Westfriesische Inseln (04.06.-11.06.)

Holland, wir kommen!

Die ‘Orion’ ist alles andere als reisefertig, als wir nach den umfangreichen Arbeiten des vergangenen Winters zum ersten richtigen Törn aufbrechen; im Salon fehlen noch sämtliche Oberschränke, die Toilette ist nur provisorisch festgeschraubt, und bis zum letzten Abend werden noch Kabel gelötet. Aber als wir gegen 08:30 ausgeschleust haben und bei prächtigem Sonnenschein auf der Ems unterwegs sind, löst sich nach und nach der Stress, und die Stimmung steigt – bis der Motortemperaturalarm ertönt! Wäre ja auch zu schön gewesen … also schnell den Motor aus und die Segel hoch – der Wind passt sogar zufällig … aber was ist das, das Groß will nicht den Mast hinauf, die Rutscher verhaken sich an der Einfädelstelle … ein Problem kommt selten allein. Nach längerem Kampf mit dem Beschlag können wir dann aber doch den Rest der Strecke bis Borkum unter Segeln zurücklegen und machen gegen 18 Uhr an der Schwimmbrücke fest. Die Fehlersuche am Motor ergibt keine erkennbaren Probleme – sollte sich etwa bei den ganzen Arbeiten im Winter nur der Auslöseschwellwert am Steuerpanel verstellt haben? Bei 85° liegt doch noch kein Grund zur Panik vor – also, das Potentiometer etwas höher getrimmt, und mal sehen was der nächste Tag bringt …

Zunächst einmal Sonne, blauen Himmel und perfekten Wind: bei 7 – 8 Knoten rauscht die ‘Orion’ unter Gennaker gen Westen. Die Sonne verschwindet aber recht bald in einem dichten Wolkenfeld, und nach nur 18 Seemeilen erreichen wir Lauwersoog bei mäßiger Sicht und sehr frischen Temperaturen. Der Hafen an sich ist nicht gerade sehr reizvoll, aber die Duschen sind sauber und modern, und die große Fischereiflotte sorgt für ein schmackhaftes Abendessen.

Am nächsten Tag geht es zeitig los, denn heute sind 58 Seemeilen zu bewältigen – ein stationäres Hoch über der Nordsee bringt uns mit einem beständigen, frischen Nordost die idealen Voraussetzungen dafür. Nur kalt ist es! Die Tageshöchsttemperatur erreicht nicht den zweistelligen Bereich – sollte das nicht ein Sommerurlaub werden?!?

Den ganzen Tag fahren wir mehr oder weniger parallel zu einem kleinen Boot mit zwei älteren Herren aus Bonn, die spät am vergangenen Abend noch in Lauwersoog angekommen waren – aus Helgoland … Respekt, die sind noch ganz schön fit!

Wir machen so gut Fahrt, dass wir sogar später die Segel etwas verkleinern, um nicht noch bei ablaufendem Wasser Vlieland anzulaufen; dann sind wir aber auch froh endlich da zu sein, das Herumfliegen der halben Bootseinrichtung im Geschaukel des Raumwindkurses zerrt doch an den Nerven.

Im idyllischen Dorf auf Vlieland

Am folgenden Tag gönnen wir uns eine Segelpause, um die Insel zu erkunden. Vlieland ist wirklich reizend: wir laufen am Strand bis zum Café ‘Posthuis’, welches zur Stärkung Appelgebak mit warmer Cranberrysauce bietet. Der Rückweg führt zunächst durch abwechselnde Wald- und Dünenabschnitte und bietet immer wieder schöne Aussichten aufs Wattenmeer; vorm Dorf besteigen wir noch den (für eine kleine Sandinsel) beeindruckend hohen Leuchtturmberg und verwöhnen uns schließlich nach 20 km Fußmarsch noch mit einer großen Portion Kibbeling.

Eigentlich sollte es am folgenden Tag schon weiter nach Texel gehen, aber der Wind blies so stark und kalt, dass wir es vorgezogen haben, einen weiteren Tag zu bleiben – nach der doch recht sportlichen Wanderung des Vortages war ein fauler Tag an Bord auch ganz willkommen.

Am nächsten Tag geht es dann aber los – der Wind hat deutlich abgenommen, nur leider steht vom Vortag noch eine ganz ordentliche Dünung. In Verbindung mit dem schwächelnden raumen Wind ein elendes Geschaukel – welches schließlich auch noch zu einer Patenthalse führt, bei der die Großschot sich im Gashebel verfängt und diesen halb aus seiner Verankerung reißt. Erst nach dem Passieren der Südspitze der Insel bessert sich der Kurs zum Wind und damit die Stimung an Bord.

De Slufter, Texel

Die große Yachthafen in Oudeschild bietet uns am folgenden Tag erst mal warme Duschen und interessantes Shoppen beim Schiffsausrüster, außerdem packen wir die Fahrräder aus, denn am zweiten Tag auf Texel erkunden wir die Insel: erst gen Norden bis zum Leuchtturm, auf der Nordseeseite über De Koog hinunter bis zu den Waldgebieten und über Den Burg zurück nach Oudeschild – eine ganz ordentliche Strecke, auf der sich die 28″-Klappfahrräder bestens bewährt haben!

Isolierung und Innenausbau

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Der Arbeitsplatz

Da hat man gutes Geld für eine voll funktionstüchtige Segelyacht bezahlt, und vor Ablauf eines Jahres fängt man an, erst mal alles auseinanderzunehmen: völlig verrückt! Der Innenausbau war zwar etwas zu dunkel, die Aufteilung nicht optimal, aber mit all dem hätte man leben können; wirklich ein Problem stellte nur die Isolierung dar: die Orion war in ihrem gesamten bisherigen Leben wohl nur im Sommer genutzt worden, und dafür mochte die Styroporplatten-Isolierung hinreichend gewesen sein, für die vorgesehene Erweiterung der Jahreszeiten und Fahrgebiete war sie es jedoch nicht. Also, aus dem Wasser damit, gut eingeplant, und dann konnte es losgehen! Unglaublich aber, wie viele Dinge erst mal aus so einem kleinen Boot ausgeräumt und -gebaut werden wollen, allein dafür wäre eine kleine Lagerhalle nützlich gewesen. Der – wetterabhängige – Freiplatz war da denkbar ungünstig, aber man muss schließlich mit den gegebenen Möglichkeiten arbeiten ….

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Abbruch

Nach Entfernen zunächst der größeren Einbauten und dann der rundherum auf lose zwischen die T-Spanten geklemmten Blindhölzer geschraubten Sperrholzplatten offenbarte sich der Zustand der Isolierung: während im oberen Bereich die Styroporplatten noch recht gut erhalten waren, zerbröselten sie unterhalb der Wasserlinie zu einem schmutzigen Granulat. Erfreulicherweise zeigte sich der Stahl darunter aber kaum angegriffen, nur in den ehemaligen Nassbereichen zeigten sich oberflächliche Rostspuren, die angeschliffen und neu beschichtet wurden. Darauf erstrahlten bald erste Abschnitte in neuem Glanz, und mit den eigentlichen Isolierarbeiten konnte begonnen werden.

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Salon, frisch gestrichen

Wie aus den Bildern zu ersehen, verliefen die Arbeitsschritte nicht nacheinander, vielmehr wurden sie oftmals parallel ausgeführt. Das war alles andere als optimal, war aber unter den gegebenen Bedingungen unvermeidbar, da es nie möglich war, das Boot wirklich komplett auszuräumen und Werkzeuge, Material etc. außerhalb zu lagern. Wie zu erkennen ist wurden an einigen wenigen Stellen Sperrholzplatten fest mit den Spanten verschraubt und verklebt; diese stellen die einzigen Verbindungen des Innenausbaus mit der Stahlhülle dar. Ziel war es, auf die unzähligen Blindhölzer verzichten zu können und möglichst wenige Wärmebrücken zu schaffen, um eine durchgehende Isolierung ohne Dampfzutritt zur Außenhaut zu erreichen. Isoliert wurde mit Armaflex, zunächst mit 25mm starkem Material zwischen den T-Spanten bzw. den Deckenversteifungen und darüber nochmal großflächige Matten in 10mm Stärke. Alle Stöße und Übergänge wurden zusätzlich versiegelt, und so entstand nach und nach eine geschlossene Isolierung mit 35mm Gesamtstärke. Das Material weist eine sehr geringe Wärmeleitfähigkeit bei einem äußerst hohen Dampfdiffusionswiderstand auf und wird im technischen Bereich zur Tauwasservermeidung auf Rohrleitungen und Bauteilen und zur Verminderung des Korrosionsrisikos unter der Isolierung eingesetzt.

Refit_08 An den fest mit dem Rumpf verbundenen Holzelementen wurde daraufhin der weitere Innenausbau befestigt: da ist an erster Stelle die durchgehende Trennwand zwischen Vorschiff und Salon zu nennen, die salonseitig an die Sitzecke sowie die Küchenzeile grenzt und vorschiffseitig an die Kleiderschränke, welche wiederum in die Begrenzung der Doppelkoje übergehen. Refit_09 Weitere Befestigungspunkte stellen zwei Trennwände beiderseits des Niedergangs sowie die Abgrenzung der Nasszelle dar, diese bildet den anderen Abschluss der Küchenzeile. Mit dieser – im Vergleich zu den unzähligen verschraubten Blindhölzern im ursprünglichen Ausbau – gering erscheinenden Anzahl von Befestigungspunkten konnte dennoch ein sehr verwindungssteifes und stabiles Ergebnis erzielt werden.

Refit_10 Die hier noch im Bau befindliche Pantry verfügt über einen Mikrowellen/Umluft-Kombiofen und ein Induktionskochfeld; mehr dazu unter ‘Energieversorgung’.

Die vorhandenen Polster wurden an die nun L-förmige Sitzecke angepasst und neu bezogen; unter und hinter den Sitzpolstern befinden sich große Staufächer für Nahrungsmittel.

Diese Arbeiten zogen sich bis übers Frühjahr 2013 hin; mit dem erreichten Zwischenstand wurde die Orion wieder zu Wasser gelassen und durfte einige Wochen in Holland segeln, bis im folgenden Winter die noch ausstehenden Arbeiten angegangen wurden.

Zunächst bekamen alle möglichen Fächer und Schränke ihre Türen, der Ofen seine Aufhängung, ein richtiger Kühlschrank wurde eingebaut. Optisch eine spürbare Verbesserung brachte die neue Deckenverkleidung: diese besteht aus weiß-transparent lasierten Ahorn-Leisten, welche eigens von einer Schreinerei angefertigt wurden, da käufliche Nut-und-Feder-Profile zu breit und dick erschienen. Schließlich erhöhte der endlich fertiggestellte Salontisch den allgemeinen Lebenskomfort an Bord erheblich!