieber in der geräumigeren Ankerbucht liegen.
So kommt es dann auch – und als Zulage gibt es in der Nacht von Donnerstag auf Freitag noch schwere Gewitter, die sich über mehrere Stunden genau über dem östlichen Flügel der Insel austoben, also ganz in unserer Nähe. Wenn auch das persönliche Risiko bei Blitzschlag im Inneren eines Stahl- (oder allgemein Metall-)bootes denkbar gering ist, so bedeutet ein Volltreffer dennoch den Totalausfall praktisch sämtlicher Elektronik an Bord – alles andere als eine angenehme Vorstellung, hier Ersatz zu beschaffen wäre fast unmöglich. Aber die ‘Orion’ bleibt verschont, das Gewitter fordert keine weiteren Opfer als den Schlaf dieser Nacht.
Zum Wochenende wird es wieder sonnig, und wir verbringen angenehme Tage vor Anker – etwas langweilig wird es so langsam aber doch auch … zur ‘Abwechslung’ fahren wir am Montag mal wieder für eine Nacht in den Inselhafen, um die Batterien zu laden – wenn es schon kostenlos Strom gibt, muss man ja nicht den Generator bemühen. Das Anlegemanöver (rückwärts mit Buganker) wird schon zur Routine, ebenso die Begrüßung durch die schottischen Nachbarn, die seit Beginn des Lockdowns im Hafen ausharren.
Dienstag setzt wieder Nordwind ein, und wir segeln zurück zum Ankerplatz nach Analipsi, wo wir die nächsten zwei Tage bei 6 Windstärken und Sonnenschein die Zeit totschlagen.
Zum nächsten Wochenende – dem dritten des Lockdowns – kommt dann die Nachricht, dass dieser um mindestens eine Woche verlängert wird; nun, wir sind nicht wirklich überrascht. Da außerdem Südwind angekündigt ist – ein absolutes Novum nach vier Wochen Nord – beschließen wir, die ganze Insel zu umrunden und eine Ankerbucht auf der anderen Seite aufzusuchen – die ‘Vitamine’ ankert dort schon seit ein paar Tagen und vermeldet, dass sich der Ausflug lohnt. Unglaubliche 19 Seemeilen legen wir am Freitag zurück – und bekommen auch noch mehr Abwechslung, als uns lieb ist: auf Amwindkurs reißt das Fall des Code Zero, und das Segel landet im Wasser – nicht zum ersten Mal, aber Ende Mai auf den Balearen war es noch die Umlenkrolle, die aufgegeben hat, nun hat sich das statt dessen über einen Schäkel geführte Fall selbst durchgescheuert.
Mit tropfnassen 60 Quadratmetern Segeltuch an Deck erreichen wir am Nachmittag die Bucht Vathy. Diese misst in Ost-West-Richtung etwa eine Seemeile, in Nord-Süd-Richtung etwa ein Viertel davon, und ist vollkommen von Bergen umschlossen – bis auf eine schlauchartige Öffnung, die man gerade mit einem Kielboot passieren kann. Schwere See gibt es hier nicht, egal was draußen los ist, und die ganze Bucht hat durchgängig brauchbare Wassertiefen zum Ankern – ein Traum! Einzig die Versorgungslage lässt zu wünschen übrig, der gleichnamige Ort zählt stolze 11 Einwohner, und der nächste Supermarkt ist der uns gut bekannte Laden in Analipsi, nun aber 12 Kilometer und 300 Höhenmeter entfernt – pro Weg, versteht sich.
Aber erst mal sind wir gut versorgt, und am Samstag ist herrliches Wetter und endlich auch mal nicht so viel Wind – die beste Gelegenheit für eine ausgedehnte Wanderung durch die Berge. Die Lockdown-Regeln geben so ausgedehnte Ausflüge zwar nicht unbedingt her, aber wenn diese in Analipsi schon nicht so ernst genommen wurden, dann hier erst recht nicht – die Anfahrt für den Dorfpolizisten führt schließlich auch über die gleiche Schotterpiste, die wir zum Supermarkt laufen müssten, und das tut er doch nicht grundlos seinem schönen Auto an …
Nach dem Passieren der wenigen Häuser befinden wir uns auch bald mitten in der Wildnis; der Feldweg endet an einer kleinen Kirche, und danach bahnen wir uns unseren Weg durch quadratkilometerweise Ziegenland – absolut nichts deutet darauf hin, dass hier schon einmal Menschen waren, es gibt auch keine Andeutung von Pfaden. Das Vorwärtskommen ist entsprechend mühsam, aber die traumhaften Aussichten über die felsige Landschaft und das glitzernde Meer sowie die sommerliche Wärme belohnen uns reichlich – ein wirklich schöner Tag!
Auch am Sonntagmorgen lässt sich die Sonne noch blicken, und wir können die Halbinsel direkt hinter unserem Ankerplatz erkunden; hier hat man Relikte alter Besiedelung ausgegraben, man erkennt gut die Reste einer imposanten Befestigungsanlage, außerdem hat man Gräber freigelegt. Laut Internetrecherchen datiert man diese auf das späte vierte bis frühe dritte Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung, also in den Übergang von der Jungsteinezeit zur Bronzezeit – faszinierend, welche Aktivitäten die Menschen hier schon vor so langer Zeit entfaltet haben, und welch weitreichende Handelsverbindungen es bereits gab, wie man aus den Funden weiß.
Am Sonntagnachmittag setzt dann der erwartete Südwind ein – und bringt Regen mit sich. Wir warten unter Deck auf die Wiederkehr der Sonne …
Die lässt selbst am übernächsten Tag noch auf sich warten, aber der Wind hat auf Nord zurückgedreht, und das nutzen wir, um zurück in den Hafen auf der Südseite der Insel zu segeln – die Batterien haben mal wieder eine Aufladung nötig, und der Kühlschrank ist auch recht leer. Immer noch drohen Schauer, und recht kühl ist es mit 16° auch, so dass wir tatsächlich in den Tiefen der Schränke nach der Ölzeugjacke suchen – in der Kombination mit der Badehose als ‘Mittelmeer-Ölzeug’ getragen passt das ganz gut zum Wetter.
Die Jacke bleibt aber trocken, und auf der Höhe der Südwestseite der Insel kommt auch die Sonne raus – wir haben die etwas längere Route gegen den Uhrzeigersinn gewählt, um nach genau einem Monat die Umrundung von Astypalaia abzuschließen. Nach 25 Seemeilen (das letzte Stück aufgekreuzt) erreichen wir den Hafen und legen an unserem Stammplatz an, wobei die Nachbarin vom schottischen Boot die Leinen entgegennimmt – alles wie immer …
Die nächsten Tage bleiben wir erst mal hier, erledigen die Einkäufe, waschen per Hand ein paar Sachen durch – und warten gespannt auf Nachrichten von der weiteren Entwicklung. Die kommen am Donnerstag – natürlich gibt es die nächste Lockdown-Verlängerung 🙁 Auf Astypalaia ist es ja richtig nett, aber so langsam bereitet uns die Wetterentwicklung Sorge, nach der stabilen Nordlage im November kündigen sich jetzt immer mehr Südstürme an, und die sind hier deutlich gefährlicher als die Windstärke-7-Schönwetter-Meltemis.
Dennoch verlassen die Nachbarn von der ‘Unda’ den Hafen – sie haben von der Port Police auf Kreta eine Sondererlaubnis zum Einlaufen bekommen (wohl wegen irgendwelcher Passangelegenheiten – mit Corona und Brexit ist man aber auch wirklich doppelt gestraft), und auf den 90 Seemeilen dahin gibt es eh keine Zwischenstopps. Wir aber müssen wohl weiter ausharren und dabei nervös die Wettervorhersagen studieren …
Unterdessen ist den ganzen Tag das Dorfverschönerungskomitee tätig und schmückt die Uferpromenade und die Kaianlage mit weihnachtlichem Lichterschmuck (unter den Augen der Port Police ohne Masken zu tragen; na ja, wofür auch auf unserer nach wie vor coronafreien Insel). Das passt zwar nicht so ganz zur Witterung – mit dem Scirocco steigen die Temperaturen wieder über 20 Grad – aber wir freuen uns über das beachtliche Engagement in dieser winzigen Gemeinde!
In der Nacht zum Freitag bekommen wir einen ersten Vorgeschmack auf die Verhältnisse im Hafen bei Südwind: draußen haben sich etwa anderthalb Meter Schwell aufgebaut, und im Hafenbecken wird es ganz schön kabbelig – und das bei einer Windgeschwindigkeit von gerade mal 20 Knoten …
Zwei Tage später haben sich die Wolken zusammen mit dem Wind weitgehend verzogen, es weht nur noch eine laue Brise aus Südost; für uns eine Gelegenheit, die erlaubte ‘Sportliche Betätigung im Freien’ mal etwas auszudehnen und eine ganztägige Wanderung über die Insel zu unternehmen. Wir erklimmen zunächst die Bergflanke über dem Hafen und erhalten von dort die ersten tollen Ausblicke über die Chora; die asphaltierte Straße geht wenige Meter nach den letzten Häusern in eine Schotterpiste über, und dabei bleibt es dann auch. Die Masken wandern in die Hosentasche, wir sehen in den nächsten Stunden keine Handvoll Menschen. Das Wetter ist für unsere Vorstellung dieser Jahreszeit – wir schreiben den 5. Dezember – unbeschreiblich: die vom tiefblauen Himmel strahlende Sonne hat noch ordentlich Kraft, der sanfte Wind ist bei Lufttemperaturen deutlich über 20 Grad mehr als willkommen, denn der Schweiß fließt in Strömen, während wir höher und höher in das gebirgige Innere der Insel vordringen. Feinstes T-Shirt-Wetter – wäre es noch wärmer, würde Bergwandern keinen Spaß mehr machen, so ist es perfekt.
Auch unser Weg ist es: wir bauen langsam und beständig etwa 300 Höhenmeter auf und können dann kilometerweit auf dieser Höhe laufen und die Aussicht genießen. Im Laufe der Wanderung kommen praktisch alle Seiten der äußerst verzweigten Küste mal ins Blickfeld; die Fernsicht ist hervorragend, wir können deutlich im Osten das türkische Festland und im Süden als Andeutung am Horizont sogar die weit entfernte (aber auch sehr hohe) Insel Kreta erkennen. Eigentlich wollten wir nach einigen Kilometern umkehren, aber es gefällt uns so gut, dass wir spontan beschließen, eine große Runde zu gehen, die uns bis in die fast 500 Meter hohen Felsenkämme an der Westküste führt. Die Luft duftet stellenweise so intensiv nach Thymian und Salbei, dass man sich wie mitten in einem Kräutergarten fühlt – ein Traum!
Am höchsten Punkt unserer Wanderung überwinden wir einen Bergkamm aus steil aufragenden Felsen an einem kleinen Sattel; direkt dahinter finden wir eine hübsche Kapelle über einer sonnenbeschienenen und feuchteren Südwestflanke, auf der unzählige Krokusse blühen – wir fühlen uns in jeder Hinsicht ins Frühjahr versetzt.
Als wir nach knapp 20 Kilometern und 6 Stunden wieder an Bord sind, können wir gar nicht aufhören uns über einen sehr schönen Tag zu freuen – wären nicht die unheilverkündenden Wettervorhersagen, könnte es uns kaum besser gehen als im Lockdown auf Astypalaia …
Am Nikolaustag verlassen wir den Hafen wieder, da für den nächsten Tag mal wieder Starkwind aus Süd angekündigt ist; bei (noch) herrlichem Wetter runden wir erneut die Ostseite der Insel und steuern die Bucht Vathi an, die wir ja schon in der Woche zuvor kennengelernt hatten.
Die Kaltfront mit Starkregen und Gewitter ist aber bei weitem nicht das Schlimmste, was der Montag bringt: es wird die Meldung verbreitet, dass das Verbot für Reisen innerhalb Griechenlands bis zum 7. Januar verlängert wird! Und das, während die Wettervorhersagen immer nur mehr Wind und noch mehr Wind vermelden … so langsam fangen wir an, die Situation als wirklich kritisch zu empfinden – und an Absurdität nicht zu überbieten: die ‘Schutzmaßnahmen’ bringen in einem Gebiet, in dem es überhaupt keine Infizierten gibt, die Gesunden in Lebensgefahr …
Mittwoch ist zur Abwechslung mal wieder ein Schönwettertag mit mäßigem Wind, was wir für einen Landgang nutzen; wir setzen mit dem Dinghi zur Südseite unserer Bucht über und versuchen, von dort einen kürzeren Weg zur Inselmitte zu finden, was uns auch gelingt; so langsam lernen wir wirklich die ganze Insel kennen (die außerhalb der Besiedlungsachse Chora – Analipsi wirklich praktisch menschenleer ist, von den 11 Einwohnern Vathis abgesehen). Schön ist es hier auch, und nach dem häufigeren Regen der letzten Wochen sprießt sogar überall frischen Grün!
Zum Wochenende wird es wieder regnerischer, erst am Montag dreht der Wind endlich wieder auf Nord – wir wissen ja inzwischen, das bringt beständigeres Wetter! Windiges aber auch – und da es diesmal praktisch keine Lücke mit nutzbarem Wind zwischen Starkwind aus Süd und Starkwind aus Nord gibt, bleiben wir erst mal in Vathi, um feststellen zu können, dass auch der Nordschutz dort sehr gut ist. Somit ist es vor Anker in der Bucht aber auch schwer, die Bedingungen draußen zu beurteilen: am Mittwoch nämlich beschließen wir, wieder die Reise um die Insel anzutreten, da ‘nur’ noch gut 20 Knoten Nordwind angesagt sind. Kaum stecken wie die Nase aus der Einfahrt zur Bucht, zeigt das Anemometer eher 30 Knoten – wahrer Wind, nicht scheinbarer. Und die ersten drei Seemeilen müssen wir nach Norden gegenan …
Angesichts der überschaubaren Distanz beschließen wir trotz der beeindruckenden Wellen, mal ein wenig zu experimentieren, wie man denn ernsthaft bei Windstärke 7 Strecke gegen den Wind machen kann; wir untersuchen drei Möglichkeiten:
mit viel Segelfläche: das geht erstaunlich gut – entgegen unserer Erwartung stoppen uns die Wellen keineswegs auf, sondern wir machen bei einem Winkel von 60 Grad zum wahren Wind fast 6 Knoten über Grund. Das hat allerdings seinen Preis: die ‘Orion’ liegt mit 30 bis 40 Grad auf der Seite (wiederum gemessen, nicht gefühlt – darüber reden wir nicht …), und die durchaus mal 4 Meter messenden Wellen gehen massiv übers gesamte Vorschiff, am Steuerrad kommen die von der Sprayhood abgelenkten Wassermassen dann herunter …
mit wenig Segelfläche: das geht erstaunlich schlecht – nur mit Kuttersegel reduziert sich zwar die Lage des Bootes und die Wasserbelastung des Steuermanns drastisch, die Fahrt aber auch, bei gleichem Windwinkel sind kaum noch drei Knoten herauszuholen.
unter Maschine gegenan; katastrophal. Gerade mit unserer arg klein bemessenen Schraube bringt der Motor die Kraft nicht aufs Wasser, man hört am Geräusch dass wir nur die See schaumig schlagen; mehr Drehzahl bringt nur mehr Schaum. Die ‘Orion’ stampft sich mit kaum anderthalb Knoten fest.
Unser Fazit: das Boot kann das verdammt gut, wenn man es entsprechend segelt. Die Crew allerdings braucht definitiv keine 7 Windstärken und dazugehörigen Wellen – die Vorstellung, so statt einer halben Stunde einen ganzen Tag (oder länger) am Steuer zu stehen, ist äußerst abschreckend (von kälterem Wasser als 19 Grad wollen wir mal gar nicht anfangen). Wir müssen wohl doch eingestehen, eher Schönwettersegler zu sein 🙂
Nach dem Runden der Inselspitze sind wir entsprechend froh, abfallen zu können und legen den Rest der Strecke zügig und ohne besondere Vorkommnisse zurück; hinter dem Südostende Astypalaias kommen wir in die Wellenabdeckung, der Wind schafft es aber ganz gut über die Insel: auf Halbwindkurs mit Windstärke 6 und glattem Wasser, ein Traum!
Am Donnerstag bekommen wir Bescheid von der Küstenwache aus Kalamata, wo wir angefragt hatten, ob wir denn unter Umständen dort auch vorzeitig eingelassen würden; nein, keine Chance; und die Tatsache, dass wir seit 7 Wochen vor einer vollkommen virenfreien Insel ankern und somit wohl die uninfektiösesten Menschen Europas sind, spielt dabei auch keine Rolle (wie es ja bei Sachargumenten immer der Fall zu sein scheint, wenn es um Corona geht). Nun ja … die (übrigens ganz ausgesprochen netten und hilfsbereiten!) Kollegen von der lokalen Küstenwache können daran auch mit ausgedehnten Telefongesprächen nichts ändern, also bleiben wir hier, egal was kommt und wie lange es dauert – vom Problem des Südsturmrisikos mal abgesehen können wir damit ja auch gut leben.
Wir bleiben zwei Nächte im Hafen, am Freitag fahren wir wieder rüber nach Analipsi, um dort zu ankern; der Samstag bringt sonniges Wetter, Sonntag ist es etwas trüber, aber Montag setzt wieder stärkerer Nordwind ein, welcher die Wolken wegpustet.
Wir unternehmen eine Wanderung über die Inselmitte zum neueren Fähranleger auf der Nordseite und staunen dabei, wie schmal die Verbindung der beiden Inselhälften tatsächlich ist – viel mehr als eine Straße passt da wirklich nicht drauf! Gäbe es eine Klappbrücke nach holländischem Vorbild, könnte das die Zeit für einen wetterbedingten Wechsel der Inselseite drastisch verkürzen 🙂
Agios Andreas, der neue Fährhafen, hat auf seiner Innsenseite auch Platz für ein paar kleine Boote; mehrere Fischer liegen dort, aber für ein Segelboot wäre gerade noch Platz – für einen möglichen Sturm aus Süd der beste Platz, den wir bislang ausfindig machen konnten. Die Frage, ob man dort denn auch Schutz suchen dürfe, hat übrigens bei der Coast Guard mal wieder Erstaunen ausgelöst: dafür sei ein Hafen doch schließlich da … an unserer deutschen Erwartungshaltung, alles im Zweifelsfall erst mal für verboten zu halten und nur im Ausnahmefall für erlaubt, müssen wir hier doch noch arbeiten, denn in Griechenland ist es eher umgekehrt!
Am Morgen des 24. verlassen wir den Ankerplatz und fahren zurück in den Inselhafen – zum Plätzchenbacken und für die Zubereitung eines opulenten Weihnachtsmenüs lockt der Landstromanschluss 🙂 Das Wetter ist hinreißend: die Luft durchaus kühl, so dass es sich nicht völlig unwinterlich anfühlt, aber die vom unendlich weiten und tiefblauen Himmel strahlende Sonne wärmt so, dass man bequem im T-Shirt segeln kann.
Kaum im Hafen angekommen, knattert ein uns unbekannter Mann auf seinem betagten Moped heran und reicht uns eine Tüte mit selbstgepflückten Orangen und hausgemachtem Gebäck herüber – from the family of my cousin … nun, das engt die Urheberschaft nicht wirklich ein, den jeder Inselbewohner ist Cousin oder Cousine werweißwievielten Grades eines Großteils der jeweils anderen 🙂 Jedenfalls sind wir wirklich ergriffen: wo bekommt man schon Weihnachtsgeschenke von Fremden? Jemandem muss das Schicksal der fern der Heimat gestrandeten Segler wohl zu Herzen gegangen sein! Wir sind einmal mehr aufrichtig beeindruckt davon, mit wieviel Freundlichkeit und Menschlichkeit man uns hier begegnet – in kaum drei Monaten haben die Griechen im Allgemeinen und die Menschen auf Astypalaia im Besonderen unsere Herzen erobert – so vermissen wir zwar unsere Freunde in der Heimat, können uns aber auch auf schöne Weihnachtstage auf unserer Insel am Ende der Welt freuen, die in vielerlei Hinsicht deren wahre Mitte ist …
Den ersten Weihnachtstag verbringen wir hauptsächlich mit Kochen und Backen, am zweiten Weihnachtstag (der zugleich der 50. Tag des Lockdowns ist …) dagegen steht ein sportlicheres Programm an, denn es herrliches Ausflugswetter: bei gut 20 Grad und Sonnenschein wir wandern zur 8 Kilometer entfernten Bucht Vatses, um die Höhe Spilaio Negrou zu erkunden; nach Überwindung von gut 200 Höhenmetern am Strand von Vatses angekommen, müssen wir feststellen, dass sich der Eingang zur Höhle etwa 150 Meter über unseren Köpfen in der Felswand befindet – also gleich wieder steil bergan, und diesmal völlig ohne Weg und Pfad; ohne GPS-Koordinaten (36.516160°N, 26.315150°E) hätten wir den Eingang niemals gefunden …
Der Lohn der Mühe: nach den ersten paar Metern, die man sich gerade eben durch die Felsen quetschen kann, öffnet sich die Höhle und verzweigt in mehrere Richtungen; große Räume mit zahlreichen, farbenprächtigen Stalagtiten tun sich auf. Man kann ziemlich tief in den Berg hinein, die Luft wird dabei immer wärmer und feuchter. Ein großes Abenteuer jedenfalls, soll hier doch ein Piratenschatz versteckt liegen!
Prächtige Stalagtiten überall
Tief geht es in den Berg
Die Wände sind von bizarren Gebilden bedeckt
Leider ohne Schatz geht es dann den Steilhang wieder herunter bis zum Strand, nur um dann die gleichen Höhenmeter auf dem Rückweg wieder hochzusteigen – der direkte Weg auf gleicher Höhe ist höchstens für Freiwandkletterer gangbar, so schroff ist das Gelände. Nach fast sieben Stunden erreichen wir wieder die ‘Orion’, die brav im Hafen gewartet hat. Es ist schon nach Sonnenuntergang, und so können wir uns noch am stimmungsvollen Lichterschmuck in der Chora erfreuen – also, wir können Weihnachten auf Astypalaia durchaus weiterempfehlen 🙂
Am Sonntag ist es nach tagelangem Schönwetter wieder unfreundlicher; vor allem erschwert uns der kräftige Südostwind das Leben, der die Gischt über die Hafenmole fliegen lässt und für beträchtlichen Schwell im Hafenbecken sorgt; die schweren, stählernen Ruckdämpfer (die Gummivariante hat schon vor gut einem Jahr in Spanien ihr Leben ausgehaucht) bekommen gut zu tun – und sind auch absolut unverzichtbar. Man versteht auch die Vorzüge der mediterranen Anlegemethode mit Buganker und Heckleinen: lägen wir Längsseits an der Pier, gäbe es garantiert Bruch, gegen die Berg- und Talfahrt wäre Abfendern unmöglich. So sind die Heckleinen mit den Stahlfedern auf 5 Meter herausgelassen, und 40 Meter Ankerkette halten das Boot auf sicherem Abstand zum Land. Entspannt geht aber dennoch anders – bei Südwind taugt der Hafen einfach nichts, und es sind gerade mal 6 bis 7 Windstärken; nicht auszudenken, wie es hier bei Sturm sein wird …
Auch am vorletzten Tag des Jahres unternehmen wir nochmal eine Wanderung, diesmal zu dem kleinen Stausee, welcher die Insel mit Wasser versorgt. Kein spektakuläres Gewässer, aber uns wird bewusst, dass wir seit einer kleinen Ewigkeit nicht mehr so viel Süßwasser auf einmal gesehen haben. Am Ufer finden wir einen lauschigen Rastplatz unter Laubbäumen, die im Wind rauschen – fast wie Zuhause 🙂
Silvester schließlich verlassen wir nach einer Woche Aufenthalt mal wieder den Hafen – das neue Jahr wollen wir vor Analipsi begrüßen, irgendwie ist uns dieser Ort doch ans Herz gewachsen! Dort verbringen wir die Nacht und den Neujahrstag am Pier des kleinen Fischerhafens – in aller Ruhe, da in Griechenland Feuerwerk zum Jahreswechsel nicht üblich ist (jedenfalls nicht am Ende der Welt).
Der Silvesterabend ist mild, wir können bis Mitternacht im Cockpit sitzen und auf ein Jahr zurückblicken, in welchem wir häufiger am Segeln gehindert waren, als dies möglich war; dennoch haben wir in den 5 nutzbaren Monaten immerhin gut 2.400 Seemeilen zurückgelegt und Griechenland erreicht – was sich nun wirklich gelohnt hat! 🙂
Für Montag den 4. ist schon wieder Starkwind angesagt – aus Südsüdost, was sonst; wir probieren mal was Neues und verholen uns in die Bucht Agrilidi – ja genau, hier waren wir vor 2 Monaten schon einmal. 45 Meter Ankerkette auf 5 Meter Wassertiefe sollten genügen, aber beeindruckend ist es schon, was für Wellen draußen vorbeirollen!
Die Nacht zum Dienstag wird recht unruhig: zwar hält der Anker, aber nachdem kurz nach Mitternacht die Front durchgezogen ist, dreht der Wind innerhalb von Minuten um 120 Grad auf West – die ‘Orion’ folgt brav und liegt damit nun quer zu den Wellen, die noch für mehrere Stunden von Süden in die Bucht laufen … kein Vergnügen, soviel sei gesagt!
Entsprechend übernächtigt hängen wir den folgenden Tag noch in Agrilidi ab, bevor wir am Mittwoch mal wieder für ein paar Tage in den Hafen übersetzen, um neue Elektronen in die Batterien und Lebensmittel in den Kühlschrank zu bekommen.
Dort ist es wie immer angenehm, die Sonne scheint, wir können Wäsche waschen und täglich frisches Brot kaufen; lange hält die Freude aber nicht an, denn schon am Wochenende setzt wieder der elende Südost ein. Für Dienstag den 12. sind 30 bis 40 Knoten angesagt, und am Ende wieder mit Drehung auf West – uns fällt kein anderer Ort als die große Bucht Vathi ein, wo man das heil überstehen kann. Da wir aber gar keine Lust haben, schon wieder um die Insel zu gurken, greifen wir frohen Mutes den Hinweis der ‘Vitamine’ auf, es gäbe auf der Ostseite der Insel Kounoupoi (ja, auf deren Westseite waren wir auch schon mal …) mehrere stabile Muringbojen, die man verwenden könne – dass der Ort grundsätzlich gut geschützt ist war uns wohl bekannt, aber wir hatten ihn wegen ungeeigneten Ankergrundes (riesige Steinplatten …) verworfen. So kreuzen wir also Sonntagmorgen gegen den zulegenden Südostwind auf, um Kounoupoi in Augenschein zu nehmen. Nördlich der Insel dann das erste Malheur des Tages: aus dem Nichts erwischt uns beim Verlassen der Windabdeckung eine Fallbö und legt uns 45° auf die Backe – an sich nicht weiter schlimm, der Stabilitätsumfang der ‘Orion’ fängt da ja gerade mal richtig an; der Aufschlag aufs Wasser ist aber so heftig, dass es eine Relingstütze abknickt und das Relingkleid komplett von den Drähten fetzt. Entsprechend bedient sind wir auch, als wir kurz darauf an der sehr solide aussehenden Leine der Muringboje festmachen können. Doch jetzt fängt der Spaß erst richtig an: die Leine mag zwar gut aussehen, aber das unten daran hängende Betongewicht schleifen wir langsam aber sicher über den Grund – und das bei kaum mehr als 5 Windstärken! Bei der Vorhersage für die nächsten Tage brechen wir also gleich wieder auf, um doch noch nach Vathi zu fahren – nun wenigstens mit Rückenwind, aber immer mehr zulegender Windstärke und Wellenhöhe. Als wir zweieinhalb Stunden später – wieder kurz vorm Ziel – das Vorsegel einrollen wollen, fährt eine Bö mit gepflegten 30 Knoten ins Tuch; die Luvschot beginnt wie wild zu schlagen – und mäht prompt einen der Doradelüfter auf dem Vordeck ab. Wir ankern beim letzten Tageslicht, aber weil das immer noch nicht genügte, hält der Anker nicht, und wir dürfen ihn ein paar Stunden später in finsterster Nacht nochmal neu setzen.
Klar, es geht immer mal was schief, aber das Gefühl, ständig nur noch auf der Flucht vor dem nächsten Südsturm zu sein, während der sichere Platz in der Marina von Kalamata in (politisch bedingt) unerreichbarer Ferne auf uns wartet, ist schon ziemlich frustrierend!
Drei Tage später fahren wir zurück in den Inselhafen – wir brauchen Zeit, Ruhe und Landstrom, um die Schäden der letzten Ausfahrt zu beseitigen. Zwischendurch unternehmen wir immer wieder mal Wanderungen in die Berge (obwohl wir die drei möglichen Zugangswege auch langsam kennen …) oder verholen uns bei Nordwind (der leider nur sehr kurze Zwischenspiele gibt) in die Ankerbucht von Analipsi. Wir lernen einen junggebliebenen Vorruheständler aus Deutschland kennen, der seit Jahren hier auf der Insel lebt, und uns viel über Land und Leute erzählen kann, was wir sehr gerne annehmen; nebenbei verbringen wir natürlich die eine oder andere kurzweilige Stunde miteinander 🙂
So nimmt uns der Charme Astypalias und seiner Bewohner immer mehr für die Insel ein, gleichzeitig reißen aber auch die Schwierigkeiten nicht ab: alle paar Tage droht das nächste Tief mit Sturm aus Süd. Für die Nacht vom 26. auf den 27. Januar sind dreieinhalb Meter Welle und Sturmböen bis Stärke 10 abgesagt; wir beschließen dennoch im Hafen zu bleiben, weil uns das nach monatelanger Auseinandersetzung mit dem Thema immer noch sinnvoller erscheint als die Alternativen, da Wind und Welle keinerlei Ostanteil aufweisen sollen (sonst wäre die Einschätzung eine völlig andere!). Dennoch verunsichert es uns ungemein, als am Nachmittag ein freundlicher Mitarbeiter der Coast Guard vorbeikommt und uns warnt, im Hafen könne es gefährlich werden – das sehen wir nicht anders, nur wo bitteschön ist es denn nicht gefährlich?!? Eine schlaflose Nacht später wissen wir, dass über zehntausende Seemeilen gesammelte Erfahrung doch auch etwas wert ist: der Schwell hielt sich in Grenzen, Anker und Leinen hatten keine Schwierigkeiten, das bockende Boot von allen Betonmauern fernzuhalten. Prima – aber in drei Tagen kommt das nächste Tief … Spaß macht das nicht.
Dieses bringt bis zu 9 Windstärken aus Südost – wir weichen daher in die Ankerbucht von Agrilidi aus, wo wir eine weitere schlaflose, aber sichere Nacht verbringen; im Eingangsbereich der Bucht brechen sich die Wellen so hoch, dass wir nicht mehr auf die See hinausschauen können … später zurück im Hafen sehen wir Bilder, wie die Wellen am Vortag die massive Hafenmole überspülten, als sei sie nur Spielzeug.
Zum Ende der ersten Februarwoche stellt sich aber erstmals im neuen Jahr ruhigeres Wetter ein: der Wind geht auf etwa 10 Knoten zurück, und die Sonne scheint vom wolkenlosen Himmel; richtig frühlingshaft ist es, die im Herbst noch so karge Insel erstrahlt in neuem Grün, überall bedecken Blumen die Berge. Wir unternehmen einen kleinen Auflug, segeln ‘einfach mal so’, ohne vor einem Sturm davonzulaufen … wir haben fast vergessen, wie das ist.
Wir steuern eine als ‘Red Rocks’ bekannte Stelle an der Südküste an, die im Sommer bei Ausflugsbooten beliebt ist; hier kann man unter günstigen Bedingungen mit dem Boot in einen Einschnitt mit senkrecht abfallenden Felswänden einfahren und längsseits festmachen, wir können das aber nicht ausprobieren, es steht einfach noch zu viel alter Schwell.
Ganz in der Nähe finden wir aber einen Ankerplatz für den Nachmittag; der Wind schläft weitestgehend ein, und in der Sonne wird es so heiß, dass wir gerne kopfüber ins kristallklare und mit knapp 20 Grad noch relativ frische Wasser springen, um uns abzukühlen. Gut gekühlter Weißwein passt hervorragend zur sommerlichen Stimmung, und dem ersten Abendessen vom Grill des neuen Jahres steht auch nichts mehr im Wege 🙂
Kurz nach Sonnenuntergang lichten wir den Anker, um noch in den Hafen zurückzufahren; vor uns im Westen färbt sich der Himmel blutrot, bis sich nach einer Weile die Dunkelheit und die Sterne durchsetzen können. Die Lichter der Chora weisen uns den Weg, und wir freuen uns sehr, nach drei Monaten Lockdown mal wieder einen Tag nach unseren Vorstellungen gelebt zu haben!
Allzu lange hält das Wetterglück aber nicht vor: für den kommenden Montag sind schon wieder 7-8 Windstärken aus Südost angesagt …
Entsprechend wiederholt sich am Sonntagmittag mal wieder das Spiel der Vorwoche: gegen Mittag verlassen wir den Hafen uns segeln herüber nach Agrilidi; anders als beim letzten Mal brauchen wir allerdings vier Versuche, bis der Anker zufriedenstellen hält – das dauert, und gibt auch kein besonders Vertrauen für die Dinge, die da kommen … ensprechend wird die Nacht vor dem Sturm schlaflos, und die danach (Adrenalin …) ebenso.
Dienstag ist der Spuk vorbei, wir warten noch bis die Welle sich etwas gelegt hat und segeln am späten Nachmittag zurück in den Hafenort. Dabei wirft die tiefstehende Sonne ein besonders schönes Licht auf die steile Klippe eines Inselchens, bei der man sehr schön den messerscharfen Übergang der braun-brüchigen Gesteine, aus denen die westliche Inselhälfte besteht, in die hellgauen, festen Schichtgesteine, welche die östliche Inselhälfte dominieren, studieren kann – Anschauungsunterricht in Geologie im Vorbeisegeln 🙂
Am Sonntag den 14. Februar – dem einhundertsten Tag des Lockdowns – bekommen wir mal etwas Abwechslung: der nächste Sturm bringt Nordwind! Die Richtung passt uns ja deutlich besser, aber die Stärke kann sich sehen lassen: Sturmtief ‘Medea’ bringt Wind mit bis zu 60 Knoten – das sind 11 Windstärken bzw. ‘orkanartiger Sturm’. Die Wellenvorhersage gibt gut 7 Meter charakteristische Wellenhöhe an – das möchte man nicht auf See erleben! Nebenbei wird es saukalt – in Athen fällt ein halber Meter Schnee, Verkehr und Stromversorgung brechen zusammen; selbst hier fällt das Quecksilber auf frische 6 Grad, und es fallen ein paar Schneeflocken (oder besser gesagt, sie fliegen waagerecht an den Fenstern vorbei …). Wir suchen Schutz hinter der Pier von Analipsi und sind hier auch gut aufgehoben, während draußen die Welt untergeht – an Schlaf ist allerdings drei Tage lang kaum zu denken, so laut schreit der Wind im Rigg …
Nach Durchzug des Sturms herrscht für den Rest des Monats dann eher ein Wetter, wie es im November noch war: wieder wärmer, sehr viel Sonnenschein und abwechselnd kräftiger – aber nicht stürmischer – und in den Pausen schächerer Nordnordwest. Wir wechseln wieder wochenweise zwischen dem Inselhafen (zum Batterieladen und Einkaufen während der Schwachwindtage) und Analipsi, wo wir bei Starkwind aus Nord bestens an der Fischerpier liegen. Viel passieren tut dieser Tage nicht: wir bekommen mal unerwarteten Besuch, erfreuen uns einer halben Stunde Segelns bei den Überfahrten – und warten ansonsten sehnsüchtig auf Neuigkeiten bezüglich eines möglichen Endes des Lockdowns, aber bislang vergeblich …
Als ebenso vergeblich erweist sich unser Hoffen, das Winterwetter nun schon hinter uns zu haben – im März kehren die Südostwinde zurück, und wir müssen uns wieder regelmäßig in Agrilidi verstecken. Außerdem jährt sich am 12. März der Beginn des Lockdowns in Spanien: wir blicken mit wenig Begeisterung auf ein Jahr zurück, von dem wir gerade mal 4 Monate nutzen durften – ein gewaltiger Verlust von Lebenszeit, den alle Menschen erleiden, von dem aber niemand wirklich spricht …
Eine Woche später ist Tagundnachtgleiche, der astronomische Frühlingsanfang; das Wetter hat das aber nicht wirklich mitbekommen, es bleibt stark windig. Wenn allerdings gerade mal kein Wind weht und die Sonne vom wolkenlosen Himmel brennt, ist sofort Sommer – die Mittagshöhe beträgt gut 53°, so viel wie bei uns Anfang Mai; die Wassertemperatur verharrt bei etwa 19°C, tiefer wird sie wohl auch nicht mehr sinken.
Mit dem April kommt in Deutschland das Osterfest, hier dagegen müssen wir noch bis Anfang Mai auf den Osterhasen warten – die orthodoxe Kirche berechnet den Frühlingsanfang nach dem julianischen Kalender. Ansonsten schlagen wir die Zeit tot, wenn wir nicht gerade auf der Flucht vor dem nächsten Sturm sind (was alle paar Tage der Fall ist). Am Montag den 5. April probieren wir auf Anraten der Fischer für angekündigte 40 Knoten Südost einen neuen Ankerplatz auf der kleinen Insel Glyno aus – ja, es gibt tatsächliche noch Buchten, in denen wir noch nicht geankert haben 😉
Dieser erweist sich als gut geschützt, und der Anker hält auch – was er aber auch muss, denn wenige Meter hinter dem Heck peitscht die See das Wasser meterhoch gegen die Felsen. Beruhigend ist das nicht – und da es nur der Höhepunkt einer einwöchigen Phase mit Starkwind aus wechselnden Richtungen ist, sind wir vor Schlafmangel langsam am Ende.
Dennoch raffen wir uns am Mittwoch, als der Sturm durchgezogen ist, zu einem kleinen Spaziergang über die unbewohnte kleine Insel auf, die unseren Ankerplatz umschließt – um einmal mehr festzustellen, wie traumhaft schön unser Gefängnis ist!
So vergeht weiter Woche um Woche: es wird immer wärmer, bleibt aber stürmisch. Zu unserer Erbauung bemühen wir uns um die Zuteilung einer temporären griechischen Sozialversicherungsnummer – diese ist Voraussetzung zur Teilnahme am griechischen Impfprogramm. Nicht dass uns persönlich besonders viel an einer Impfung liegen würde, aber wir haben umgekehrt auch kein Problem damit, und wenn das nun die Voraussetzung sein soll, irgendwann mal weiterreisen zu dürfen …
Allerdings endet die ansonsten sensationelle Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Griechen an der Schwelle des zuständigen Bürgerbüros – manche Dinge gleichen sich eben überall auf der Welt 😉 Man ist sich allerdings auch untereinander nicht ganz einig, ob unser Ansinnen nun gerechtfertigt oder unverschämt ist (immerhin rät uns die griechische Regierung, in ebendieser Amtsstube zu erscheinen) und führt eine zehnminütige, äußerst lautstarke Diskussion darüber quer durch den Raum – in dessen Mitte wir stehen und die Köpfe einziehen. Eine filmreife Situation …
Schließlich setzt sich die ‘Bürger-droht-mit-Arbeit’-Fraktion durch, und wir werden unverrichteter Dinge weggeschickt. Aber Astypalaia wäre nicht Astypalaia, wenn nicht jemand jemanden kennen würde, der den Bürgermeister kennt, welcher daraufhin mit dem preußisch-griechischen Staatsdiener ein dem Hörensagen nach mindestens ebenso lautstarkes Gespräch führt, und eine Woche später bekommen wir Nachricht, dass wir unsere Sozialversicherungsnummer abholen können – geht doch 🙂
Und es kommt sogar noch besser: da man offenbar wegen des etwas suboptimalen Auftritts im Bürgerbüro ein schlechtes Gewissen pflegt, wird uns in Rekordzeit ein Impftermin zugewiesen; das geht zwar im ersten Anlauf nochmal schief, weil die Sozialversicherungnummer noch nicht freigeschaltet war, aber zwei Tage später ist es dann soweit, am 24. April erhalten wir unsere erste Dosis Impfstoff (BioNTech) – und haben damit wohl immer noch alles in den Schatten gestellt, was in Deutschland in unserer Altersgruppe möglich gewesen wäre …
In der letzten Aprilwoche mehren sich die Anzeichen, dass Mitte Mai der Lockdown in Griechenland beendet werden wird – die Infektionszahlen sind zwar dreimal so hoch wie im Februar, als man dies kategorisch abgelehnt hat, aber was stört uns unser Geschwätz von gestern … wir wittern Morgenluft und treffen eine gewagte Entscheidung: wir wollen einen Ausflug machen! Gewagt, weil a) eigentlich ja Segeln nach wie vor verboten ist, wir b) keine Ahnung haben ob wir noch wissen wie das geht und c) ob nicht die Motten inzwischen das Großsegel aufgefressen haben 😉
Ziel ist die 22 Seemeilen entfernte Insel Syrna – diese ist unbewohnt, so dass wir berechtigten Grund haben anzunehmen, dass der Gesetzesverstoß unentdeckt bleiben wird. Am Dienstag den 27. April sind die Bedingungen ideal, nach mehreren Tagen Nordwind der Stärke 7 bis 8 weht sich dieser langsam aus, und wir können bei schönstem Sonnenschein gute Fahrt machen und unser Ziel schon gegen 14 Uhr erreichen, so dass uns noch genug Zeit für eine Inselwanderung bleibt. Wir steuern eine ausgedehnte Bucht mit kobaltblauem Wasser an und machen an einer Muring fest, die dort für schutzsuchende Fischer installiert wurde – ein nützlicher Tipp, denn die Wassertiefe ist beträchtlich.
Beeindruckende Felsformationen an der Steilküste
Blick von der Kapelle über die Ankerbucht
Etliche Ziegen gibt es, zwei Kapellen und die Reste kleiner Behausungen – unglaublich, dass hier bis vor einigen Jahrzehnten noch Menschen gelebt haben, die Insel ist äußerst karg und trocken. Es existieren keinerlei Pfade, wir müssen uns den Weg querfeldein über Stock und Stein bahnen; aber die völlige Ruhe und Abgeschiedenheit (keinerlei Mobilfunkempfang!) sowie das Gefühl, die einzigen Menschen im Umkreis dutzender Kilometer zu sein, sind schon ein Erlebnis. Und überhaupt, nach fast einem halben Jahr mal wieder irgendetwas zu unternehmen …
In der Nacht kommt neuer Wind aus Südost auf, so dass es leider etwas unruhig wird am Ankerplatz. Am nächsten Morgen bläst es unerwartet stark mit 7 Beaufort, was uns erst mal schnell zurück nach Astypalaia schiebt; nach einer Stunde ist es aber schlagartig vorbei damit, und den Rest des Rückwegs dümpeln wir eher mit flappenden Segeln in der alten See.
Mit dem Mai kommt für uns nicht nur das Halbjahresinseljubiläum, sondern nun auch endlich das Osterfest; dieses stellt für die mehrheitlich orthodoxen Griechen das höchste kirchliche Fest und auch überhaupt den Höhepunkt des Jahres dar. So wie bei uns zum Jahreswechsel, wird hier die Nacht vom Samstag zum Sonntag mit einem großen Feuerwerk gefeiert; dem voran geht ein mehrstündiger Gottesdienst, zum dem allerdings heutzutage auch nicht mehr alle Gläubigen das nötige Sitzfleisch mitbringen. Umso größer ist aber die Anteilnahme am Feuerwerk: stundenlang fährt die Dorfjugend schon mit ihren Motorrädern Kreise um den Hafen und trifft Vorbereitungen, die Ungeduldigen zünden die ersten Böller (und was für welche: China-Import, in Deutschland garantiert verboten; die ganze Insel erzittert).
Um Mitternacht ist es dann endlich soweit: am Hafen und auf allen Anhöhen werden bengalische Feuer entzündet, und die ersten Raketen steigen in den Himmel. Da absolut kein Wind weht, bleibt der ganze Rauch im Talkessel hängen, und der Himmel reflektiert die roten Feuer: Astypalaia leuchtet glutrot in der Nacht! Vom Vordeck aus haben wir einen Logenplatz, und die Temperaturen um Mitternacht ermöglichen immer noch, das Schauspiel im T-Shirt zu betrachten; vor sechs Monaten haben wir die Möglichkeit, zu Ostern immer noch auf der Insel festzuhängen, zwar noch als Scherz formuliert, aber nun müssen wir bei aller Frustration doch auch anerkennen, dass wir wohl einen der besten Orte getroffen haben, das griechische Osterfest zu erleben!
Nach etwa einer Viertelstunde geht den Feuerwerkern die Munition aus – wir lassen uns berichten, dass man früher dreimal so lange gefeiert hat, aber die wirtschaftliche Lage nach der letztjährigen Katastrophe in Verbindung mit den nicht unbedingt besseren Aussichten für’s laufende Jahr bewirken eben, dass kaum jemand Geld in der Tasche hat. Wer weiß, vielleicht war dies das letzte Feuerwerk für lange Zeit …
Übrigens soll nicht unerwähnt bleiben, dass hier nach wie vor eine nächtliche Ausgangssperre gilt – über der Polizeistation waren aber besonders viele hübsche Raketen zu bewundern 🙂
Ein ziemliches Ärgernis ist, dass uns wenige Tage darauf das Schlauchboot verlassen hat – die verklebten PVC-Säume fallen großflächig auseinander. Also schnell ein neues bestellt und nun hoffen wir, dass es noch rechtzeitig eintrifft.
Mitte Mai überschlagen sich dann förmlich die Ereignisse: zunächst lässt man ab dem 14. offiziell wieder die ersten Touristen ins Land einreisen (und prompt trifft noch am Wochenende eine dicke Charter-Hanse mir lautstarker, bajuwarischer Crew ein – wir sind nicht mehr allein!), dann bekommen wir am Samstag den 15. schon unser neues Schlauchboot geliefert und können unsere zweite Impfdosis und auch am folgenden Montagmorgen das begehrte Lebensberechtgigungszertifikat abholen! Etwas getrübt wird die Freude jedoch davon, dass wie die zweite Dosis deutlich schlechter vertragen und die folgenden Tage schwer angeschlagen sind: Fieber, Schüttelfrost, Kotzerei. Sonntag ist richtig (ja, auch gerne noch mit Ausrufungszeichen!) schlimm, Montag noch schlimm genug, und auch Dienstag ist an Ablegen noch nicht zu denken. Immerhin reicht es für einen Abschiedsbesuch bei unserem Freund in Livadi, und Mittwochmorgen verabschieden wir uns dann auch bei der netten Jungs von der Hellenic Coast Guard sowie bei unserem kugelrunden Hafenkater – der sicher schon bald andere Dosenöffner finden wird – und verlassen zum letzten Mal den Hafen von Astypalaia, nicht ohne im Gemeindehaus ein kleines Dankesschreiben an den Bürgermeister mit Geld für unseren Strom- und Wasserverbrauch zurückgelassen zu haben (kein Liegegeld für einen unfreiwilligen Aufenthalt zahlen zu müssen oder auf Kosten unserer Freunde zu leben sind doch noch zwei verschiedene Dinge, finden wir).
Chora und Kastro präsentieren sich in schönstem Morgenlicht vor blauem Himmel, als wir gegen 10 Uhr ablegen; weit geht die Reise aber nicht, die üblichen 3 Seemeilen über die Bucht nach Maltezana, denn hier steht der zweite Teil der Abschiedsfeierlichkeiten an (und noch ein schnelles Update der Elektroinstallation einer Reihe Fremdenzimmer auf’s 21. Jahrhundert, aber das nur quasi im Vorübergehen ;-)).
Ganz schön schwer fällt es uns nun doch, nach fast 7 Monaten die Insel zu verlassen; so unnötig und unverhältnismäßig der ganze Lockdown auch war, so sind wir uns doch recht sicher, rein zufällig am noch erträglichsten Ort Europas in dieser schwer zu ertragenden Zeit gelandet zu sein – Ευχαριστώ πολύ, Αστυπάλαια!