Unterwegs nach Barcelona (15.11. – 13.12.)

Am Freitag den 15. November soll der Wind soweit nachlassen, dass wir von Dénia aus der Küste weiter Richtung Nordwesten folgen können – heißt es. Praktisch wehen uns noch frische 6 Beaufort genau ins Gesicht, als wir den Hafen verlassen; wir segeln also mal wieder sehr feucht und mit beträchtlicher Lage hoch am Wind. Schnell vorwärts kommen wir dabei natürlich nicht gerade, so dass wir nach 9 Stunden mit einsetzender Dämmerung erst mal einen Ankerstopp für die Nacht vor

Cullera
Die Burg von Cullera – im Hintergrund …

einlegen müssen. Die Küste bieten guten Schutz vorm immer noch kräftigen Westwind, wozu auch die gewaltigen Hotelbauten direkt am Strand beitragen. Der Ankergrund ist hervorragend und die Wassertiefe perfekt, wir verbringen daher eine ruhige Nacht etwa 100 Meter vom Strand entfernt. Erst mit dem Licht des neuen Tages können wir die ganze Pracht der Betonfront von Cullera bewundern – die Burg aus dem 12. Jahrhundert fällt dagegen kaum noch auf.

Mit deutlich weniger Wind machen wir uns am Samstag gleich wieder auf den Weg; die vorbeiziehende Küste trägt den schönen Namen Costa del Azahar, die Küste der Orangenblüte. Nach insgesamt gut 50 Seemeilen ab Dénia erreichen wir am Nachmittag schließlich die Hauptstadt der Region

València

Das Anlegemanöver in der (2007 für den 32. America’s Cup erbauten) Marina Real Juan Carlos I gerät zu einem kleinen Abenteuer: das Ruder verfängt sich in einer der zahlreichen Muringleinen und kommt geraume Zeit nicht mehr frei, während wir mitten in der Boxengasse versuchen, wieder Kontrolle über das Boot zu bekommen; endlich in der Box angekommen kommt dann die Leine auch noch in die Schraube – ein kurzer, aber erfrischender Tauchgang ist die Folge. Später erkennen wir, dass sich die Muringleinen der uns zugewiesenen Box mit denjenigen der Nachbarbox überkreuzen – kaum möglich, da nicht reinzufahren.

Das Rathaus von València

Am Sonntag ist wieder stürmisches und regnerisches Wetter angesagt, wir checken also gleich für drei Nächte ein, um am Montag noch in Ruhe València anschauen zu können. Der Weg ins historische Stadtzentrum ist recht weit, aber mit dem Bordfahrrad in einer halben Stunde zu bewältigen.

In der Kathedrale

Die Sache mit den Orangen nimmt man in der mit etwa 800.000 Einwohnern drittgrößten Stadt Spaniens recht ernst: schon entlang der – mit guten Fahrradwegen versehenen – Einfallstraßen stehen überall Orangenbäume, die um diese Zeit zwar keine Blüten mehr, aber dafür prächtig orange leuchtende Früchte aufweisen; man kann also tatsächlich vom Fahrrad aus die Orangen vom Baum pflücken 🙂

Damit erschöpfen sich die Sehenswürdigkeiten der Stadt aber keineswegs: wir bewundern die prachtvollen Bauten wie die alte Post und das Rathaus, die Seidenbörse, die Kathedrale und den Mercado Central – sowohl das Gebäude als auch die angebotenen Waren, auf einer gewaltigen Fläche alle erdenklichen Lebensmittel in einer Auswahl und Qualität, von der wir zu Hause nur träumen können …

Unter den Straßen schlummert die Vergangenheit

València weist die  – hierzulande ja quasi üblichen – Epochen der römischen, westgotischen, maurischen und schließlich christlichen Herrschaft auf, die alle ihre Spuren hinterlassen haben. In der Nähe der heutigen Kathedrale, an der Kreuzung der römischen Hauptstraßen, besuchen wir eine archäologische Ausgrabungsstätte: unter dem gegenwärtigen Straßenpflaster hat man in verschiedenen Tiefen die ineinander gebauten Überreste von römischen Tempeln und Thermen, der westgotischen Basilika sowie diversen Brunnen und Gräbern gefunden.

Palau de les Arts Reina Sofía (2005)

Es gibt aber auch moderne Architektur zu bewundern: nach verheerenden Überschwemmungen in den 1950er Jahren hat man den die Altstadt umschließenden Fluss Turia an der Stadt vorbeigeleitet und das nun trockengefallene alte Flussbett in eine riesige Parkanlage verwandelt, in der unter anderem auch das neue Opernhaus Palau de les Arts Reina Sofía einen Platz gefunden hat.

Alles in allem empfinden wir Valéncia als gelungene Mischung aus Geschichte und Moderne, eine einladende Stadt, in der sich sicher leben lässt – allein schon wegen der immer sichergestellten Orangenversorgung 🙂

Burriana

Dienstagmorgen müssen wir Valéncia verlassen – jedenfalls wenn wir den kurzen Augenblick brauchbaren Segelwinds nicht verpassen wollen, der sich zwischen Sturmtief und Totenflaute zu behaupten sucht. Mehr als 8 bis 10 Knoten sind es dann auch nicht, aber unter Gennaker lässt sich damit doch ganz gut Fahrt machen. Die Sonne scheint auch kräftig vom blauen Himmel, gleich ist wieder T-Shirt-Wetter angesagt, und so wird es einer der besseren Segeltage in diesem Monat, bis wir nach 28 Seemeilen unser Ziel erreichen, den Hafen von Burriana.

In Burriana

Der eigentliche Ort liegt etwa zwei Kilometer vom Hafen entfernt, aber da wir nach València die Fahrräder erst gar nicht verstaut haben, ist das kein Problem. Viel zu sehen gibt es aber nicht: ein hübscher Platz vor Rathaus und Kirche, drumherum etwas Fußgängerzone bis zum hiesigen Mercado, und das war es auch schon; in der Umgebung quadratkilometerweise Zitrusfruchtplantagen. Dass wir hier dennoch volle fünf Tage verweilen, hat ganz andere Gründe: zunächst ist für das kommende Wochenende der Durchzug eines Orkantiefs mit bis zu 60 Knoten Wind angesagt, was es angeraten erscheinen lässt, sich in einem sicheren Hafen zu verstecken; und dann ist die Marina Burriananova mit einem Übernachtungspreis von 13 Euro in der Nebensaison wohl der mit Abstand günstigste Hafen im Umkreis von 1000 Seemeilen (oder noch viel mehr), so dass man dafür kaum einen besseren Ort finden kann als diesen (warum das so ist, finden wir nicht heraus: wir haben schon an weniger attraktiven Orten das Dreifache bezahlt; offenbar haben sich tausende Yachttouristen verschworen, an Burriana einfach vorbeizufahren). Wir sitzen also den Sturm aus und warten darauf, Montag weiterfahren zu können …

Playa de Torrenostra

Tatsächlich zeigt sich das Wetter am Montagmorgen freundlich: die Sonne scheint, und ein angenehmer Wind erklärt sich bereit, uns anzuschieben. Ganz klar: mal wieder Gennakerwetter. Gleich nach Verlassen des Hafens von Burriana füllt sich dann auch das bunte Gute-Laune-Segel, und wir machen gute Fahrt … aber die Freude währt nicht lange: nach kaum einer Stunde ertönt ein Knall, und eine Erschütterung fährt durch das Boot. Der erste Blick geht zum Bug, ob wir wohl mit Treibgut kollidiert sind, aber es ist die falsche Richtung, denn gleich darauf gleitet der riesengroße Gennaker von oben herab aufs Wasser – und nun ist größte Eile angesagt, denn wenn sich das empfindliche Tuch erst unter den Rumpf gezogen hat, ist es mit Sicherheit zerrissen. Glücklicherweise gelingt das panische Bergemanöver, und das ganze Deck ist bald von nassem, bunten Tuch bedeckt; wie eine Inspektion zeigt, ist der Schäkel des Umlenkblocks, durch den das Fall am Masttopp läuft, einfach durchgebrochen. Es handelt sich um einen einfachen, gestanzten Schäkel – die Investition von 50 Cent mehr bei der Herstellung konnte man bei einem 50-Euro-Block ja auch nicht erwarten … soweit zur Zuverlässigkeit der Arbeitslast-Angaben von Bootsteilen.

Abendhimmel vor Torrenostra

Nach diesem Abenteuer ist es aussichtslos, das angestrebte Tagesziel noch zu erreichen; wir ankern also auf gut halber Strecke zum Ebro-Delta vorm Strand von Torrenostra, einem kleinen Ort mit flachem Motorboothafen und einigen Hotels dahinter. Leider steht vom stürmischen Wetter des Wochenendes noch ein deutlicher Schwell, so dass die ‘Orion’ mal wieder übel schaukelt; den einzigen Trost an diesem wenig gelungenen Tag bietet der unbeschreibliche Abendhimmel kurz nach Sonnenuntergang …

Vinaròs
Peñíscola

Am nächsten Tag geht es weiter in Richtung des Ebro-Deltas; der Wind weht schwächer, doch mit dem Gennaker könnte man durchaus noch segeln … ach ja, da war ja was … also röhrt auch noch der Motor, während wir bei schönstem Wetter die Küste entlangfahren. Nach gut 10 Seemeilen passieren wir den malerisch gelegenen Fischerort Peñíscola; dessen Altstadt liegt spektakulär auf einem ins Meer ragenden Felsen, gekrönt von einer Templerburg aus dem 13. Jahrhundert. Der Ort zieht unzählige Touristen an uns ist tatsächlich nach der Alhambra von Granada die zweitmeistbesuchte Attraktion Spaniens – und hat mit dieser gemeinsam, dass wir sie nicht zu sehen bekommen, denn der Hafen steht Besuchern nicht offen, und zum längeren Verweilen vor Anker lädt die instabile Wetterlage leider nicht ein.

Das Barockportal der Iglesia de Nuestra Señora de la Asunción in Vinaròs

Wir fahren statt dessen weiter bis Vinaròs, dem letzten Hafen vorm Ebro-Delta; hier haben wir endlich die Möglichkeit, zunächst den immer noch salzwassertriefenden Gennaker auf dem Steg auszulegen, mit Süßwasser zu spülen und halbwegs zu trocknen, und dann auch noch den Mast zu ersteigen und den Block neu anzubringen. Schließlich bleibt auch noch Zeit für einen kurzen Rundgang durch den Ort, der nicht spektakulär ist, aber ganz freundlich wirkt; bemerkenswertestes Bauwerk ist die Kirche aus dem 16. Jahrhundert, welche den kompakten Namen Iglesia de Nuestra Señora de la Asunción trägt: noch als Wehrkirche mit beeindruckend dicken Mauern erbaut und einer Burg ähnlicher als einer Kirche, wurde ein Jahrhundert später ein barockes Portal vorgesetzt, welches in heftigem Kontrast zum Rest des Gebäudes steht. Nun ja, wem’s gefällt …

Cabo Roig

Mittwoch ist es dann endlich soweit, wir wollen die Mündung des Ebro passieren – und das ist nicht so einfach, wie es vielleicht scheinen mag. Der zweitlängste Fluss der iberischen Halbinsel hat ein sich über 40 Seemeilen erstreckendes Delta aus Schwemmland aufgespült, welches weit ins Meer hinausragt und den passierenden Segler mit zahlreichen Sandbänken, Riffen und stark veränderlichen Wassertiefen erfreut – aber das ist ja nichts, was einen Wattenseeanwohner erschrecken könnte, nur die Anzahl der Tageslichtstunden ist einfach etwas knapp für die Entfernung. Wir brechen also früh auf, versuchen zunächst den ja glücklicherweise wieder einsatzbereiten Gennaker einzusetzen, aber der Wind erweist sich als zu launisch in Richtung und Stärke, so dass doch wieder der Motor ran muss. Wenigstens bleibt uns aber Gegenwind erspart, so dass wir nach knapp 10 Stunden beim letzten Licht vorm Cabo Roig im Golf von L’Ampolla den Anker fallen lassen können.

Morgenstimmung am Cabo Roig

Wir haben damit Katalonien, die nordöstlichste Region Spaniens, erreicht; von hier an wird die Küste als Costa Daurada, die goldene Küste, bezeichnet. Tatsächlich leuchten die Felsen vor unserem Ankerplatz rot-golden in der Sonne des nächsten Morgens; auch ansonsten gefällt es uns hier, auf den Klippen wachsen üppig grüne Bäume, die von tausenden zwitschernder Vögel bewohnt werden – da kann man über das Hotel direkt überm Cabo auch mal hinwegsehen. Seinen größten Vorteil hat der Ankerplatz aber dem südlich liegenden Ebro-Delta zu verdanken: es bietet Schutz vorm ewigen Schwell, der ansonsten das Ankern an diesen Küsten bislang zu keinem sehr großen Vergnügen gemacht hat. Das finden wir so toll, dass wir beschließen, hier gleich einen Tag zu verweilen – das Wetter spielt auch mit, die Sonne scheint, und am 100 entfernten Strand traut sich sogar jemand ins 16 Grad kalte Wasser …

Tarragona

Freitag geht es dann aber weiter, und zwar gleich ein ganzes Stück – der sich anschließende Küstenstreifen bietet zwar noch einige attraktive Ankerplätze, von denen aber keiner Schutz vor dem auf die Küste zulaufenden Schwell bietet; die Windverhältnisse sind dabei sehr abwechslungsreich, zwischen 2 und 20 Knoten ist alles dabei. Erst ganz kurz vor Tarragona ragt das Cabo de Salou nach Süden hervor; da wir das Liegegeld für die erste Nacht sparen wollen und es hinter der Landzunge ganz still ist, beschließen wir dort noch einmal zu ankern, bevor wir in den direkt gegenüberliegenden Hafen fahren. Zwei Stunden später ändern sich aber auf einmal die Bedingungen, und langer Schwell läuft quer zum Boot um die Ecke – was dann auch für den Rest der sehr unruhigen Nacht so bleibt.

Das römische Amphiteahter direkt am Meer

Nach dem Einklarieren in der Marina am nächsten Vormittag machen wir uns gleich auf den Weg in die Stadt. Tarragona war nach seiner Vereinnahmung durch die Römer 218 v. Chr. unter dem Namen Tarraco Hauptstadt der römischen Provinz Hispania citerior; aus dieser Periode finden sich zahlreiche Überreste (Amphitheater, Circus, Forum Romanum), die zusammen zum Weltkulturerbe erklärt worden sind – zur nicht ungetrübten Freude der Stadtentwickler, denn wo immer man die Baggerschaufel in den Boden senkt dauert es nicht lange bis zum Baustopp …

Wir finden es aber spannend, überall in tiefe Gruben mit alten Mauern schauen zu können – und vor allem, darin die Kontinuität zwischen der Antike und der Gegenwart zu erkennen, denn nichts, so wird uns klar, ist heute zufällig da wo es ist: die Hauptachse der Altstadt ist exakt die der römischen Tempelanlage; die Kathedrale steht genau dort, wo der einst der Tempel zu Ehren Jupiters stand; der große, lange Platz vor dem Rathaus entspricht der Fläche des römischen Circus, und wo heute an seinem Ende das Rathaus steht, haben die Wagenlenker ihre Gespanne um die jähe Kurve steuern müssen – lebendige Geschichte!

Auf der ‘Rambla’

Aber auch die neueren Aspekte der Stadt sind interessant; so es gibt eine schnurgerade durch die Stadt verlaufende Einkaufsstraße, die Rambla, die sehr großzügig angelegt ist und zum Flanieren einlädt; im breiten Fußgängerbereich in der Mitte der Allee wurde gerade der Weihnachtsmarkt aufgebaut, wobei die Lichterketten mit den Schneeflocken, Sternen und Rentieren mit großer Selbstverständlichkeit in die mit leuchtenden Früchten behängten Orangenbäume gehängt werden – für uns ein ganz schön merkwürdiger Anblick!

Am ‘Balcón del Mediterráneo’

Was uns an dieser kilometerlangen Straße aber am meisten fasziniert hat ist ihr Ende: man stelle sich das vor, man spaziert eine halbe Stunde auf dieser breiten, schönen Allee zwischen Palmen und Orangenbäumen immer leicht bergauf, und auf einmal steht man vor einem Platz mit einem Denkmal und einem kunstvollen schmiedeeisernen Geländer dahinter und dahinter …. schaut man von einer 40 Meter hohen, senkrecht abfallenden Klippe direkt aufs türkisfarbene Mittelmeer, auf dem ganz klein die weißen Segel der Yachten vorbeiziehen! Balcón del Mediterráneo nennt sich das treffenderweise und ist die ungewöhnlichste, bemerkenswerteste und wunderschönste Integration eines gewaltigen Naturpanoramas ins Herz einer großen Stadt, die man sich nur vorstellen kann – wirklich toll!

Weihnachtsstimmung im ‘Mercat Central’

Wir verbringen zwei Tage hier, bestaunen die köstlichen Auslagen im Mercat Central, probieren uns durch 30 Sorten der neuen Olivenölernte auf der an diesem Wochenende stattfindenden Messe Fira de l’Oli (und kaufen natürlich auch eine große Flasche der Delikatesse zum kleinen Preis – hier ist so etwas eben normale Ernährungsgrundlage) und essen im Fischerviertel El Serrallo direkt am Hafen köstliche Paella de Marisco und Fideuà.

Für die zwei Nächte zahlen wir gut 65 € Liegegeld (und das ist der günstige Nebensaisonpreis)  – und kommen doch zu dem Schluss, dass es ein Fehler gewesen wäre, Tarragona auszulassen!

Roda de Barà

Am Montag warten wir mit dem Ablegen noch bis nach 12 Uhr, denn dann soll etwas Wind aufkommen; dem ist auch so, aber bei 2 bis 3 Meter Schwell genügen 8 Knoten Wind einfach nicht, das Boot und den Gennaker zu stabilisieren, so dass wir den Versuch zu segeln aufgeben und die wenigstens mit 12 Seemeilen nicht gerade lange Strecke bis Roda de Barà motoren müssen (wild rollend, versteht sich). Die kleine Marina haben wir ausgewählt, weil sie uns zu bezahlbaren Preisen ermöglicht, ein paar Tage zu verweilen – um das nächste Sturmtief durchziehen zu lassen, was sonst …

Arc de Barà

Am Dienstagvormittag herrscht aber noch die Ruhe vor dem Sturm, die letzten Sonnenstrahlen kämpfen sich durch die Wolken, und wir nutzen die Gelegenheit, um die größte (einzige?) Sehenswürdigkeit des Ortes anzuschauen, den Arc de Barà, einen römischen Triumphbogen aus dem Jahre 13 v. Chr., der damals auf der Via Augusta, der wichtigsten römischen Fernstraße,  stand – und heute mitten auf einer modernen spanischen Schnellstraße, deren Fahrspuren sich dazu teilen. Vor dem Bogen steht zwar eine Infotafel, aber wer glaubt, dass die Straßenplaner eine Möglichkeit vorgesehen hätten, diese (und den Bogen) ohne Einsatz seines Lebens fußläufig zu erreichen, der kennt Spanien nicht 😉

Mittwoch geht es dann richtig zur Sache – bis zu 8 Beaufort messen wir am Liegeplatz in der Marina, und unangenehmer Schwell lässt die ‘Orion’ heftig in die Landleinen rucken. Im Unterschied zu allen Stürmen der letzten 5 Wochen kommt dieser nicht aus Nordwest (Tramontana), sondern aus Nordost; typisch für diesen Levante  sind heftige und andauernde Regenfälle – und tatsächlich schüttet es 36 Stunden lang wie aus Kübeln.

Vallcarca

Erst am Freitag hat sich das Wetter soweit beruhigt, dass wir weiterfahren können; wie üblich gibt es nach dem Sturm nun wieder gar keinen Wind mehr, so dass wir unter Motor die Marina von Roda de Barà verlassen. Ab Mittag können wir sogar noch für zwei Stunden den Gennaker setzen, statt der vorhergesagten 3 Knoten wehen doch auch mal 8 bis 9 …

Kurz vor Vallcarca – von hier sieht’s noch hübsch aus …

Als Übernachtungsstopp haben wir uns Vallcarca ausgesucht; dabei handelt es sich um eine (nicht zuletzt wegen verheerender Umweltverschmutzung) aufgegebene Siedlung um ein altes Zementwerk, gelegen direkt am Naturschutzgebiet des Garraf-Gebirges – eine absurde Kombination und sicher keine landschaftliche Schönheit. Es gibt jedoch eine ausgedehnte, L-förmige Mole, deren Öffnung nach Westen zeigt und die ruhiges Ankern beim aus Nordost anlaufenden Schwell verspricht – doch wie so häufig trügt die Hoffnung, die Wellen werden an der gegenüberliegenden Felsenküste reflektiert und laufen doch in den kleinen Hafen. Aber was tut man sich nicht alles an, um die knapp 40 € Liegegeld des nächstgelegenen Hafens zu sparen …

El Masnou

Am Samstagmorgen hat sich der Schwell gelegt, aber dennoch lädt der Industriehafen nicht zum Verweilen ein; vielmehr zieht es uns auf See, um die letzte Etappe von knapp 30 Seemeilen zum Endpunkt der diesjährigen Reise hinter uns zu bringen. Wind gibt es erst mal praktisch gar keinen, so dass wir zunächst unter Motor fahren; das Wetter ist dabei prächtig, und schon bald können wir die Hafenanlagen von Barcelona sehen. Vor der Hafeneinfahrt ist einiges los, wir schieben uns durch die Lücke zwischen zwei großen Containerschiffen, die von Schleppern begleitet in den Hafen wollen; danach wird es ruhiger, vor der Silhouette der Innenstadt mit ihren markanten Hochhäusern dümpeln Yachten in der Sonne, und selbst eine Flottille Optis übt auf der strahlend blauen See.

Barcelona

Zuletzt kommt auch noch ein Hauch Wind auf, so dass wir noch einmal den Gennaker auspacken und zwei Stunden die Ruhe genießen können, bevor wir kurz vor Sonnenuntergang die Marina von El Masnou erreichen. Die Capitanía ist am Samstagnachmittag nicht mehr geöffnet, und wir werden angewiesen, die erste Nacht am Tankstellenanleger zu verbringen, bevor wir am Sonntagmorgen dann unseren Liegeplatz für die nächsten Wochen zugewiesen bekommen. Der Rest des Sonntags sowie ein Teil des Montags vergeht erst mal mit den anstehenden Bootspflegearbeiten: das Deck wird gewaschen, der Motor bekommt neues Öl, die Ankerkette wird gereinigt, gespült, getrocknet und geölt, die Logge gezogen und von einer ganzen Kolonie Seepocken befreit; für einen kleinen Rundgang durch El Masnou bleibt aber auch noch Zeit.

In El Masnou

Die Kleinstadt ist praktisch ein Vorort von Barcelona und bietet keine spektakulären Sehenswürdigkeiten (von kilometerlangen Traumstränden abgesehen, aber die sind hier ja nichts Besonderes); die hiesige Marina als Winterlager für die ‘Orion’ auszuwählen war im Wesentlichen ein Kompromiss zwischen der Nähe zu Barcelona und dem Flughafen einerseits – und dem Preis andererseits. Um einmal die Verhältnisse etwas zu beleuchten: für einen Monat im Wasser inkl. Strom und Wasser werden hier knapp 450 € fällig; in den Sportboothäfen des kaum 10 Seemeilen entfernten Barcelona ist es etwa dreimal so teuer. Und die mehreren 1000 Liegeplätze, die dort zu Jahrespreisen ab 15.000 € aufwärts vermietet werden, sind auch alle ausgebucht … 

Der Hafen von El Masnou ist gegen Sturm und See sehr gut geschützt, im Ort gibt es alle Versorgungsmöglichkeiten, Barcelona ist mit der direkt vor der Marina haltenden Bahn in weniger als einer halben Stunde zu erreichen, der Flughafen mit Umsteigen in einer Stunde – wir haben das Gefühl, hier nichts verkehrt gemacht zu haben.

Barcelona

Dienstag fahren wir mit der Bahn nach Barcelona, um uns die Stadt anzuschauen; 25 Minuten dauert die Fahrt, kostet etwa 1,50 €, und die Züge fahren alle paar Minuten – mal wieder sind wir begeistert, wieviel besser und günstiger der öffentliche Verkehr hier funktioniert. Die letzten Stationen fährt der Zug unterirdisch, und wir kommen mitten in der Stadt, am Plaça de Catalunya an; südlich erstrecken sich die alten Stadtviertel, nördlich die Neustadt.

Barcelona hat gut 1,6 Millionen Einwohner und bedeckt eine Fläche von über 100 Quadratkilometern – natürlich ist es aussichtslos, an einem Tag die ganze Stadt anschauen zu wollen. Wir steuern erst mal die bekanntesten Sehenswürdigkeiten an – und schon davon gibt es viele! An erster Stelle sind die berühmten Gebäude des Architekten Antoni Gaudí zu nennen – deren größtes, die Basilika Sagrada Família, wird jährlich von rund 2 Millionen Touristen besichtigt. Aber auch die anderen, über die ganzen Stadt verteilten Bauwerke, sind bemerkenswert: der Stil ist schwer in Worte zu fassen, sicher ist jedoch, dass die Entwürfe unverwechselbar sind und in Erinnerung bleiben!

La Catedral de la Santa Creu i Santa Eulàlia

Natürlich gibt es auch aus älterer Zeit viel zu sehen: neben der Kathedrale aus dem 14./15. Jahrhundert finden sich noch Türme der römischen Stadtmauern und Reste des Aquädukts. Überhaupt ist die gesamte Altstadt, das Barri Gòtic, eine einzige Sehenswürdigkeit: enge, verwinkelte Gassen mit jahrhunderte alten Gebäuden, die heute – bestens restauriert – Geschäfte, Cafés, Restaurants, Boutiquen, Galerien und Museen beheimaten.

In der Altdtadt

Auf gut Glück durch die Straßen zu laufen ist ein Erlebnis, überall gibt es wieder etwas zu entdecken; und das nicht nur in dreieinhalb Straßenzügen wie in vielen anderen Städten, hier ist noch so viel alte Bausubstanz erhalten, dass man stundenlang durch die Straßen laufen kann, ohne die Altstadt zu verlassen.

Plaça Reial

Vom Plaça de Catalunya durch die Altstadt bis zum Hafen erstreckt sich die größte Flaniermeile der Stadt, La Rambla: hier kann man entlang prächtiger Gebäude spazieren, die Wahl zwischen unzähligen Restaurants treffen oder wieder links und rechts in die nächste vielversprechende Seitenstraße eintauchen.

Palau de la Generalitat de Catalunya

Zwischen der Stadt und dem Mittelmeer liegen die Häfen: es gibt einen großen Container- und Fährhafen, den für die Olympischen Spiele 1992 gebauten Port Olímpic und – direkt am Ende der Rambla – die Marina Port Vell. Diese ist fast schon ein Stadtviertel für sich: es gibt ein Riesenrad sowie ein gigantisches Einkaufs- und Freizeitzentrum, welches ein großes Meerwasseraquarium (mit einem 80 Meter langen Glastunnel!) beherbergt. Hier liegt man natürlich sehr zentral – aber eben auch sehr teuer, und alles andere als ruhig: denn natürlich versteht es sich von selbst, dass eine so große Stadt auch verkehrsreich und laut ist, und so sind wir ganz froh, nach einem langen Tag ins ruhige El Masnou zurückkehren zu können!

Saisonende

In 7 Monaten sind wir fast 3200 Seemeilen durch den Englischen Kanal, über die Biskaya, entlang der Küsten Galiziens und Portugals, durch die Straße von Gibraltar und an der spanischen Mittelmeerküste gesegelt; am Mittwoch und Donnerstag stehen noch einige Arbeiten am Boot an, und dann hat sich die ‘Orion’ ein paar Wochen Pause in der Marina El Masnou verdient, um im neuen Jahr den Törn mit frischer Energie fortsetzen zu können!

 

 

 

Spaniens Südostküste: Costa Blanca (30.10. – 14.11.)

Am Mittwoch den 30. Oktober verlassen wir Garrucha, und kurz danach übersegeln wir auch die Grenze von Andalusien zur Region Murcia. Die vorüberziehende Küste bleibt weiter felsig und zerklüftet, und bei erneutem Gennakerwind segeln wir 20 Seemeilen, bis wir in der Bucht von

El Hornillo
El Hornillo liegt gut geschützt hinter einem hohen Felsen

in der Nähe von Águilas vor Anker gehen; der Yachthafen von Águilas ist uns mal wieder viel zu teuer. Die Bucht ist relativ gut geschützt gegen den üblichen Schwell aus Südwest, aber sehr klein und durch diverse Fischereieinrichtungen und Absperrungen größtenteils belegt; wir finden aber gerade noch Platz und können nach dem Ankermanöver erst mal ins Wasser springen – mit 23 Grad ist es hier so warm wie bisher noch nie auf dieser Reise, der Costa Cálida (warme Küste) genannte Küstenabschnitt macht seinem Namen alle Ehre!

Am letzten Tag des Oktobers geht es genauso weiter die Küste entlang, nur dass der Wind heute noch mehr schwächelt – bei dieser geringen Welle segeln wir ja mittlerweile mit dem Gennaker bis herunter zu 5-6 Knoten Wind, aber bei einem wahren Wind von 2 Knoten hängt der auch nur noch wie ein Sack ins Wasser … so muss also am Anfang und am Ende der Motor helfen, bis wir nach 25 Seemeilen in der

Cala de la Salitrona
Halloween auf der ‘Orion’

ankern. Diese Bucht wird von der 350 Meter aufragenden Landspitze des Cabo Tiñoso umschlossen und geschützt, die Küste fällt aber steil ab, nur an wenigen Stellen kann man dicht unter Land hinreichend flaches Wasser und einen kleinen Strand zum Anlanden finden. Die Lage ist aber hinreißend: rundherum leuchten die Felsen in allen Farben von Rot über Braun bis Ocker und Gelb, das Wasser lässt auf 6 Metern Tiefe jedes Detail am Meeresgrund erkennen, und es hat immer noch 23 Grad, während die Lufttemperatur am Nachmittag Richtung der 30 Grad geht – und das an Halloween! Für eine herbstliche Kürbissuppe ist es uns viel zu warm, aber ein indisches Dal mit Kürbis und Linsen passt zum Wetter wie zum Anlass …

Am 1. November bleiben wir in der Ankerbucht – schließlich ist Feiertag 🙂 Wir paddeln mit dem Dinghi an den Strand und finden den Einstieg in einen Wanderweg, der durch die Berglandschaft führt. Die ganze Gegend ist unbewohnt und ein Naturschutzgebiet, die Farben und Formen der Felslandschaft vulkanischen Ursprungs beeindruckend; am meisten sind wir aber begeistert vom Duft der in Unmengen wachsenden Wildkräuter: Lavendel, Rosmarin und Thymian säumen unseren Weg. Dieser führt hinaus bis auf die Passhöhe; hier finden wir eine aufgegebene Küstenbatterie des spanischen Militärs, gebaut Anfang des 20. Jahrhunderts zur Verteidigung der Zufahrt nach Cartagena – zwei riesige Geschütze Kaliber 38.1 cm sind noch an Ort und Stelle. Die Aussicht über die Bucht ist grandios, wozu der strahlende Sonnenschein natürlich beiträgt.

Heiß wird es aber auch wieder, und so sind wir froh, früh aufgebrochen und somit noch vor der Nachmittagshitze wieder zurück an Bord zu sein; diese nutzen wir lieber zum Baden, schwimmen an den Strand und sammeln toll gemusterte Steine in bunten Farben – was wohl zu Hause an Allerheiligen für ein Wetter ist?

Cartagena

Am Samstagmorgen lichten wir den Anker und fahren ein paar Seemeilen über die Bucht bis in den Hafen von Cartagena. Dieser liegt – vor Wind, Wetter und feindlich gesinnten Besuchern gut geschützt – tief in einer von Bergen umschlossenen Bucht, was schon im Altertum dazu geführt hat, dass Cartagena zu einem der bedeutendsten Häfen im Mittelmeer geworden ist.

Blick über Cartagena

Bereits die Phönizier handelten Silber mit den ansässigen Iberern, bis sich die Karthager im Jahre 227 v. Chr. hier niederließen und der Stadt ihren Namen gaben: Cartagena leitet sich vom punischen Qart-ḥadašt ab, was ‘Neue Stadt’ bedeutet und ebenso namensgebend für Karthago selbst war.

Das römische Theater …

Alles in dieser Stadt atmet Geschichte: von hier brach Hannibal im Jahre 218 v. Chr. mit seinen Kriegselephanten gen Italien auf, welches er nach seiner spektakulären Alpenquerung ja auch erreichte; da er trotz gewonnener Schlachten letztlich aber den Krieg doch verlor, ging die Stadt mit der gesamten iberischen Provinz an die Römer, für die sie Scipio Africanus 209 v. Chr. als Carthago Nova in Besitz nahm.  Darauf folgten 600 Jahre als bedeutende Stadt im römischen Reich, bis sie mit dessen Zerfall im Jahre 425 n. Chr. von den Vandalen erobert wurde. In den folgenden Jahrhunderten wechselte Cartagena häufiger mal den Besitzer, bis es 756 Teil des Emirats von Córdoba wurde. Erst mit der Reconquista wurde Cartagena im Jahre 1269 nach fast 500 Jahren maurischer Herrschaft wieder christlich; es erübrigt sich wohl anzumerken, dass damit der Ärger noch kein Ende hatte: bis zum spanischen Bürgerkrieg  1936-1939, als Cartagena Hochburg der Republikaner war (und der Ort Spaniens, welcher sich am längsten gegen die Truppen des faschistischen Diktators Franco halten konnte), ist hier eine Menge Blut vergossen worden …

… verschmolzen mit den Ruinen der ‘Santa Maria la Vieja

In der Altstadt hat man das Gefühl, dass man in jenen zweieinhalb Jahrtausenden immer wieder munter über die Reste bzw. Trümmer der Vorgänger gebaut hat. Zahlreiche archäologische Ausgrabungsstätten ziehen sich durch die Innenstadt, und selbst als Laie erkennt man mit einem Blick auf die Mauern, dass man vor Relikten unterschiedlicher Jahrtausende steht, die nahtlos ineinander übergehen: hier haben Römer Tempel auf punische Fundamente gebaut, dort mittelalterliche Bürger ihre Häuser auf maurische Ruinen gegründet. Die Kirche Santa Maria la Vieja hat ihre Wurzeln in die Reste eines riesigen römischen Amphitheaters geschlagen – und ist seit der Bombardierung im Bürgerkrieg selbst eine Ruine. Schwer, da den Überblick zu behalten – aber faszinierend ist es allemal.

Cartagena, Calle Mayor

Abgerundet wird das Bild durch die schön angelegten Einkaufs- und Flaniermeilen der Stadt mit ihren neoklassizistischen Bauwerken, unzähligen Restaurants und Cafés – und natürlich mit dem herrlichen mild-warmen Wetter und der Freundlichkeit der Menschen.

Auch das ist Cartagena: Cala Cortina

Eigentlich wollten wir nur übers Wochenende bleiben und werden dann durch eine vier Tage andauernde Sturmwarnung dazu gezwungen, den Aufenthalt zu verlängern, aber für das bessere Erleben der Stadt war das gut so – hier hätte man auch vier Monate verbringen können (was etliche Segler auch tun, im Hafen hat sich bereits eine umfangreiche Gruppe überwinternder Boote häuslich eingerichtet).

Mar Menor / Tomás Maestre
Cabo de Palos

Am Mittwoch ist es tatsächlich weniger windig – wir verlassen den Hafen von Cartagena und müssen sogar zunächst eine Weile motoren, weil die am Cabo de Palos endende Landspitze mit ihren Bergen den Wind abschirmt. Am Nachmittag runden wir das Kap und ändern den Kurs Richtung Norden; die nächsten 12 Seemeilen geht es entlang einer schmalen Landzunge, die das Mar Menor, die größte Salzwasserlagune Europas, vom Mittelmeer abtrennt. Der schmale Streifen Land ist praktisch auf ganzer Länge mit Hotels bebaut – in starkem Kontrast zur Küste südlich des Cabo de Palos, die völlig naturbelassen wirkt; der auf halber Länge gelegene Sportboothafen Tomás Maestre stellt den einzigen schiffbaren Zugang zur Lagune dar.

Abendhimmel über Tomás Maestre

Wegen der langfristig ungünstigen Wettervorhersagen müssen wir auf einen Abstecher ins Mar Menor verzichten und ankern die Nacht auf Donnerstag im Schutz der Hafenbefestigungen; ein wirklich hinreißender Abendhimmel lässt sogar die Silhouette der Hotelklötze hübsch erscheinen.

Santa Pola
Santa Pola: Fischereihafen …

Donnerstag geht es weiter, zunächst am Mar Menor, dann an der Küste entlang. Zunächst ist der Wind eher noch schwächer und achterlich, so dass wir uns trauen den Gennaker zu setzen; ab Mittag frischt es dann aber auf, so dass wir auf den Klüver wechseln und schließlich gegen 16 Uhr bei um 6 Beaufort den Hafen von Santa Pola erreichen. 55 Seemeilen haben wir in den beiden letzten Tagen geschafft – und jetzt ist erst mal wieder Sturm, für Freitag lautet die Vorhersage NW 7, da bleiben wir lieber im Hafen.

… und Kastell im Stadtzentrum

Von den Römern als Portus Ilicitanus gegründet, ist Santa Pola heute stark touristisch geprägt, die ganze Stadt besteht aus Blöcken von Hotel- und Appartementanlagen, hübsch im Rechteckraster angelegt; mittendrin hat der Bauboom immerhin das alte Kastell verschont, und im Stadtpark stoßen wir auch auf Ausgrabungsarbeiten, die ein paar römische Grundmauern freigelegt haben. Ansonsten ist der Ort eher unspektakulär – und im ganztägig heulenden Wind ist es hier sogar trotz des Sonnenscheins erstmals als etwas frisch zu bezeichnen 🙂

Villajoyosa

Für den Samstag verspricht die Vorhersage eine kleine Pause zwischen zwei Sturmwarnungen – mehr als 15 Knoten Wind sollen in der Bucht von Alicante nicht wehen, also machen wir uns frohen Mutes mit vollen Segeln auf den Weg, schließlich wollen wir ja auch etwas Strecke machen. Zunächst entspricht der Wind auch noch den Vorhersagen, als wir jedoch das Cabo de Santa Pola gerundet haben werden aus den 15 Knoten ganz schnell 25, in Böen auch bis 30 Knoten – vielleicht doch etwas viel für Vollzeug … der Klüver ist ja schnell gegen den Kutter getauscht, aber jetzt das Groß reffen grenzt ja an Arbeit, also pflügt sich die ‘Orion’ auf leichtem Amwindkurs mit gut 7 Knoten und 30 Grad Lage durch die ein bis zwei Meter hohen Wellen. Eine ziemlich feuchte Angelegenheit, aber auch immer wieder eine Freude zu beobachten, wie der scharf geschnittene Bug die Wellen zerteilt und das Wasser bis hinters Heck spritzen lässt, ohne dass irgendein Aufschlag zu vernehmen wäre.

Heißt das hier wegen der endlosen weißen Hotelfronten ‘Costa Blanca’?

 

Villajoyosa: bunte Altstadthäuser …

Am frühen Nachmittag erreichen wir nach 29 Seemeilen den Hafen von Villajoyosa, wo der Club Nautic noch einen Liegeplatz für uns findet – gleich für zwei Nächte, denn Sonntag ist erst mal wieder – Sturm, was sonst. Das Anlegen erfolgt – wie hier meist üblich – mit zwei Heckleinen zur Pier und einer Muringleine vom Bug, welche von achtern durchgeholt werden muss; das Vergnügen, bei 6 Beaufort von vorne mit dem Langkieler rückwärts einzuparken krönt also den windigen Segeltag.

… direkt vorm Traumstrand

Wie angekündigt fliegen am Sonntag die Palmwedel wieder waagerecht – aber natürlich scheint die Sonne, und im Windschutz der engen Altstadtgassen ist es auch gar nicht mehr kühl, im Gegenteil. Anders als in vielen anderen Orten ist Villajoyosa nicht komplett neu überbaut worden; direkt vom wirklich traumhaft schönen Strand (fein, weiß und sauber) ziehen sich die bunt gestrichenen Häuser der Altstadt den Hang hinauf bis zur teilweise erhaltenen Stadtbefestigung aus dem Mittelalter. Natürlich dürfen drumherum die großen Hotels nicht fehlen, aber insgesamt hat man hier eine ausgewogenere Balance zwischen den Notwendigkeiten der touristischen Nutzung und dem Erhalt einer gewissen Ausstrahlung gefunden als in vielen anderen Orten an diesen sonnenverwöhnten Küsten.

Moraira / El Rinconet

Der Montag bringt uns mal wieder die Flaute zwischen zwei Stürmen: angesagt ist noch ein ganz brauchbarer Wind, tatsächlich regt sich aber kaum ein Ĺüftchen. Nach wie vor sehen wir uns unerwarteten Windverhältnissen gegenüber: zur Reiseplanung konsultieren wir wie viele Fahrtensegler die pilot charts, welche für jedes Seegebiet und jeden Monat die statistische Verteilung der Windverhältnisse angeben, und diese geben hier für den November 15 Knoten aus Nordwest an. Nun ja, wenn abwechselnd 30 Knoten und 0 Knoten gibt, sind das im Mittel natürlich auch 15 Knoten … praktisch ist bald der halbe November vorbei, und 15 Knoten hatten wir nie.

Benidorm: na dann schöne Ferien!

So motoren wir also mal wieder; zunächst passieren wir den bekannten Ferienort Benidorm – und staunen nicht schlecht: eine solche Dichte und Höhe der Bettenburgen haben wir bislang noch nicht gesehen, Benidorm – und nicht etwa New York – ist die Stadt mit den meisten Hochhäusern pro Einwohner weltweit. Möchte man da wirklich Urlaub machen?!?

Am frühen Nachmittag erreichen wir Moraira, wo wir direkt neben dem Ort in der Ankerbucht El Rinconet übernachten; hier scheint man auf landschaftsverträglicheren Tourismus zu setzten, am Strand stehen nur normale Ferienhäuser. Die Nacht ist recht ruhig, nur etwas Schwell  kommt um die Landspitze Punta del Moraira – weit draußen, nördlich der Balearen, stürmt es immer noch heftig.

Dénia
Cabo de la Nao

Dienstagmorgen lassen wir uns vom wenigen Wind am Ankerplatz verleiten, früher aufzubrechen, als wir eigentlich wollten – es steht nämlich die Rundung des Cabo de la Nao an, und das wollten wir erst tun, wenn gegen Mittag der angesagte Wind nachgelassen hat. Unser Verdacht, dass dieser gar nicht weht, erweist sich aber schnell als unbegründet: kaum haben wir uns eine halbe Seemeile von der Küste entfernt, sind unsere 30 Knoten wieder da. Wir legen also in Rekordzeit die letzten Meilen bis zum Kap zurück und verstecken uns dann nochmal in einer kleinen Bucht direkt davor – Windstärke 7 von vorne, das muss nicht sein.

Der Plan geht auf: als wir uns gegen Mittag wieder auf den Weg machen, weht kaum noch (Gegen-)Wind, und so runden wir ohne Probleme das Cabo de la Nao – sind aber noch hinreichend beeindruckt von der langen, 3 bis 5 Meter hohen Dünung, die von Norden heranrollt und der wir nun ausgesetzt sind, denn von hier an läuft die Küste bis Valencia in Richtung Nordwesten.

Für den Rest der Strecke muss wieder der Motor ran – Windstärke 1 und 7, das bekommen wir doch auch an ein und demselben Tag hin! Wir freuen uns, nach 21 Seemeilen und einem durch den Zwischenstopp doch langen Tag den Hafen von Dénia zu erreichen. Die Einfahrt wird nochmal spannend, denn die besagte Dünung läuft sich hier zu unglaublichen Höhen auf; wir hängen uns dicht an einen Fischkutter – der wird ja wissen, was er tut – und surfen hoch oben auf einem Wellenberg mit hervorragender Aussicht in die Hafeneinfahrt …

In der Burg von Dénia

Wie nicht anders zu erwarten, ist dann erst mal wieder Pause angesagt: am Mittwoch und Donnerstag weht es mit bis zu 8 Beaufort, und zwar genau aus der Richtung, in die wir wollen. Leider verschlechtert sich auch ansonsten das Wetter, es ist grau und regnerisch, wie wir es seit Monaten nicht mehr erlebt haben. Wir finden kaum eine Wetterlücke, um wenigstens kurz durch Dénia zu laufen – was sich durchaus lohnt, eine umfangreiche Burganlage aus dem 11. Jahrhundert wacht über dem Ort, der schon den Römern als Flottenstützpunkt diente und bei besserem Wetter sicher einiges zu bieten hätte.

 

 

 

 

An der Costa del Sol (17.10. – 29.10.)

Nach dem langen, ausgefüllten Tag in Gibraltar hätten wir gerne noch einen Ruhetag in La Línea eingelegt, aber die Windvorhersagen wollen es anders: während am Donnerstag den 17. wenigstens noch ein wenig Wind in Mittelmeer hineinwehen soll, ist für den folgenden Freitag völlige Flaute angesagt, also raffen wir uns auf um den Wind zu nutzen und den Ruhetag noch etwas herauszuschieben. Erst mal aber steuern wir nochmal mit der ‘Orion’ den Hafen von Gibraltar an, genauer gesagt die steuerfreie Tankstelle: gut 300 Liter Diesel fließen in unseren Tank zum Traumpreis von 64 Pence pro Liter, umgerechnet 74 Cent. Die Menge entspricht unserem Verbrauch seit Alderney: ganz akzeptabel für bald 2000 Seemeilen, jedenfalls erheblich besser als im vergangenen Jahr auf dem Weg in den hohen Norden – der viele Rückenwind vor Spanien und Portugal macht doch eine Menge aus.

Europa Point, Gibraltars Südspitze

Es ist schon Mittag durch als wir Europa Point runden und Kurs ins Mittelmeer setzen – und das empfängt uns in Bestform: die Sonne strahlt, das Wasser blau leuchtend, und 15 Knoten Wind lassen uns unter Gennaker gute Fahrt machen. So ist es noch eine Stunde vor Sonnenuntergang, als wir unser Tagesziel

Estepona
Pico de los Reales, Estepona

erreichen und direkt vorm Strand neben dem Hafen den Anker fallen lassen. Direkt vor uns erhebt sich der beeindruckende Pico de los Reales mit seinen 1452 Metern Höhe und leuchtet im Abendlicht in einem besonders intensiven Rotbraun –  so bergig hatten wir uns die Küste der Costa del Sol gar nicht vorgestellt! Die Nacht vor Anker ist mal wieder recht rollig, spart aber einmal das Liegegeld für den Hafen von Estepona, den wir dann gleich am nächsten Morgen aufsuchen, um hier etwas auszuruhen und Einkäufe zu erledigen.

In der Altstadt von Estepona

Die Marina ist sehr freundlich – es gibt sogar eine Flasche Wein zur Begrüßung – und mit gut 24 € auch noch bezahlbar, wir haben also das Gefühl nichts falsch gemacht zu haben; unmittelbar am Hafen erstrecken sich viele einladende Restaurants, es hat aber eher etwas von entspannter Urlaubsstimmung als von Partymeile. Wir laufen auch in die Stadt und finden hinter den obligatorischen Hotelbauten tatsächlich einen charmanten alten Stadtkern mit hübschen Straßen und Plätzen. Trotz des Massentourismus, für den die Region ja berühmt-berüchtigt ist, finden wir es durchaus nett hier!

Marbella

Daher hätten wir auch nichts gegen einen weiteren Tag Aufenthalt gehabt, aber mal wieder gibt es Wind, den wir nicht ungenutzt verstreichen lassen wollen – und sogar eine ganze Menge davon: nachdem wir bei den angekündigten 15 Knoten Wind den Gennaker gesetzt haben, frischt es bald auf 20, dann auf 25 Knoten auf. Die ‘Orion’ schießt mit 8 Knoten Fahrt rauschend durchs glitzernde Wasser – ganz toll, aber eigentlich etwas viel für den Gennaker. Also beschließen wir ihn zu bergen – mit einiger Mühe gelingt es noch, den Bergeschlauch übers Segel zu ziehen, aber herunterkommen mag er dann nicht, obwohl das Fall lose ist. Tja, nun ist guter Rat teuer … wir sichern den Schlauch so gut es geht ums Klüverstag, setzen dahinter das Kuttersegel um etwas Windabdeckung zu erzeugen und laufen so die Marina La Bajadilla in Marbella an. Dort offenbart der Aufstieg in den Mast (wie praktisch sind Maststufen!) die Ursache: das Fall hat es irgendwie geschafft, sich zwischen Rolle und Seitenteil des Blocks zu ziehen – wie immer das möglich ist bei einer 12mm-Leine und einem Spaltmaß von ein paar Zehntel Millimetern (jedenfalls vor der Kaltverformung des Blocks durch das Fall)! Nach diesen Abenteuern verschieben wir die Besichtigung von Marbella auf den nächsten Tag – obwohl da wieder guter Wind angesagt ist …

Sonntagvormittag machen wir uns entlang der Seepromenade auf den Weg in die Innenstadt. Von der Marina La Bajadilla ist diese eine Viertelstunde entfernt; es gibt auch einen zentraler gelegenen Hafen, aber der ist teurer (unser Hafen gehört wieder zu den öffentlichen Einrichtungen Andalusiens) und mitten im dicksten Rummel – wir sind ganz froh über unsere Wahl.

Plaza de los Naranjos, Marbella

Marbella ist viel größer als Estepona – viele Kilometer erstrecken sich Strände und Hotels entlang der Küste. In der Hauptsaison müssen sich hier Zehntausende Menschen tummeln; nun sind es deutlich weniger, und es ist immer noch voll genug. Sicher, die Betonburgen sind keine Zierde, aber auch hier finden wir wieder eine Altstadt hinter den Hochhäusern, die durchaus sehenswert ist: an der Plaza de los Naranjos, wo Orangenbäume Schatten spenden, kann man noch etwas vom mittelalterlichen Marbella erahnen, und die verwinkelten, engen Gassen verraten ihren maurischen Ursprung. Im August möchte man hier nicht sein – allein schon wegen der Temperaturen – aber jetzt in der Nachsaison finden wir die Sonnenküste besser als ihren Ruf!

Benalmádena

Am Montag ist es leider mit dem Wind wieder vorbei, es wehen kaum 5 Knoten; Welle gibt es aber auch nicht, das Meer liegt fast glatt vor uns, und so versuchen wir uns im Minimalwindsegeln: tatsächlich steht der Gennaker ab etwa 3 Knoten, und bei 5 Knoten Wind erreichen wir sensationelle 2,5 Knoten Fahrt! Es mag aber sein, dass da ein knapper Knoten Strom, wie er immer ins Mittelmeer hinein setzt, mitgeholfen hat …

Abendhimmel über Benalmádena

Wie auch immer, da wir uns mit etwa 20 Seemeilen keine allzugroße Distanz vorgenommen haben, bewältigen wir den größten Teil der Strecke geduldig unter Segeln und erreichen kurz vor Sonnenuntergang Benalmádena, was quasi ein Vorort von Málaga ist – die vielstöckigen Hotelbauten zeigen jedenfalls von See aus betrachtet keine Unterbrechung. Dort gibt es auch eine Marina, aber da wir nur übernachten wollen, der Ort nicht viel herzugeben scheint und das Meer so ruhig ist, sparen wir und das Liegegeld und ankern hinter der Hafenmole vorm Strand. Belohnt werden wir mit einem tollen Abendhimmel über dem Hafen!

Caleta de Vélez

Am Dienstag gibt es mehr Wind – aber leider auch drohende, dunkle Wolken. Für Mittwoch ist Starkwind angesagt, und der wirft schon seine Schatten voraus: die Wellen werden höher, der Wind erreicht in Böen bereits 6 Beaufort, und über Land sieht man Gewitter. Auch keine idealen Bedingungen, aber wir nutzen den Wind um etwas Strecke zu machen; knapp 25 Seemeilen sind es bis zum Fischerhafen Caleta de Vélez, den wir in kaum 5 Stunden erreichen.

Stürmische See vor Caleta de Vélez

Der Hafen ist wieder öffentlich und somit preiswert, ein guter Platz um den kleinen Sturm am Mittwoch abzuwettern; viel los ist hier nicht, die Fischerei bestimmt noch das Geschehen, aber das gefällt uns gut – Hotelhochhäuser haben wir langsam genug gesehen. Wir nutzen die Zeit, um mal wieder die Vorräte aufzustocken und eine Dusche zu nehmen, während der Wind über den Hafen pfeift und immer mal wieder ein paar Tropfen Regen (!) fallen. Es ist deutlich kühler, gerade noch 20 Grad – zwar immer noch kein Grund von T-Shirt und kurzen Hosen Abstand zu nehmen, aber irgendwie fühlt es sich doch herbstlich an; den Wettervorhersagen nach soll es aber so nicht bleiben, für die kommende Woche sind wieder 26 Grad und blauer Himmel angesagt.

Puerto de Motril

Donnerstag hat sich der Wind etwas gelegt, aber mit um 20 Knoten weht es immerhin noch – doch wir wollen ja auch weiterkommen, also legen wir nach dem Frühstück ab. Die Wettervorhersage stellt ab Mittag deutlich nachlassende Winde in Aussicht, und damit auch weniger Welle, so dass wir uns vornehmen, die folgende Nacht ankernd vor der Küste zu verbringen.

Die schneebedeckten Gipfel der Sierra Nevada überragen die Küstenlandschaft

Der Küstenstreifen, an dem wir entlangsegeln, heißt Costa Tropical – direkt im Hinterland liegen die bis zu knapp 3500 Meter hohen Gipfel der Sierra Nevada, welche die Region vor kontinentalen Winden schützen, während sie der Südwind aus Afrika ungehindert erreichen kann, daher lassen sich hier ganzjährig Datteln, Ananas und Bananen ernten. Tatsächlich kann man von See aus die schneebedeckten Höhenzüge sehen – ein skurriler Kontrast zu den herrschenden Temperaturen in der direkten Umgebung!

Als wir am Nachmittag die in Frage kommenden Ankerplätze erreichen – ‘Buchten’ wäre ein zu großes Wort, eigentlich ist hier alles zum Meer hin komplett ungeschützt – hat der Wind eher zu- als abgenommen, und zu 25 Knoten auflandigem Wind rollen anderthalb Meter hohe Seen auf den Strand … Ankern kommt beim besten Willen nicht in Frage. Wir müssen also noch etliche Meilen weiter bis zum nächsten Hafen segeln; soweit nicht schlimm, aber leider haben wir schon im Vorfeld herausgefunden, dass die dortige Marina recht teuer ist und wir diese daher eigentlich vermeiden wollten.

Zufallsbegegnung im Hafen von Motril: die ‘Royal Clipper’, ein Luxuskreuzfahrtschiff und längster Rahsegler der Welt

So bleibt uns aber nichts anderes, wir steuern den großen Fähr- und Industriehafen Puerto de Motril an und dürfen dort für 36 Euro eine Nacht lang unsere Leinen belegen. Die Marina ist eher ein Winterabstellplatz für kleinere Motorboote in Hochregallagern, die Umgebung industriell geprägt – zum reinen Übernachten vollkommen akzeptabel, aber dazu passt einfach der Preis nicht (jedenfalls nicht in der Nebensaison). Wenigstens lässt sich sagen, dass die Mitarbeiter außerordentlich freundlich und hilfsbereit waren – allzuhäufig werden sich auch keine Gastlieger dorthin verirren, wir haben jedenfalls am Abend kein Leben auf der kleinen Steganlage wahrnehmen können.

Ursprünglich hatten wir Motril als Ausgangspunkt für einen Landausflug per Bus nach Granada ausersehen; nachdem wir aber im Internet herausgefunden hatten, dass die Eintrittskarten zur Besichtigung der Alhambra, einer der großartigsten Sehenswürdigkeiten ganz Spaniens, auf Monate im Voraus ausverkauft sind, mussten wir davon Abstand nehmen – schade, wie kann man als Segler schon so lange vorher festlegen, wann man wo sein wird …

La Rábita
Ankern vor La Rábita

Nach einer vom Lärm irgendwelcher Aggregate versüßten Nacht verlassen wir die Marina gleich am Freitagmorgen und machen uns wieder auf den Weg gen Osten. Eigentlich sollte sich schwacher Ostwind eingestellt haben, und wir waren darauf vorbereitet aufzukreuzen; es weht jedoch schlicht gar kein Wind, und so motoren wir gemächlich knapp 20 Seemeilen über das inzwischen spiegelglatte Mittelmeer, bis wir am frühen Nachmittag vorm Strand von La Rábita den Anker fallen lassen. Der Ort ist recht klein, das Fehlen der zwölfstöckigen Hotels finden wir aber sehr sympathisch, und da die totale Flaute noch länger anhalten soll, beschließen wir hier auch den folgenden Samstag vor Anker zu verbringen und bei bestem Grillwetter die Ruhe zu genießen!

Almerimar
‘Marina Village’ Almerimar

Sonntag geht es dann weiter, bei genauso schönem Wetter wie am Tage zuvor – und genauso wenig Wind … das 20 Seemeilen entferne Almerimar an der Costa de Almería ist das Tagesziel, welches wir nach 5 Motorstunden erreichen. Der Ort ist ein reines Produkt der Tourismusindustrie: mitten im Nichts hat man Luxusappartements rund um eine Marina mit 1100 Liegeplätzen hochgezogen, das Umland besteht aus von mit endlosen Plastikgewächshäusern bedeckter Halbwüste. Sehr stimmungsvoll ist das natürlich nicht – aber halbwegs hübsch gemacht, unterm Strich sind die Liegeplätze direkt zwischen den Wohn- und Gastronomieanlagen eher hübscher gelegen als an so mancher Seefront mit ihren Hotelhochhäusern.

Das Liegegeld ist auch sehr günstig – offenbar hat man bei der Planung vor 20 Jahren noch nicht mit der Wirtsschaftskrise gerechnet und ist unterausgelastet. Viele Boote überwintern auch hier, wofür wirklich (für Mittelmeerverhältnisse) sensationelle Tarife angeboten werden – nicht der schlechteste Ort, aber wir wollen ja noch weiter.

Cabo de Gata / Puerto Genovés

Die Weiterreise am Montag beginnt mal wieder unter Motor; ab Mittag ist zwar etwas Wind angesagt, aber da wir mit einem Schlag die Bucht von Almería überqueren und das Cabo de Gata umrunden wollen, können wir darauf nicht warten.

Am Cabo de Gata

Nach 5 Stunden Motorlärm stellt sich auch wirklich vorsichtig der erste Lufthauch ein; bald können wir den Gennaker setzen und mit zunehmender Fahrt auf das Cabo de Gata zuhalten, welches das Ende der in Ost-West-Richtung verlaufenden Südküste Spaniens markiert. Dieses ist landseitig von einem Naturpark umgeben, daher unbebaut und von wilder Schönheit, spektakuläre Felsformationen wohin man schaut; besonders ins Auge fallen die schneeweißen Einschlüsse unter den rotbraunen Felsen an der Abbruchkante. Beim letzten Abendlicht runden wir das Kap und lassen nach 36 Seemeilen in der Bucht Puerto Genovés den Anker fallen.

Morgenstimmung am Ankerplatz

Diese Ankerbucht hat ausnahmsweise mal ihren Namen zu Recht, sie ist wirklich nur nach Osten zum Meer hin offen und auch ansonsten toll: groß genug für 50 Boote (mit uns sind 4 anwesend), perfekter Ankergrund, kristallklares Wasser – selbst im Dämmerlicht kann man noch in 6 Metern Tiefe die Kette auf dem Sand liegen sehen. Hier würden wir gerne einen Tag bleiben – aber gerade für den Dienstag ist günstiger Wind angesagt, und das müssen wir einfach nutzen.

Garrucha

So können wir auch am Dienstagmorgen bereits unter Segeln den Ankerplatz verlassen und tatsächlich den gesamten Tag schönstes Gennakersegeln genießen; die dabei vorüberziehende Südostküste Andalusiens ist viel interessanter als die Südküste, die eigentliche Costa del Sol – und Sonne gibt es auch hier genug!

Tatsächlich kommen wir bei einer Tagesdistanz von 32 Seemeilen auf 15 Minuten Motorlaufzeit, als wir unseren Liegeplatz im Hafen von Garrucha eingenommen haben – nur für das Anlegemanöver haben wir die Maschine gestartet. Was für eine Wohltat nach den vielen Motorstunden in der vergangenen Woche!

Am Hafen von Garrucha

Garrucha ist ein betriebsamer Fischerei- und Industriehafen, der auch eine neue, ausgedehnte Marina unter öffentlicher Verwaltung umfasst; hier funktioniert es aber wohl nicht so richtig, die Anlagen wirken unfertig, und eine einzige Dusche in einer Sperrholzbude ist auch etwas wenig für etliche 100 Liegeplätze. Der Ort selbst gibt auch nicht viel her – es soll eine Burg aus dem 18. Jahrhundert geben, aber die sind wir nicht in der Lage zu finden … wie immer so etwas möglich ist. Aber einen großen Supermarkt gibt es, und das Wasser in der Bruchbude ist heiß – Segler können sich ja in Bescheidenheit üben!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kurs Gibraltar: Entlang der Küsten der Algarve und Andalusiens (24.09. – 16.10.)

Ponta de Piedade

Nachdem wir in den frühen Morgenstunden des 24. September das Cabo de São Vicente gerundet haben, folgen wir noch einige Stunden der felsigen Küste (der Wind bleibt dabei sehr launisch, mal frischt er auf, dann verlässt er uns wieder) und runden dabei zuletzt die Ponta de Piedade mit ihren spektakulären Felsformationen, bis wir gegen Mittag nach 80 Seemeilen die Bucht von

Lagos
Ankern vor Lagos

erreichen, unseren ersten Ankerplatz an der Algarve. Die Stadt verfügt auch über eine Marina, welche allerdings – wie alle Häfen an der Algarve – während der Saison fast 50 Euro pro Nacht abruft, weswegen wir dankend verzichten und lieber den Anker vor dem herrlichen, endlos langen Strand fallen lassen. Am Nachmittag kommt nochmal kräftiger Nordwestwind auf (wie jeden Nachmittag, wie wir in den kommenden Tagen noch feststellen werden), aber bei Wassertiefen von 5-6 Metern über kilometerlange Bereiche und einem aus festem Sand bestehenden Ankergrund kann man hier beliebige Winde abwettern, solange sie ablandig kommen. Auch der Schwell hält sich sehr in Grenzen – wir hatten da einige Bedenken, weil man schließlich nach Süden offene See bis zur Küste Afrikas hat, aber die an der Westküste stets rollende Atlantikdünung kommt scheinbar nicht um das Kap. 

Lagos, Seepromenade

Am Donnerstag nutzen wir die Vormittagsflaute, um mit dem Dinghi in die Stadt zu fahren. Lagos war im 15. Jahrhundert Ausgangspunkt zahlreicher Expeditionen entlang der Westküste Afrikas; heute hat es gut 30.000 Einwohner und ist eines der touristischen Zentren an der Algarve. Die gut erhaltene Altstadt, die lange Seepromenade, der viele Kilometer lange Sandstrand längs der Bucht gen Osten sowie die bizarren Felsen der Ponta de Piedade sind die Hauptattraktionen.

Ponta de Piedade: bizarre Felsen …

Freitag wollen wir uns diese Felsen auch aus der Nähe ansehen; nach dem Frühstück fahren wir mit dem Dinghi an der Küste entlang, es weht noch kaum Wind und die See ist recht ruhig. Unzählige Ausflugsboote weisen uns den Weg zu den größten Attraktionen: frei im Wasser stehende Felsentürme, mit dem Boot durchfahrbare Tore und tief in die Felsen eingegrabene Grotten. 

… und traumhafte Strände

Wir bestaunen diese abstrakten Kunstwerke der Natur, kurven um die Felsen und landen – zusammen mit zwei Dutzend Kajakfahrern – an einem kleinen Strand an (was sich als deutlich einfacher erweist als ihn wieder zu verlassen – die Wellen laufen sich ganz ordentlich auf in der engen Bucht). Der ganze Trubel wirkt zwar etwas abschreckend, aber die Attraktivität des Ortes können auch wir nur bestätigen!

Albufeira

Am Freitagvormittag fahren wir nochmal zum Einkaufen in den Ort – vor 14 Uhr gibt es ja eh keinen Wind … dann aber stellt er sich pünktlich ein, und wir lichten den Anker. 

Die Steilküste der Algarve zieht vorbei

Die vorbeiziehende Küste bleibt felsig und steil, Ortschaften liegen eingebettet in kleine Einschnitte in der Landschaft; ihre Häuser leuchten weiß in der Sonne, und anzunehmenderweise handelt es sich bei vielen der größeren Bauten um Hotels. Ansteuerbare Häfen gibt es nicht so viele: Portimão liegt noch zu nahe an Lagos, und der nächste Hafen, Albufeira, ist gleich über 20 Seemeilen entfernt. Da es inzwischen schon um 20 Uhr dunkel wird und der Wind uns auch nicht gerade großzügig mit seiner Anwesenheit beehrt, bricht schon die Nacht herein, als wir vorm Strand von Albufeira den Anker werfen.

Albufeira im Morgenlicht

Da am Samstag der einzige Wind in den Morgenstunden wehen soll, verlassen wir gleich nach Sonnenaufgang den Ankerplatz wieder, ohne den Ort selbst besucht zu haben – auf dem Rückweg kommt man ja auch nochmal hier vorbei; heute sollen es nämlich 25 Seemeilen bis in die Lagune von Faro werden. Die felsige Steilküste weicht dabei mehr und mehr zurück, Sandstrände setzen sich durch. Wieder ist der Wind sehr launisch (was allerdings heute mehr der Vorhersage entspricht als gestern, wo wir mit mehr gerechnet hatten), so dass es früher Nachmittag wird, bis wir nach mehrmaligem Wechsel zwischen diversen Segelkombinationen und Motorbetrieb die Einfahrt in die Lagune ansteuern können.

Ilha da Culatra

Die Lagune wird von vielen Kilometer langen, schmalen Sandinseln gegen das Meer abgegrenzt, zwischen denen sich genau im Süden eine Einfahrt auftut; wir passieren diese kaum eine Stunde vor Hochwasser und staunen nicht schlecht, was für ein Strom da noch steht: das ansonsten flautig-glatte Wasser ist auf einmal aufgewühlt, in großen Strudeln dreht sich gurgelnd die Flut, und wir werden mit fast 8 Knoten über Grund bei langsamer Motorfahrt in die Lagune gespült! Wir folgen der Rückseite der nach Osten verlaufenden Insel, der Ilha da Culatra, und bald beruhigt sich das Wasser, der Strom lässt stark nach. Drei Seemeilen hinter der Einfahrt tut sich ein riesiges Ankerfeld auf, wir zählen weit über 50 Masten – Platz ist aber immer noch, wir bringen zwei Anker aus, um auch bei wechselnder Stromrichtung sicher zu liegen.

Abendstimmung über der Lagune

Während des Nachmittags bringen noch unzählige Ausflugsboote Tagesgäste von Olhão auf die Insel, aber am Abend breitet sich eine Stille geradezu greifbar über der Lagune aus; wir genießen einen magischen Abendhimmel über dem Ankerfeld und verstehen, warum dieser Ort bei den Fahrtenseglern so beliebt ist.

Am nächsten Morgen setzen wir mit dem Dinghi über und erkunden die Insel. Der kleine Ort besteht aus alten Fischerhäusern, in denen heute natürlich etliche Cafés und Restaurants untergebracht sind, aber Fischerei im traditionellen Stil gibt es noch immer; am Hafen sitzen wettergegerbte alte Männer und flicken ihre Netze. Trotz des Zustroms an Tagestouristen gibt es keinerlei große Hotel- und Gastronomiebauten, hier kann man noch einen Rest der vortouristischen Algarve erleben; am sieben Kilometer langen Strand mit sauberem, feinem Sand und türkisblauem Wasser verlaufen sich die paar hundert Badegäste auch schon nach kaum fünf Minuten Laufentfernung vom Ort – hier kann man seinen persönlichen Kilometer Bilderbuchstrand für sich allein haben.

Farol do Cabo de Santa Maria, Ilha da Culatra

Auch am Montag bleiben wir noch am Ankerplatz – es gefällt uns wirklich gut hier, durch die vielen Boote in der Lagune kommt man auch mal mit anderen Seglern ins Gespräch. Wir setzen auch nochmal auf die Insel über, laufen diesmal bis zum Leuchtturm am anderen Ende; den Abend – unseren letzten in Portugal – lassen wir mit einem köstlichen Abendessen in einer kleinen Taverne ausklingen. Wenn wir das nächste Mal vorbeikommen, möchten wir auch gerne mehr Zeit hier verbringen!

Isla Cristina
Unter Gennaker mit Delfinbegleitung nach Osten

Am Dienstag den 1. Oktober verlassen wir die Lagune vor der Ilha da Culatra; wie immer scheint die Sonne, und wenn auch zunächst der Wind etwas zu wünschen übrig lässt, so stellt er sich gegen Mittag doch ein und erlaubt herrliches Segeln unter Gennaker auf einer nach tagelanger Flaute fast glatten See. Auch die Delfine – ziemlich große diesmal, Tümmler vielleicht? – wissen das bunte Segel zu schätzen und springen durch dessen Spiegelbild im Wasser.

Einige Stunden später verlassen wir mit dem Passieren der Mündung des Río Guadiana auch Portugal, wo wir somit den größten Teil des Septembers verbracht haben. Als Segelrevier bot Portugal eher weniger Möglichkeiten als zuvor Galicien – es gibt einfach wenige Häfen (die an der Algarve auch noch sehr teuer sind, weswegen wir dort keinen einzigen angelaufen haben) und kaum geschützte Ankerplätze, aber Land und Leute haben uns außerordentlich gut gefallen, und Porto und Lissabon sind jede Reise wert.

Palmenallee in Isla Cristina

Nun stellen wir aber die Uhr wieder eine Stunde vor, wechseln die Gastlandflagge, und laufen nach gut 35 Seemeilen den kleinen Hafen von Isla Cristina (Stadt und Insel heißen gleich) an. Es ist schon kurz nach Sonnenuntergang, als wir einen Spaziergang durch den Ort machen, aber es ist sommerlich warm, und die Straßen sind voll von Menschen und spielenden Kindern – nach der Nachmittagshitze erwacht man erst jetzt wieder zum Leben. Die Architektur ist deutlich maurisch inspiriert, und die Hauptstraße flankieren zwei Reihen gewaltiger Dattelpalmen, die auch noch voller Früchte hängen – wir fühlen uns nun wirklich wie in Afrika 🙂

Mazagón

Am Mittwoch gibt es sogar durchgängig Wind – wir nutzten die gute Gelegenheit und verlassen Isla Cristina gleich wieder, um 35 Seemeilen gen Osten zu segeln. Tatsächlich können wir die gesamte Strecke unter Gennaker zurücklegen; zum Teil frischt der Wind sogar bis 18 Knoten auf, so dass die ‘Orion’ mit 7,3 Knoten ihrem Ziel entgegeneilt. So macht Segeln Spaß!

Der Leuchtturm von Mazagón

Entsprechend ist es erst Nachmittag, als wir den Hafen von Mazagón an der Mündung der Ría de Huelva erreichen; dieser wird – genau wie Isla Cristina zuvor – von der andalusischen Hafenverwaltung betrieben, was zu einem Einheitspreis von € 17,33 in der Nebensaison für fast alle Häfen der Region führt. Dafür gibt’s eine tadellose Dusche – die erste seit Sines …

Ansonsten hat der Ort nicht viel zu bieten; es gibt nur ca. 4000 echte Einwohner, aber Häuser für dreimal so viele Menschen, alles Ferienvillen für Sommergäste aus Huelva. Da der Sommer (für südspanische Verhältnisse) vorbei ist, wirkt alles recht ausgestorben; lediglich den kleinen Leuchtturm finden wir recht hübsch.

Chipiona

Selbst für den Donnerstag ist noch etwas Wind übrig, so können wir weitestgehend unter Gennaker Chipiona erreichen – dafür ist es aber auch schon so spät, dass es nicht mehr für einen Rundgang durch die Stadt reicht. Wie sich später herausstellen wird, macht das aber nichts …

Wir schlafen also ein paar Stunden und machen uns dann gleich wieder auf den Weg zum Zwischenziel dieser Woche:

Cádiz

Der Wind hat sich nach drei brauchbaren Tagen aber völlig verausgabt, und so erreichen wir den Hafen der Stadt am späten Mittag nach einigen Stunden Motorfahrt. Da der Tagesablauf in Spanien ja deutlich nach hinten verschoben ist, gelingt es uns am frühen Freitagabend noch einen ganz wichtigen Dienstleister aufzutreiben, der ein seit geraumer Zeit nervendes Problem ganz endgültig löst: einen Zahnarzt.

Am Samstag schlafen wir erst mal aus und bringen dann das Boot etwas in Ordnung, denn die ‘Orion’ bekommt für eine gute Woche Crewverstärkung; mit deren Anreise klappt auch alles nach Plan, und so können wir am Abend bei herrlichem Sommerwetter im Cockpit unser Wiedersehen feiern!

Cala del Aceite
Nebel über der Cala del Aceite

Leider kommt in der neuen Woche eine Weiterfahrt Richtung Gibraltar nicht in Frage: zunächst hält die gegenwärtige Flaute noch weiter an, und dann setzt zum Teil sehr kräftiger Ostwind ein: gerade in der Straße von Gibraltar verstärkt sich diese Levante genannte Wetterlage gerne mal auf 8 Windstärken – sinnlos, dagegen anzuwollen. Wir beschließen also etwas Urlaubssegeln rund um Cádiz: am Sonntag segeln wir – das letzte Lüftchen nutzend – gut 20 Seemeilen nach Süden und ankern vorm Strand von Cala del Aceite. Der Ankerplatz ist zwar durch den Schwell etwas unruhig (Weingläser leben gefährlich!), aber die Aussicht entschädigt dafür: eine farbenprächtige Steilküste und ein herrlicher Strand davor laden zum Verweilen ein. Am folgenden Tag tun wir das auch, baden im Meer und in der Sonne – Entspannung pur! Etwas erstaunt sind wir, als plötzlich dichter Nebel aufzieht und die kaum 200 m vorm Strand ankernde ‘Orion’ nicht mehr zu sehen ist – der Spuk verzieht sich aber so schnell wie er gekommen ist, und wir finden glücklicherweise den Rückweg im Dinghi.

Rota
Unser Restaurant in Rota – Lage und Essen hervorragend

Dienstag setzt denn der angekündigte Levante ein: mit frischem Wind im Rücken geht es zurück Richtung Cádiz. Direkt gegenüber in der Bucht liegt Rota, wo wir für die Nacht einkehren und ein hervorragendes Abendessen genießen dürfen.

Der Ort hat eine hübsche Altstadt mit einem maurischen Kastell – und neuere, weniger attraktive Stadtteile, in denen sich die Pubs und Fast-Food-Restaurants für die unzähligen Bediensteten der großen US-Marinebasis direkt nebenan befinden. 

Am nächsten Morgen bleibt noch Zeit für einen Stadtrundgang bei Tageslicht, denn wir haben und keine große Entfernung vorgenommen: gerade 7 Seemeilen geht es über die Bucht von Cádiz bis

Puerto de Santa Maria
Abend in Puerto de Santa Maria

Auch dort machen wir noch einen abendlichen Stadtspaziergang und testen die örtliche Gastronomie – oder sie uns, denn ungewohnte Meeresfrüchte wie frittierte Seeanemonen erweisen sich als ein nicht unumstrittener Genuss. Ansonsten essen wir aber wieder hervorragend und lernen viele neue, leckere Speisen kennen; auch der Ort gefällt, und wie immer können wir die klimatischen Gegebenheiten kaum fassen: auch wenn es auf dem Rückweg zum Boot auf 23 Uhr zugeht, sind kurze Ärmel und Hosenbeine noch absolut angemessen …

Chipiona
Nach Sonnenuntergang in Chipiona

Donnerstag verlassen wir die Bucht von Cádiz und fahren ein Stück zurück nach Norden bis Chipiona, wobei sich endlich auch mal wieder ein paar Delfine blicken lassen. Diesmal sind wir auch früh genug da, um die Stadt noch kennenzulernen – was sich auch durchaus lohnt: die endlose Strandpromenade führt auf den recht dekorativen Leuchtturm zu (der höchste in Spanien übrigens), und in vielen Gärten blühen die prächtigsten Büsche und Bäume – schön, dass wir nochmal hier waren!

Cádiz

Freitag schließlich beenden wir unsere Rundfahrt um Cádiz mit einem letzten Schlag zurück in den Stadthafen; dabei rechnen wir mit kräftigem Gegenwind, der aber eher schwächer ausfällt, so dass wir zuletzt doch noch motoren müssen. Kurz vorm Hafen geht ein Boot des spanischen Zolls längsseits und drei schwarz gekleidete Uniformierte springen an Bord – Routinekontrolle. Man füllt einen Stapel der im Lande heißgeliebten Formulare aus und ist ansonsten sehr freundlich, so dass wir den Besuch als interessante Abwechslung betrachten können.

Am Samstag laufen wir stundenlang durch Cádiz, staunen über prächtige, weit ausladende Bäume in den Parks, hübsche Plätze und enge Straßenzüge – da der Platz für die Jahrtausende alte Stadt durch die Insellage sehr begrenzt ist, musste man halt schon früh in die Höhe bauen. Den anstrengenden aber schönen Tag beschließen wir mit abendlichem Grillen im Cockpit – und leider auch den Besuch unserer Freunde, denn die müssen am folgenden Sonntag wieder ins kalte Deutschland zurückfliegen.

Barbate

Am Montag gibt es endlich wieder Westwind in brauchbarer Stärke – diese Gelegenheit dürfen wir uns nicht entgehen lassen und laufen gleich um 9 Uhr aus dem Puerto América in Cadiz aus – gut 40 Seemeilen sind zu schaffen bis zum nächsten Hafen Barbate. Dabei segeln wir nochmal aus der Ferne an Cala del Aceite vorbei und erinnern uns gerne an unseren Badekurzurlaub dort 🙂

Cabo Trafalgar

Am Nachmittag passieren wir das berühmte Cabo Trafalgar: hier besiegte am 21. Oktober 1805 die britische Flotte unter Admiral Nelson die französisch-spanische Armada vernichtend und legte damit den Grundstein für ein gutes Jahrhundert britischer Vorherrschaft auf den Weltmeeren; Nelson selbst allerdings überlebte den Tag nicht, er erlag einer Schussverletzung.

Als wir Barbate erreichen steht die Sonne schon sehr tief; da wir auch am kommenden Dienstag früh losfahren wollen, beschließen wir die Hafengebühr zu sparen und verbringen die Nacht ankernd vorm Strand – mal wieder recht unruhig, es weht kaum Wind, aber der Schwell lässt die ‘Orion’ schaukeln.

La Línea
Afrika an Steuerbord in Sicht!

Am Dienstag den 15. Oktober gehen wir dann endlich den letzten Schlag durch die Straße von Gibraltar an. Ein leichter Westwind unterstützt unsere Fahrt, und da wir bei Niedrigwasser aufbrechen schiebt auch die Tide über den größeren Teil der Strecke mit – was bei dem zum Teil sehr starken Tidenstrom in der Straße auch dringend nötig ist.

Marina mit Aussicht: Blick von La Línea auf ‘The Rock’

Erstes Erlebnis ist, dass auf einmal an Steuerbord Land in Sicht kommt: wir können die Küste Afrikas sehen! Zunächst schemenhaft, dann immer deutlicher, und ab etwa der Höhe von Tarifa zum Greifen nahe; gleichzeitig legen Wind und Strom immer mehr zu, so dass wir am frühen Nachmittag mit 25 Knoten Wind im Rücken geradezu auf Gibraltar zufliegen. Bald kommt der charakteristische Felsen in Sicht, wir queren noch die Bucht von Gibraltar und laufen schließlich den Hafen von La Línea an, der auf der spanischen Seite direkt an der Grenze zu Gibraltar liegt.

Gibraltar

Mittwoch überqueren wir zu Fuß die direkt hinter der Marina verlaufende Grenze – und laufen nach der Passkontrolle erst mal über die Start- und Landebahn des Flughafens! Ein etwas absurdes Erlebnis, aber Platz ist in Gibraltar eben Mangelware – wenn ein Flugzeug starten oder landen will, wird eben die Rollbahn so lange abgesperrt.

Die gerade mal gut 6 Quadratkilometer große Halbinsel wurde 1704 durch einen englischen Überfall britisches Territorium; seitdem schlugen alle militärischen und diplomatischen Versuche fehl, dies wieder zu ändern. Heutzutage kann man unter europäischen Ländern zwar kaum noch mit strategischen Notwendigkeiten argumentieren, aber als Steueroase ist Gibraltar so bedeutend, dass es beim gegenwärtigen Status wohl bleiben wird.

Der Felsen von Gibraltar und einer seiner Bewohner

Der größte Teil der Fläche wird von einem gut 400 Meter aufragenden Kalksteinfelsen eingenommen, der weithin sichtbar ist und in antiker Zeit als eine der Säulen des Herakles (neben dem Dschebel Musa in Marokko) galt, die das Ende der Welt markieren. Neben dem Felsen selbst und den zahlreichen Verteidigungsbauwerken darauf und darin sind die bekannteste Attraktion die auf dem Berg lebenden Affen, die einzigen auf dem europäischen Kontinent.

Da die gesamte Bergregion zum Naturschutzgebiet erklärt wurde, muss man zur Besteigung des Felsens Eintrittsgeld bezahlen; diese Klassifizierung steht in merkwürdigem Kontrast zu der nicht enden wollenden Karawane von Mini-Vans, mit denen Touristen auf den Berg gefahren werden – wer außer uns kommt schon auf die verrückte Idee, bei der Hitze die 400 Höhenmeter zu Fuß zu ersteigen? Entsprechend erschöpft sind wir nach einigen Stunden auf dem Felsen, aber die alles andere als scheuen Affen und die spektakuläre Aussicht entlohnen uns für die Mühe!

Aussicht über Gibraltar und La Línea

 

Teil der alten Stadtmauer von Gibraltar

Am Fuße des Felsens drängen sich das alte Zentrum von Gibraltar, der umfangreiche Hafen sowie die zahlreichen Hochhäuser mit all ihren Banken und Finanzdienstleistern. Die Straßenkultur ist eine merkwürdige Mixtur aus spanischen und britischen Elementen: Tapas-Bars und Fish&Chips-Lokale wechseln sich ab. Umgangssprache ist Englisch, bezahlt wird in Pfund Sterling, gefahren aber (soweit das in Gibraltar überhaupt möglich ist) auf der rechten Straßenseite. Wir nutzen noch einen sehr positiven Aspekt des britischen Kulturraums und genießen ein tolles Abendessen in einem kleinen indischen Take-away, bevor wir uns mit letzter Kraft – wieder übers Rollfeld und durch die Passkontrollen natürlich – zurück zur ‘Orion’ schleppen.

 

 

In Galicien (05.07. – 03.09.)

Ría de Viveiro
In Viveiro

Nachdem wir uns in der Marina ausgeschlafen und mit einer Dusche die Restmüdigkeit von der Überfahrt vertrieben haben, schauen wir uns Viveiro an: ein lebendiger Ort voller Straßencafés und Geschäfte, mit kleinen, engen Gassen und großzügigen Plätzen. In der Altstadt sind die Häuser so gebaut, dass sie sich ab der ersten Etage noch verbreitern, so dass nach oben kaum noch der Himmel zu sehen ist – seinem Nachbarn gegenüber kann man wohl fast die Hand reichen. Viel Platz ist aber auch nicht, die Ortschaft ist zwischen Wasser und Felsen in den Hang gebaut.

Zufälligerweise findet an diesem Wochenende ein großes Heavy-Metal-Festival in Viveiro statt, das ‘Resurrection Fest’, zu dem deutlich mehr Besucher anreisen als die Stadt Einwohner hat, was dazu führt, dass jede Wiese im gesamten Stadtgebiet mit Zelten bedeckt ist und die vorherrschende Kleidungsfarbe im Straßenbild Schwarz ist – ein ziemlich amüsanter Kontrast zur südländischen Fischerort-Stimmung!

Der Strand von Covas mit der ‘Orion’ – der kleine weiße Punkt am Ende der Felsenkette

Am Nachmittag verlassen wir die Marina und suchen uns einen Ankerplatz vor dem Strand von Covas; Viveiro liegt in einer ausgedehnten, fjordähnlichen Flussmündung, die zahlreiche Seitenbuchten, Felsenküsten und Strände umfasst. Diese Buchten, Rías genannt, bestimmen das Landschaftsbild der galizischen Küste: an der Nordküste, also bis zum Kap Finisterre, sind es die Rías Altas, an der Westküste die Rías Baixas. Der Weg der ‘Orion’ soll entlang dieser Rías führen, denn sie bieten ein tolles Revier fürs Fahrtensegeln: für fast jede Windrichtung findet man in irgendeiner Seitenbucht sichere Ankerplätze und liegt dabei vor landschaftlich toller Kulisse.

Unser Privatstrand

Den ersten Ankerplatz finden wir gut eine Seemeile weiter vor dem Strand von Covas; etwas seitlich davon gibt es nochmal eine kleine, von Felsen abgetrennte Bucht, die vom Land aus kaum zu erreichen ist – so haben wir sogar unseren Privatstrand!

Hier kann man es aushalten; das Wetter könnte zwar endlich mal besser werden (die Sonne zeigt sich nur zwischendurch mal, meist ist der Himmel immer noch von hochnebelartigen Wolken bedeckt), doch wenigstens ist es dabei beständig über 20 Grad warm. Knapp 20 Grad hat das Wasser – könnte sich die Sonne mal durchsetzen, wäre gleich Badewetter. 

Am Sonntag dreht der Wind langsam auf Nordost, wir fahren also auf die andere Seite der Ría und lassen dort den Anker vor einem neuen Sandstrand fallen – so kann man das aushalten!

Das Ankern ist übrigens bislang ein wahres Vergnügen: anders als in Norwegen, wo Stellen mit nicht zu großer Tiefe selten sind, findet man hier quasi vor jedem Strand einen Quadratkilometer Wasser mit 4 bis 8 Metern Tiefe und einem Grund aus grobkörnigem Sand – man lässt an einer beliebigen Stelle den Anker fallen, lässt 20 bis 30 Meter Kette auslaufen und bringt den Motor auf 2000 Umdrehungen rückwärts – um festzustellen, das sich der Anker innerhalb weniger Dezimeter eingegraben hat und dann mit aller Gewalt nicht mehr weiterzuziehen ist; so kann man ruhig schlafen!

Ría de Cedeira

Nach drei Ruhetagen wollen wir dann aber am  Montag doch mal weiterziehen, vor allem da wieder frischer Nordost angesagt ist, perfekt um das Kap Estaca de Bares zu runden, den nördlichstenn Punkt der iberischen Halbinsel. Wir setzen noch am Anker das Großsegel und können ohne den Motor zu starten aus der Ría segeln – das macht Spaß!

Vor Spaniens Nordküste

Nachdem wir die Abdeckung der Berge überwunden haben, stellt sich dann auch der versprochene Wind mit guten 5 Beaufort ein; mit gut 7 Knoten rauscht die ‘Orion’ durch die Wellen. Man merkt den Unterschied zur Nordsee: die Wellen kommen uns immer etwas zu hoch für die Windstärke vor; selbst bei Nordost nehmen sie schon 300 Seemeilen Anlauf, bei Westlagen quer über den Atlantik.

Abendstimmung über dem Ankerfeld

Leider ist es mal wieder bedeckt, es regnet auch ein wenig; gegen Mittag setzt sich aber die Sonne durch, und wir genießen die sportliche Fahrt bis zur nächsten geeigneten Flussmündung, der Ría de Cedeira.  Dort findet sich vorm Strand des gleichnamigen Ortes eine ausgedehnte Bucht mit Kartentiefen zwischen 3 und 4 Metern – hier könnten 100 Yachten ankern, es sind aber kaum 10, die es mit uns tun. Der Abend bietet einen tollen Sonnenuntergang über dem Ankerfeld, dazu ein Glas Rotwein, was will man mehr …

Dienstagvormittag ist es wieder bedeckt, aber für den Nachmittag kündigen die Propheten endlich Besserung an, die auch über die nächsten Tage anhalten soll – dann bleiben wir doch erst mal eine Weile hier!

Cedeira, Strand und Seepromenade

Wir fahren mit dem Dinghi bis in die Ortsmitte von Cedeira, was nur um Hochwasser herum möglich ist, ansonsten führt der kleine Fluss nicht genug Wasser. Wir finden einen freundlichen, lebendigen Ort vor, der über einen tollen Sandstrand verfügt, aber nicht nur vom Tourismus bestimmt ist – die Einheimischen scheinen hier noch in der Überzahl zu sein. Es gibt einen Supermarkt, der uns mit frischem Brot und herrlichen Melonen aller Art versorgt – das das lokal verkaufte Obst keine Europareise überstehen muss, kann man bei der Züchtung noch Wert auf solche nebensächlichen Eigenschaften wie Geschmack legen, statt sich auf die Transportfähigkeit zu konzentrieren.

Tatsächlich setzt sich auch nachhaltig die Sonne durch, und wir fühlen uns endlich im Süden angekommen: die Temperaturen im Schatten laut Wetterbericht betragen zwar nur 22 – 24 Grad, aber die Sonne verfügt über eine ganz andere Kraft, als wir es in Norddeutschland kennen; unterm übers Cockpit gespannten Sonnensegel kann man es untätig und in Badesachen gerade aushalten, ohne ins Schwitzen zu kommen, und sich den Tag über von gekühlter Melone ernähren, bevor man am Abend, bei tief stehender Sonne, den Grill anwirft und den Tag bei lokalem Rotwein, Oliven und Käse ausklingen lässt. In der Nacht wird es noch hinreichend kalt, dass man gut schlafen kann – besser geht’s kaum. Überkommt einen doch mal der Übermut und man lässt sich auf sportliche Aktivitäten ein – wie wir es am Mittwoch mit einer mehrstündigen Wanderung über den Cedeira überragenden Bergrücken getan haben – kann man sich in dem mit 20 Grad noch recht frischen Wasser der Bucht abkühlen. Hier lässt es sich aushalten!

Ausblick über die Küste vor Cedeira

So drängt uns auch gar nichts, weiterzuziehen; das Wetter bleibt weiter perfekt, die Ría bietet vollständigen Schutz gegen Schwell, und der örtliche Supermarkt versorgt uns mit frischem Obst und Gebäck. Donnerstag müssen wir uns auch etwas von der Wanderung am Vortag erholen, Freitag sind wir wieder aktiver und fahren mit dem Dinghi zu einer einsamen Felsenbucht mit kleinem Strand, die wir seit Tagen am Cedeira gegenüberliegenden Ufer vom Boot aus anschauen.

Einsame Badebucht, im Hintergrund das Ankerfeld und Cedeira

Wir finden einen weißen Sandstrand, vom Wasser ausgewaschene Felsen und blaugrünes Wasser – einfach toll! Wir bleiben den ganzen Nachmittag, lesen im Schatten der Felsen oder laufen durch die Wellen, die an den Strand spülen.

Am Freitagabend zieht es sich aber etwas zu, und starker Wind kommt auf, in der Nacht zum Samstag werden es in Böen bis zu 8 Windstärken, die über die Ankerbucht fegen – ob da wohl der Anker hält? Er tut es, das Boot bewegt sich im Laufe der Nacht keinen Meter weiter, wie das GPS verrät.

Ría de Ares
Die Küste bei Cabo Prior

Am Samstag bleibt es aber noch sehr windig, und bewölkt ist es auch; wir warten also noch bis Sonntag, um weiterzuziehen. Wieder sind es gut 30 Seemeilen bis zur nächsten Ría, vorbei an der felsigen Küste. Wenn der Wind auch deutlich nachgelassen hat, so steht doch noch einiges an Welle von den vergangenen Tagen; bei 15 bis 20 Knoten Wind stabilisiert der Gennaker das Boot aber hinreichend, und wir erreichen zügig die Ría de Ares, wo wir vorm Strand des gleichnamigen Ortes ankern.

Ares, Seepromenade

Am nächsten Vormittag erfolgt natürlich auch der obligatorische Dinghi-Ausflug nach Ares; der Ort wirkt sehr touristisch, kein Wunder, verfügt er doch auch über einen langen, feinen Badestrand; eine sehenswerte Altstadt oder dergleichen suchen wir aber vergeblich. So bleiben wir auch nur noch bis zum nächsten Morgen und fahren ins nur 9 Seemeilen entfernte

A Coruña

A Coruña ist Hauptstadt der gleichnamigen Provinz und mit rund einer Viertelmillion Einwohnern die größte Stadt weit und breit. Ihre Geschichte reicht weit zurück: schon lange vor den Römern wurde der natürliche Hafen von Kelten und Phöniziern genutzt. Der ums Jahr 110 von den Römern erbaute Leuchtturm weist bis heute Schiffen den Weg und ist das Wahrzeichen der Stadt; sehenswert ist aber auch das Rathaus sowie die zahlreichen Kirchen und Klosteranlagen. Die Marina ist etwas zu groß für unseren Geschmack, verbreitet dafür aber den Duft nach der großen, weiten Welt: wir sehen neben unzähligen britischen, französischen, holländischen und auch ein paar deutschen Yachten auch solche aus Russland und aus Canada.

Torre de Hércules, A Coruña

Am späten Mittwochvormittag verlassen wie die Marina Coruña und fahren wieder hinaus aufs Meer; der vor uns liegende Küstenabschnitt hört auf den einladenden Namen Costa da Morte – das verschafft doch gleich Respekt …

Zunächst aber segeln wir noch direkt am Herkulesturm vorbei, dem römischen Leuchtturm, der seit bald 2000 Jahren den Weg nach A Coruña weist – beeindruckend, zumal sich aus dem Jahrtausend nach Ende des Römischen Reiches wenig findet, was heute noch steht.

Isla Sisarga, Costa da Morte

Die Küste des Todes zeigt sich uns glücklicherweise recht freundlich gesonnen – die Sonne scheint, und der Wind kommt ausnahmsweise selbst am Nachmittag mal nicht über Stärke 4 hinaus. Wenn man sich die schroffe, felsige Küstenlinie ohne irgendwelche Zufluchtsmöglichkeiten aber so anschaut, wie sie dem Atlantik ausgesetzt ist und die lange Dünung immer noch viele Meter in die Luft wirft, kann man sich leicht vorstellen, dass in alten Zeiten viele Schiffsreisen hier bei einem Nordweststurm ein fatales Ende genommen haben. Wir können uns aber am Anblick erfreuen, zumal uns wieder Delfine begleiten, und erreichen am Abend nach gut 36 Seemeilen die

Ría de Corme e Laxe

wo wir vor dem kleinen Fischerort Corme den Anker werfen. Wie vorhergesagt schläft in der Nacht der Wind vollständig ein, und das soll auch noch länger so bleiben – aber das macht nichts, hier kann man es wohl eine Weile aushalten.

Corme, Seepromenade

Der Ort hat keinen richtigen Supermarkt, nur kleine Dorfläden, in denen man aber auch ohne Sprachkenntnisse sehr nett behandelt wird und alles bekommt; es gibt eine winzige Bäckerei, die sensationell gutes Brot herstellt, eine Art rustikales Steinofenbaguette aus etwas dunklerem Mehl – ofenfrisch unwiderstehlich!

Wochenmarkt in Corme

Am Freitag ist Wochenmarkt in Corme – ein buntes Treiben, bei dem das ganze Dorf auf den Beinen zu sein scheint. Neben kleinen, gewerblichen Marktständen sitzen alte Damen auf mitgebrachten Schemeln und haben auf einer Decke die Erzeugnisse des eigenen Gartens ausgebreitet: wir kaufen Kartoffeln, Zucchini, hübsch zu Zöpfen geflochtene Zwiebeln und Knoblauch sowie prächtiges Obst, alles zu sehr günstigen Preisen. Wieder fällt die außerordentliche Freundlichkeit der Menschen auf – obwohl wir kein Wort Spanisch sprechen und die Einheimischen kein Englisch (abgesehen vom Personal in den Marinas, aber jedenfalls nicht auf dem Lande) kommen wir gut zurecht, bekommen eine Menge Dinge mit Händen und Füßen erzählt und fühlen uns sehr willkommen.

Am Cabo Roncudo

Wir wandern entlang der Küstenstraße zum Cabo Roncudo und finden großartige Ausblicke über die Ría, quasi hinter jeder neuen Kurve toller als zuvor; es ist in der Sonne gerade so warm, dass man es in Shorts, T-Shirt und Sonnenhut eben noch aushält, in der sanften Brise zu wandern ohne allzusehr ins Schwitzen zu kommen – ein ideales Klima, finden wir. Dafür bleibt das Wasser mit knapp 20 Grad immer noch frisch – was allerdings die Einheimischen nicht davon abhält, die Strände ausgiebig zu nutzen. 

Ría de Camariñas
Das Cabo Vilán

So gut es uns vor Corme auch gefällt, irgendwann muss es auch mal weitergehen, und am Sonntag stellt sich auch noch der dazu passende Wind ein: bei gewohnt blauem Himmel weht ein eher sanfter Nordnordost mit 3 – 4 Beaufort. Wir lichten den Anker, verlassen die Ría und folgen auf Westkurs weiter der Costa da Morte. Dabei passieren wir das Cabo Vilán mit seinen beeindruckenden Felsformationen; ganz in der Nähe des Kaps befindet sich der Cemiterio dos Ingleses, ein Friedhof für die 172 Toten des 1890 im Sturm auf den Klippen zerschellten britischen Marineschulschiffs HMS Serpent – ein Beispiel unter vielen, wofür sich die Costa da Morte ihren Namen verdient hat.

In Camariñas

Unter deutlich besseren Bedingungen und ohne jegliche Verluste erreichen wir nach 20 Seemeilen Camariñas, wo wir in einer großen, gleichbleibend 3 – 7 Meter tiefen Bucht den Anker fallen lassen. Für die Nacht und den folgenden Montag ist eine deutliche Zunahme des Windes vorhergesagt, und so suchen hier rund ein Dutzend Yachten Schutz – womit der Ankerplatz aber alles andere als überfüllt ist.

Der Ort weist einen umfangreicheren Fischereihafen auf; außerdem ist er berühmt für seine traditionellen Spitzenklöppelarbeiten, zahlreiche Geschäfte, ein Klöppelmuseum und ein Denkmal zeugen davon.

Am Dienstag legen wir die wohl kürzeste Tagesdistanz des Törns zurück: ganze zwei Seemeilen sind es quer über die Ría nach

Muxía

Der Fischerort hat einen großen Hafen, in dem auch eine kleine, freundliche Marina platz findet; diese steuern wir an, zum einen weil Boot und Besatzung eine Süßwasserdusche gebrauchen können, zum anderen weil wir vor hier aus einen Tagesausflug nach Santiago de Compostela machen wollen.

Aussicht über Muxía

 

Santuario da Virxe da Barca

Zunächst mal schauen wir uns aber Muxía an; anders als in Camariñas gibt es eine hübsche Altstadt, und man kann einen sehr schön angelegten Weg von der Stadt bis zur Landspitze gehen. Dort gibt es einen Hügel, der eine tolle Aussicht bietet, und die Wallfahrtskirche Santuario da Virxe da Barca; diese liegt unmittelbar an der felsigen Küste, und die Atlantikwellen, die sich an den Felsen brechen, bieten ein großartiges Schauspiel. Wenn man bedenkt, dass dabei kaum Wind wehte … Costa da Morte!

 

Santiago de Compostela
Catedral de Santiago de Compostela

Am frühen Mittwochmorgen steigen wir in Muxía in einen Bus, der uns in anderthalb Stunden knapp 100 Kilometer nach Santiago de Compostela bringt – mit 8€ pro Fahrt übrigens recht günstig. Die knapp 100.000 Einwohner zählende Stadt ist Hauptstadt Galiciens und weltbekannt als Ziel des Jacobswegs, welchem rund 200.000 Pilger jährlich bis Santiago folgen. Diese bestimmen auch das gesamte Leben der Stadt: überall sieht man Wanderer mit Rucksäcken und das Pilgersymbol, die Jakobsmuschel.

Convento de San Domingos de Bonaval

Bemerkenswert ist die Grundlage dieser knapp 1200 Jahre andauernden Pilgerei: der heilige Jakobus wurde der Überlieferung zu Folge im Jahre 44 in Palästina enthauptet; seinen Leichnam gab man in ein Boot, welches man ohne Besatzung auf die See treiben ließ. Dieses legte dann bescheidene 3000 Seemeilen bis Galicien zurück, wo es an Land trieb und man die Gebeine in der Erde bestatte – und die Grabstätte vergaß.

Santiago, Altstadt

Kurzweilige 800 Jahre später ‘entdeckte’ man die Überreste wieder und konnte sie – sicher nach eingehenden forensischen Untersuchungen – eindeutig Jakobus zuschreiben, womit der nach Rom und Jerusalem wichtigste Pilgerort des Mittelalters geboren war. Ein Schelm, wer da noch Zweifel an der Echtheit hegt …

Convento de San Francisco

Ungeachtet dessen ist die Kathedrale von Santiago ein sehr beeindruckendes und schönes Gebäude (wenn auch ihr Inneres fast vollständig mit Baugerüsten und Planen verhängt war), wie auch die ganze mittelalterliche Altstadt mit ihren engen Gassen und prachtvollen Gebäuden sehr sehenswert ist.  Wir laufen 8 Stunden kreuz und quer durch die Stadt, bevor wir – recht erschöpft, es sind knapp 30 Grad – den Bus zurück nach Muxía nehmen. In jedem Fall ein sehr lohnender Ausflug!

Am Donnerstag regnet es dann ausnahmsweise mal; wir verlassen erst am Nachmittag die Marina von Muxía und ankern 2 Seemeilen entfernt in einer fast unbebauten Bucht der Ría; das Wetter bleibt auch am Freitag noch durchwachsen, so dass wir erst am Samstag die Ría de Camariñas verlassen.

Seno de Corcubión / Fisterra
Cabo Fisterra von See

Weiter geht es nach Süden, bei blauem Himmel und kräftigem Nordnordostwind; erst passieren wir das Cabo Touriñán und eine Weile später das Cabo Fisterra oder Kap Finisterre. Beide Namen leiten sich vom lateinischen finis terrae ab, dem ‘Ende der Welt’, denn genau dafür hielt man im Altertum diesen Punkt – dahinter gibt es nur noch Wasser! Man hat sich zwar zunächst um ein paar Meter vertan, denn das nördlichere Cabo Touriñán liegt tatsächlich noch etwas westlicher, und wie sich deutlich später herausstellte ja auch noch einen ganzen Kontinent übersehen, aber ungeachtet dessen ist dies schon ein sehr bedeutender Ort.

Der Hafen von Fisterra

Wir wollen ihn uns auch näher anschauen und biegen daher in die Bucht hinter das Kap, Seno de Corcubión, ein und wollen eigentlich vor dem Ort Fisterra ankern, aber die Windabdeckung ist nicht besonders gut, und außerdem gibt es da einen langen, massiven, nagelneuen und völlig unbenutzten Schwimmponton am Fischerhafen – Fragen kostet ja nichts, denken wir uns, und legen erst mal an. Zum Fragen ist aber niemand da, die Capitanía ist unbesetzt und bleibt es auch am folgenden Sonntag – auch gut.

Cabo Fisterra von Land

Wir können also das Boot unbesorgt allein lassen und wandern hinaus zum Leuchtturm am Kap; dort ist eine ganze Menge los, denn Finisterre ist auch der eigentliche Endpunkt des Jakobsweges, viele Pilgerer hängen dieses letzte Stück noch dran, nachdem sie es bis Santiago de Compostela geschafft haben. Der Weg ist sehr schön, die Aussicht toll, und vor allem das Bewusstsein, dass Menschen genau hier seit Jahrtausenden aufs Meer schauen – wirklich ein Erlebnis!

Die Aussicht vom ‘Ende der Welt’

 

Ankern vor Sardiñeiro

In der Nacht zum Montag sind wir an unserem Liegeplatz zwar offenbar auch niemandem im Weg, aber der Lärm und Schwell, den die ablegenden Fischkutter ab 2 Uhr morgens verbreiten, ist beachtlich – da suchen wir uns doch lieber einen ruhigeren Platz, und finden ihn kaum 2 Seemeilen entfernt in der kleinen Bucht von Sardiñeiro, wo wir dicht am Strand ankern und einen entspannten Tag bei Flaute und Sonne verbringen. Auch den Ort schauen wir uns noch an, dieser besteht aber nur aus einigen Häusern an der Straße nach Fisterra; immerhin eine Bäckerei gibt es.

Ría de Muros e Noia

Dienstagmittag kommt langsam wieder Wind auf, und wir machen uns wieder auf den Weg; Ziel ist die Ría de Muros e Noia, welche zu den Rías Baixas zählt – wir haben damit die Costa da Morte überwunden, von nun an finden sich wieder tief ins Land eingeschnittene Buchten, welche Schutz vor dem Atlantikwetter bieten.

Unsere Eskorte

Das Wetter ist prächtig, der Wind eher mäßig – laues Segeln. Zu unserer großen Freude hat auch eine größere Gruppe Delfine ihren lauen Tag – obwohl wir eigentlich viel zu langsam für sie unterwegs sind, begleiten sie uns über Stunden, springen dicht vor dem Bug durch die Welle, versuchen gleich zu mehreren zwischen Boot und mitgeschlepptem Schlauchboot mitzuschwimmen … einfach nur schön dabei zuzuschauen!

In Muros, alte Markthalle

Am Dienstagabend ankern wir erst mal vor Muros, beschließen dann aber am Mittwochmorgen für einen Tag in die Marina zu fahren – mal ordentlich die Batterien laden, duschen, Wasser bunkern, einkaufen, das übliche Programm … aber der Besuch lohnt sich auch um des Ortes selbst willen: Muros hat noch eine richtige Altstadt mit verwinkelten, schmalen Gassen und alten Häusern – eine erfreuliche Ausnahme, ansonsten zeichnen sich selbst die kleineren Orte ja gerne mal durch mehrstöckige 70er-Jahre-Architektur aus.

Donnerstagmittag verlassen wir die Marina wieder, aber nur um knapp 2 Seemeilen nordöstlich von Muros in der Ensenada de Bornalle wieder den Anker zu werfen – nach über 24 Stunden in der ‘Stadt’ brauchen wir erst mal einen Ruhetag vorm Strand 😉   

Noia, Iglesia de San Martin …

Freitag sind wir dann wieder etwas aktiver: wir legen erst mal volle 6 Seemeilen bis vor den Ort Freixos zurück, ankern dort die ‘Orion’ in schon recht flachem Wasser, und fahren dann noch eine Stunde mit dem Dinghi den immer flacher werdenden Rio Tambre hoch bis zur kleinen Stadt Noia.

… und Altstadtansicht

Diese war früher mal als Hafenstadt von einiger Bedeutung, kann aber inzwischen durch die immer mehr verschlickende Zufahrt nicht mehr angelaufen werden. Viele der Gebäude aus den ‘besseren Zeiten’ haben sich aber erhalten, so dass der Spaziergang durch die Altstadt Noias sehr lohnend ist.

Inzwischen ist etwas mehr Wind als vorhergesagt aufgekommen, so dass die Rückfahrt mit dem Dinghi zu einer sehr feuchten Angelegenheit gerät … aber bei 28 Grad muss man wenigstens nicht frieren.

Ankern vor der Isla de Creba

Die Nacht verbringen wir noch vor Freixos, ansonsten scheint der Ort von See aus gesehen aber nicht viel zu bieten zu haben, und so fahren wir am Samstag gleich nach dem Frühstück 2 Seemeilen zurück bis zur Isla de Creba; hinter dieser kleinen Insel haben wir am Vortag auf dem Weg nach Freixos einen sehr hübschen Ankerplatz erspäht, und genau da wollen wir den perfekt warmen und sonnigen Samstag verbringen – wieder sind knapp 30 Grad angesagt, kaum Wind, und keine Wolke am Himmel.

Ría de Arousa
Passage durch den Canal de Sagres

Sonntagmittag verlassen wir den Ankerplatz – es ist etwas Nordwest aufgekommen, und der soll uns in die nächste Ría bringen. Der Wind ist eher schwach, aber das ist auch ganz gut so: in der Einfahrt liegt der Archipiélago de Sálvora, eine Menge kleiner Inseln und Felsen, deren nördliche Umgehung nur bei ruhigem Wetter möglich ist. In Norwegen war es ja nicht ungewöhnlich, auf ein paar Meter ans Land heranzufahren, hier aber fühlt sich die enge Passage ungewohnt an – und gut markiert ist sie auch nicht gerade. Aber Dank der GPS-Navigation ja alles kein Problem mehr, wir kommen also gut in die Ría de Arousa und ankern vorm Strand von Ribeira .

Vor Ribeira – Ankern, wo andere Urlaub machen

Montag ist es flautig, aber noch schönes Wetter; wir besuchen den Ort – der aber außer den üblichen Einrichtungen für den Badetourismus nicht viel hergibt, aber hervorragende Einkaufsmöglichkeiten bietet – und genießen ansonsten das Nichtstun, während wir den Urlaubern am Badestrand bei deren Nichtstun zuschauen. Mit uns ankern noch ein paar internationale Yachten und tun das gleiche … extrem chillig!

Regenwetter über Puerto de Cabo de Cruz

Ab Dienstag verschlechtert sich das Wetter, zunächst noch bei wenig Wind, aber für Mittwoch/Donnerstag ist der Durchzug eines Sturmfront angesagt. Rechtzeitig dazu verholen wir uns Mittwochmorgen in die Marina von Cabo de Cruz. Der Ort ist winzig, aber mit €22 pro Tag liegen wir hier recht günstig und können den ganzen Donnerstag zuschauen und -hören, wie der Regen aufs Deck prasselt und Böen bis 40 Knoten am Rigg zerren – schlechtes Wetter gibt es hier also tatsächlich auch mal! 

Playa Lobeira Grande, Cabo de Cruz

Am Freitag ist das Schlimmste überstanden, es drohen aber immer noch Schauer, und der Südwest erreicht noch seine 20 Knoten; wir verlassen die Marina, umrunden das Cabo de Cruz und finden eine schöne Ankermöglichkeit gleich auf der Ostseite der Halbinsel, geschützt gegen alle westlichen Winde. Hier gefällt es uns gut, es gibt kaum Bebauung, üppiges Grün und einen tollen Strand – ein guter Ort, um hier ganz chillig das Wochenende zu verbringen, es gibt eh kaum Wind zum Segeln (der hat wohl in den Tagen zuvor seine ganze Kraft verausgabt).

In Rianxo

Auch zum Beginn der neuen Woche bleibt das zunächst so; für die Nacht auf Dienstag ist aber kräftigerer Nordost angesagt, da wird unser Strand schnell zu Legerwall … aber in dieser Ría ist der nächste Windschutz nie weit, wir fahren knappe drei Seemeilen nach Nordost und ankern vorm Badestrand von Rianxo. Um den Ort anzuschauen und auch die Frischvorräte zu ergänzen, landen wir mit dem Dinghi am Strand an und laufen in den Ort; allzuviel zu sehen gibt es nicht, aber Rianxo hat einige nette Gassen und Plätze, und vor allem … einen riesengroßen Supermarkt!

Abendstimmung über der Ría de Arousa

Dienstag und Mittwoch bleibt es flautig – und sonnig, natürlich. Wir bleiben einfach vor unserem Strand liegen und lassen es uns gut gehen: dem Treiben am Strand zuschauen, lesen, am Abend grillen und den Abendhimmel betrachten.

Am Donnerstag ist dann aber mal Wind angesagt – Zeit, eine Ría weiterzuziehen! Wir holen nach dem Frühstück den Anker auf und kommen zunächst ganz gut voran, bis uns vor der Illa de Arousa die Mittagsflaute erwischt – und das gründlich: von 12 bis 15 Uhr legen wir kaum einen Meter zurück, zuletzt fahren wir wegen des einsetzenden Flutstroms sogar rückwärts … aber Geduld hilft, auf den Nachmittagswind ist Verlass, und um 17 Uhr rauschen wir mit fast 7 Knoten Fahrt nach Süden. Ein großes Regattafeld kommt uns entgegen, um die 50 Boote zeigen hoch am Wind vollen Einsatz – alle auf Steuerbordbug. So sind wir – auf Backbordbug – eine Stunde gut beschäftigt, unseren Weg so zu legen, dass wir niemanden zum Ausweichen nötigen – wir haben’s ja nicht eilig 😉

Ría de Pontevedra
Halligalli in Sanxenxo …

Gegen 19 Uhr erreichen wir unser Ziel, die Ría de Pontevedra – und erleben erst mal eine Überraschung: dass die südlicheren Rìas belebter seien als die der Nordküste hatten wir ja gelesen und in der Ría de Arousa war auch etwas mehr los, aber das hier spottet jeder Beschreibung: die Küste zwischen Portonovo und Sanxenxo ist mit einer durchgehenden Front vielstöckiger Hotels zugebaut, der Strand vor Menschen und Sonnenschirmen kaum zu sehen; außerhalb der Absperrung des Schwimmbereichs ankern Dutzende Segel- und Motorboote, fahren unzählige Tretboote kreuz und quer, dazwischen paddeln, schwimmen, surfen Menschen … einige fallen sogar an Paraglidern vom Himmel. Und mitten durch dieses Chaos schiebt sich auch noch gemächlich ein riesiger grauer  Kreuzer der Guardia Civil – ob die die Stand-Up-Paddler auf Einhaltung der Ausweichregeln prüfen? Wir sind jedenfalls schwer beeindruckt, suchen uns ein Ankerplätzchen zwischen drei Motorbooten – im Vertrauen darauf, dass diese nicht über Nacht bleiben – und betrachten staunend das Treiben … 

… und Rummel in Portonovo

Den Freitag verbringen wir bei Flaute und Sonnenschein vor dieser Kulisse – nicht wirklich schön, aber irgendwie interessant, das Treiben so aus der See-Perspektive zu betrachten; Samstag kommt aber Südwind auf, da wollen wir lieber in den Hafen des Club Nautico von Portonovo – wo wir allerdings erst mal einige Stunden warten müssen, bis ein Platz frei wird! Ansonsten ist es hier eher noch unruhiger als vorm benachbarten Strand – direkt am Hafen ist eine große Kirmes aufgebaut, und es gibt Party-Musik bis in den frühen Morgen – und Böller natürlich! Uns war das vorher nicht bekannt, aber wenigstens der Nordwestspanier böllert für sein Leben gerne: praktisch täglich zündet jedes Dorf ein minutenlanges Tagfeuerwerk – nix zu sehen, nur schön laut muss es sein! Skurril …

In Combarro

Sonntagmittag nutzen wir den Nordwestwind und lassen und tiefer in die Ría treiben … keine 7 Seemeilen sind es bis Combarro, und doch liegen Welten dazwischen – der kleine Fischerort ist zwar auch in jeder Hinsicht touristisch, jedoch setzt man hier wohl auf eine völlig andere Zielgruppe: die kleinen, alten Granitsteinhäuser sind restauriert worden, in den zum Teil sehr engen Gassen gibt es unzählige kleine Läden, und an der dem Meer zugewandten Seite reiht sich ein Restaurant an das andere, überall duften Fisch und Meeresfrüchte auf den Grills.

Hórreos

Klar, mit Authentizität braucht man hier nicht zu kommen, die T-Shirts mit galizisch-keltischen Motiven sind sicher alle made in China …aber dennoch sind die alten Häuser und Getreidespeicher – die hórreos – einfach schön anzusehen, überall leuchten Blumen und der Duft lässt einem das Wasser im Munde zusammenlaufen – wir finden’s hier um Welten besser als Beton-Badeparadies weiter westlich.

Ankern vor Combarro

Das Wetter in dieser Woche erreicht neue Wärmerekorde: täglich steigen die Temperaturen bis über 30 Grad, 13 Stunden steht die Sonne am wolkenlosen Himmel; Wind gibt es auch kaum noch – aber das macht nichts, denn Combarro ist der richtige Ort, um ein paar Tage zu verweilen. Der Ankerplatz direkt vor der historischen Altstadt ist perfekt – und seltsamerweise gehört er uns allein; der Stadthafen hat auch eine Marina (mit 40 € pro Nacht nicht gerade billig) , wo einiges Kommen und Gehen herrscht, aber ankern mag hier außer uns wohl niemand – uns soll’s recht sein.

Üppige Blütenpracht überall – ob’s wohl was mit der Sonne zu tun hat?

So bleiben wir bis zum Freitag, machen noch den ein oder anderen Ausflug in die idyllische Altstadt (die auch eine Quergasse ab von den Souvenierläden überhaupt nicht mehr überfüllt ist) – und wären wahrscheinlich noch länger geblieben, wenn nicht vor dem Hafen (also einen Steinwurf von unserem Ankerplatz entfernt) eine riesige Bühne mit himmelhohen Lautsprechertürmen für ein Festival am Wochenende aufgebaut worden wäre, beim Soundcheck am Donnerstag zitterte schon das ganze Boot. So haben wir uns dann vor die kaum 2 Seemeilen entfernte Isla Tomba verholt – von dort war der Musik am Abend immer noch gut zu folgen 😉

Auch der neue Ankerplatz gefällt uns – die Insel darf zwar nicht betreten werden, da sie Übungsgelände der nahegelegenen Marineakademie ist, daher ist sie aber auch völlig naturbelassen und unbebaut, man schaut auf dichten grünen Wald und weißen Sandstrand. So bleiben wir gerne nochmal bis Sonntag, dann soll es nämlich endlich wieder Wind geben.

Ría de Vigo

So setzen wir also frohen Sinnes am Sonntagmorgen die Segel und lichten den Anker – um nach kaum einer Stunde, noch in Sichtweite der Insel,  in totaler Flaute einzuparken. Okay, der Wind war ja für die See vor der Ría angesagt, motoren wir also bis dahin … und tatsächlich stoppen wir nach einer Stunde den Motor wieder, denn der Wind erreicht fünf Knoten, in Böen auch sechs. Aber von einem Trend kann keine Rede sein – nach 10 Minuten ist es wieder vorbei; doch man soll ja Geduld haben, und siehe da, nach einer halben Stunde kommt wieder ein Windfeld und bringt für einen Augenblick acht Knoten Wind – um genausoschnell wieder einzuschlafen. Das Spiel wiederholen wir für gut vier Stunden und legen dabei etwa zwei Seemeilen zurück – hauptächlich Dank des Ebbstroms, der aus der Ría setzt. Da für den Nachmittag und genau dieses Stück Wasser 15 bis 20 Knoten angesagt sind, dauert es recht lange bis wir aufgeben – und die restlichen 16 Seemeilen bis in die Ría de Vigo motoren. Dort finden wir am Abend noch einen Platz im traditionsreichen Real Club Náutico de Vigo.

Vigo, Altstadt

Montag schauen wir uns Vigo an; die größte Stadt Galiciens hat seit ihrer Gründung durch die Römer viel erlebt – vor allem Überfälle, Plünderungen und Zerstörungen durch so ziemlich jeden, der vorbeigekommen ist – und hat als große Hafenstadt ihren eigenen Charme. Die spätmittelalterliche Stadtbefestigung hat man zwar dummerweise im 19. Jahrhundert abgerissen um Platz für Erweiterungen zu schaffen, aber die Altstadt weist noch viele verwinkelte Sträßchen und tolle Gebäude auf.

Jules Verne war auch mal hier

Am Hafen erinnern Skulpturen an die zahlreichen Emigranten, die vor allem zur Zeit des Bürgerkrieges ihr Land verlassen mussten; außerdem informiert eine Ausstellung über die Bedeutung Vigos in den Zeiten der Telegaphie: hier endeten die ersten transatlantischen Telegraphenkabel, und die  – britischen und deutschen – Betreibergesellschaften unterhielten große Niederlassungen. Über Jahrzehnte führte jede Kommunikation Europas mit Übersee über – Vigo.

Wir fühlen uns recht wohl und laufen stundenlang durch die Stadt, bis wir am späten Nachmittag den Hafen verlassen und uns einen Ankerplatz in der Nähe suchen. Den finden wir zunächst mal direkt gegenüber vorm Strand von Moaña, da aber erst mal tagelang Flaute angesagt ist und wir noch ein wenig mehr von der Ría sehen wollen, verholen wir uns am Mittwoch in die Ensenada de San Simón, eine ausgedehnte, flache Bucht am Ende der Ría, und ankern direkt vor der gleichnamigen Insel.

Ankerplatz vor der Isla de San Simón

Auf dieser stand vor langer Zeit einmal ein Kloster, später wurde sie als Hospital, Waisenhaus und schließlich während der Franco-Diktatur als Konzentrationslager genutzt; heute beherbergt sie ein Dokumentations- und Begegnungszentrum. Um dieses anschauen zu dürfen, müssten wir allerdings mit der ‘Orion’ aus der Bucht heraus in den nächsten Hafen fahren, um uns von dort mit einem Ausflugsboot wieder zurück bringen zu lassen – etwas umständlich, wenn man 50 Meter vom Ufer entfernt ankert, doch der direkte Zutritt wird uns leider verwehrt. Später taucht dann auch noch ein Filmteam auf, denen wir im Weg sind – schade, der Ausblick vom Boot auf die waldige Insel war wirklich besonders schön!

Ankerbucht vor Moaña

Einen alternativen Ankerplatz in der Ensenada de San Simón finden wir vorm Ort Cobres; hier liegt man nicht schlecht, aber mit dem Platz vor der Insel kann die Aussicht nicht mithalten. Am Samstag verlassen wir daher die Bucht und fahren zurück nach Moaña, denn fürs Wochenende ist starker Wind aus Nordnordost angesagt, und da bietet die Ensenada de San Simón nicht den rechten Schutz. Eigentlich wollten wir am Sonntag für eine Nacht auch in die Marina, aber dort teilt man uns über Funk recht unfreundlich mit, dass die Marina voll sei – obwohl wir ein halbes Dutzend freie Liegeplätze sehen können, die auch über Nacht nicht besetzt werden.

Blick von Cangas über die Ría auf Vigo

Okay, dann eben in den Nachbarort: in der Marina Cangas empfängt man uns freundlich, das Wasser für die Duschen ist ausnahmsweise mal warm, und Landstrom zum Batterieladen gibt’s auch. Der Ort ist wenig spektakulär, aber es gibt gute Einkaufsmöglichkeiten, alles in allem sind wir zufrieden.

Denkmal am Hafen von Baiona

Dienstagmittag verlassen wir den Hafen und steuern unser letztes Ziel in Galicien an, die Stadt Baiona. Sie erlangte ihren Platz in der Geschichtsschreibung, als hier im März 1493 die ‘Pinta’ auf dem Rückweg von Kolumbus erster Amerikareise anlandete – von Baiona ging also die Nachricht um die Welt, dass es einen neuen Kontinent gibt. Heute ist es ein tourismusorientierter Ort mit schönen Stränden und einladenden Restaurants in den Gassen der Altstadt.

Wir ankern vor dem Stadtufer und verbringen hier bei Flaute und Sonnenschein unseren letzten Abend in Galicien – für Mittwoch ist Nordwind angekündigt, und da soll es Richtung Portugal gehen. Wir verlassen die Gegend ungern – fast zwei Monate haben wir uns Zeit gelassen, den relativ kurzen Küstenabschnitt kennenzulernen, und in dieser Zeit haben wir das entspannte Segeln, das tolle Wetter und die freundlichen Menschen hier sehr zu schätzen gelernt.

Blick von Baiona über die Islas Cies und das Castelo de Monte Real

 

 

Über die Biskaya (29.06. – 04.07.)

Am Sonntag den 29. Juni verlassen wir gegen Mittag den Hafen von Falmouth – da wir ja an einer Muringboje liegen und der Wind günstig steht, ganz stilvoll ohne Zuhilfenahme des Motors nur unter Segeln, wie es sich für diesen Weltumseglerhafen gehört! Das Wetter ist zumehmend freundlich, es weht ein mäßiger Nordwest, und die ‘Orion’ macht gute Fahrt unter Vollzeug. Recht bald beibt Lizard Point hinter uns, der südlichste Punkt Großbrittaniens, und vor uns liegen gut 100 Seemeilen offenes Wasser.

Der Wind lässt zum Abend hin nach, bleibt uns aber bei rund 10 Knoten Stärke erhalten – nicht genug für aufregende Geschwindigkeiten, aber in Verbindung mit der recht glatten See sorgt das für eine so ruhige und gleichbleibende Lage des Bootes, dass in der Nacht sogar mal an Schlaf zu denken ist. Aber auch die Wache ist nicht langweilig: der inzwischen komplett klare Himmel bietet einen Blick aufs Firmament, wie man ihn an Land mit all den Lichtern der Umgebung nie zu sehen bekommt – die Milchstraße scheint so nah und plastisch, einfach toll! Und zur Krönung kommen auch noch Delfine zu Besuch – auf einmal hört man das laute Ausatmen noch bevor man sie sieht, und dann schnellen ein gutes Dutzend der anmutigen Tiere durch unsere Bugwelle, scheinen fasziniert von dem intensiven roten und grünen Licht, welches die Positionsleuchten auf das Wasser werfen, und begleiten unsere Fahrt einige Minuten.

Cap de la Chèvre

Am Sonntagmittag kommt Land in Sicht, die bretonische Küste; vorgelagert liegt die Île d’Ouessant, und zwischen dieser und dem Festland befindet sich die Meerenge des Chenal du Four. Nicht überraschenderweise gibt es auch hier wieder starke Gezeitenströme zu berücksichtigen: gegen 16 Uhr, mit Hochwasser Brest, soll der Strom anfangen, gen Süden zu setzen. Wir sind pünktlich da, und freuen uns über 3 Knoten zusätzliche Geschwindigkeit auf dem Weg Richtung Brest.

Abendstimmung vor Morgat

Dieses lassen wir dann jedoch links liegen, unser Ziel ist der kleine Hafen von Morgat auf der Crozon-Halbinsel; diesen erreichen wir gegen 21:30 am Abend, nach 136 zurückgelegten Seemeilen. Wir übernachten an einer Muringboje vor dem feinen Sandstrand und genießen das Abendlicht auf den Felsen.

Gleich am nächsten Morgen verholen wir uns in den Hafen, der einen Schwimmsteg für Gäste aufweist; als erstes gibt es ein frisches Baguette vom örtlichen Bäcker – wenn eines in England gefehlt hat, dann das!

In Crozon

Später wandern wir in den Hauptort Crozon, um Einkäufe zu erledigen; ein netter kleiner Ort mit bretonischem Flair. Am Nachmittag wird die ‘Orion’ auf die nächste Passage vorbereitet, die Überquerung der Biskaya selbst: Wasser wird aufgefüllt, alles seefest verstaut, und auch das Schlauchboot wird zusammengefaltet, denn es ist durchaus mit etwas ruppigeren Bedingungen zu rechnen. Der Wetterbericht für die nächsten drei Tage verspricht kräftigen Nordostwind der Stärke 5 bis 6, in Böen bis 7. Mal wieder hätten wir auch eine Windstärke weniger genommen, aber stabiler Nordost ist für die Querung der Biskaya einfach perfekt, das kann man sich nicht entgehen lassen – berüchtigt ist das Seegebiet ja vor allem wegen der extremen Wellenhöhen, die enstehen, wenn die Atlantikdünung aus Südwest gegen den aus mehreren 1000 Meter tiefem Wasser schlagartig aufsteigenden Festlandsockel prallt, und das ist bei Nordostwind kein Problem. Also, da müssen wir wohl durch …

Die bretonische Küste bleibt hinter uns zurück

So stehen wir also am Dienstag den 2. früh auf, holen noch eine Wettervorhersage und ein frisches Baguette ein, und verlassen dann den Hafen von Morgat mit Kurs Südsüdwest … wobei, während des ganzen Vormittags führt der Weg erst mal nur nach Westen, man muss nämlich an der Île de Sein und den vorgelagerten Felsen vorbei, bevor man nach Süden abbiegen kann. Der Wind kommt dabei zunächst mäßig aus Nord, frischt aber langsam auf; als wir am späten Mittag den Kurs ändern können, wechseln wir vom Vollzeug auf die beidseits ausgebaumten Vorsegel, um mit dieser ‘Passatbesegelung’ vor dem Wind in die Biskaya zu fahren.

Abendliche Begegnung mit der Juan Sebastián de Elcano

Der Wind legt auch tatsächlich zum Abend immer mehr zu, so dass wir gute Geschwindigkeiten um die 7 Knoten laufen; da die Wellen auch Höhen von 2-3 Metern erreicht haben und in sehr kurzer Folge auf das Heck gelaufen kommen, rollt die ‘Orion’ allerdings ganz erbärmlich dabei. An Schlaf ist in der ersten Nacht nicht zu denken …

Eine Abwechslung stellt nach Sonnenuntergang die Begegnung mit der ‘Juan Sebastián de Elcano’ dar, dem Segelschulschiff der spanischen Marine – dem einzigen anderen Schiff im Umkreis von hundert Meilen, und wir müssen noch den Kurs korrigieren, um nicht zusammenzustoßen … phänomenal.

Zum Morgen hin nimmt der Wind deutlich ab; wir halten dies für einen vorübergehenden Effekt, da die GRIB-Daten für den ganzen Tag konstante 6 Beaufort aus Nordnordost versprechen, und unternehmen erst mal … nichts. Die ‘Orion’ rollt munter in den immer noch beachtlichen Wellen, und fährt immer langsamer, da der Wind fehlt. Am Nachmittag wird es immer schlimmer, es braucht dringend mehr Tuch … doch selbst die aktuellen Vorhersagen per NAVTEX kündigen immer noch 6 bis 7 Windstärken mit Böen bis Stärke 9 für die Nacht an – will man da mit Vollzeug reinfahren? Es beginnt also ein beispielloses Segelwechsel-Training: Vorsegelbäume bergen, Groß mit Bullenstander setzen; der Wind legt zu, Groß reffen; der Wind nimmt wieder ab, Groß ausreffen; der Wind kommt zurück, Groß wieder reffen; er lässt wieder nach, ausreffen und Klüver wieder ausbaumen. Nach einigen Stunden unterhaltsamer Bordgymnastik (nicht zu vergessen, das Boot rollt bei all dem wie wild!) zwischen Sorge vor dem Sturm und Kampf mit der Flaute weiß die jüngste NAVTEX-Vorhersage nichts mehr von 9er Böen … also, Klüver ausgebaumt, zur Sicherheit ein Reff ins Groß und Bullenstander gesetzt (alles unter heftigen Verwünschungen auf alle Wetterpropheten dieser Welt, versteht sich), und dabei bleibt es jetzt für die Nacht, komme da was wolle!

Die galizische Küste empfängt uns nebelverhangen

Und es kommt tatsächlich, aber nicht mehr, als die sehr stabile ‘Orion’ verkraften kann; bis 25 Knoten steigt der mittlere Wind, eine gute Stärke 6, und das Boot rauscht auf raumem Kurs nur so durch die Nacht; zum Morgen wird es aber schon wieder weniger, und nach Sonnenaufgang schütteln wir das Reff aus dem Großsegel und fahren den Rest des Tages mit angenehmen Kurs zum Wind und guter Geschwindigkeit weiter. Erst am späten Nachmittag verlässt uns der Wind dann ganz, so dass wir die letzten zwei Stunden motoren müssen. Als endlich Land in Sicht kommt, meinen wir uns verfahren zu haben: grüne Wälder über schroffen Felsen, alles in Regen und Nebel verhangen: sind wir etwa in Norwegen gelandet? Aber gegen 19 Uhr erreichen wir den Hafen von Viveiro in der gleichnamigen Ría, wo wir nach 325 Seemeilen und 59 Stunden festmachen und feststellen: wir sind in Spanien!