Mitte September, das Unvermeidliche rückt näher … solange man noch auf gutes Wetter für die Überfahrt hoffen darf, wollen wir die nächste Gelegenheit nutzen, die Nordsee zu überqueren.
Am Donnerstag den 14. laufen wir aus Ystabøhamn mit Kurs Süd aus; für die kommenden Tage hat sich ein umfangreiches Hoch angesagt, welches sich langsam an Skandinavien heranschiebt und für Nordwind sorgt. Der fällt dann etwas stärker aus als erwartet: mit 6 Windstärken geht es schon los, später werden 7 daraus, in den Böen auch 8 … etwas unheimlich ist uns zumute, aber die ‘Orion’ lässt sich nicht beeindrucken und fährt mit 7 Knoten vor dem Wind.
So fliegen die Meilen nur so vorbei, und schon am frühen Nachmittag erreichen wir die angepeilte Ankerbucht in der Nähe von Egersund, immerhin 46 Seemeilen haben wir in gut 7 Stunden zurückgelegt. Dort erwartet uns eine Überraschung: die zu einem Naturerholungsgebiet gehörende Bucht verfügt nicht nur über ausgezeichnete Steganlagen, sondern auch über eine Grillhütte mit Kaminofen und stapelweise Brennholz! So können wir den Abend bei Kaminfeuer ausklingen lassen …
Am nächsten Tag geht’s weiter, diesmal mit etwas weniger Wind, dafür aber endlich strahlendem Sonnenschein. Stundenlang segeln wir dicht unter Land und lassen die Küste an uns vorbeiziehen. Anders als weiter im Norden fehlen hier die Einschnitte ins Land völlig, eine steile, unzugängliche Küste bietet keinen Hafen über viele Seemeilen.
Wir kommen wieder gut voran und laufen am frühen Nachmittag Kirkehamn an. Die namensgebende Kirche leuchtet schon von weitem, und der kleine Ort erweist sich als sehr hübsch und in leuchtend grüne Hügel eingebettet. Ein rundum gelungener Tag, die Ernüchterung kommt aber beim Aktualisieren der Wettervorhersagen: so wie es aussieht, halten die nördlichen Winde noch genau drei Tage an – kommt so eine Gelegenheit noch einmal? Wir haben eigentlich gar keine Lust so plötzlich Abschied zu nehmen, bereiten aber schon mal alles für den Aufbruch vor – und lassen den womöglich letzten Abend in Norwegen mit einem kleinen Grillfest ausklingen …
Am Samstagmorgen holen wir uns per Internet nochmal aktualisierte Wetterdaten als GRIB-Datei und laden sie in den Routenplaner, und es bestätigt sich: wir sollten losfahren. Also verlassen wir gegen 10:30 Kirkehamn und richten den Bug gen Süden!
Den Vorhersagen nach sollte es eher zu wenig Wind geben als zu viel, und so sind wir recht erstaunt, als es immer mehr auffrischt und gegen Mittag mit 5 bis 6 Beaufort aus Südost bläst – das war nicht bestellt! Gegen Abend lässt der Wind aber etwas nach und kommt auch östlicher, so dass wir die Nacht und den ganzen Sonntag über entspannt mit halbem Wind segeln und so zwischen 5 und 6 Knoten Fahrt machen können. So darf es bleiben!
Tut es aber natürlich nicht: statt der angesagten Winddrehung über Nord auf Nordwest flaut der Wind am späten Sonntagabend aber ab und kommt immer südlicher; die Wetterfaxe verraten, dass sich ein kleines Tief in der Deutschen Bucht festgesetzt hat und einfach nicht von der Stelle will. So müssen wir also doch noch den Motor starten und die letzten 20 Stunden gegen Wind und Welle stampfen … zu früh gefreut!
Abgesehen davon verläuft die Überfahrt aber problemlos, und so erreichen wir am Montagabend nach 59 Stunden und 307 Seemeilen Borkum – für die nicht gerade auf Höchstgeschwindigkeit ausgelegte ‘Orion’ eine ziemlich gute Zeit! Damit fehlt nur noch das letzte Stückchen Ems, aber das hat noch einen Tag Zeit – am Dienstag ist erst mal ausschlafen angesagt …
Mittwochmorgen in aller Frühe (nein, die Tidenabhängigkeit haben wir nicht vermisst!) geht es dann aber bei gemütlichem Nieselregen in die Ems; der Wind bläst erst recht kräftig, lässt aber schnell nach, und so erreichen wir gegen 14:30 Papenburg – nach 89 Tagen und 1569 Seemeilen!
Am 2. September verlassen wir Utsira bei zunächst recht schwachem Wind; nach einer guten Stunde stoppen wir mal versuchsweise den Motor und probieren unter Gennaker zu segeln, und siehe da, die Mühe wird belohnt: der Wind wird nach und nach immer stärker, die Sonne strahlt vom Himmel, und als wir die Südspitze von Karmøy erreicht haben rauscht die ‘Orion’ mit über 6 Knoten durchs Wasser. Das macht so viel Spaß, dass wir an der Insel Kvitsøy, die mitten im Eingang des Boknafjordes liegt und ursprünglich als Tagesziel vorgesehen war, vorbeifahren und noch bis Mosterøy weitersegeln. Dort angekommen, bleibt nur noch der prächtige Abendhimmel bei einem Glas Wein zu genießen … so könnte es immer sein!
Am nächsten Tag ist es zwar schon deutlich bewölkter, aber die Sonne schaut doch immer mal hervor, und so bietet es sich noch an die Insel zu Fuß zu erkunden: einerseits gibt es hier das Kloster Utstein aus dem 13. Jahrhundert anzusehen, andererseits den Inselberg Mastravarden zu besteigen. Dieser ist zwar nur 152 Meter hoch, bietet aber einen hervorragenden Ausblick über die umgebenden Inseln.
Die Struktur der Landschaft ist hier anders als am Hardanger- oder Sognefjord: statt eines langen, tief ins Land schneidenden Fjords mit zahlreichen Seitenarmen gibt es einige kleinere Fjorde, die in alle Richtungen ins Land ragen, und davor eine Unmenge von Inseln. Der Sammelname für die Gegend ist Ryfylkefjordane, der bekannteste – und längste – Ausläufer der Lysefjord.
Weiter geht’s in eine neue Ankerbucht auf der Insel Talgje; diese ist unter Einheimischen als die ‘Blaue Lagune’ bekannt und in der Saison beliebtes Ziel für unzählige Bootsausflügler. Anfang September ist die Saison hier aber schon vorbei, und so haben wir die Bucht am Montag bei schönstem Bade- und Grillwetter für uns allein.
Dienstag hat die Schönwetterperiode aber wohl ein vorläufiges Ende: es regnet 24 Stunden ohne die geringste Unterbrechung, so dass wir erst am Mittwoch weiterziehen, zum gerade mal 10 Seemeilen südlicher gelegenen Rossøysund. Auch dies ein im Sommer beliebtes Naturerholungsgebiet, wovon die umfangreichen Steganlagen zeugen; auch hier ist aber kein anderes Boot zu sehen, und das Wetter wird am Nachmittag sogar noch viel sonniger als vorhergesagt.
Sylsøy/Rossøysund: strahlende Sonne …
… und Bilderbuchlandschaft
Am Donnerstag kommt der angesagte Regen dann aber wirklich, und daran soll sich auch am Freitag nichts ändern; es bietet sich an, den in der Nähe gelegenen Hafen von Tau aufzusuchen, um mit Landstromversorgung auf Wetterbesserung zu warten …
Diese kommt am Samstag tatsächlich, und wir fahren mit dem Bus eine halbe Stunde ins Inland, um zum Preikestolen zu wandern. Dieses Felsplateau 600 Meter über dem Lysefjord ist wohl eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Norwegens, und dementsprechend ist schon der Bus – obwohl die Saison sich sehr dem Ende entgegenneigt – gut gefüllt. Am Endpunkt der Fahrt kommen noch unzählige, per PKW angereiste Touristen dazu, so dass wir die Wanderung zum Preikestolen (ganze 4 Kilometer) in einer Art langen Warteschlange absolvieren; so viele Menschen haben wir hier – außer in Bergen – nie gesehen! Glücklicherweise muss man aber nur ein paar Meter vom Weg abweichen, und man ist wieder allein …
Auch die Umgebung …
… kann sich sehen lassen
Schönwetterperioden sind ja in Norwegen meist nicht lang, also regnet es die nächsten zwei Tage wieder; dennoch nutzen wir am Montag ein Wetterfenster und fahren quer über den Fjord bis Langøy, einem kleinen Inselchen direkt vor Stavanger.
Von hier liegt die Stadt in Schlauchbootentfernung, und so machen wir am Dienstag einen kleinen Ausflug mit dem Beiboot. Die ganze Gegend ist sehr maritim geprägt: einerseits ist Stavanger Zentrum der Offshore-Ölindustrie, wovon unzählige, riesige Arbeitsschiffe zeugen, andererseits scheint auch jeder zweite Einwohner eine Yacht zu besitzen – man fährt die drei Seemeilen bis ins Zentrum abwechselnd an Industrie- und Yachthäfen vorbei. Direkt neben dem alten Stadthafen liegt ‘Gamle Stavanger’, eine Menge verwinkelter Gassen und Holzhäuser, die vor dem Modernisierungseifer der Nachkriegsjahre gerettet werden konnten.
Für das Ende der Woche sind kräftige Winde aus Nord angesagt – diese Gelegenheit wollen wir nutzen, um ein ordentliches Stück Strecke Richtung Heimat gut zu machen. Dazu verlassen wir am Mittwoch Langøy und fahren nach Ystabøhamn auf Kvitsøy – der Insel, die wir auf dem Weg von Utsira eigentlich schon ansteuern wollten. Der Weg ist nicht weit, also bleibt am Nachmittag noch Zeit, die Insel zu erkunden, bevor wir uns dann Donnerstagmorgen auf die offene See wagen – die nächsten 40 Seemeilen südlich gibt es keine vorgelagerten Inseln und Einschnitte mehr, in denen man Zuflucht suchen kann. Damit endet auch unsere Zeit in Ryfylkefjordane, und wir befinden uns endgültig auf dem Heimweg …
Dem Sognefjord vorgelagert liegt die Sula-Inselgruppe; die Landschaft hat sich gegenüber dem Fjord plötzlich verändert, statt waldiger Berghänge ragen nun karge, felsige Inseln aus der See auf. Für Montag den 21. haben die Trolle vom norwegischen Wetterdienst mal wieder Sonne versprochen, und doch ist der Himmel lückenlos grau, als wir Richtung Sula aufbrechen. Der Wind weht recht kräftig, und daher beschließen wir noch einen Zwischenstopp in Hossvågen, einer geschützen kleinen Ankerbucht auf Ytre Sula einzulegen.
Am Dienstagmorgen dann endlich: Sonne! Wir runden Ytre Sula im Norden und begeben uns auf die offene See, um den westlichsten Ort Norwegens anzusteuern: Utvær. Früher lebten hier auch dauerhaft Menschen, es gab sogar mal eine Schule; heute dagegen werden die Fischerhäuser nur noch sporadisch genutzt, einige sind auch zu Ferienhäuschen umgebaut. Der 1900 erbaute Leuchtturm braucht heutzutage keinen Leuchtturmwärter mehr, auf der Insel leben also nur noch etliche Schafe. Sehr schön und still ist es hier, auf dem letzten Stück Land im Atlantik vor den Shetlands …
Utvær: von See kommend sieht man zunächst nur den Leuchtturm,
dahinter verstecken sich aber einige Fischerhäuser
Die Insulaner
Blick über die Schären
Obwohl es uns so gut gefällt geht’s Mittwoch weiter, die anhaltende Periode schönen Wetters will genutzt sein. 20 Seemeilen weiter südlich liegt die nächste Insel, Fedje. Die Fischerei ist seit alter Zeit Lebensgrundlage für den Ort, allerdings finden wir nicht das erhoffte malerische Fischerörtchen vor, sondern eher einen etwas heruntergekommenen Hafen, der seine besten Zeiten hinter sich hat. Egal, es gibt einen Supermarkt und eine Dusche, das ist ja auch schon was.
So setzen wir am Donnerstagtag die Reise fort, die nächsten 20 Meilen gen Süden; der Wind weht sehr schwach, aber wenigstens aus nördlichen Richtungen, und so können wir – nun im Schutz der vorgelagerten Inseln – langsam unter Gennaker dahingleiten. Die zum Abend angesteuerte Ankerbucht, Blomvågen, weist eine dichte Besiedlung aus Ferienhäusern auf, bietet dafür aber mal wieder einen Liegeplatz längsseits am Felsen.
Weiter geht’s am Freitag; der Wind hat uns endgültig verlassen, aber das Wetter ist weiter freundlich, und so wollen wir Strecke machen. Es werden fast 30 Seemeilen, leider nur unter Motor; am Abend dröhnen die Ohren. Die für die Nacht angesteuerte Bucht, Nordre Navøyvågen, ist Teil einen Erholungsgebietes für den Großraum Bergen, und entsprechend finden sich zum Wochenende etliche Boote dort ein. Nach der relativen Einsamkeit im Sognefjord ist es wieder gewöhnungsbedürftig, auf viele andere Boote zu treffen …
Am nächsten Tag setzt sich der Eindruck fort: für letzte Einkäufe machen wir Zwischenstopp im kleinen Ort Bakkasund und staunen nicht schlecht über das Treiben am Gastanleger; sicher ein Dutzend Boote tummeln sich dort, mehr als wir in drei Wochen im Sognefjord gesehen haben! Da das schöne Wetter zum Grillen einlädt und wir vom Vortag noch ganz geschafft sind, fahren wir danach nur noch ein paar Meilen weiter und verbringen einen entspannten Nachmittag vor Anker in Horgevågen.
Sonntag soll es laut Wetterbericht noch einmal Sonne geben, bevor es dann am Montag nur regnen wird; wir suchen uns daher ein Ziel, an dem wir auch einen Tag verweilen können. Dieses finden wir in einer kleinen Bucht östlich der Insel Teløy, wo es sogar einen winzigen Anlegesteg gibt, gerade groß genug für die ‘Orion’. Hier kann man in Ruhe dem angekündigten Starkwind entgegensehen …
Der fällt dann gar nicht so stark aus, aber regnen tut es wirklich den ganzen Montag; nach einer Woche besseren Wetters aber gar nicht so schlimm, auch mal einen Tag nicht aus der Kajüte zu kommen und es sich mit einem Buch gemütlich zu machen.
Dienstag ist es noch grau, aber trocken; wir ziehen weiter, zunächst bis zu dem kleinen Ort Sagvåg im Südwesten der Insel Stord. Hier gibt es einen gutsortierten und erstaunlich günstigen Supermarkt, zum Bleiben aber gibt der Ort nicht viel her; wie beschließen also noch weiterzufahren und uns lieber wieder eine Naturbucht zu suchen.
Diese finden wir einige Seemeilen weiter in Nordrehamn auf der Insel Moster. Bisher hatten wir hauptsächlich Naturbuchten angesteuert, die im Revierführer ‘Norwegian Cruising Guide’ beschrieben sind; diese hier lag aber einfach quasi auf dem Weg, und sie ist genauso hübsch wie die bisherigen Ankerplätze: mit blühendem Heidekraut und Blaubeersträuchern bewachsene Felsen, windzerzauste Bäume, kristallklares Wasser. Es wird uns bewusst dass die Auswahl in jedem Revierführer auch nur eine rein zufällige sein kann: die Anzahl an wunderschönen Orten ist hier einfach völlig unüberschaubar, hinter jeder Ecke versteckt sich ein kleines Paradies. Für uns Bewohner eines überbevölkerten Landes, in dem jede Natur reguliert und genutzt ist, schwer in den Kopf zu bekommen: solche Orte sind hier nicht die Ausnahme, sondern die Regel, es gibt nicht paar, sondern Tausende davon.
Am Mittwochmorgen hat sich die Sonne wieder durchgesetzt, und wir fahren weiter gen Süden, die von Inseln geschützen Gewässer wieder Richtung See verlassend. Hier sind wir vor 8 Wochen auf dem Weg von Espevær in den Hardangerfjord schon einmal vorbeigesegelt, wir kreuzen unseren Hinweg; eine erlebnisreiche Zeit, lang und kurz zugleich.
In Haugesund legen wir einen Zwischenstopp ein, da sich der Ort auf dem Hinweg als unvergleichlich nützlich zum Einkauf von frischem Obst und Gemüse erwiesen hat: auf eine solche Auswahl von internationalen Läden sind wir nie wieder gestoßen, auch im viel größeren Bergen nicht. Ansonsten zieht es uns aber weiter, bis zur einige Seemeilen vorgelagerten Insel Røvær. Diese erinnert ein wenig an Utvær in ihrer Abgeschiedenheit und den weiten Ausblicken über die Schärenlandschaft; im Unterschied dazu gibt es aber eine ständige Population von über 100 Menschen, einen richtigen Gästehafen und einen netten kleinen Laden.
Røvær: ein idyllischer Fischerhafen ….
… und weite Aussichten
Und noch ein Stück weiter geht’s nach Süden, zu einem besonderen Ort: Utsira, namensgebende Insel für den nördlichsten Vorhersagebereich in den Wettervorhersagen für die Schiffahrt. Weit draußen vor der norwegischen Küste liegt die felsige Insel und trotzt im Herbst und Winter heftigen Stürmen; jetzt aber herrscht nach wie vor ruhiges Wetter, als wir die südliche Hafenbucht ansteuern.
In mehr als einer Hinsicht fühlt man sich hier weit weg vom Festland: bei der recht geringen Population kennt jeder jeden, und Zeit scheint keine große Rolle zu spielen; am Gästeanleger verholt ein Fischer eben sein Boot und macht einen Platz für uns frei, das (sehr günstige) Liegegeld wirft man einfach in einen Briefkasten. Es gibt einen kleinen Supermarkt, wo die Tür weit offen steht und wir freundlich begrüßt werden, obwohl eigentlich schon geschlossen ist – wir fühlen uns wohl und beschließen einen Tag zu bleiben.
Utsira: stürmischer Außenposten …
… weit vor der norwegischen Küste
Am 2. September brechen wir zum vorerst letzten Schlag nach Süden auf, entlang an der Insel Karmøy und hinein in den Boknafjord.
Am Freitag den 4. August verlassen wir Vikingevågen und steuern den Sognefjord an; das Wetter ist immer noch recht durchwachsen, es regnet immer mal wieder, aber wenigstens nicht durchgängig. Gegen Mittag machen wir einen kurzen Stopp in Eivindvik, wo wir uns nochmal verproviantieren, bevor wir dann am Abend bei Storholmen den ersten Ankerplatz im Fjord ansteuern.
Der Sognefjord ist das Gewässer der Superlative: über 200 Kilometer schneidet er sich in die westnorwegischen Gebirge, dabei beträgt die Wassertiefe noch weit im Inland über 1300 Meter. Zur Navigation benötigt man kaum eine Seekarte, es gibt keine Untiefen – was für ein Unterschied zur heimischen Wattensee! Es stellt sich eher das umgekehrte Problem: wenn man mit dem Bug bis ans Ufer fährt (was fast überall möglich ist) hat man eine Schiffslänge hinterm Heck schon 40 Meter Wassertiefe, zu viel für den Heckanker. Es gibt nur sehr wenige kleine Inseln dicht am Ufer, hinter denen man zum Ankern geeignete Wassertiefen findet; glücklicherweise konkurriert man aber auch nicht mit vielen anderen Booten um diese Plätze, ganz anders als im Hardangerfjord sind wir quasi allein.
Die nächste dieser Ankerbuchten ist Vikane, schon 20 Seemeilen tiefer im Fjord; hier verbringen wir das Wochenende, da für Sonntag nur noch Regen angesagt ist.
Überhaupt scheint uns das Wetterglück etwas verlassen zu haben; es ist sehr unbeständig, und der Wetterbericht unterscheidet nur noch zwischen Tagen, an denen es immer regnet, und welchen, an denen es nur manchmal regnet. Montag ist wieder ein Tag von der letzteren Sorte, so dass wir wieder ein großes Stück weiter in den Fjord vorankommen; im Laufe des Vormittags scheint sogar richtig die Sonne – bislang haben wir die Berge nur wolkenverhangen gesehen.
Nebeneffekt der Wetterlage ist andauernde Flaute; auf den Satellitenbildern erkennt man riesige Tiefdruckgebiete über Westskandinavien, die sich tagelang nur im Kreis zu drehen scheinen anstatt sich endlich mal zu verziehen. So motoren wir also die ganze Zeit …
Am Abend erreichen wir Balestrand, der erste richtige Ort seit Bergen, und auch die erste Einkaufsmöglichkeit seit immerhin 50 Seemeilen.
Fjærland
Am 8. legen wir am Vormittag ab und motoren den Fjærlandfjord hinauf, zum voraussichtlich nördlichsten Ziel dieser Reise auf 61°24′ Nord. Trotz entgegengesetzter Vorhersagen zeigt sich der Himmel nach wie vor wolkenverhangen; dennoch sieht es beeindruckend aus, wie sich die Bergflanken von beiden Seiten immer näher zusammenschieben, und auf den letzten Seemeilen sieht man dann auch gleich mehrere Gletscherzungen zwischen den Gipfeln.
Wohl nirgendwo kommt man den norwegischen Gletschern – hier ist es der Jostedalsbreen, mit knapp 500 km² Europas größter Festlandsgletscher – mit dem Boot so nahe wie hier. Der Ort Fjærland am Ende des Fjords ist daher auch schon seit dem vorletzten Jahrhundert ein Touristenziel, wovon ein sehr hübsches, ganz aus Holz gebautes Hotel zeugt. Dennoch wurde er erst in den 80er Jahren durch einen langen Tunnel mit dem Straßennetz verbunden, bis dahin musste man per Dampfer oder Yacht anreisen – Kaiser Wilhelm war seinerzeit mit der ‘Hohenzollern’ auch schon da.
Der erste Tag in Fjærland zeigte sich auch halbwegs freundlich; da wir zu diesem Zeitpunkt noch auf weitere Wetterverbesserung gesetzt hatten, sind wir nur zu einer kleinen Wanderung ins Mundalsdalen aufgebrochen. Nach gut zwei Stunden erreicht man einen saftig-grünen Talkessel, in denen die Kühe friedlich grasen und die Aussicht zu genießen scheinen.
Eigentlich sollte das Wetter am nächsten Tag noch besser werden, und so haben wir dann noch die Bordfahrräder ausgepackt; am nächsten Morgen pladderte aber schon wieder der Regen aufs Deck. Mutigerweise haben wir uns dennoch auf den Weg zum Bøyabreen gemacht, als es mal aufgehört hatte zu regnen – nur um auf dem Rückweg völlig durchnässt zu werden. Trotzdem kam man schon ganz schön nah an die Gletscherzunge heran, und der See davor leuchtete in prächtigem Türkis.
In den folgenden Tagen stellte uns das Wetter auf eine harte Probe – es regnete es fast ununterbrochen. Bei so einem Wetter eine doch recht anstrengende Wanderung über 1000 Höhenmeter zu unternehmen, nur um dann doch nichts als Wolken zu sehen, erschien nicht wirklich verlockend. Zum Glück bietet Fjærland eine interessante Alternative bei Regenwetter: der Ort nennt sich das erste norwegische Buchdorf, in gefühlt jedem zweiten Haus befindet sich ein Antiquariat. Da auch Titel auf Deutsch und Englisch vorrätig sind, kann man hier durchaus einige Stunden stöbern.
Fjærland: selbst bei Regenwetter …
… so hübsch wie im seltenen Sonnenschein
Am Montag ist es endlich soweit: von Sonne kann zwar keine Rede sein, aber wenigstens soll es halbwegs trocken bleiben, und so radeln wir ein paar Kilometer bis zum Startpunkt der Wanderung zur Flatbreen-Hütte, auf 1000 Meter Höhe direkt am gleichnamigen Gletscher gelegen. Und tatsächlich fallen nur ein paar vereinzelte Tropfen Regen (was für norwegische Verhältnisse wirklich als trocken durchgehen kann), und als wir die Hütte erreichen zeigen sich sogar ein paar Löcher in der Wolkendecke.
Der Anblick des Gletschers lohnt die Mühe: geradezu unwirklich sieht es aus, wie sich die gewaltige Eismasse direkt vor uns langsam über die Kante Richtung Tal stürzt, quasi eingefroren in der Bewegung. Selbst bei dem trüben Licht leuchten die Farben geradezu in tiefem Blau – wie muss das erst mal bei Sonne aussehen …
Spektakulär stürzen sich die Eismassen ins Tal …
… und tiefblau leuchtet es aus den Spalten.
Am nächsten Tag regnete es dann auch schon wieder, so dass wir erst am Mittwoch aufgebrochen sind, um uns auf den langen Rückweg aus dem Sognefjord zu machen.
Finnabotn
Erster Zwischenstopp war Finnabotn, ein kurzer Seitenarm des Fjordes gen Süden. Dessen innerer Teil ist durch eine wenige Meter breite (und tiefe) Engstelle vom äußeren Fjord abgetrennt, so dass man eher das Gefühl hat in einem See zu liegen. Die Ufer sind steil und unzugänglich, es führt keine Straße in den Fjord, und ein Mobilfunknetz sucht man auch vergeblich. Allein am äußersten Ende liegt ein alter Hof, der aber – wenigstens während unserer Anwesenheit – unbewohnt erscheit, so dass wir ganz allein sind in einem Talkessel, ringsum von 1000 Meter hohen Bergen eingeschlossen … ein beeindruckender Ort!
Der Hof am Ende des Talkessels …
… und die ‘Orion’ vor senkrechten Felsen
Wir bleiben einen Tag, während es mal wieder regnet, und verlassen Finnabotn am Freitag; unerwartet klart es sich auf, und wir bekommen sogar Rückenwind, so dass wir an einem Tag die ganze restliche Strecke von 45 Seemeilen aus dem Sognefjord heraus zurücklegen. Am Abend ankern wir in einer sehr hübschen Ankerbucht im Tollesundet, am äußersten Zipfel des Festlands; hier bleiben wir gleich drei Tage, weil es mal wieder …. regnet.
Nach der Passage des Lukksundet haben wir noch einen Zwischenstopp in der kleinen, sehr versteckt gelegenen Ankerbucht Oksabåsen eingelegt, aber am 27. erreichen wir dann endlich
Bergen
Die zweitgrößte Stadt Norwegens blickt auf eine fast tausendjährige Geschichte zurück; sehr prägend war die Zeit ab 1343 als Handelsniederlassung der Hanse. Und so erblickt man bei der Einfahrt in den Hafen – nachdem man auf Meterabstand an den im Außenhafen festgemachten Kreuzfahrtschiffen vorbeigefahren ist – auch gleich die Bryggen, die Niederlassung der Hanse-Kaufleute. Direkt davor und im ganzen inneren Hafenbereich sind zahlreiche Liegemöglichkeiten für Sportboote – toll, so zentral unterzukommen! So finden wir dann auch einen Platz direkt am Fischmarkt, auf dem wir uns auch am Abend noch mit Köstlichkeiten versorgen.
Am nächsten Tag verbringen wir viele Stunden damit, die Heimatstadt Edvard Griegs anzuschauen; wir laufen durch enge Gassen zwischen den Speicherhäusern und fühlen uns um Jahrhunderte zurückversetzt, spazieren durch die Festung Bergenhus und um die Håkonshalle und durch ganz unterschiedlich geprägte Stadtviertel. Schmale Straßen mit Holzhäusern wechseln sich mit großzügig angelegten Plätzen und Einkaufsstraßen ab; die ganze Stadt ist sehr lebendig, wozu auch die unzähligen Touristen beitragen. Dass es immer wieder regnet scheint niemanden besonders zu stören – schließlich schmückt sich Bergen mit dem zweifelhaften Ruhm, die regenreichste Großstadt Europas zu sein … Wir erleben Bergen jedenfalls als Stadt, die sicher einen Besuch wert ist – und am besten natürlich mit dem Boot!
Håkonshalle (13. Jh.)
Kleine Gassen …
… und großzügige Boulevards prägen das Stadtbild
Straumane
Von Bergen aus erstreckt sich eine weite Insellandschaft Richtung Nordwesten, tiefer im Land noch hügelig und bewaldet, näher zur See immer niedriger und karger. Tief eingeschnitten verlaufen zahllose kleine Fjorde und Sunde, und durch diese verläuft ein geschütztes Fahrwasser, die Indre Farleia. Das Wetter ist sehr wechselhaft, und wir machen immer wieder Station in kleinen Ankerbuchten auf dem Weg, um die nächste Regenfront durchziehen zu lassen. Langsam aber sicher arbeiten wir uns so im Laufe der Woche gen Norden vor, bis wir schließlich vor der Mündung des Sognefjordes stehen.
Bei regnerischem Wetter brechen wir von Espevær auf, um gen Nordosten in den Hardangerfjord vorzudringen. Die Wetteraussichten versprechen auch keine baldige Besserung, aber der Wind ist mit 3-5 Beaufort aus südlichen Richtungen zum Segeln geeignet, und dieses – in den Fjorden wohl eher seltene – Glück wollen wir uns nicht entgehen lassen.
Je tiefer wir ins Inland segeln ändert sich die Landschaft immer mehr: die Schären der Küste werden von immer höheren Bergen abgelöst, die Ufer rücken langsam näher, und immer mehr Verzweigungen in neue Fjordarme tun sich auf.
Und auf einmal ist das schlechte Wetter gar nicht mehr so schlecht: die in unzähligen Abstufungen von Graublau gefärbten Panoramen ziehen uns in ihren Bann, ganz märchenhaft entfaltet der Fjord seine Wirkung. Vorm ersten Tagesziel, Rosendal, liegt eine Kette vorgelagerter Inseln, und als wir zwischen diesen in den Sund einfahren, verschlägt uns der Anblick die Sprache: vor uns tut sich das Gebirge auf, dessen bis fast 1700 Meter hohe Gipfel den drittgrößten Inlandsgletscher Norwegens, den Folgefonna, einschließen. In Rosendal finden wir erstmals eine richtige Marina vor, und entsprechend zahlen wir mit 250 Kronen pro Tag (knapp 27 €) auch das bislang höchste Liegegeld.
Am nächsten Tag ist es ebenso regnerisch, und so verbringen wir erst mal mehrere Stunden im Folgefonnsenteret mit einer sehr informativen Ausstellung über den Gletscher und die Zusammenhänge im Ökosystem von Fjord und Meer. Am späten Nachmittag brechen wir noch zu einer kleinen Wanderung zum Myrdalsvatnet auf, einem Bergsee etwa 300 Meter über Rosendal; trotz dichter Wolken ein sehr schöner Anblick.
Für Dienstag hatten die Meteorologen seit Tagen besseres Wetter versprochen, und so haben wir uns dann verleiten lassen, am folgenden Morgen zu einer Besteigung des 890 Meter hohen Malmangernuten aufzubrechen, obwohl es immer noch sehr bedeckt war. Als wir uns gerade im Aufstieg befanden setzte dann der Regen ein – und es hörte für die nächsten Stunden nicht mehr auf. Die sehr steilen Pfade wurden immer rutschiger, und wir waren reichlich erschöpft und bis auf die Knochen durchnässt, als wir endlich wieder an Bord waren.
Sundal
Nach diesem Abenteuer verlassen wir Rosendal und fahren weiter nach Nordosten in den Maurangerfjord. Vorbei an steilen Bergflanken und Wasserfällen, die sich direkt in den Fjord ergießen, erreichen wir nach wenigen Stunden Motorfahrt (mit Wind scheint es nun vorbei zu sein) Sundal. Der sehr kleine Ort hat einen Campingplatz mit Schwimmsteg für ein paar Boote – und einen Blick auf den Bondhusbrea, eine Gletscherzunge des Folgefonna. In unglaublicher Anblick, vom Boot aus mitten im Sommer in wenigen Kilometern Entfernung das blaue Gletschereis leuchten zu sehen …
Furebergfossen, Maurangerfjord
Sundal mit Bondhusbrea
In Sundal gefällt es uns besser als in Rosendal, alles ist viel kleiner und ruhiger – und mit 140 Kronen Liegegeld auch noch viel günstiger. Außerdem bieten sich von hier sehr vielversprechende Wanderwege an; den ersten davon probieren wir am nächsten Nachmittag (der Vormittag ist mal wieder verregnet) aus. Er führt uns ins Tal hinein bis zum Bondhusvatnet, dem Gletschersee, in welchen sich der Bondhusbrea ergießt – oder dies jedenfalls bis vor wenigen Jahrzehnten noch tat, wie Fotos auf den Infotafeln zeigen. Noch bei der Eröffnung des Folgefonna-Nationalparks 2005 konnte man um den See laufen und die Gletscherzuge erreichen, heute ist dies kaum mehr möglich, der Gletscher hat sich immer weiter zurückgezogen, und die Bergflanke ist zu steil und unzugänglich. Doch allein der Anblick des sich im See spiegelnden Bergpanoramas lohnt den Ausflug, auch wenn wir keinen Fuß aufs Eis setzen können.
Am Freitag schließlich soll endlich mal wieder die Sonne scheinen; wir schenken diesem Versprechen mal wieder Glauben und machen uns trotz wolkigen Himmels auf zu einer großen Wanderung, die vom Bondhusvatnet zunächst steil die Bergflanke hinauf bis zur Alm Gardshammar führt. Dieser Weg wurde schon im 19. Jahrhundert in Serpentinen ausgebaut, so dass man Touristen mit Pferden bis zum Gletscher bringen konnte; wir müssen selbst laufen, sind aber dankbar für die Erleichterung.
Die Sonne lässt sich zwar nur für eine Stunde gegen Mittag blicken, aber die sich mit jedem neuen Höhenabschnitt verändernde Berglandschaft zieht uns auch so immer weiter hinauf, so dass wir schließlich die Breidablikk-Hütte auf 1322 Metern erreichen. Von hier hat man das Gefühl, ganz West-Norwegen überblicken zu können, und endlich sehen wir auch den Folgefonna-Gletscher selbst vor uns liegen. In nur einer Stunde Entfernung liegt die Fonnabu-Hütte, von der aus man den Gletscher überqueren kann; da wir aber nicht auf eine Übernachtung eingerichtet sind, kehren wir um und sind auch so gut 9 Stunden unterwegs gewesen.
Gardshammar
Botnavatnet
Blick vom Trombetjørnane
Øyramerkesvatnet mit Breidablikkhütte
Folgefonna
Ausicht von Breidablikk
Jondal
Am Samstag den 15. haben wir Sundal und den Maurangerfjord verlassen, zum einen um tiefer in den Hardangerfjord zu gelangen, zum anderen aber auch um das für’s Wochenende angesagte Regenwetter zur Erholung der strapazierten Muskeln zu nutzen. So sind wir dann auch – mangels Wind unter Motor – noch gut und trocken in Jondal angekommen, wo es aber bald darauf zu regnen begonnen hat, und das gleich für zwei Tage.
Der Gasthafen von Jondal machte aber einen freundlichen Eindruck und war recht günstig (es gab auch ein all-inclusive-Paket mit Benutzung der Dusche, Waschmaschine und Trockner), so dass das Regenwetter zum Erholen, Säubern, Waschen und für anstehende Bootspflege (Motorölwechsel) gar nicht so ungelegen kam.
Kinsarvik
Dennoch waren wir am Dienstag dann froh, dass es endlich aufgehört hatte zu regnen; und nicht nur das, für die kommenden zwei Tage war sogar grandioses Wetter angesagt! Also sind wir zeitig von Jondal aufgebrochen, um Kinsarvik als Ausgangspunkt einiger besonders vielversprechender Wanderwege anzulaufen. Und siehe da, es gab sogar hinreichend Rückenwind, um ein gutes Stück der Strecke segelnd zurückzulegen!
Unterwegs nach Kinsarvik
Blick in den Sørfjord
Kinsarvik selbst ist in den letzten Jahrzehnten zu einem lokalen Tourismuszentrum geworden: es wimmelt vor Menschen, der Gästehafen ist völlig überfüllt mit großen Motoryachten, und gleich nebenan ist ein riesiger Ferienpark mit Spaßbad, Go-Kart-Bahn und allem, was dazugehört. Unverändert prachtvoll ist aber die Lage am Schnittpunkt mehrerer Fjordarme und eines langen Tales als Tor zur Hardangervidda; noch am Abend setzt sich die Sonne durch, und am Mittwochmorgen erwartet uns wie versprochen ein wolkenlos blauer Himmel.
Die erste Wanderung führt uns durchs Husedalen, immer entlang am Fluss Kinso; dieser beeindruckt schon unmittelbar nach dem Ort durch sein türkisfarbenes Wasser, welches sich seinen Weg durch rauschende Stromschnellen bahnt. Nach einer Stunde erreicht man den ersten Wasserfall, daneben steht ein Wasserkraftwerk, in welchem schon seit 1917 die Energie der Wassermassen genutzt wird. Man erklimmt neben dem Wasserfall die Felsen – und findet sich auf einem Plateau wieder, auf das sich der Fluss in einiger Entfernung wieder mit einem nicht gerade kleinen Wasserfall ergießt. Und so geht es weiter: Stunde um Stunde erklimmt man steile Felsenklippen, immer mit dem nächsten Wasserfall vor Augen. Schließlich erreicht man oberhalb der Baumgrenze ein großes Plateau, welches hauptsächlich aus gletschergeschliffenem Fels, durchzogen von weißen Quarzbändern, besteht. Hier legen wir eine lange Pause ein und sonnen uns auf den warmen Felsen, bevor wir den Rückweg antreten und nach 8 Stunden wieder die ‘Orion’ erreichen, welche im Hafen auf uns gewartet hat.
Ein Wasserfall …
… folgt auf den nächsten Wasserfall …
… bis zum Hochplateau …
… mit Ausblick auf den Fjord
Eigentlich wäre nach dieser Wanderung wieder ein Erholungstag angesagt gewesen, doch auch am Donnerstagmorgen zeigt sich nicht die kleinste Wolke am Himmel – so ein Wetter muss man doch nutzen, sagen wir uns, und nehmen uns für diesen Tag den Weg von Kinsarvik nach Lofthus vor, Lieblingswanderweg der norwegischen Königin; die ist immerhin 80, und wenn die das noch schafft, müssen wir das trotz Muskelkater wohl auch!
Der Aufstieg auf dem Kongsbergvegen fällt entsprechend schwer, die 700 Höhenmeter des vergangenen Tages fordern doch ihren Tribut; doch der Anblick beim Erreichen des Höhenweges entschädigt schon für die Anstrengung: vor uns liegen die Arme des Hardangerfjords und ein spektakulärer Ausblick über die Berge und Täler im Umkreis …
Weiter geht es auf dem Bergrücken Richtung Süden; die Landschaft ist durchsetzt mit kleinen Seen und nur auf den ersten Blick karg: zwischen den Felsen blüht es überall, unzählige Wildblumen soweit das Auge blickt, und selbst die Moose und Flechten leuchten in allen Farben.
Seen, Blumen und …
… Felsen auf dem Dronningstien
Immer wieder eröffnen sich unbeschreiblich schöne und beeindruckende Blicke über den Fjord und die eisbedeckten Gipfel; dieser Wanderweg lohnt wirklich jede Mühe!
Nach etwa 10 Stunden erreichen wir schließlich Lofthus; von hier fährt ein Bus zurück nach Kinsarvik, doch der nächste geht erst in zwei Stunden. Glücklicherweise erklärt sich ein hilfsbereiter Norweger auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt bereit, und eben nach Konsarvik zu fahren, obwohl er da eigentlich gar nicht hinwollte – sehr nett!
Am Freitag ist mal wieder Regenwetter angesagt, aber nach den zwei anstrengenden Wanderungen schadet ein Ruhetag auch wirklich nicht; am Samstag ist es wieder freundlicher, und wir machen uns auf den Weg nach …
Herand
Obwohl so gut wie kein Wind angesagt ist, bekommen wir unterwegs sogar kräftigen Rückenwind und machen unter Gennaker gut 7 Knoten; es zeigt sich immer mehr, dass es in den Fjorden nur zwei Windrichtungen gibt: vor dem Wind oder gegenan. Die langen, tief ausgeschnittenen Täler lenken scheinbar jede Windrichtung so um, dass der Wind den Fjorden folgt.
Herand ist berühmt für seine Steinzeichnungen aus der Bronzezeit; archäologische Untersuchungen deuten auf eine Besiedelung der Gegend seit 9000 Jahren hin. Die wollen wir uns natürlich anschauen, als wir gegen Mittag den Gastanlieger erreichen. Der Spaziergang dort hin dauert aber nur rund eine Stunde, und so sind wir schon am frühen Nachmittag wieder an Bord – und beschließen noch nach Jondal weiterzufahren, denn der dortige Hafen bot mehr Service für weniger Liegegeld.
Jondal
Am Sonntagmorgen strahlt wieder die Sonne aus einem tiefblauen Himmel – also ein guter Tag für eine Wanderung mit Aussicht. Diesmal soll es der Aufstieg auf den 1067 Meter hohen Vikanuten sein; der Wanderweg kennt kein Erbarmen und erklimmt diese Höhe auf kaum drei Kilometern Weglänge ohne ein einziges flaches Stück. Aber wieder wird man für seine Mühen reich belohnt: im Südosten überblickt man den Folgefonna-Gletscher, im Nordwesten den Hardangerfjord.
Beeindruckendes Berg- und …
… Fjordpanorama vom Gipfel des Vikanuten
Der Abstieg erfolgt deutlich weniger steil, zunächst über einen Bergrücken bis zur Fjellstøl-Alm, dann durch den Wald bis nach Jondal. Damit haben wir uns auch mal wieder einen Ruhetag verdient, und passenderweise gibt es am folgenden Montag auch wieder Regen.
Dienstag machen wir uns wieder auf den Weg zurück zur Küste und erreichen am Abend eine kleine Ankerbucht am Lukksundet, welcher den Hardangerfjord mit dem Bjørnafjord verbindet; dort übernachten wir nochmal und fahren am nächsten Morgen durch die enge Passage.
Am Sonntag endet das Festival in Skudeneshavn, und zusammen mit unzähligen anderen Booten laufen wir aus – sogar persönlich per Megaphon verabschiedet, wie nett! Die Wettervorhersagen für den Nachmittag sind weniger schön, und für Montag ist Dauerregen angesagt, also fassen wir den Plan auf dem Weg nach Norden erst einmal eine nette Ankerbucht zu suchen und dort den Regentag abzuwettern. Zunächst laufen wir die Insel Selen im Karmsund an, diese erweist sich aber als nicht hinreichend geschützt, so dass wir noch etwas weiter bis Mekrevik fahren, wo wir längseits am Felsen festmachen können.
Wie angekündigt regnet es am folgenden Tag ohne Unterlass, aber am Dienstag scheint mal wieder die Sonne; ganz ohne Zeitdruck beschließen wir gegen den frischen Nordwestwind aufzukreuzen und verbringen schöne Stunden auf dem Wasser. Vor Haugesund wollen wir noch einmal Station machen und suchen uns dazu einen Ankerplatz, der auch in der Umgebung etwas zu bieten hat, und finden diesen in der kleinen Insel Dragøya. Direkt an einem kleinen Holzsteg warten von der Sonne gewärmte Felsen und eine Feuerstelle nur darauf, uns einen schönen Abend mit Grill und Lagerfeuer zu bereiten.
Hier gefällt es uns so gut dass wir beschließen noch einen Tag zu bleiben und die Insel zu erkunden; wir finden – verborgen zwischen den rauhen Felsen, an die sich knorrige Kiefern klammern – einen Süßwassersee voller Seerosen und ein üppig grünes, kleines Tal.
Verborgen zwischen den Felsen finden sich ein See …
… und ein lauschiges kleines Tal.
Schließlich brechen wir dann doch auf zur letzten kleinen Etappe bis Haugesund, vorbei an geschichtsträchtigen Orten: hier im Karmsund soll Harald Hårfagre residiert haben, ab 872 der erste norwegische König, und auf diesen Wasserweg geht auch der Name des Landes zurück. Haugesund selbst ist dagegen viel jünger, und das sieht man der Stadt auch an; eine quirlige Fußgängerzone mit vielen Geschäften bieten gute Möglichkeiten zur Verproviantierung, aber am nächsten Tag zieht es uns auch schon weiter.
Wir verlassen den Schutz der vorgelagerten Inseln und segeln vor dem Südwind von 4 bis 5 Beaufort bis Espevær, einer kleinen Inselgruppe vor der Einfahrt des nächsten weitverzweigten Netzes von Fjorden, deren größter der Hardangerfjord ist. Geschützt in der Mitte der Inseln liegt ein kleiner, alter Fischerort, es gibt einen Laden am Fähranleger, keine Autos, aber dafür viele Boote. Auch die jüngsten Inselbewohner sind offenbar schon in der Bedienung von Schlauchbooten und Außenbordmotoren geübt und liefern sich jeden Nachmittag Verfolgungsjagden durch den Hafen.
Vom Ort aus kann man eine schöne Rundwanderung über die Hauptinsel unternehmen, deren überall ausgeschilderte Hauptattraktion ein vermeintlicher UFO-Landeplatz ist. Wir finden dort nur recht terrestrisch erscheinende Schafe vor, genießen unseren Tag auf der Insel aber sehr.
Eigentlich sollte in diesem Jahr schon Anfang Juni für den ganzen Sommer nach Norwegen gehen – nun ja, Ende Juni ist es dann doch geworden, aber wir sind froh, dass es nach Überwindung etlicher Hindernisse überhaupt geklappt hat. So verlässt die ‘Orion’ also am Samstag den 24. Juni gegen 12 Uhr den Heimathafen und schleust auf die Ems.
Die Fahrt verläuft zunächst bei freundlichem Wetter recht unspektakulär, als wir allerdings auf den letzten, genau in Richtung Westen verlaufenden Teil der Strecke bis Emden einbiegen weht uns auf einmal ein kräftiger Wind genau auf die Nase. Unter Motor gegenan kommen wir kaum vorwärts, so dass wir trotz der geringen Fahrwasserbreite aufkreuzen. Das klappt auch ganz gut, aber wir machen einfach zu wenig Fahrt, und irgendwann kippt die Tide und wir bekommen auch noch Gegenstrom, so dass wir schon erwägen in Delfzijl Station zu machen, doch als wir endlich den Dollart erreichen und freien Raum zum Segeln haben, beschließen wir dann doch noch bis Borkum durchzufahren, wo wir gegen 21 Uhr ankommen.
Den folgenden Tag verbringen wir dort im Schutzhafen, denn es weht ein kräftiger Nordwest, gegen den wir nicht losfahren wollen; außerdem haben sich beim ersten Einsatz nach der Winterpause die Nähte der UV-Schutzstreifen vom Klüver verabschiedet, so dass die Pause praktischerweise gleich zum Segelnähen genutzt werden kann.
Am Montag den 26. geht es dann endlich richtig los: mit ablaufendem Wasser verlassen wir Borkum, um bei immer noch 4 bis 5 Beaufort aus Nordwest erst mal gegenan bis Borkum Riff und dann hoch am Wind Kurs Nord durch die Verkehrstrennungsgebiete zu segeln. Mit dem letzten Licht durchqueren wir das letzte VTG, können etwas abfallen und segeln bei gleichmäßigem Wind unter Vollzeug durch die Nacht.
Am Dienstagmorgen flaut der Wind aber immer mehr ab; da wir ab Wochenmitte ein von Süden aufkommendes Feld mit starken östlichen Winden erwarten, werfen wir den Motor an, um nicht mitten hinein zu geraten. So motoren wir dann den ganzen Tag, und da der versprochene Wind auf sich warten lässt auch noch die ganze Nacht.
Mittwochmorgen ist es dann endlich soweit: Wind aus Nordost kommt auf, der Motor gibt Ruhe und wir rauschen am Wind gen Norden. Unter Vollzeug machen wir bei 5 Beaufort gute Fahrt von bis zu 8 Knoten durchs Wasser, wodurch wir sogar zu einem interessanten Spielgefährten für ein paar Delfine werden, die uns einige Zeit begleiten und immer wieder unter dem Schiff durchtauchen, um dann aus dem Wasser zu schnellen und uns zu begutachten. Wir sind begeistert!
Etwas später wird es dann aber doch zu viel Wind, wir drehen bei und reffen das Großsegel; unter zweitem Reff und Kuttersegel geht es weiter, und der Wind legt immer mehr zu, bis wir schließlich an der Windstärke 7 kratzen. Die Wellen legen immer mehr zu, zum Teil geht es drei bis vier Meter rauf und runter, während sie unter der ‘Orion’ durchrauschen. Die scheint sich aber nicht viel daraus zu machen, also versuchen wir das auch zu tun und schauen zu, wie die Aries uns durchs Skagerak steuert. Am Abend lässt der Wind auch deutlich nach, so dass wir schließlich das Reff wieder ausbinden können und bei weiterhin frischen Ostwind durch die dritte Nacht auf die norwegische Südwestküste zusteuern.
Am Donnerstagmorgen treffen wir auf Höhe Obrestad auf die Küste und folgen dieser noch eine Weile Richtung Norden, bis wir hinter Stavanger einbiegen und nach fast genau 72 Stunden Skudeneshavn erreichen. Dort sind wir erstaunt, den Hafen prall gefüllt vorzufinden – ein kleines Motorboot fährt heran und erklärt uns, dass wir gerade pünktlich zum größten Küstenkulturfestival Südwestnorwegens eintreffen. Daher finden wir nur noch einen nicht ganz so stimmungsvollen Liegeplatz am Industriehafen, der dafür kostenlos ist.
Froh angekommen zu sein, machen wir bei der Inspektion des Bootes aber eine unschöne Entdeckung: die Verschraubung der Ankerwinsch war nicht ganz dicht, und bei dem ständig überkommenden Wasser am Vortag war eine ganze Menge davon bis in den Stauraum unter der Koje gelaufen, so dass wir zum Tagesausklang erst mal einige hundert Kilogramm Vorräte ausräumen und irgendwie im Salon stapeln durften, um dort trockenzulegen, so dass es schon ganz schön spät war, als wir endlich den ersten Wein öfnen konnten. Glücklicherweise ist hier aber erst gegen 23 Uhr Sonnenuntergang, und richtig dunkel wird es auch danach nicht, so dass wir dann doch noch richtig ankommen konnten.
Die nächsten zwei Tage haben wir in Skudeneshavn verbracht, wo aufgrund des Festivals unglaublich viel los war: überall Menschen, Buden, Stände, Bühnen, Musik, Düfte … und eine schon an sich überaus reizende Stadt mit all ihren weißen Holzhäusern. Ein Glücksgriff, hier angelandet zu sein!
Das Stadtbild wird bestimmt vom Hafen …
… und den vielen weißen Holzhäusern.
Eine Galeonsfigur begrüßt uns am Eingang …
… des ganz wunderschön angelegten Parks auf einem felsigen Hügel über der Stadt.