Limenas Thasou – Mytilini (08.10. – 04.11.)

Limenas Thasou / Thasos

Nachdem das Flughafentaxi am Montagmorgen überpünktlich vor halb 8 vorm Boot stand, gibt es keinen Grund mehr, länger an dieser lärmigen und stinkigen Fischerpier in Keramoti zu verbleiben; es weht ein sanfter Nordostwind, als die Orion nur unter Vorsegel langsam zurück nach Thasos segelt – zwei Stunden Erholung …

Im Hafen von Thasos geht es dann gleich los mit dem großen Projekt für die kommenden Tage: unter der achteren Cockpitbank gibt es ein paar Roststellen am Lukenrand, die sollen beseitigt werden. Dazu muss die Bank ab; gehalten wird sie von 19 M6-Muttern, die zu lösen dauert 10 Minuten – vorher die Backskiste auszuräumen um an die Muttern dranzukommen aber zwei Stunden.

Die nächsten 72 Stunden heißt es schleifen, primern, spachteln, lackieren und alles wieder zusammenbauen. Der kostenlose und geräumige Hafen von Thasos ist der richtige Ort dafür, hier stört es niemanden, wenn die Flex tönt. Nur ein Wasseranschluss wäre schön, um dem entsetzlichen Dreck Herr zu werden – den gibt es aber nicht, nur eine Zapfstelle an der Promenade, von wo das Wasser in Kanistern einige 100 Meter weit getragen werden muss.

Alle halbe Stunde kommt und geht eine Fähre – Thasos ist sehr gut ans Festland angebunden, zum einen sicher wegen der vielen Touristen, schließlich hat die Insel ja keinen Flughafen; auf jede Fähre rollen aber auch ein paar Tieflader mit riesigen, schneeweißen Marmorblöcken. Der Marmorabbau auf der Insel läuft seit der Antike – wann die wohl die ganze Insel stückweise verkauft haben werden?

Am Donnerstagnachmittag sind die Arbeiten pünktlich abgeschlossen und das Chaos halbwegs beseitigt; bei der guten Fährverbindung nach Keramoti (40 Minuten Fahrzeit, 5€) besteht auch kein Anlass, sich mit der Orion nochmal in die dortige ‘Fischfabrik’ zu begeben. Lieber essen wir nochmal lecker in Limenas Thasou, bevor wir den Hafen am nächsten Tag endgültig verlassen.

Paralia Paradisos / Thasos

Für Freitag ist noch wenig Wind angesagt, aber leider signifikanter Schwell aus Süd – keine guten Voraussetzungen für die recht ungeschützte Ostküste der Insel. Da wir die aber noch kaum kennenlernen konnten, gehen wir das Risiko eines suboptimalen Ankerplatzes für die Nacht ein und machen uns auf den Weg gen Südosten.

Traum in weißem Marmor: hier wollen selbst die Esel mal baden

Schon nach einer Stunde erreichen wir den ersten Strand, den wir nicht verpassen wollen: Paralia Saliara liegt direkt unter den Marmorsteinbrüchen in den Bergen, und der Strand besteht ausschließlich aus maximal erbsengroßen, rundgeschliffenen Steinchen aus reinweißem Marmor. Das sieht nicht nur toll aus, sondern man liegt auch super darauf: dieser ‘Marmorteppich’ hat viel weniger inneren Zusammenhalt als nasser Sand, legt man sich hinein, passt er sich wie die Kügelchen in einem Sitzsack sofort den Körperformen an. – super bequem, und nichts knirscht zwischen den Zähnen!

Nennenswerten Schutz bietet der Ort aber nicht, wir bleiben also nur für einen ausgedehnten Badestopp, dann geht’s weiter nach Süden. Auf einmal kommt auch Wind auf, viel kräftiger als erwartet – und natürlich auf die Nase. Wir kreuzen halbherzig einen Schlag, motoren aber die letzte Stunde gegenan, schließlich soll noch vor Sonnenuntergang der Grill heiß sein …

Weißer als die Kamera es abbilden kann: Paralia Paradisos

Tagesziel – und einziger Ort mit etwas Südschutz an der ganzen Ostküste – ist Paralia Paradisos, im Reiseprospekt als Paradise Beach zu buchen; es gibt ein großes Hotel mit Strandliegen, aber jetzt ist natürlich rein gar nichts mehr los. Wem 23° Wassertemperatur nicht zu kalt sind und wer hunderte Meter karibikgleichen Sandstrand für sich alleine haben möchte, muss hier im Oktober Urlaub machen …

Wir liegen nicht vor dem Strand, sondern etwas seitlich davon vor einer steilen Felswand; hier erstreckt sich eine ausgedehnte Sandfläche auf gleichmäßigen 4 Metern Tiefe bis direkt vor die Felsen, und eine kleine Halbinsel bietet Schutz vor dem Schwell aus Süden. Wir bringen zusätzlich den Heckanker aus, um das Boot mit dem Bug nach Osten zeigen zu lassen, dem Restschwell entgegen, der um die Ecke kommt. Der Plan geht auf, die Nacht ist hinreichend ruhig; erst am Morgen, als der erste Nordwind aufkommt, klopft eine kleine Windsee an die Bordwand. Etwas mühsam nur, den Heckanker über Hand aufzuholen mit dem Winddruck auf dem Boot – der Halt dieses Sandgrunds ist unbeschreiblich!

 Alyki / Thasos
Alyki voraus – schon wieder Marmor …

Mit dem Nordwind steuern wir die nächste Ankerbucht an der Südostküste von Thasos an, Alyki; in der kommenden Nacht soll der Wind stark zulegen, und dafür hat die tief eingeschnittene Bucht genau die richtige Ausrichtung. Dass wir vor drei Jahren schon mal hier gelegen haben spielt da eine untergeordnete Rolle – die Bucht ist nämlich nebenbei noch sehr schön, und bietet als Besonderheit einen Marmorsteinbruch aus der Antike, den man schwimmend erreichen kann. Hier erkennt man noch angefangene Säulensegmente und große Quader, behauen vor über 2000 Jahren. Und alles ist so leuchtend weiß!

Der antike Steinbruch an der Spitze der Halbinsel

Auch hier ist am Strand nicht mehr viel los, nur ein Teil der Lokale scheint noch geöffnet zu sein; im Sommer ist Alyki aber wohl ein sehr beliebtes Ziel. Jetzt ist es ruhig und beschaulich, die die Bucht schützende Halbinsel ist von grünem Pinienwald bestanden – der an der Südwestspitze in einer Steilwand endet, bis hierhin hat man nämlich damals die ganze Halbinsel bis auf den Meeresspiegel abgebaut! Wir werfen wieder den Grill an und lassen den letzten Abend auf Thasos ganz gechillt ausklingen …

Paralia Mourtzephlos / Limnos

Tatsächlich steigert sich der Wind bis 2 Uhr in der Nacht, beginnt dann aber auch schon wieder nachzulassen; das war vorhergesagt, und daher stehen wir früh auf, wir wollen nämlich noch etwas davon abbekommen, um die Überfahrt zurück nach Limnos anzugehen.

Magischer Sonnenaufgang hinter Samothraki

Wir gehen um kurz nach 7 Uhr Anker auf – unter Vorsegel, wie sich das gehört. Während wir am Steinbruch vorbei aus der Bucht segeln, geht im Osten gerade die Sonne auf – genau hinter Samothraki! Ein magischer Anblick, die Insel scheint zu glühen – ob die alten ‘Großen Götter’, denen wir dort vor zwei Wochen die Ehre erwiesen haben, uns einen Gruß schicken? Schließlich standen sie ja im Ruf, die Seefahrer zu beschützen – nur zu, jede Unterstützung ist willkommen!

Am Vormittag haben wir noch eine kleine Windstärke 5 im Mittel, aber noch die Welle zu den 6-7 der vergangenen Nacht. Da ein ordentlicher Strom quer setzt und wir entsprechend vorhalten müssen, wird der Nordost für uns statt zum Halbwind- eher zum gemäßigten Amwindkurs. Die signifikante Wellenhöhe schätzen wir auf einen guten Meter, ab und an kommt also auch mal eine zwei Meter hohe Wasserwand auf uns zu – deutlich höher als unser Freibord. Da wir Strecke machen wollen und nicht an Tuch sparen, pflügt die Orion mit sechseinhalb Knoten durch die See; mit dem extrem schlanken Bug und Dank 12 Tonnen Masse, die nicht so leicht aufzustoppen sind, ist es recht beeindruckend, wenn wir mit eine solchen Wasserwand kollidieren: viele Meter hoch spritz das Wasser auf beiden Seiten des Vorschiffs, man kann sehr gut die Kräfte spüren, die hier gegeneinander wirken. Einmal kommt so viel Wasser über, dass es das ganze Schiff überflutet und im hohen Bogen über die Sprayhood geflogen kommt; ein eventueller Rudergänger wäre nass bis auf die Knochen gewesen, aber glücklicherweise übernimmt ja die Aries diesen Job 🙂

Nach 42 Seemeilen sind wir wieder auf Limnos

Gegen Mittag geht der Wind aber auf 4 Beaufort zurück, und wir setzen den Code 0; bald sind es aber kaum noch 10 Knoten Wind, und wir müssen die letzten zwei Stunden bis Limnos doch noch motoren, aber das war ja so vorhergesagt – gut, dass wir früh aufgestanden sind!

Schließlich erreichen wir nach 42 Seemeilen die Nordwestspitze von Limnos, wo wir hinter der Mourtzephlos-Halbinsel einen hervorragenden Ankerplatz kennen – schließlich sind wir von hier vor etwa drei Wochen nach Samothraki aufgebrochen.

Myrina / Limnos

Montagmorgen geht es mit ganz leichtem Rückenwind die verbleibenden sieben Seemeilen in den Hafen von Myrina. Es ist nicht mehr ganz so viel los wie bei unserem Besuch auf dem Hinweg, aber einige Yachten liegen doch noch hier. Deutlicher merkt man das Saisonende am Betrieb auf der Uferpromenade und im Ort, hier ist es viel ruhiger – aber sehr schön, die Ruhe gefällt uns, alle Einheimischen scheinen sich vom Sommer zu erholen und wirken tiefenentspannt.

Blick über die Bucht von Myrina

Das sind wir auch, gefällt es uns doch so gut hier; nicht zu unserer Entspannung tragen aber die Wettervorhersagen bei: ab Mittwoch kündigt sich Meltemi an. Nicht so schlimm, wir haben ja Zeit, sollte man meinen – aber dass selbst in der 10-Tage-Vorhersage die Windstärke kaum mehr unter 7 fällt (mit den entsprechenden Wellenhöhen) ist nicht so beglückend. Wochenlang kein Wind, und nun eingeweht auf Limnos?

Über der Hafeneinfahrt wacht Agios Nikolaos

Wir erwägen kurz einen Alarmstart bevor es losgeht, sehen dann aber davon ab – was sollen wir drei Wochen vor der Zeit auf Lesvos? Da hoffen wir doch lieber, dass dem Wind irgendwann die Puste ausgehen muss, bevor es für uns zu spät wird, und genießen Myrina: die meisten Lokale haben noch geöffnet, und auch die nähere Umgebung bietet sich für kleine Ausflüge an.

Mittwoch laufen wir um den Hafen bis zur Kapelle Agios Nikolaos, die dort über der Einfahrt thront; ansonsten üben wir uns in Entspannung trotz der Wettervorhersagen.

Aussicht vom Kastro über Myrina

Die wollen sich auch am Donnerstag nicht beruhigen, ganz im Gegenteil: mit jedem neuen Tag, der in den Langzeitvorhersagen dazukommt nur mehr vom Gleichen. Eine so lange Meltemi-Phase so spät im Jahr, wer hätte das gedacht …

Wir erklimmen also den Burgberg und genießen die Aussicht vom Kastro, während uns dort ober der Wind um die Nase bläst; ansonsten üben wir uns im Abwarten (wofür Myrina nicht der schlechteste Ort ist).

Paralia Parthenomytos / Limnos

Am Freitag schließlich deutet sich ein kurzzeitiges Nachlassen des Nordost auf 5-6 Beaufort am nächsten Tag an, bevor es am Sonntag wieder mit 7 Beaufort wehen soll; da immer noch kein Ende des Meltemi in Sicht ist, beschließen wir dieses Fenster für die Überfahrt nach Lesvos zu nutzen, obwohl es eigentlich viel zu früh dazu ist. Wir wollten eigentlich noch einiges auf Limnos anschauen und dann zu der kleinen Insel Agios Efstratios 20 Seemeilen südlich von Limnos segeln; da kämen wir zwar am Samstag auch gut hin, aber wie je wieder weg, wenn der Starkwind kein Ende nimmt?

Abendstimmung über dem Golf von Moudhros

So legen wir gegen Mittag in Myrina ab und machen uns auf den Weg in den Golf von Moudhros, um am nächsten Morgen eine gute Absprungposition für die Überfahrt zu haben. In der Abdeckung der Insel ist der Wind sehr wechselhaft, und so dauert es bis 18 Uhr, bis wir vorm Strand von Parthenomytos den Anker werfen können – genau da, wo wir vor einem Monat auf Limnos angekommen sind. Kurz darauf beginnt die Sonne hinter den Bergen im Westen zu verschwinden, so dass wir uns mit einem Glas Wein in der Hand angemessen von Limnos verabschieden können.

Sigri / Lesvos

Samstagmorgen geht es bei Sonnenaufgang los – schließlich sind es fast 50 Seemeilen bis hinüber nach Lesvos, und wer weiß, wie es läuft …

Bedenken hinsichtlich der Geschwindigkeit erweisen sich als unbegründet: kaum verlassen wir die Abdeckung der Insel, ergreift uns der Wind mit 5 bis 6 Windstärken genau von der Seite und beschleunigt uns – nur unter Klüver – auf 6 bis 7 Knoten. Die Wellen schätzen wir auf einen bis gut zwei Meter, was ganz gut den vorhergesagten 1,3 Metern signifikanter Wellenhöhe entspricht – das geht noch, es wird nur selten mal feucht im Cockpit.

Wir freuen uns an der schnellen Fahrt; um 12 Uhr haben wir schon die Hälfte der Strecke geschafft! Bald darauf lässt der Wind aber nach, so dass uns weitere 4 Stunden später immer noch 7 Seemeilen bis zum Ziel fehlen – und die müssen wir doch tatsächlich unter Motor zurücklegen, die Abdeckung durch die türkische Küste und die Insel Lesvos bringt den Wind völlig zum Erliegen – ziemlich skurril, wenn man wenige Stunden zuvor noch mit 7,4 Knoten die Wellen runtergerauscht ist.

Blick auf Sigri vom Ankerplatz

Gegen 17 Uhr sind wir am Ziel; wir lassen den nagelneuen Hafen von Sigri links liegen, denn dieser ist eine ziemliche Fehlkonstruktion: die Öffnung nach Nordosten garantiert ständiges Kabbelwasser bei der hier vorherrschenden Windrichtung. Statt dessen ankern wir im Schutz der Halbinsel herrlich ruhig und geschützt mit Blick auf die Ruinen der osmanischen Hafenfestung – angekommen!

Agios Theophanos in Sigri

Da wir nun quasi zwei Wochen zu früh auf Lesvos sind, überlegen wir am Sonntagmorgen erst mal, was mit der Zeit anzufangen ist; die naheliegende Entscheidung: wir bleiben noch einen Tag in Sigri 🙂 Das Dinghi ist schnell klargemacht, und so  setzen wir über, schlendern durch den netten kleinen Ort, können sogar (Sonntag im kleinen Dorf!) noch im Minimarkt Milch kaufen und in einem netten Café perfekten italienischen Cappuccino trinken (für 2,50 € die Tasse …).

Die Ankerbucht südlich Sigri

Verlässt man das Dorf gen Süden, führt die Straße an einem langen Strand entlang, von wo man einen schönen Ausblick über die Ankerbucht auf den Ort hat. Mal wieder stellen wir fest: schön hier!

Sonntagabend hat auch noch eine Taverna geöffnet, sogar mit Blick über die Ankerbucht; wir scheinen allerdings die einzigen Gäste zu sein, viel los ist wirklich nicht mehr.

Skala Eresou / Lesvos

Montag verlassen wir dann aber doch Sigri, schließlich haben wir vor, einige neue Orte an der Südküste kennenzulernen, wenn wir hier schon viel zu früh aufgeschlagen sind. Der Umsetzung dieser Pläne steht aber entgegen, dass beim unaufhörlich blasenden Meltemi ein beträchtlicher Schwell links und rechts um die Insel herum läuft und sich irgendwo im Süden trifft – nur wo, ist die Frage! Es gibt eh kaum geschützte Ankerplätze, und dann auch noch aus beiden Richtungen? Das wird schwierig!

Skala Eresou – Badeort ohne Betonburgen

Erster Versuch ist der Badeort Skala Eresou; dieser verfügt sogar über einen kleinen Hafen, in den zwar nur Fischerboote passen, dessen Mole aber einen gewissen Schutz verspricht. Vor Ort prüfen wir die Lage und stellen zu unserem Erstaunen fest, dass der Schwell schon eher aus Osten zu kommen scheint, obwohl wir doch noch weit im Westen der Insel sind. Eine Erklärung dafür finden wir (noch) nicht, beschweren uns aber nicht, denn zusammen mit einer kleinen Felseninsel bildet besagte Hafenmole ein geschütztes Eckchen.

Auch hier kann man sich einmieten!

Wir erkunden erst mal am Nachmittag den Ort mit dem Dinghi, kaufen frisches Obst und Gemüse in einem sehr netten, kleinen Laden und trinken einen Cappuccino (ja, warme Getränke gehen wieder!). Im Sommer liegt hier einer der Schwerpunkte des Badetourismus auf Lesvos, an der Strandfront reiht sich ein Restaurant an das andere; jetzt ist der größere Teil davon geschlossen, die Saison ist halt vorüber.

Strand satt, und im Hintergrund unser Ankerplatz

Direkt im Anschluss an den Ort wird der Strand richtig breit und erstreckt sich noch sicher einen Kilometer weit – kaum noch jemand liegt am Strand oder badet, obwohl es natürlich in der Sonne immer noch knackig warm ist. Auch weist der Ort überhaupt keine großen Hotelanlagen auf, wir sehen nur kleine Appartmentanlagen mit zwei Stockwerken (davon allerdings recht viele). Also, das hatten wir uns hässlicher vorgestellt – hier kann man durchaus Urlaub machen!

Abends landen wir nochmals im Fischerhafen an und gehen in den Ort zum Essen; trotz der nicht mehr so großen Auswahl finden wir problemlos eine Taverna nach unseren Vorstellungen und verbringen einen netten Abend dort. Skala Eresou hat uns positiv überrascht!

Apothikes / Lesvos

Dienstag lassen wir uns Zeit mit dem Aufbruch, rechnen wir doch wieder mit guter Windabdeckung und einer kurzen Distanz zur nächsten Möglichkeit, vor einem Strand zu ankern. Entsprechend mäßig seefest wird das Boot gemacht: die Vorschiffluke bleibt einen Spalt offen zur Lüftung, und darüber wird das Dinghi geworfen und nur an einem Ende festgebunden.

Kaum haben wir aber die nächste Landspitze gerundet, staunen wir nicht schlecht, als wir auf einmal Gegenwind bekommen – bei Nordostwind und Südostkurs nicht unbedingt zu erwarten. Okay, dann kreuzen wir eben auf; aber innerhalb der nächsten Stunde nimmt der Wind immer mehr zu, und die beim Aufbruch noch friedliche See wirft Zweimeterwellen auf. Jetzt wissen wir, wo der Ostschwell in Skala Eresou herkam! Offenbar pfeift der Meltemi nicht nur ungehindert durch den Kolpos Kallonis (die westliche der zwei großen Einbuchtungen auf Lesvos), sondern wird dadurch sogar beschleunigt und am Ausgang quasi ‘um die Ecke’ geschickt – das macht unseren Ostsüdost, und die 30 Knoten, die uns alsbald auf die Nase wehen! Es wird reichlich feucht an Bord, und als die Klüverschot bei einer Wende das Dinghi hochreißt und wild durch die Gegend schlagen lässt (wobei ein Paddel wie ein Streichholz abknickt) und sich ein Schwall Seewasser durch die so freigelegte Vorschiffluke ergießt, sinkt die allgemeine Zufriedenheit an Bord erheblich. Die beiden in Frage kommenden Ankerplätze sind unter solchen Bedingungen völlig inakzeptabel und bleiben links liegen, wir müssen also weiter und uns in den Kolpos retten, um einen ruhigen Ankerplatz zu finden.

Geschlossen bis Mai ’25: Apothikes

Kaum zwei Stunden später fällt der Anker vor dem kleinen Ort Apothikes, bei 13 statt 30 Knoten Wind und einem Dezimeter Welle – alles gut, aber der ganze Ärger wäre durch bessere Vorbereitung vermeidbar gewesen. Im Ort gibt es zwei gut beurteilte Tavernas, aber beide sind schon geschlossen, also verzichten wir auf einen Landgang und werfen den Bordgrill an. Mit Einbruch der Dunkelheit sieht man auch, dass praktisch kein Haus mehr erleuchtet ist – hier sind die (nicht vorhandenen) Bürgersteige schon für den Winter hochgeklappt.

Plomari / Lesvos
Plomari voraus!

Nach einer ruhigen Nacht vor Anker machen wir uns wieder auf den Weg; Ziel ist der Hafen von Plomari, knapp 20 Seemeilen entlang der Südküste. Natürlich weht nach wie vor der Nordost, was südlich der Insel wieder zu abwechslungsreichen Windverhältnissen führt: zu Anfang schiebt uns ein kräftiger Rückenwind aus dem Kolpos, dann können wir noch eine Weile mit wechselhaftem Halbwind segeln; als wir aber hinter die hohen Berge vor Plomari kommen, ist es schlagartig vorbei mit jeglichem Wind. Kein Wind bedeutet aber nicht kein Schwell, und der Hafen von Plomari ist berühmt für seine Schwellträchtigkeit, ist seine Öffnung doch riesengroß und nach Osten ausgerichtet. Wir sind also gespannt, was uns erwartet …

Tatsächlich läuft ein Südostschwell von 20-30 cm in den Hafen; wir gehen mit dem Heck an die westliche Pier, so dass der Bug zur Hafenöffnung zeigt, und bringen die großen Ruckdämpfer aus Federstahl aus – so lässt es sich halbwegs aushalten, wir setzen aber darauf, dass es zum Abend noch besser wird.

Aussicht vom ‘Benjamin von Lesbos’über den Hafen

Das wird es tatsächlich, so dass wir uns nach einem kleinen Stadtrundgang beruhigt zum Abendessen begeben. Die ‘Gesellschaft der Freunde des Benjamin von Lesbos‘, eines Philosophen des 18./19. Jahrhunderts, betreibt ein schönes Restaurant direkt am Hafen, in dem auch Fremde willkommen sind (wenn sie denn den Eingang finden). Von hier genießen wir bei einem sehr leckeren und extrem günstigen Abendessen einen spektakulären Blick über den Hafen und den Abendhimmel über Chios im Südwesten  – einer der Gründe, warum wir nach Plomari wollten.

Ab Mitternacht ist es leider vorbei mit der Nachtruhe; der immer noch nicht viel höhere Schwell hat etwas die Richtung geändert und versorgt ständig eine im Hafenbecken umlaufende, stehende Welle mit immer neuer Energie – was für eine Fehlkonstruktion ist dieser Hafen! Aber nachdem wir (und unsere armen Festmacher) nun schon die Nacht überstanden haben, wollen wir auch noch unseren zweiten Besuchsgrund realisieren: Plomari ist die Heimatstadt des griechischen Nationalgetränks Ouzo!

Die alten Destillen von Varvagiannis

Neben der ganz großen, international vertreibenden Brennerei gibt es hier auch noch den in 6. Generation betriebenen Familienbetrieb Varvagiannis, den man besichtigen kann. Das läuft folgendermaßen ab: man läuft etwas orientierungslos um das Gebäude, bis man an einem offenen Seiteneingang der Produktionshalle vorbeikommt, hinter der man Flaschen durch eine Abfüllanlage laufen sieht. Von den Mitarbeitern wird man nicht etwa verscheucht, sondern hereingebeten, und wer gerade Zeit hat und genug Englisch spricht, unterbricht seine Arbeit und führt die Gäste herum! Wir bekommen alles über Geschichte und Produktion des Ouzo erklärt (und auch, dass man diesen auf gar keinen Fall wie in Deutschland üblich tiefgekühlt herunterkippen sollte) und können uns zum Abschluss durch die 4 Sorten probieren, die das Unternehmen herstellt – bis zu 48% hat das Spitzenprodukt, und das um 11 am Vormittag … na, es ist nie zu früh für Ouzo!

So gestärkt verlassen wir gegen Mittag den Hafen – mit einem lachenden und einem weinenden Auge, finden wir doch die kleine Stadt äußerst einladend, können aber das elende Geschaukel keine Minute mehr ertragen.

Tsilia / Lesvos

Wir laufen den nächstgelegenen Ankerplatz an, unsere Lieblingsbucht Tsilia in 8 Seemeilen Entfernung; nachdem wir aus der Abdeckung der Plomari-Berge heraus sind, dürfen wir den Dauer-Meltemi wieder in der Variante ‘Gegenwind’ erleben.

Auch beim dritten Besuch noch schön: Tsilia

Zum Kreuzen fehlt uns nach der vermurksten Nacht die Energie, wir motoren die paar verbleibenden Meilen dicht unter Land gegenan und sind froh, als der Anker gefallen ist und der Motor schweigt – Erholung pur! Zunächst pfeift noch der Wind, aber nach 17 Uhr beruhigt sich auch der, und zum Sonnenuntergang ist es ziemlich still und ruhig, nur der Grill knackt mal leise vor sich hin – wieviel besser doch eine gute Ankerbucht gegenüber einem schlechten Hafen ist!

Skala Loutron / Lesvos

Am Freitagmorgen weht der Meltemi zwar draußen in der Ägäis weiter, aber die Richtung ist etwas nördlicher geworden; unter solchen Bedingungen kommt der Wind nicht mehr östlich um und über die Insel, vielmehr beruhigt es sich zwischen Lesvos und Chios deutlich, manchmal stellen sich sogar westliche Winde ein. So soll es auch am Wochenende bleiben; wären wir Anfang der Woche nach Chios rübergefahren, so kämen wir nun ganz gut zurück, aber wer hätte sich darauf verlassen wollen? Und nun ist es auch zu spät dafür – wir können also unsere letzten Tage dieser Reise nur in dieser Ecke abhängen.

Dazu setzen wir den Kurs in die Öffnung des Kolpos Geras; natürlich mit Gegenwind, aber angenehmer Stärke, so dass wir bei sanfter Welle schön aufkreuzen können. Unser Ziel ist der Anleger von Skala Loutron; auch hier waren wir natürlich schon zweimal, aber immerhin seit Mai ’23 nicht mehr.

Liebevolle Straßendeko überall in Skala Loutron

Man liegt sehr nett und kostenlos, es gibt sogar Strom und Wasser gratis; zwei Tavernen hat der winzige Ort, und beide sind sogar noch geöffnet! Wir verbummeln den Nachmittag, essen direkt am Hafen zu Abend und beschließen, auch den folgenden Tag noch hier zu bleiben.

Blick von der Panagia Apsili über Skala Loutron

In einem Anfall von Aktivitätsdrang steigen wir gleich am Vormittag, solange die Sonne noch nicht so brennt, zur Kapelle Panagia Apsili auf; von hier hat man einen tollen Blick über die Bucht von Skala Loutron und die ganze Umgebung. Danach reicht die Energie sogar noch für ein paar kleinere Bootsarbeiten, bevor wir uns auf der Terrasse gleich nebenan zum Kaffee niederlassen.

Inmitten alter Olivenbäume liegt Loutra

Zum Sonnenuntergang steigen wir bei einer kleinen Wanderung durch alte Olivenhaine zum zu unserem Anleger gehörenden Bergdorf Loutra auf. Auch hier geht es lebendig zu – ganz offenbar gibt es in dieser Gegend noch mehr Einheimische als Touristen, so dass die Dörfer auch im Winter nicht aussterben. Wir nehmen all unseren Mut (und unsere Griechischkenntnisse) zusammen und kehren in einer richtigen Ouzeri ein: keine Speisekarte, kein Englisch. Wir einigen uns darauf, dass der Wirt einfach einige kleine Teller mit diversen Gerichten aufträgt, bis wir abwinken; und alles was kommt ist köstlich: Salat, Brotaufstriche wie Tsatsiki und Fava, in roter Soße geschmorte Kalamari, weiße Bohnen in Olivenöl, frische Fische und Kalamari, in dünnem Backteig knusprig frittiert, dazu duftiger Wein aus Limnos. Beim Bezahlen dann die große Überraschung (neben dem lächerlichen Betrag): die Wirtin, welche die ganze Zeit in der Küche verborgen war, kann zwar auch kein Englisch, aber fließend Deutsch, weil sie mal in Duisburg gearbeitet hat … die Welt ist doch klein. Nach dieser geglückten Mutprobe wandern wir, vom Wein beschwingt, ganz locker durch den nunmehr stockdunklen Olivenhain wieder zu Tale …

Perama / Lesvos

Zum Abschluss wollen wir noch den Ort Perama gleich gegenüber besuchen, der uns im Juni gut gefallen hat – wenn auch nicht die Salzwasserdusche, die wir seinerzeit dort an der überspülten Pier bekommen haben; da das Wochenende ja ruhigeres Wetter verspricht, sind wir in dieser Hinsicht aber guter Dinge. So legen wir Sonntagmorgen in Skala Loutron ab und motoren eine stolze Seemeile auf die andere Seite der Wasserstraße, welche den Kolpos Geras mit der offenen See verbindet. Dort angekommen suchen wir das Hafenbüro auf, um uns anzumelden – und bekommen mitgeteilt, dass wir nicht bleiben können, da die ganze Pier in der kommenden Nacht von einem großen Frachter benötigt wird, der dort Ladung löschen will! Auf unseren Vorschlag, dass es dann doch genügen würde, wenn wir nach dem Abendessen wieder verschwinden, wird mal wieder griechisch-lösungsorientiert reagiert: ja, kein Problem, solange ihr um Mitternacht weg seid; wenn der Frachter morgen wieder weg ist, könnt ihr ja zurückkommen.

Blick von Perama hinüber nach Loutra

So hängen wir also den ganzen Tag in Perama ab, welches über eine gute Konditorei und etliche nette Cafés verfügt 🙂 Am Abend laufen wir ein Stück aus dem Ort heraus, essen in einem Fischlokal direkt am Wasser gut zu Abend, und nach unserer Rückkehr an Bord legen wir eben wieder ab und motoren die volle Seemeile in die Bucht von Loutra zurück. Statt anzulegen ankern wir; der Ankergrund ist perfekt hier, auch in finsterer Nacht kann man einfach irgendwo den Anker fallen lassen und sich beruhigt in die Koje legen.

Am Montagmorgen erwarten wir, den Frachter gegenüber an der Pier liegen zu sehen – aber da ist nichts! Etwas unsicher was zu tun ist, fahren wir wieder herüber und suchen erneut das Büro der Küstenwache auf; doch, der Frachter sei dagewesen und schon wieder weg, wir können bleiben. Die Geschichte glauben wir zwar nicht, denn laut AIS ist er nicht mal in der Nähe der Insel gewesen, aber egal – wahrscheinlich wusste man im Hafenbüro auch nichts von der Planänderung der Reederei und wollte nun nicht zugeben, dass man uns umsonst weggeschickt hatte.

Die alte Windmühle von Perama

So nehmen wir also den unterbrochenen Aufenthalt in Perama wieder auf und erkunden ein wenig die Umgebung: etwas nördlich steht eine Windmühle direkt am Wasser; praktischerweise kommt hier der Wind bedingt durch die Landschaftsform ausschließlich aus zwei Richtungen, entweder raus aus dem Kolpos (meistens) oder hinein.

Heute ist ein hoher griechischer Nationalfeiertag, der ‘Ochi-Tag‘, an dem man des Neins Griechenlands zu Mussolinis Ultimatum von 1940 gedenkt; kein Grund allerdings, dass die Konditorei, die Cafés und Restaurants, und sogar die Minimärkte geschlossen blieben. Die Einheimischen sind in Ausgehlaune, man sieht viele Menschen auf den Straßen und in den Lokalen. Auch wir feiern den letzten Abend unterwegs mit einem guten Essen – morgen soll es nämlich zurück nach Mytilini gehen.

Marina Mytilini / Lesvos

Ab Dienstagmittag soll der Nordost schon wieder zulegen, also verlassen wir Perama recht früh; die ersten Seemeilen können wir uns schön gen Süden aus dem Kolpos blasen lassen, aber kaum dass wir die Nase um die Ecke gestreckt haben, bekommen wir Bescheid: die Windstärke erreicht zwar noch kaum die 5 Beaufort, kommt aber genau auf die Nase, und die Welle, die sich in der Straße von Mytilini schon aufgebaut hat, ist beachtlich hoch und vor allem kurz: alle zwei bis drei Sekunden stoppt uns eine Wasserwand. Drei Stunden lang können wir Mytilini schon sehen, kommen aber kaum näher, da wir regelmäßig unter drei Knoten über Grund fallen. Für den Nachmittag ist eine weitere Windzunahme angesagt, und wir wollen nicht bei 25 Knoten Seitenwind in der engen Marina manövrieren, also sind wir ungeduldig und froh, als wir uns gegen 14 Uhr endlich in den Hafen gekämpft haben. Der starke Nordost, der die letzten drei Wochen unseren Törn bestimmt hat, zeigt halt bis zum Schluss, wer hier das Sagen hat – ohne den wären wir ja auch erst Ende der Woche eingelaufen, aber Mittwoch und Donnerstag soll es ja noch viel windiger werden. Knapp 500 Seemeilen sind wir in den letzten gut sechseinhalb Wochen unterwegs gewesen, etwas weniger als im Frühjahr, aber das war auch so gewollt; nur an wenigen Tagen hat nicht von früh bis spät die Sonne geschienen, und die Regentropfen konnte man abzählen – insgesamt können wir uns nicht beschweren, nur vom Dauer-Meltemi der letzten Wochen fühlen wir uns etwas fremdbestimmt.

Natürlich finden wir auch für den ungewollt langen Aufenthalt etwas zu tun: die Einwinterung (Aufklaren, Wäsche waschen, Segel abschlagen, Papiere abgeben) nimmt zwar nur etwa zwei Tage in Anspruch, aber es gibt natürlich auch immer noch was zu reparieren: am Heckspiegel zeigen sich Rostspuren an der Anbringung von Windsteuerung und Badeplattform, und auch im Mast gibt es etwas an der Verkabelung des Windgebers zu reparieren; außerdem tropft das Überdruckventil am Warmwasserboiler. da muss der ganze Wassertank ausgebaut werden.

Die Burg von Mytilini: groß …

Vier Tage vergehen so mit Bootsarbeiten, jeden Abend gönnen wir uns aber ein Abendessen in der Stadt – in Mytilini braucht man wohl Monate, bis man überall mal gewesen ist, in der Altstadt reiht sich ein Lokal an das andere. Am Sonntag endlich gönnen wir uns einen ganzen freien Tag: wir frühstücken in der Stadt und gehen von dort zunächst ins Kastro und dann ins archäologische Museum.

… und gut befestigt

Die Festungsanlage in ihrer heutigen Form ist mit einer Fläche von ca. 20 Hektar eine der größten Festungsanlagen im ganzen Mittelmeerraum; man kann eine byzantinische Bauphase aus dem 6. Jahrhundert, eine venezianische aus dem Mittelalter und eine ottomanische aus der Zeit der türkischen Besatzung unterscheiden; aber natürlich befand sich auf dem Hügel (der bis zum Mittelalter noch eine Insel war, ein Kanal verband die Nord- mit der Südbucht) schon in der Antike eine Akropolis und diverse Tempel.

Seit Jahrzehnten laufen intensive Ausgrabungs- und Erhaltungsarbeiten, aber man versucht auch, den letzten Zustand der Befestigungen wieder herzustellen, wo sie in der Neuzeit durch Erdbeben oder Materialwiederverwendung zerstört worden sind. Uns gefällt das Resultat, die schon fertiggestellten Mauerabschnitte geben einem das Gefühl, in der Zeit zurückreisen zu können.

2000 Jahre alte Farbenpracht

Auch das archäologische Museum ist interessant (wenn auch nicht so groß): wichtigste Ausstellungsstücke sind die praktisch vollständig erhaltenen Mosaikböden mehrerer antiker Villen. Einen davon hat man nur Zentimeter unter einem modernen Straßenbelag gefunden … hier kann man wirklich keinen Spaten in den Boden stechen, ohne auf die Vergangenheit zu stoßen. Die kunsthandwerkliche Ausführung ist beeindruckend, und die Farben leuchten auch nach so langer Zeit noch!

Am letzten Tag stehen nochmal Bootsarbeiten an: eigentlich sollte nur der Wassertank geleert und gesäubert werden, aber dabei zeigt sich eine Undichtigkeit am Heizstab des Warmwasserbereiters – Wasser tropft aus den elektrischen Anschlüssen, das ist suboptimal. Also bauen wir noch ‘eben’ den ganzen Plunder aus, säubern alles und stellen die Teile lose in die Bilge, erst mit einem neuen Heizstab kann das wieder in Betrieb genommen werden.

Montagabend feiern wir den Abschluss des Herbsttörns nochmal in der Stadt mit einem schönen Abendessen: knapp 500 Seemeilen haben wir zurückgelegt, etwas weniger als im Frühjahr, aber das war ja auch beabsichtigt; geregnet hat es so gut wie gar nicht, die Temperaturen waren perfekt; nur Wind gab es erst zu wenig und dann zu viel, aber das ist ja normal … wir hoffen jedenfalls, bald wieder hier zu sein!

Mytilini – Limenas Thasou (11.09. – 07.10.)

Marina Mytilini / Lesvos

Nach einem kurzen, ausgefüllten Sommer in Deutschland (der wenigstens im August auch als solcher zu erkennen war) freuen wir uns sehr, am Abend des 11. September wieder in Mytilini auf Lesvos zu landen – 8 Wochen dürfen wir auf der ‘Orion’ verbringen. Der Weg soll uns in diesem Herbst gen Norden führen, der Zwischenstopp zur Halbzeit ist in Kavala oder Umgebung an der Festlandküste geplant.

Erst mal aber gibt es – wie immer – eine Menge zu tun: die vorbereiteten und per Post geschickten Teile müssen montiert, die Vorsegel wieder angeschlagen, das Boot muss gewaschen und Proviant eingekauft werden. Bei alldem müssen wir uns erst mal wieder an die Temperaturen gewöhnen: am Mittag steigt das Thermometer deutlich über die 30° (in der prallen Sonne fühlt es sich noch viel heißer an), selbst die Nachttemperaturen fallen kaum unter 25°. Aber ab der zweiten Nacht bringen vier große Ventilatoren, die wir neu unter der Vorschiffluke montiert haben, wenigstens frische Luft unter Deck – eine deutliche Verbesserung; ein Boot wird eben nie fertig …

Nach getaner Arbeit lassen wir es uns aber sowohl am Donnerstag- wie am Freitagabend nicht nehmen, nochmal in die Stadt zu laufen – was haben wir die griechischen Kochkünste vermisst! Wir werden beide Male nicht enttäuscht – selbst im Zustand tiefer Erschöpfung (vielleicht auch gerade dann) macht Essen glücklich 🙂

Erstmals verlassen wir Mytilini in Richtung Norden, vorbei am Fährhafen und der Burg

Samstagmorgen sind wir dann eigentlich abreisebereit, müssen aber noch auf den Taucher warten, der endlich die seit gut zwei Monaten bemängelte Muringleine verlegen soll – bis dahin zeigte die nämlich im 30°-Winkel zur Nachbarbox und hat das Boot mit Gewalt auf den Fingersteg gezogen. Der kommt auch halbwegs pünktlich, es zieht sich dann aber alles doch noch hin. So ist es 12 Uhr durch, als wir die Marina verlassen können; einen weiten Weg haben wir uns nicht vorgenommen, 15 Seemeilen nördlich liegt die kleine, unbewohnte Inselgruppe der Aspronisia. Wir haben Glück, östlich der Insel weht der Wind aus Süd, und wir können uns unter Code 0 mit 4 bis 6 Knoten nach Norden tragen lassen. Am Himmel zeigen sich sogar mal ein paar Wolken, aber darum sind wir ganz froh!

Aspronisia / Lesvos
Abendstimmung über Lesvos

Gegen 17 Uhr ankern wir zwischen den ‘Weißen Inseln’ – tatsächlich bestehen diese aus sehr hellem Gestein, und entsprechend leuchtet auch das Wasser drumherum. Sehr geschützt liegt der Ankerplatz nicht, eher was für ruhiges Wetter – aber das haben wir ja. Zum Abend hin schläft der Südwind und die damit verbundene Windsee vorhersagegemäß ein, und wir verbringen eine ruhige Nacht – kurz unterbrochen vom Durchzug eines Regenfeldes zwischen 2 und 3 Uhr mit einigen Windböen, aber auch das war angesagt, und so haben wir rechtzeitig ein Sonnensegel übers Vorschiffluk gespannt, damit dieses auch während der Regens offen bleiben und Luft hereinlassen kann.

Anker- und Badespot vor Aspronisia

Am nächsten Morgen strahlt die Sonne wieder auf unsere Inseln; gleichzeitig kommt ein frischer Westwind auf – schlecht um weiterzufahren, aber gut um den Tag hier zu verbringen und sich erst mal etwas zu erholen. Die Umgebung bietet ideale Voraussetzungen: schöne Umgebung, tolle Farben, knapp 25° Wasser – und gut 30° Lufttemperatur, begleitet von einem frischen Wind, mit dem es sich gut aushalten lässt beim Abhängen und Chillen …

Mithymna / Lesvos

Montagmorgen zieht es uns dann aber weiter, es soll sogar der Wind etwas mitschieben, angeblich weht seit den frühen Morgenstunden Ostwind … am Ankerplatz haben wir nichts davon gemerkt, wir hatten eine sehr ruhige Nacht, und es herrscht erst mal Flaute.

Ruhig gleiten wir unter Code 0 gen Norden

Wir brechen also unter Motor auf, dürfen diesen aber nach kaum einer halben Stunde ausschalten: tatsächlich kommen um die 8 Knoten Ost auf und schieben uns unter Code 0 langsam um die Nordostecke von Lesvos herum – selten mit mehr als dreieinhalb Knoten, aber das macht nichts, wir haben es nicht weit, und das ruhige Dahingleiten durchs sonnenglitzernde Wasser tut uns gerade richtig gut.

Mithymna

Gegen 15 Uhr haben wir unser Ziel erreicht, den Hafen von Mithymna an der Nordküste. Der Ort selbst ist eine der größten Touristenattraktionen auf der Insel und in einen steilen Hang gebaut, von einer großen Burg bewacht; der Hafen liegt etwas abseits darunter. Aufgrund der Attraktivität befürchten wir viel Lärm und keinen Liegeplatz zu bekommen, aber beides erweist sich als unberechtigt: an der Innenseite der Außenmole finden rund 10 Boote einen Übernachtungsplatz mit dem Heck zur Mauer, und es sind nur rund halb so viele schon da; und rund um den alten Hafen reiht sich zwar eine Taverna an die andere, aber alle halten sich in Sachen Beschallung zurück – gut so!

Seit prähistorischer Zeit gibt es hier eine Siedlung, und seit rund dreitausend Jahren mischt die kleine Stadt auch kräftig in der Regionalgeschichte mit. Das Stadtbild ist seit dem Mittelalter kaum verändert, auch der aus dieser Zeit stammende Name Molyvos ist bis heute gebräuchlich. So viel es hier zu sehen gibt, so viele Menschen zieht dies auch an: sowohl die eigentliche Stadt im Hang als auch das Hafenviertel leben nur vom Tourismus. Dennoch, es ist nicht lärmig, nicht verbaut, nicht offensichtlich überteuert: wir genießen den Aufenthalt.

Magische Lichtstimmung am Abend

Am Abend werden wir zwar vom vorgesehenen Restaurant abgewiesen, weil alle Tische reserviert sind (aber praktisch zu 70% frei – wo nur Touristen unterwegs sind, halten eben auch solche Unsitten Einzug), aber wir essen statt dessen unten am Hafen lecker und reichlich (die wahrscheinlich größten Portionen, die uns je begegnet sind). Die Nacht ist mild und ruhig, kein Schwell stört die Boote – ein weiterer Pluspunkt.

Den ganzen nächsten Tag verbringen wir noch in Mithymna, planen wir doch, zum Abend abzulegen und in der Nacht nach Limnos überzusetzen: die Entfernung von 50-60 Seemeilen schaffen wir nur unter idealen Windbedingungen unter Tageslicht – und die haben wir natürlich nicht. Tagsüber gibt es mäßigen Nordwest, also Gegenwind für  uns; aber der Nacht soll es aber auffrischen und auf Nordost drehen – also Halbwind, das sollte passen!

So nehmen wir noch ein kleines Abendessen direkt am Fischerhafen ein und holen dann um 19 Uhr den Anker auf – gerade rechtzeitig vor Sonnenuntergang.

Paralia Parthenomitos / Limnos

Direkt nach Verlassen des Hafens rollen wir den Code 0 aus – die Windrichtung passt zwar noch nicht so recht, aber dafür segeln wir lautlos gen Westen in den Sonnenuntergang! Leider ist die Welle recht unruhig, und so werden wir ganz schön durchgeschüttelt; auch lässt der Wind immer mehr nach, je mehr wir uns in die Abdeckung der türkischen Küste begeben, und so müssen wir doch noch eine gute Stunde motoren, bis wir uns freigefahren haben.

Vom Mondaufgang über Lesvos …

Ab 22 Uhr aber ist dann alles, wie es sein soll: das Wellenbild ist deutlich ruhiger geworden, der Wind hat wie vorhergesagt auf Nordost gedreht und auf rund 4 Beaufort zugelegt. Wir machen mit dem großen Vorsegel sehr gute Fahrt, mit 5 bis 6 Knoten segeln wir durch die Nacht auf Limnos zu. Der Mond steht voll am Himmel, es ist fast taghell, das Boot rauscht durch die See – so muss das sein! Viele Tanker und Frachter kreuzen unseren Weg auf der Reise von oder nach Istanbul , wir queren die Ansteuerung zu den Dardanellen – das sorgt für etwas Abwechslung.

Gegen 3 Uhr frischt der Wind weiter auf, wir fahren sechseinhalb Knoten – so schnell wollen wir ja gar nicht sein! Wir reduzieren die Segelfläche, indem wir auf den Klüver wechseln; inzwischen haben wir vorsichtshalber etwas Höhe zum Wind aufgebaut, so dass wir abfallen können und schließlich sogar auf den Kutter wechseln, als es regelmäßig mit über 20 Knoten weht.

… bis zum Sonnenaufgang über Limnos

Pünktlich zum Sonnenaufgang erreichen wir nach 54 Seemeilen Limnos; wir haben uns für die Ankunft einen geräumigen Ankerplatz mit weitem Sandgrund im Golf von Moudhros ausgeschaut – Anker irgendwo fallen lassen, eingraben, und ab in die Koje … auch wenn die Nachtfahrt mit fast 5 Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit zügig und problemlos gelaufen ist, war es doch zu unruhig, um viel Ruhe zu bekommen. Doch wir haben in weniger als einer Woche nach der Ankunft auf Lesvos ein gutes Stück Strecke Richtung Norden gutgemacht, das nimmt Druck aus dem Zeitplan – wir sind müde, aber zufrieden.

Paralia Mikro Fanaraki / Limnos

Nachdem wir uns an unserem ersten Ankerplatz auf Limnos den ganzen Tag und die ganze Nacht ausruhen konnten, haben wir am Donnerstagmorgen wieder genug Energie, um ein Stück weiterzusegeln – ein ziemlich kleines Stück allerdings 😉 Nach wie vor bläst frischer Nordost, so dass wir unter Klüver den Anker aufholen und der Küste ein Stück tiefer in den Golf von Moudhros folgen können. Schon nach anderthalb Seemeilen passieren wir einen anderen, schönen Ankerplatz, aber da können wir uns noch zurückhalten, nicht gleich wieder anzuhalten; nach drei Seemeilen allerdings kommen wir zur Fanaraki-Halbinsel, und hier müssen wir einfach bleiben: die Küste bietet Sandstrände, zerklüftete Felsen und auch grüne Vegetation (letztere fehlte vor Parthenomitos völlig), das Wasser leuchtet in schönsten Blau- und Türkistönen – ein ganz toller Spot!

Das Schnorcheln macht vor felsigen Küsten immer besonders viel Spaß, auch hier finden sich kleine Höhlen, in die man tauchen kann, sowie von Land kaum zu erreichende Privatstrände. Viele bunte Fische verstecken sich in den Felsspalten und lassen einen manchmal erstaunlich nahe herankommen – kein Wunder, dass manche sich hier ihr Abendessen mit der Harpune statt der Angel beschaffen … wir werfen auch den Grill an, erlegen aber nur einen Challoumi aus dem Kühlschrank.

Moudhros / Limnos

Eigentlich möchten wir gar nicht von diesem schönen Fleckchen weg, aber eine Woche nach Mytilini neigen sich langsam die Frischvorräte ihrem Ende entgegen, und so zieht es uns in den Hafen von Moudhros, wo es Restaurants und (kleine) Supermärkte gibt. Der Nordost ist unermüdlich, und nun müssen wir sogar ein Stück gegenan, aber weit ist es nicht: nach vier Seemeilen machen wir längsseits am Außenanleger von Moudhros fest. Der sieht zwar etwas nach Berufsschiffahrt aus, aber eine riesige Yacht aus Island liegt hier auch schon, und der Skipper versichert uns, dass es niemanden stört … na ja, uns wundert’s ja nicht mehr (ebensowenig wie der Umstand, dass niemand nach Liegegeld fragt).

Der Ort ist mir nicht mal 1000 Einwohnern nicht gerade eine Großstadt, aber dennoch das Zentrum der östlichen Inselhälfte und hat alles, was man zur Versorgung braucht: zwei gut sortierte Minimärkte, Apotheke, Post, Einzelhandel – und natürlich zahlreiche Cafés und Restaurants. Wir finden die Leute ausnehmend nett und freundlich – und das in einem Land, wo ohnehin alle ziemlich freundlich sind!

Uns gefällt’s jedenfalls, wir beschließen gleich zwei Nächte zu bleiben, versacken spontan in einem total netten Café und essen später sehr gut im Το κύμα (Die Welle) zu Abend, in einem schattigen, grünen Garten sitzend und mit Blick in den Sonnenuntergang – so langsam fühlt es sich wie Urlaub an 😉

Wird nie langweilig: Abendhimmel überm Golf von Moudhros

Besonders das Wetter finden wir diesmal richtig super: klar, alle Aktivitäten im Freien zwischen 9 und 18 Uhr führen zu sofortigen Schweißausbrüchen, aber mal ehrlich, das gehört im Süden ja auch irgendwo dazu – aber toll ist doch, dass man den ganzen Abend im T-Shirt draußen sitzen kann bei milder Wärme und in der Nacht auch noch vernünftige Temperaturen zum Schlafen bekommt (es kühlt sich inzwischen regelmäßig auf 20 Grad ab, und mit den neuen Lüftern schaffen wir es auch unter Deck auf 22 Grad). Und der klare Himmel zaubert die schönsten Lichtstimmungen, vom knalligen Blau des Meeres zur Mittagszeit bis zum unendlich weit und tief erscheinenden Abendhimmel in allen Pastelltönen – das anzuschauen wird nie langweilig!

Myrina / Limnos

Montagvormittag merkt man schon, dass der seit Tagen (und Nächten) blasende Nordost endlich nachlässt – für den Abend ist das Ende dieser Meltemi-Periode angesagt. Wir wollen die letzten Stunden nutzen und um die Südwestecke der Insel bis in den Hafen des Hauptortes segeln.

Der Plan geht auf: schon das Ablegen gelingt ohne Motor (wie gut, dass wir am Außenanlieger untergekommen sind …), und wir können stundenlang bei Raumschots- bis Halbwindkursen segeln. Der Wind schwankt zwischen 4 und 5 Beaufort, und Dank der Landabdeckung haben wir kaum Welle, so dass wir trotz kleiner Segelfläche (wir fahren nur unter Klüver – aus Faulheit) zügig unterwegs sind.

Leuchtfeuer auf Kobi an der Einfahrt in den Golf von Moudhros

An uns vorbei zieht eine praktisch unberührte Natur – in diesem Teil der Insel gibt es keine Bebauung; die Landschaft ist sehr trocken und somit natürlich recht lebensfeindlich, aber die vielen, zerklüfteten Felsen sind vom Wasser schön anzusehen.

Myrina voraus!

Erst nach dem Runden der Südwestspitze können wir den nötigen Nordkurs nicht mehr anlegen; wir machen einen Kreuzschlag rund eine Stunde hinaus in die offene See, fahren genau eine Wende – und stellen fest, dass wir damit genau bis zwischen die Molenhäupter des Außenhafens von Myrina segeln können! Nur für’s Anlegemanöver geht der Motor an – rückwärts vor Buganker, das kann man wirklich nicht segeln 😉

Am heutigen 22. September ist dieses Jahr Tagundnachtgleiche – um dieses astronomisch besondere Datum zu würdigen, suchen wir uns zum Abendessen ein Restaurant mit Westblick. Zwar müssen wir dann feststellen, dass der Burgberg kurz vor Sonnenuntergang doch etwas im Weg steht, dennoch erfreuen wir uns am Anblick der malerischen Farben von unserem Tisch in der ersten Reihe aus,  zwei Meter vom Wasser entfernt, und natürlich über das leckere Essen darauf!

Über Myrina wacht das audgedehnte und gut erhaltene Kastro

Genau drei Jahre ist unser erster Besuch in Myrina her – und wieder finden wir den Ort sehr einladend. Ganz anders als Moudhros, viel größer, quirliger, touristischer, aber auf eine angenehme Art; die beiden Inselhäfen ergänzen sich gewissermaßen.

Am Montag nutzen wir die Vorzüge der umfangreichen Einkaufsmöglichkeiten und schleppen allerlei Vorräte zum Boot – das sollte unseren Bedarf an haltbaren Lebensmitteln für die nächsten Wochen decken. Am Nachmittag erholen wir uns davon – und lassen uns von den Anlegemanövern der Charterboote unterhalten. Die Bedingungen sind nun wirklich nicht erschwert, es weht kaum Wind, und dennoch … zwei polnische Crews verbreiten totales Chaos und klemmen irgendwann quer zwischen ihren Nachbarbooten, sind aber lustig und gut drauf; ein deutsches Boot mit bajuwarischem Clubwimpel unter der Backbordsaling ankert quer über drei andere Ketten und reagiert nur arrogant, als es von den Nachbarn in recht angemessenem Ton (also mehr hilfsbereit als belehrend) darauf hingewiesen wird. Kurz und gut: Hafenkino!

Überhaupt ist es überraschend voll hier, zieht man in Betracht, dass man an den Ankerplätzen um die Insel kaum Boote sieht; das scheint teilweise daran zu liegen, dass es nicht nur uns gut hier gefällt: praktisch alle Boote außer den Charterern bleiben eine längere Anzahl von Tagen, dadurch ist sehr wenig Durchsatz. Der Außenhafen ist aber extrem weiträumig, man kann auch mit gutem Schutz durch die Molen vor einen schönen Sandstrand ankern und mit dem Beiboot anlanden, wenn alles voll sein sollte.

Paralia Mourtzephlos / Limnos

Am Dienstagmittag verlassen wir den Hafen von Myrina; wir wollen uns ein kleines Stück die Nordwestküste entlang verholen und an deren äußerstem Ende nochmal ankern, um eine gute Ausgangsposition zur Überfahrt auf die nächste Insel zu haben.

Leider verlässt uns erstmals auf diesem Törn das Windglück: ganz kurz stellt sich schwacher Westwind ein, wir entrollen auch sofort den Code 0, aber schon nach wenigen Minuten ist es wieder vorbei damit, und so legen wir die ganze Strecke unter Motor zurück – kaum 8 Seemeilen, das ist ja zu verschmerzen.

Felsenküste am Ankerplatz

Zum Ausgleich ist die Ankerbucht ganz toll: jede Menge Platz auf schönstem Sandgrund, und eine sehr dekorative Felsenküste. Wir schwimmen und schnorcheln, und das Unterwasserschiff wird weiter vom Bewuchs. Später heizen wir den Grill an und bereiten ein Abendessen nach griechischem Vorbild – frische Spanakopita haben wir vor dem Ablegen noch vom Bäcker in Myrina besorgt.

Stimmungsvoller Abendhimmel zum Sonnenuntergang

Der Sonnenuntergang mit Westblick ist spektakulär, ebenso wie der feuerrote Himmel danach; wie üblich wird es dann recht schnell dunkel, und bald leuchtet die Milchstraße hell über unserer Ankerbucht. Als wir dann auch noch Meeresleuchten ums Boot herum beobachten, fehlt wirklich nichts mehr – wir sitzen lange draußen, kalt wird es ja nicht, und selbst die Mücken lassen uns hier in Ruhe.

Später finden sich noch mehrere Fischerboote ein, die auch hier ankern und die Nacht verbringen, ehe es in aller Frühe wieder an die Arbeit geht – die wissen wohl, wo die guten Ankerplätze sind!

Kamariotissa / Samothraki

Wir entscheiden uns recht kurzfristig, als nächste Insel Samothraki anzusteuern: tagelang war für den heutigen Mittwoch südwestlicher Wind angesagt worden, was eine Überfahrt nach Thasos ermöglicht hätte; im letzten Moment ist dieser aber aus allen Modellrechnungen verschwunden – und wenn wir eh motoren müssen, dann ist es ja auch egal, in welche Richtung!

Le grand bleu: Samothraki erscheint am Horizont

Entsprechend verläuft der Tag: es regt sich wirklich kein Lüftchen, still ruht das Meer, und unbarmherzig brennt die Sonne auf das schutzlose Boot herab, während der Motor 10 Stunden dröhnt – vergessen wir diese Überfahrt lieber baldmöglichst. Immerhin: Probleme in dem Sinne gab es keine, und wir haben unsere maximale Höhe gen Nordosten erreicht, als wir am frühen Abend in den Hafen von Kamariotissa einlaufen und einen Liegeplatz längsseits bekommen – wir üben uns in Bescheidenheit und lassen den Abend bei Wein im Cockpit ausklingen.

Abendstimmung über Kamariotissa

Am nächsten Tag stehen zunächst (vermeintlich) kleinere Arbeiten an Bord an (natürlich dauert es länger), bevor wir in den kleinen Ort laufen und die Konditorei ansteuern – da wir vor drei Jahren schon mal hier waren, kennen wir ja schon unsere Anlaufstellen 😉 Das trifft auch für die Taverna zu, in der wir zu Abend essen; dort gibt es – natürlich – tolles Essen, aber als Alleinstellungsmerkmal auch einen lokalen Wein von der Insel, den der Besitzer im Kanister vom Bauern bekommt, also keine Handelsware. Dieser ist tiefstdunkelrot, körperreich und so intensiv aromatisch, wie kein anderer Wein, den wir hier irgendwo bekommen hätten – ein ganz besonderes Erlebnis, und das ohne irgendwelche Allüren, der herrliche Tropfen kommt im Halbliterkrug zu 5 Euro … sehr schwer, nach einem Krug aufzuhören!

Ruhige Morgenstimmung in der Chora

Freitag wollen wir uns sportlicher geben: wir fahren schon am Morgen mit dem Bus in die Chora hoch, laufen dort bergauf und bergab durch die alten Gassen, während der Ort langsam zum Leben erwacht und die alten Herren draußen vor den Cafés sitzen und ihren Morgenkaffee trinken (vielleicht ist auch schon der eine oder andere Morgenouzo dabei). Wir trinken Freddos mit herrlicher Aussicht über die hier im Inneren sehr viel grünere Insel und machen uns dann auf den einstündigen Weg zu Fuß herunter zur Küste – inzwischen geht es auf Mittag, es ist schon heiß.

Aussicht vom Kastro über die Chora und Umgebung

Unser Ziel ist die Ausgrabungsstätte des ‘Heiligtums der großen Götter’ mit dem angeschlossenen archäologischen Museum. Dieses ist nach dreizehnjähriger (!) Renovierungsphase frisch wiedereröffnet, und so bekommen wir eine Menge Exponate zu sehen, die uns bei unserem ersten Besuch hier vor drei Jahren entgangen sind.

Ausblick vom ehemaligen Standort der Nike über das Heiligtum

Die Ausstellung ist wirklich gut gemacht, und die Hintergrundinformationen helfen, den Aufbau und Zweck der umfangreichen Anlage besser zu verstehen. Hier wurden die Kabiren verehrt und man konnte sich in deren Mysterien einweihen lassen – Hingabe und Demut vorausgesetzt. Wie schon bei unserem ersten Besuch empfinden wir besonders die Lage vor den hochaufragenden Bergen als wichtigen Teil des Gesamterlebnisses – und das war damals sicher auch so.

Berühmtestes Fundstück ist die ‘Nike von Samothrake‘, eine herrlich gearbeitete Statue der Siegesgöttin; leider kann man diese nicht hier anschauen, wo sie hingehört, sondern muss dafür nach Paris fahren – wie viele Kunstwerke von enormer kulturgeschichtlicher Bedeutung aus Griechenland entwendet und nie zurückgegeben wurden, ist beschämend.

Nach dem Besuch der archäologischen Stätte nehmen wir einen Imbiss in einer kleinen, eher einfachen Taverna in der Nähe ein (wir sind die einzigen Gäste, wahrscheinlich den ganzen Tag) und machen uns dann auf die anderthalbstündige Wanderung zurück zum Hafen – gen Westen, immer genau in die Sonne!

Makryammos / Thasos

Am Samstagmorgen brechen wir relativ früh auf, denn für den Vormittag wird uns wenigstens noch etwas Wind für die Weiterfahrt nach Thasos versprochen – ursprünglich war mal tagelang von einem Nordost der Stärke 6 die Rede, aber diese Vorhersage wurde am Vortag schon auf eine 3-4 bis Mittag reduziert; nach der endlosen Motorfahrt drei Tage zuvor wollen wir das wenigstens mitnehmen.

Kurz nach 8 passieren wir die Hafeneinfahrt und warten nervös auf den Wind – bei dem Trend in der Entwicklung der Vorhersagen weiß man ja nie. Das Gebirgsmassiv hinter uns sorgt zunächst noch für Abdeckung, aber der durchaus merkliche Schwell lässt schon vermuten, dass da irgendwo Wind ist – oder auch nur in der Nacht war … aber nach einer halben Stunde bekommen wir tatsächlich eine 4-5, und der Motor hat Ruhe. Neben uns paddelt eine riesengroße Schildkröte – wenn das kein gutes Omen ist!

Anfangs machen wir 5-6 Knoten, aber der Wind lässt – wie angekündigt – ganz kontinuierlich nach. Bis 12 Uhr läuft es noch gut, dann noch eine gute Stunde Schleichfahrt, doch schließlich muss der Diesel wieder ran; aber wenigstens die Hälfte der Strecke haben wir so segeln können, man wird ja bescheiden.

Gegen 17 Uhr erreichen wir die Nordostküste von Thasos; an der Südostspitze wären wir deutlich früher gewesen, aber für den Sonntag ist eine instabile Wetterlage angesagt, und die Meerenge zwischen Insel und Festland erscheint uns am sichersten.

Prächtige Farben: Makryammos auf Thasos

Die angesteuerte Ankerbucht hat eine wundervolle Farbe: auf Thasos gibt es sehr viel weißen Marmor, und der Sand dieser Bucht scheint größtenteils daraus zu bestehen. Dazu die grünen Pinienwälder, die hier bis zum Wasser herunterreichen – ein prächtiges Farbenspiel!

Wir verbringen eine ruhige Nacht, und nach dem morgendlichen Bad holen wir die neuen Wettervorhersagen ein: im Laufe des Nachmittags wird ein Frontendurchzug mit Regen, Gewitter, Starkwind und schnellen Änderungen der Windrichtung erwartet. Wir überlegen lange, wo wir das abwettern können, und kommen wieder zu dem Schluss, dass es zwischen Insel und Festland noch am ruhigsten zugehen sollte – im Westen der Insel soll es mit 30 Knoten aus Nordwest wehen, im Osten mit 25 Knoten aus Nordost. Irgendwo im Norden werden die erzeugten Wellenssysteme sich treffen, aber wo und wann genau … wir beschließen, dass wir genausogut hier bleiben können und abwarten, wie es sich entwickelt; im Zweifelsfall könnten wir jederzeit den Anker aufholen und vor unangenehmer See aus Ost nach Westen ablaufen (um da dann irgendwo auf die See aus West zu stoßen). Ja, auch das Leben im Paradies hat seine schwierigen Tage mit schwer zu treffenden Entscheidungen 😉

In der Tat wird es am späten Abend holprig, und bleibt es auch die ganze Nacht; es weht kaum Wind dabei, unter Sicherheitsaspekten ist die Lage unbedenklich, nur der Schlaf gerät nicht besonders erholsam …

Keramoti

Entsprechend fällt uns uns am nächsten Morgen nicht allzu schwer, und vom schaukeligen Ankerplatz zu verabschieden – obwohl der Schwell schon wieder merklich zurückgegangen ist, wirklich unangenehm war eben nur die Nacht …

Nur eine kurze Überfahrt trennt uns vom Festland; nächstgelegenes Ziel ist der Fährhafen Keramoti, von hier gehen die Fähren nach Thasos, und auch der Flughafen von Kavala liegt in der Nähe – eben darum wollen wir uns den Hafen auch schon mal anschauen, denn in einer Woche werden wir ihn brauchen.

Unser Liegeplatz in Keramoti – die Fähren kommen und gehen halbstündlich …

Der Ort ist ziemlich überschaubar, die Touristen kommen hier hauptsächlich aus den nördlichen Nachbarländern – deshalb sind die Speisekarten in den Restaurants der Einfachheit halber auf Russisch, das können alle. Die Hotels gehören nicht eben der Luxusklasse an – ein Fährhafen eben, nicht besonders pittoresk, aber für uns praktisch gelegen. Die Liegeplatzsituation gestaltet sich nicht so einfach, praktisch alle Plätze am Gemeindeanleger sind von einem Charterbetrieb reserviert, und an der Fischerkade liegen die Boote schon im Päckchen. Wir finden den einzigen freien Platz längsseits vor einem Café – ob der aber auch in einer Woche zur Verfügung stehen wird, kann uns niemand versprechen.

Es gibt aber gute Einkaufsmöglichkeiten, eine gute Konditorei und ordentliche Tavernas – wer hätte das gedacht 🙂

Skala Kallirachis / Thasos

Dienstagmorgen haben wir genug gesehen – die nächsten Tage wollen wir auf Thasos verbringen. Viel Wind wird uns nicht versprochen, und es sind auch gerade mal 5 Knoten aus Nordost, als wir nach Verlassen des Hafens den Code 0 ausrollen. Es ist der erste Oktober, und die Kaltfront von vorletzter Nacht hat einen Temperatursturz mit sich gebracht: es hat nur noch gut 20 Grad, im Schatten (wenn man welchen findet) kann man es sogar im T-Shirt aushalten! Aber zum Ende der Woche sollen die Mittagstemperaturen schon wieder auf die 30 Grad zugehen, vom Ende des Sommers kann also noch keine Rede sein.

Thasos, grün und bergig

Zwei Stunden dümpeln wir mit kaum 2 Knoten vor uns hin (es steht immer noch beachtlicher Schwell, der das große Segel regelmäßig einfallen lässt), aber unsere Geduld wird belohnt: als wir näher an Thasos kommen (welches sich herrlich grün und bewaldet präsentiert) legt der Wind bis auf über 10 Knoten zu – wahrscheinlich ein lokaler Effekt bedingt durch den Bergrücken auf der Insel. Wir beschleunigen kräftig und erreichen so schon am späten Mittag den Fischerhafen von Skala Kallirachis.

Der Hafen von Skala Kallirachis

Der Hafen gehört (wie der Namensbestandteil Skala = Treppe verrät) zum einige Kilometer entfernt und ebensoviele hundert Meter höher gelegenen Bergdorf Kallirachi, eine auf den ägäischen Inseln häufig anzutreffende Kombination, die aus den Zeiten häufiger Piratenüberfälle stammt – die höheren Lagen waren besser zu verteidigen, am Meer standen nur die Bootsschuppen.

Viel los ist hier auch heute noch nicht, der Ort ist wirklich klein, der Hafen allerdings recht umfangreich – und selbstredend kostenlos, selbst einen funktionierenden Stromanschluss gibt es. So bekommen unsere Batterien mal wieder eine Vollladung – es ist unser erster Landstrom seit dem Aufbruch in Mytilini, mit den Lithiumzellen und Solarpanels kommen wir also sehr gut zurecht.

Es gibt nur eine richtige Taverna, aber die macht zum Glück irgendwann nach 19 Uhr auf, und so bekommen wir auch hier ein gutes Abendessen; wir sind die einzigen Gäste, die Saison ist definitiv vorüber.

Paralia Salonikios / Thasos

Für die Nacht von Mittwoch auf Donnerstag ist endlich mal sehr geringer Schwell angesagt, also wollen wir unbedingt eine schöne Ankerbucht finden. 13 Seemeilen entfernt liegt kurz vor der Südspitze der Insel der Strand von Salonikos – klein und von Land nur auf einer Schotterpiste zu erreichen, also ohne großen Badebetrieb. Wir verbringen mehrere Stunden mit dem Versuch, die nicht gerade große Distanz zu segeln, aber Wind will sich selbst am Nachmittag,  wo sich normalerweise die Thermik durchsetzt, nicht einstellen – wohl der Preis für den geringen Schwell.

Kleines Paradies: Paralia Salonikios

Gegen 15 Uhr erreichen wir unser Ziel – und stellen fest, eine gute Wahl getroffen zu haben: tolle Felsen, durchzogen von Marmorbändern, schließen einen kleinen Strand ein, hinter dem sich ein Pinienwald erstreckt. Der Grund weist viele felsige Bereiche und große Seegrasteppiche auf, kein einfacher Ankergrund; wir platzieren den Buganker auf einem Sandflecken und bringen zusätzlich den Heckanker aus, um das Boot in der nicht eben geräumigen Bucht auf der Stelle zu halten.

Keine Frage, dass hier geschnorchelt werden muss: die zerklüfteten Felsen sehen unter Wasser genauso interessant aus wie über Wasser, und wie immer sind viele Fische unterwegs. Besonders faszinieren uns riesige Schwärme ganz kleiner Fische, nur wenige Zentimeter lang, die sich aber als Schwarm von 10 Metern Durchmesser wie eine Einheit bewegen. Es müssen tausende Fischchen sein, durch die man sich unter minimalen Flossenschlägen treiben lassen kann – sind die Bewegungen hinreichend langsam, schließt sich der Schwarm einfach um den Schwimmer. Ganz anders sieht es aus, wenn eine große Goldmakrele erscheint: da kocht das Wasser, weil der ganz Schwarm versucht, sich durch Sprünge in die Luft zu retten.

Am Abend wird es wirklich sehr ruhig, und wir können bei Abendessen vom Grill den Sonnenuntergang über der Athos-Halbinsel am Horizont bewundern; den heiligen Berg selbst sehen wir eher im Südwesten, noch halb vom Land verdeckt. Die Farbabstufungen zum Sonnenuntergang und in der Stunde danach sind sensationell – was klare Luft und nicht vorhandenes Umgebungslicht doch alles möglich machen!

Limenaria / Thasos

Wie versprochen wird die Nacht sehr ruhig; gerne würden wir an diesem Ankerplatz noch einen oder zwei Tage bleiben, aber die Wettervorhersagen für die kommende Nacht sind nicht mehr so positiv – es zieht eine Südwindlage auf, der Sirokos (bei uns besser bekannt unter seinem italienischen Namen Scirocco) bringt schwül-warme Luft, Saharastaub – und eine Menge Schwell, die Anlaufstrecke von Nordafrika bis Thasos ist ganz schön lang. Notgedrungen machen wir uns also auf den Weg zurück entlang der Westküste; Ziel ist der zweitgrößte Hafen der Insel, Limenaria.

Drückende Wolken über Limenaria

Diesen erreichen wir am frühen Nachmittag; gleichzeitig zieht sich der Himmel zu, und die Hitze wird immer drückender. Da man bei jeder Bewegung zerfließt, unternehmen wir nicht viel – nur die Erkundung der kulinarischen Angebote von Limenaria darf natürlich nicht fehlen; ansonsten ist der Ort aber auch hinsichtlich Größe und Angebot überschaubar.

Limenas Thasou / Thasos

Freitagmittag setzen wir die Reise zurück nach Norden fort; zwanzig Seemeilen sind es bis zum Hauptort und -hafen der Insel, Limenas. Dafür versprechen die Meteorologen etwas Südwind am Nachmittag – bislang haben wir nur die feuchte Luft und den Schwell der Südlage abbekommen. Wir warten bis zum Mittag, bevor wir den Hafen verlassen, und können auch tatsächlich knapp die Hälfte der Strecke schön segeln; der Wind erreicht in den Spitzen fünf Windstärken – bevor wir in die Abdeckung des Inselgebirges segeln und es schlagartig vorbei ist damit. Wenigstens kommt der Schwell von hinten, und so wir motoren zügig …

Um 18 Uhr sind wir längsseits fest im ausgedehnten Hafen von Limenas – was auch einfach nur Hafen heißt. Im 5. vorchristlichen Jahrhundert war der Ort die blühende Hauptstadt eines selbstständigen Inselstaates mit mächtiger Stadtmauer und zahlreichen Toren, befestigtem Hafen, prächtigen Tempeln und einem großen Theater, bewohnt von 20.000 Menschen; im 7. Jahrhundert nach Christus nur noch ein menschenverlassenes Trümmerfeld.

Die antike Agora von Limenas

Wie üblich wurden im Mittelalter neue Befestigungen auf (und aus) den antiken Bauwerken errichtet, die inzwischen natürlich auch wieder zerfallen sind. Die heutige Stadt lebt vom Tourismus, die Mehrzahl der Gäste kommt aus den Balkanstaaten, wie schon in Keramoti festzustellen war.

Am Samstagvormittag erledigen wir ein paar Einkäufe (hier gibt es drei große Supermärkte), bevor wir uns am Nachmittag auf eine Wanderung auf die den Ort überragende Anhöhe begeben.

Das beeindruckend große Theater

Eine schweißtreibende Angelegenheit bei der immer noch feuchten Hitze, aber wir werden mit einem sehr schönen Weg belohnt, der langsam durch den Pinienwald aufsteigt. Als erstes passieren wir das Theater: an der Anzahl der Sitzreihen kann man ermessen, wie viele Menschen hier früher mal gelebt haben; und was für eine Aussicht übers Meer man hatte!

Als nächstes erreicht man die Überreste der venezianischen Festung, errichtet auf den Resten der antiken Akropolis. Man muss kein Experte sein, um die Trümmer den richtigen Epochen zuzuordnen: Mauern aus perfekt und fugenlos zusammengefügten Blöcken, mit meterlangen Kanten und viele Tonnen schwer, stammen aus der Antike; Mauern aus kleinen Bruchsteinen, mit viel Zement zusammengeklebt, aus dem Mittelalter. Eindrücklicher kann man nicht vor Augen geführt bekommen, dass die Entwicklung von Zivilisation und Kultur keineswegs immer geradlinig verlaufen ist …

Antikes Tempelfundament, dahinter Ruinen der venezianischen Burganlage

Auf der nächsten Anhöhe findet sich ein sehr gut erhaltenes Tempelfundament; die gewaltigen Steinblöcke, welche sich viele Meter über die natürliche Form der Bergkuppe erheben, schaffen eine Grundfläche für den Tempel, die auch zweieinhalbtausend Jahre später noch perfekt plan liegt.

Ausblick über Limenas

Neben den Bauwerken lohnt sich der Aufstieg natürlich auch für die Aussicht: man hat einen tollen Ausblick über die Stadt und das Umland. Auf der anderen Seite des Akropolis-Berges entdecken wir aus der Vogelperspektive eine wunderschöne Bucht, zu der keine Straße führt – die wollen wir uns am nächsten Tag mal näher anschauen …

Erst mal aber machen wir uns an den Abstieg, kühlen uns mit Freddos ab und suchen uns dann was für’s Abendessen – gar nicht so einfach wie sonst, der preisorentierte Tourismus führt zu unglaublichen Auswüchsen: wir finden doch tatsächlich ein Lokal, das Pommes aus Tiefkühlware anbietet – das mag man bei uns normal finden, hier ist es ein absoluter Skandal (was man schon daran merkt, dass es auszeichnungspflichtig ist – in Restaurants wird geKOCHT!)  und uns noch nirgendwo begegnet.

Keramoti

Der folgende Sonntag ist der letzte Tag der ersten Hälfte unseres Herbsttörns, daher müssen wir wieder nach Keramoti auf dem Festland übersetzen, denn der Flug am Montagmorgen geht recht früh. Endlich sind wir die schwül-warme Luft und die drückenden Wolken los, es setzt sich wieder richtig schönes Wetter durch – da wollen wir doch mit dem Tag noch etwas anfangen, hat uns doch der Südwind die Ankerpläne für die vergangene Woche ganz schön durcheinander gebracht! Wir verlassen also am späten Morgen den Hafen und biegen erst mal rechts ab – wie wollen uns die herrliche Bucht mal aus der Nähe ansehen, die wir gestern von der Akropolis aus gesehen haben. Anderthalb Seemeilen sind es dahin, dennoch ist es völlig einsam, man ahnt nicht, dass gleich über den Hügel Limenas liegt – wo keine autogängige Straße hinführt, trifft man auch keine Menschen mehr.

Traum in Türkis – die Ankerbucht …

Zugegeben, der Zugang von Land zum Wasser ist auch nicht einfach: es gibt überhaupt keinen noch so kleinen Strand – aber das ist einem ja egal, wenn man mit dem Boot ankommt. Und der Ankerplatz ist einfach spektakulär: eine riesige Sandfläche, weiß und fein, mit gleichmäßigen Tiefen von 3 bis 5 Metern und einem geradezu unwirklichen Türkis! Die von den feinen Wellen auf der Wasseroberfläche gebrochenen Sonnenstrahlen werfen ein sich ständig veränderndes Muster auf den Sandboden, die See scheint zu leuchten. Umgeben ist die Bucht von zerklüfteten Felsen in warmen Umbratönen, dahinter zieht sich ein sattgrüner Pinienwald die Hänge hoch – wirklich, Farben können die hier!

… unter der Akropolis

Auch zum Schnorcheln ist es toll hier: bei 24° Wassertemperatur kann man beliebig lange die Felsspalten am Ufersaum erkunden, wo sich alle möglichen Fische und sonstige Meeresbewohner tummeln. Das umgebende Gestein muss glimmerhaltig sein: der weiße Sand enthält silbrige Blättchen, die in der Sonne funkeln; wühlt man den Sand mit den Flossen auf, glitzert es wie das Lametta am Baum! Am Rande zieht sich ein Riff etwas hinaus; dort branden die Wellen an, und unter Wasser sieht man tausende kleine Luftblasen einen Reigen tanzen. Dahinter fällt der Grund schnell ab, ein dunkles Blau zieht einen hinunter. Ein gewisses Risiko gibt es natürlich beim Schnorcheln im Riff: die von einer großen Welle verursachten Strömungen können einen auch schnell mal auf den nächsten Seeigel setzen, aber das muss man eben in Kauf nehmen 😉

Wir können uns kaum losreißen, aber wir müssen ja noch nach Keramoti: um 18 Uhr erreichen wir nach anderthalbstündiger Überfahrt (unter Segeln!) den Fährhafen und finden diesmal einen Liegeplatz an der Fischerpier. Ein letztes Abendessen runden den Tag und die erste Törnhälfte ab; leider folgt dem keine gute Nacht: wind- und schwelltechnisch ist es zwar an der Pier absolut ruhig und sicher, aber dass die ganze Nacht große Trawler lautstark kommen und gehen, um ihren Fang in bereitstehende Kühllaster zu laden, damit haben wir in dem Umfang nicht gerechnet …

Rafina – Mytilini (05.06. – 30.06.)

Marmari / Evvia

Noch am Dienstagabend verlässt die ‘Orion’ den unruhigen Hafen von Rafina, um wenige Kabellängen daneben vorm Strand zu ankern; hier ist es wesentlich ruhiger, aber auch recht ungeschützt – bei nennenswertem Wind (den wir zum Glück nicht haben) wäre auch das kein guter Ankerplatz. Am Mittwochmorgen geht es dann zurück nach Marmari; Dank der guten Fährverbindung zwischen Rafina und Marmari eignet sich dieser Hafen viel besser zum Warten, und diesmal gibt es sogar einen Längsseitsplatz an der Fischerpier.

Die Wartezeit bis Freitag vergeht ereignislos – es ist auch so warm, dass selbst an Bootsarbeiten kaum zu denken ist; Freitagabend finden wir uns noch eine schöne Taverna, und dann kann es endlich weitergehen!

Paralia Kastri / Evvia

Die Flaute ist seit Donnerstag schon vorbei, es weht wieder kräftiger Nordwind – heiß ist es aber unverändert, es fühlt sich an wie vor einem riesigen Fön zu stehen 🙂

Anwesen am Strand von Kastri – hier könnte man wohl auch leben …

Da wir erst mal nach Süden wollen, stört uns der kräftige Wind nicht; nur unter Klüver rauschen wir an der Küste von Evvia entlang. Ziel ist die einsame Ankerbucht Paralia Kastri nahe der Südostpitze der Insel; diese verspricht nicht nur guten Schutz vorm Nordwind, sondern auch eine ideale Ausgangsposition um am nächsten Tag die Straße von Kaphireas zu passieren! Als wir das zuletzt vor fast genau drei Jahren getan haben, herrscht nämlich ziemliche Flaute, und wir mussten endlos motoren; das soll uns diesmal nicht passieren! Für den Sonntag ist nämlich nachlassender Wind angesagt, nur noch 12 bis 14 Knoten sollen es sein; natürlich von vorne, denn unser Ziel Skyros liegt genau nördlich, und das ganze 50 Seemeilen; aber gegen  Windstärke 4 sollte man doch wohl aufkreuzen können, auch wenn es ein langer Tag wird …

Batsi / Andros

Was den nächtlichen Schutz betrifft, geht unser Plan auf, wir verbringen eine gute Nacht vor Anker; es ist auch endlich weniger heiß unter Deck als im Hafen, da sich das Boot ja freundlicherweise immer mit dem Wind ausrichtet und ein Luftzug durch die Vorschiffluke kommt.

Ganz anders sieht es mit unseren Segelplänen aus: wir sehen zwar schon vom Ankerplatz aus eine Menge weiße Wellenkronen draußen auf See, aber alle Wettermodelle sagen doch nur 4 Beaufort … also Anker auf und raus! Kaum verlassen wir aber den Schutz der Bucht, bekommen wir es furchbar auf die Nase: nicht nur, dass der Windmesser zwischen 25 und 30 Knoten schwankt  (also 6 Böen 7), auch die Wellen sind beeindruckend, und als Zugabe setzt ein Strom von gut 2 Knoten gen Süden – also uns entgegen. Wir wenden tapfer mit stark gerefftem Groß und Kuttersegel den Bug gegen die Elemente und machen auch ganz gut Fahrt (bis uns die nächste große Welle aufstoppt jedenfalls) – aber der Blick auf den Plotter bringt die Ernüchterung: wir bewegen uns kein Stück Richtung Norden, der Gegenstrom frisst unsere gewonnene Höhe auf, und wir segeln praktisch auf der Stelle – allerdings äußerst nass und unkomfortabel. Wäre die Kaphireas-Straße nur ein paar Kabel lang, könnte man sich das ja noch geben, aber es ist abzusehen, dass sich diese Bedingungen auf den nächsten 13 Seemeilen halten werden (und dann liegen ja immer noch 40 Seemeilen normales Kreuzen vor uns) – das hat keinen Sinn!

Heute die bessere Wahl: Ankerplatz vor Batsi

Wir brauchen keine Viertelstunde, um zu entscheiden, dass wir den Versuch abbrechen – und die eigentlich auch nur für die Frage, ob wir zurück in die Ankerbucht fahren oder quer über die Kaphireas-Straße nach Andros; da der Hafen von Batsi damals so nett war, entscheiden wir uns für die letztere Option. Was für eine Erlösung, um 90 Grad abfallen zu können! Das Boot beschleunigt auf 7 Knoten und pflügt nur so durch die Wellen – so herum macht Starkwind ja Spaß 🙂

Batsi – auch auf den zweiten Blick ein netter Ort

Da wir früh aufgebrochen und nun schnell unterwegs sind, erreichen wir schon  um 11 Uhr Batsi; der Hafen ist schon voll – oder besser gesagt noch, den jeder vernünftige Mensch harrt hier an einem solchen Tag aus … wir ankern also vorm Strand, was uns bei der Hitze aus den eben genannten Gründen sogar lieber ist.

Am Montagvormittag können wir noch im Ort einkaufen und Freddos trinken, während der Wind immer mehr nachlässt; für den späten Nachmittag ist eine Drehung auf Süd angesagt, und die wollen wir nutzen!

Paralia Kolybada / Skyros

Tatsächlich können wir bald nach dem Ablegen den Motor stoppen und unter Code 0 gen Norden segeln – wir sind hoch erfreut! Gegen 23 Uhr, am nördlichen Ausgang der Kaphireas-Straße, legt der Südwest sogar so weit zu, dass wir den Code 0 unter einigen Mühen bergen und auf den Klüver wechseln. Die Arbeit hätten wir uns schenken können, denn 10 Minuten später ist der Wind weg – und bleibt es. Die ganze Nacht verbringen wir damit, abwechselnd zu motoren oder mit dem Leichtwindsegel bei einem Knoten Fahrt über die glatte See zu dümpeln – angeblich sollen hier irgendwo 8 Knoten Südwest wehen … nun, wer sie noch findet, kann sie behalten, wir jedenfalls entscheiden bei Sonnenaufgang, die restlichen 25 Meilen zu motoren.

In Verbindung mit den völlig falschen Vorhersagen vom Vortag dämmert uns die Erkenntnis, dass offenbar kein Wettermodell die lokalen Besonderheiten der Kaphireas-Straße modellieren kann: die Windstärke hier beträgt wohl immer das Doppelte der allgemeinen Vorhersage. Das macht es bei mäßigem Gegenwind draußen unmöglich, die Meerenge zu passieren, und bei schwachem Rückenwind geht dem Wind bald die Puste aus. Offenbar kann man die Strecke nach Skyros nur bei Flaute motoren – wir haben das nun zum zweiten Mal getan.

Erholsam nach der Nachtfahrt: Paralia Kolybada

Völlig übernächtigt erreichen wir gegen Mittag einen schönen, völlig einsamen Ankerplatz auf Skyros, Paralia Kolybada. Hier können wir zur Wiederbelebung ins Wasser springen, welches hier schon 24° hat, ein deutlicher Sprung nach oben gegenüber 21° auf Andros. Das Wasser ist kristallklar, der Strand besteht aus feinem Kies in bunten Farben, und an den Berghängen ziehen sich ganze Oleanderwälder blühend bis hinunter zum Ufer – wunderschön! Und in der Nacht geht eine leise Brise durchs Boot, wir können gut schlafen, begleitet von vereinzelten Rufen der Ziegen und dem Konzert einer Myriade Zikaden.

Linaria / Skyros

Gut erholt lichten wir am Mittwochvormittag den Anker und verholen uns unter Motor – wie erwartet regt sich kein Lüftchen – in den nur drei Seemeilen weit entfernten Hafen von Linaria, der von der Gemeindeverwaltung als Marina betrieben wird; das führt zu höheren Preisen als der übliche Gemeindetarif, aber dafür wird auch echt was geboten (mehr als in jeder nichtöffentlichen Marina): Kostas der Hafenmeister ist mit Herzblut bei der Sache und begrüßt jedes Boot bei der Annäherung von seinem Porttender aus, weist die Boote ein und hilft; es gibt umfangreiches Infomaterial, eine echte Abfalltrennung (in Griechenland eine Sensation), Strom und Wasser inklusive – und natürlich die ägäisweit berühmte Disco-Dusche 🙂 Wir freuen uns sehr, nach drei Jahren wieder hier zu sein!

Diesmal können wir auch für den nächsten Tag einen Leihwagen bekommen um das Inland zu erkunden – damals war Pfingsten und absolut kein fahrbarer Untersatz mehr verfügbar. Wenn es doch nur nicht so heiß wäre! Die Nacht an Bord ist unerträglich, kein Windhauch bringt die Hitze aus dem Boot. Wir freuen uns also auf die Klimaanlage im Auto, aber selbst die kommt kaum gegen die Sonneneinstrahlung an … aber was hilft es, wir wollen was von der Insel sehen!

Deren Südhälfte ist karg und völlig unbewohnt, die Nordhälfte dagegen recht grün und mit Pinienwäldern bedeckt; da Bäume hier ja Mangelware sind, wollten wir uns das doch mal aus der Nähe anschauen! Der Duft und die Farben sind hinreißend, aber selbst im Wald ist es zu heiß für einen Spaziergang, und wir lassen die Gegend im Auto auf uns wirken …

Pinienwälder über Ormos Pevko

Unvermeidlich ist natürlich ein Ausflug in die wirklich außergewöhnlich hübsche Chora – wieder sind wir erstaunt, dass Skyros bei den Urlaubern so wenig bekannt ist. Aber die Erreichbarkeit ist eben ein Problem – selbst für Segler, wie wir feststellen mussten. Von Kymi auf Evvia gibt es eine tägliche Fähre, aber auch da muss man ja als Ausländer erst mal hinkommen – von Athen eine kleine Himmelfahrt. Aber vielleicht ist das auch gut so, sonst wäre hier ja viel mehr los 😉

Im Klosterhof von Agios Georgios Skyrianos

Trotz der Hitze steigen wir natürlich auch nochmal auf den Burgberg; belohnt wird das durch den Ausblick und das auf dem Weg gelegene sehr hübsche Kloster Agios Georgios Skyrianos, dessen Innenhof eine schattige Oase in der umgebenden Bruthitze darstellt. Aber ansonsten ist es wirklich so feucht-warm, dass wir lieber bei einem Freddo abhängen als noch endlos durch den Ort zu laufen …

Überall blüht der Oleander auf dem Weg zum Stausee

In die Natur wollten wir aber auch unbedingt noch, und so finden wir noch eine kurze Wanderung durch ein tiefes, relativ schattiges Tal zum kleinen Stausee der Insel; hier rinnt sogar etwas Wasser entlang, und überall blüht der Oleander  – schön, dass wir diesen Weg noch entdeckt haben!

Zurück in Linaria gibt es eine lange Dusche und später noch ein köstliches Abendessen, bevor wir uns zu einer weiteren, schlaflosen Nacht an Bord begeben – ohne Wind ist es einfach nicht auszuhalten!

Ormos Glyphadha / Skyros

Freitagvormittag erledigen wir noch allerlei Besorgungen in Linaria, nutzen den kostenlosen Landstrom um für’s Abendessen vorzukochen, trinken noch einen Freddo mit dem Hafenmeister – und dann sind wir aber auch froh, die Marina verlassen zu können. So nett und gastfreundlich es hier auch ist – bei der Hitze ist es vor Anker viel besser auszuhalten!

Traum in Blau: Ormos Glyphadha

Wir wollen uns an die Südostküste von Skyros verholen, auf der vorgelagerten Insel Sarakino gibt es eine wunderschöne, einsame Ankerbucht, Glyphadha; und kaum haben wir den Hafen verlassen kommt auch Wind auf, und wir können die rund 10 Seemeilen dorthin sogar segeln. Als wir in die Bucht einlaufen, liegt ein Ausflugsboot darin und schränkt unseren Ankerraum deutlich ein; kurze Zeit später legt es aber ab, und wir haben die Bucht für uns allein. Sehr klares Wasser, viel Sand, schöne Felsen – und zum Abend ein toller Sternenhimmel, der den Wetterumschwung belegt: endlich wieder Nordwind!

Psili / Antipsara

Auf den haben wir auch gesetzt: nach einer endlich mal brauchbareren Nacht lichten wir früh den Anker, denn vor uns liegen mehr als 45 Seemeilen am Wind quer über die zentrale Ägäis; unser Ziel ist die kleine Insel Antipsara, welche gemäß den griechischen Namenskonventionen Psara vorgelagert ist. Wir starten mit einem Reff im Groß, denn immerhin erwarten wir 5 bis 6 Windstärken; die bekommen wir auch, aber zunächst eher aus Nordost als aus Nord – nicht so gut. Sobald wir aber die Ablenkungszone von Skyros verlassen, verbessert sich die Windrichtung, und wir können mit 70 Grad am wahren Wind auf’s Ziel zusegeln. Die Stärke schwankt etwas, mal geht es auf 4 runter, dann aber wieder gibt es ordentliche Böen; da wir im Schnitt über 5 Knoten fahren, belassen wir es bei dem Reff, wir sind ja auch so früh genug da!

Es wird ein sehr schöner Segeltag, die Lufttemperatur übersteigt auch auf offener See 30 Grad, aber mit dem Wind lässt es sich aushalten; es steht durchaus eine beachtliche Welle (weiter im Norden muss es heftiger wehen), und die ‘Orion’ freut sich über den gemäßigten Windwinkel und pflügt nur so durch die tiefblaue und in der Sonne glitzernde See – so macht das Spaß!

Abendhimmel über Antipsara

Antipsara ist völlig unbebaut und -bewohnt – Natur pur! Wir ankern in einer ausgedehnten Bucht mit geringen Wassertiefen vor einer fast dünenartigen Sandlandschaft (hier eher ungewöhnlich); nach Süden wird die Bucht fast umschlossen von kleineren Felseninseln, die gerade noch einen Blick auf die Küste von Chios am Horizont freigeben – und auf einen Abendhimmel in den unbeschreiblichsten Farben!

Paralia Spitalia / Psara
Ankern vor Psara

Am nächsten Morgen verholen wir uns auf die große Schwesterinsel Psara – stolze drei Seemeilen, die hätten wir auch am Vortag noch geschafft, aber wir wollten unbedingt auch mal auf Antipsara übernachten! Der kleine Hafen des gleichnamigen Hauptortes hätte sogar noch Platz für uns, aber nur mit Buganker und Heckleinen genau quer zum Wind, der mit gut 20 Knoten über das Hafenbecken fegt – lieber doch nicht, so gut wie unser Langkieler bei starkem Seitenwind rückwärts fährt. Aber der Ankergrund ist sehr schön und sicher, und die Entfernung zum Ort mit dem Dinghi beträgt wenige Minuten Fahrt.

Alles sehr ruhig im Dorf von Psara

Die sehr karge Insel Psara zählt nur wenige hundert Einwohnter und wird als ‘vom Tourismus noch nahezu unberührt’ beschrieben – das können wir bestätigen, Umgangssprache in den Lokalen ist noch Griechisch, und sehr zahlreich sind diese auch nicht. Die einzige Einkaufsmöglichkeit hat geschlossen (gut, es ist ja auch Sonntag – aber viel, und vor allem frische Ware, hätte es da in der Woche auch nicht gegeben), und von den drei existierenden Tavernas hat auch eine zu und eine ist eher ein Souvlaki-Grill. Aber Psara hat auch ganz andere Zeiten gesehen: früher lebten hier 15.000 Menschen, und die Insel war Heimat eine der größten Handelsflotten des Landes. Das änderte sich im Juni 1824, als die osmanische Flotte die Insel verwüstete und die Bevölkerung quantitativ massakrierte oder in die Sklaverei verkaufte; 17.000 Einwohner fielen dem zum Opfer, viele davon Flüchtlinge vom Massaker auf Chios zwei Jahre zuvor. Offiziell handelte es sich um eine Vergeltungsaktion für die Versenkung des osmanischen Flaggschiffs durch griechische Freiheitskämpfer –  Massaker an der Zivilbevölkerung als Antwort auf militärische Aktionen scheinen eine Standardmethode der Osmanen gewesen zu sein, welche die bis heute anhaltende Beliebtheit der Nachbarn im Osten erklärt.

Erst seit 1912 ist die Insel wieder in griechischer Hand, konnte aber nie wieder an frühere Bevölkerungszahlen anknüpfen; das tragische Ereignis ist tief verwurzelt im Gedächtnis der Einwohner, überall sieht man die Flagge von Psara wehen, welche praktisch identisch mit der aus Revolutionszeiten ist. Der Freundlichkeit der Menschen tut das keinen Abbruch (wir sehen ja auch nicht türkisch aus 😉 ), uns gefällt es ausnehmend gut hier, und freuen uns, dass unsere kläglichen Versuche ein paar Worte Griechisch zu sprechen nicht gleich in flüssigem Englisch beantwortet werden – und nur eine Taverna erleichtert doch die Auswahl für’s Abendessen ungemein (wobei auch dort die Hälfte der Gerichte nicht erhältlich ist – es ist Sonntag, und die Fähre aus Chios muss erst mal neue Frischware bringen …)!

Oinoussa / Oinousses

Für die anbrechende Woche hatten wir eigentlich schon ausgearbeitete Pläne: der Nordwind sollte noch drei, vier Tage zunehmend kräftig wehen und dann wieder neuer Flaute weichen; in der windigen Phase wollten wir zum Südende von Chios ablaufen, dort gibt es wunderbare Ankerplätze für egal welchen Meltemi, und danach dann an der Ostseite wieder gen Norden segeln. Die letzen Aktualisierungen der Wettermodelle haben uns das ‘danach’ aber leider gestrichen – der Nordwind wird immer nur stärker. Damit kämen wir nicht mehr östlich von Chios hoch, also müssen wir unsere Wunschziele streichen und direkt die Oinousses anlaufen – eigentlich viel zu früh für unsere Planung. Aber wenigstens sollte der heutige Wind dafür noch perfekt sein: N um 3-4, später NW-drehend und zunehmend 4 bis 5.

Der Profitis Elias (1297 m) überragt Chios

Und mal wieder erleben wir unser blaues Wunder mit den Windvorhersagen: weil mäßiger Nordwind erst noch einen Amwindkurs darstellt, setzen wir natürlich das Groß – im ersten Reff, eigentlich schon eine übertriebene Vorsichtsmaßnahme. Wir segeln so auch drei Stunden schön und zügig auf Chios zu, aber als wir die Küste erreicht haben und der Wind eigentlich zunehmen sollte, ist er stattdessen – weg, und zwar so gründlich, dass wir über zwei Stunden motoren müssen! Nichtsdestotrotz laufen aus der offenen See Wellen aus Nordwest heran, die zu 4 bis 5 Beaufort passen – nur, wo bleibt der Wind? Offener Seeraum über hunderte Meilen, Abdeckung ist da keine … ist der großräumige Wind doch nördlicher und wird von Lesvos geschluckt? Niemand weiß es …

Jedenfalls sind wir froh, als am frühen Nachmittag der Wind endlich wieder einsetzt – aus West statt Nordwest, aber gut, das soll uns ja auch recht sein. Er legt auch bald auf die versprochenen 4-5 zu … und weiter auf 6-7! So kesseln wir mit siebeneinhalb Knoten vor dem Wind mit weit offenem Groß und Klüver auf die Passage zu den Oinousses zu – nur, was wird da der Wind machen? Normalerweise fokussiert er sich, Chios hat hohe Berge im Norden  … Groß bergen bei 35 Knoten und Hackwelle? Nun, genau so kommt es – wir suchen uns etwas Schutz unter einem dicken Felsbrocken dicht unter der chiotischen Küste und zerren unter lautem Fluchen auf die Windvorhersage das Tuch herunter 🙁

Im Hafen von Oinoussa

Endlich im Hafen der Hauptinsel Oinoussa angekommen finden wir Schutz und einen Liegeplatz längsseits mit dem Bug gen Nordwesten; perfekt, da geht Wind durchs Boot, denn es ist schon wieder verdammt heiß – die sinkenden Temperaturvorhersagen erweisen sich als genauso leere Versprechungen wie die mäßigen Windvorhersagen. Wir bezahlen erst mal für zwei Nächte (14 € insgesamt …), wir haben ja jetzt alle Zeit der Welt, und auch wenn wir bei den Temperaturen keine großen Ambitionen haben, wie im vergangenen Oktober die Insel zu erwandern, ist es hier einfach total schön – der von Inseln umschlossene Naturhafen ist einer der bestgeschützen und schönsten Häfen weit und breit, und der Ort wirklich hübsch und nicht sehr stark frequentiert – ein echter Geheimtipp, wie irgendwie alles hier oben, wenn man mit dem viel volleren Dodekanes oder gar den ziemlich mit Charterern überlaufenen Kykladen vergleicht.

Tatsächlich hängen wir den gesamten Dienstag eigentlich nur ab – nach einer Bergtour hoch zur Bäckerei im Hang sind die Energiereserven verbraucht! Es gibt Freddos auf der Seefront direkt vorm Boot im schatten großer Tamarisken, was will man mehr … und am Abend, deutlich nach Sonnenuntergang, kann man auch wieder lauwarme Nahrung zu sich nehmen.

Aspalathrokambos / Oinousses

Mittwochmittag verlassen wir aber dann doch den Hafen, um uns eine Ankerbucht in der Nähe zu suchen in der Hoffnung auf etwas bessere Durchlüftung in der Nacht – der Nordwind bläst zwar ununterbrochen und kräftig, aber vorm Ort wird er doch stark abgelenkt und ist recht böig.

Inseln überall: die Oinousses

Wir verholen uns stolze drei Seemeilen nach Osten ans Ende der Hauptinsel und haben die Wahl zwischen etlichen Ankerbuchten mit Nordschutz – alle leer, und wir sehen auch kein anderes Boot auf dem Wasser. Hier, unmittelbar vor der türkischen Küste, zerfällt der Oinousses-Archipel in unzählige kleine Inselchen – beim Blick nach Süden fühlt man sich fast wie in einem Binnengewässer. Es ist jedenfalls herrlich ruhig, kein Schwell kommt in die Bucht, und der Nordwind weht die ganze Nacht mit gleichmäßigen 4-5 Beaufort übers Boot und senkt die Temperaturen auf ein erträgliches Maß.

Chios Marina / Chios

Obwohl der Ankerplatz temperaturtechnisch ideal ist, gehen wir dennoch am nächsten Vormittag wieder Anker auf – wir wollen schließlich mit unserer knappen Zeit doch noch etwas mehr anfangen. Der inzwischen mit 6-7 wehende Nordwind bläst uns nur unter Kutter mühelos in zwei Stunden in die 11 Seemeilen entfernte Chios Marina, jenes für immer unfertige Betonmonstrum weit außerhalb der Stadt, welches perfekt sichere, kostenlose Liegeplätze für die Inselerkundung bietet – und sonst auch nichts. Wir haben die Marina noch nie so voll gesehen, nur mit Glück bekommen wir noch einen Platz – alle Segler des Großraums verstecken sich hier vor dem anhaltenden Starkwind.

Am Abend laufen wir in die Stadt, besorgen einen Mietwagen für den nächsten Tag und essen im schon im letzten Jahr wärmstens empfohlenen ‘Vradhypous‘ zu Abend – was diesmal etwas länger dauert, weil erst mal eine Stunde der gesamte Strom ausfällt … kein Problem für den, der Geduld hat!

Während wir beim ersten Besuch auf Chios im Herbst ’21 den Inselsüden erkundet haben, lenken wir am nächsten Tag unseren Mietwagen gen Norden; hier ist viel weniger los, da es eher Natur als alte Dörfer zu sehen gibt, was wohl weniger Touristen anzieht.

Bei Agios Isidoros

Dabei hat die es in sich: wir besuchen zunächst die Hafenorte Lagadha und Kardhamila (und staunen dabei, wie guten Schutz diese beim herrschenden Nordwind bieten, das ist der Seekarte nicht anzusehen!) und fahren dann die schmale Küstenstraße hinauf an die Nordküste. Hier begegnet einem kaum noch ein anderes Auto, man ist allein in einer atemberaubend schönen Umgebung: 1300 Meter ragen die Berge steil aus dem tiefblauen Meer, sattgrüne Pinienwälder liegen in den Taleinschnitten zwischen wild zerklüfteten Felsenkämmen. Es gibt nur noch wenige Ansiedlungen, in denen sich dann allerdings auch beeindruckende Villen finden – ein paar Reiche wissen auch, wo’s schön ist!

 

Man muss wirklich viele Kilometer fahren, um diesen Teil der Insel zu sehen, und das sehr langsam auf wild gewundenen Straßen – bei den herrschenden Temperaturen ist allerdings die Fahrt im klimatisierten PKW definitiv ein Teil des Vergnügens 🙂

Agio Galas: schattiger Talgrund …

Am Nachmittag erreichen wir den Nordwesten der Insel; hier sind die Berge niedriger, und es ist viel karger und trockener. Wir fahren bis zum alten Bergdorf Agio Galas, wo es eine Tropfsteinhöhle zu sehen gibt (die wir leider nicht mehr die Zeit haben anzuschauen) und sich in einem schattigen Tal unter alten Platanen eine munter sprudelnde Quelle und eine einfache Gastwirtschaft befindet.

… mit kühler Quelle

Hier kehren wir ein und lassen in dieser Oase der Ruhe und (relativen) Kühle den Tag  ausklingen. Der Ort ist herrlich, das Essen unprätentiös gut und inseltypisch, und das Wasser wird direkt aus der Quelle entnommen und auf den Tisch gestellt, wie in alten Zeiten. Was für ein schöner Ort mitten im Nichts!

Lagadha / Chios

Am Samstagmittag lässt der seit Tagen heftig blasende Nordwind etwas nach, so dass wir uns aus der Marina trauen und versuchen, etwas Höhe Richtung Lesvos aufzubauen.

Näher an der Gastronomie geht’s nicht!

Da uns beim Autoausflug am Vortag der Hafenort Lagadha so gut gefallen hat und wir festgestellt haben, dass es dort bei Nordwind erstaunlich ruhig ist, wollen wir dort nochmal Station machen. Wir kreuzen also den ganzen Nachmittag in langen Schlägen auf, bis wir schließlich den Hafen ansteuern können. Wir sind gespannt, ob es dort noch einen Platz an der Stadtkaje gibt – und stellen erstaunt fest, dass wir dort alleine sind! Offenbar geht es nicht nur uns so, dass dieser Hafen leicht übersehen oder für ungeeignet gehalten wird …

Wir finden den (kostenlosen) Liegeplatz jedenfalls super: die Distanz vom Boot bis zum Freddo im Café beträgt exakt zwei Meter – und später, auf dem Rückweg von der Taverna, gibt es dort auch noch einen Cocktail, während wir darauf warten, dass sich die Hitze etwas legt. Eine schöne Entdeckung!

Kardhamila / Chios
Kardhamila

Auch am Sonntag bleiben wir noch auf Chios und bringen uns nur in eine bessere Startposition (wie wir glauben) für die Überfahrt nach Lesvos; wir kreuzen wieder fleißig gegen den Nordwind durch die Oinousses-Straße und laufen den zweiten neuentdeckten Hafenort an, Kardhamila an der Nordküste. Die Hafenanlage selbst (ein Beton-Monstrum) und den Ort (zu viel Straßenverkehr an der Wasserfront) fanden wir nicht so nett wie Lagadha, daher ankern wir für die Nacht am Südende der Bucht; hier ist es zwar nicht so schön zum Baden, der der ständige Nordwind den Dreck der halben Ägäis anspült, aber der Blick auf die Berge ist imposant. Tatsächlich verbringen wir eine ruhige Nacht, obwohl die Bucht sich doch nach Norden öffnet – erstaunlich!

Paralia Ligonari / Lesvos

Am Montag machen wir uns an die letzte Überfahrt dieses Törns: gut 30 Seemeilen gen Norden sind es bis Lesvos. Laut Wettervorhersagen sollte der großräumige Nordwind zwischen den Inseln zum Nordwest werden, weswegen wir es für eine gute Idee hielten, uns in eine westlichere Startposition zu bringen, und eine Woche zuvor haben wir ja auch erlebt, wie wir hier mit kräftigem West vorbeigerauscht sind. Als wir aber die Bucht von Kardhamila verlassen, weht es verhalten aus Nordnordost – uns genau auf die Nase! Wenn man sich in diesem Frühjahr auf eines verlassen kann, dann darauf, dass die Wettervorhersagen wenig taugen …

Gute Alternative: Paralia Ligonari

Wir motoren eine ganze Weile, bis endlich der Wind westlicher dreht und zulegt – offenbar gibt es hier eine Konvergenzzone, die in den Modellen nicht enthalten ist. So können wir die zweite Tageshälfte doch noch segeln und erreichen am späten Nachmittag Lesvos. Unsere Lieblingsbucht an der Südostküste, Tsilia, ist mit 4 Ankerliegern schon gut gefüllt, also biegen wir in die Nachbarbucht ab und ankern vorm Strand von Ligonari – alleine. Es fehlt zwar die hübsche Kapelle der Nachbarbucht, aber auch hier findet sich genug guter Ankergrund, das Wasser ist herrlich sauber, und die Umgebung grün und friedlich.

Perama / Lesvos

Da wir immer noch reichlich Zeit haben, in die Marina zu kommen, suchen wir uns noch ein paar Zwischenziele; wir wollen zunächst Skala Loutron anlaufen, aber auch dort liegen schon etliche Boote vor Anker, als wir am Dienstagvormittag in den Kolpos Geras einlaufen.

Pier von Perama – Salzbeschichtung inklusive

Wir entscheiden uns ziemlich spontan für den Fischerort Perama, wo wir bei 12 Knoten Wind gut hinter der Stadtpier liegen. Was wir dabei dummerweise vergessen haben, ist die Windvorhersage für die kommende Nacht, wo es kräftig auffrischen soll – weswegen sich auch so viele Boote in der Bucht von Loutra gegenüber versteckt haben. Zwar ist der Liegeplatz auch bei Starkwind aus Nord sicher, aber im Kolpos Geras baut sich eine beeindruckende Welle auf, die gegen die Nordseite jener Pier brandet und alles dahinter mit einem konstanten Sprühnebel aus Salzwasser beglückt – wir müssen trotz der Hitze die Luken geschlossen lassen und können uns am nächsten Morgen über eine mehrere Millimeter dicke Salzkruste auf jeder gen Luv gerichteten Fläche freuen …

Äußerst stimmungsvoll: Café in Perama

Der von See kommend nicht so hübsch aussehende Ort – hier gibt es einige verfallende frühindustrielle Bauten aus der Hochzeit der Olivenölproduktion, in der der Ort von einiger Bedeutung war, aber das ist lange vorüber – entpuppt sich aber als recht nett, es gibt fast nur (sehr freundliche!) Einheimische und natürlich gutes Essen zu noch völlig untouristischen Preisen; also, bei weniger starkem Nordwind kämen wir auch wieder 😉

Paralia Charamidha / Lesvos

Ziemlich übernächtigt verlassen wir bei immer noch starkem Nordwind Perama; das Ablegemanöver gestaltet sich äußerst einfach: Leinen loswerfen, den Rest erledigt der Wind. Nur unter Kutter gleiten wir vor dem Wind aus dem Kolpos Geras und suchen uns noch einen letzten Ankerplatz zum Baden und Erholen, bevor es nach Mytilini geht.

Paralia Charamidha am Tag …

Vor Charamidha gibt es einen sehr langgezogenen Sandstrand, der sogar bewirtschaftet wird: drei Strandbars bieten Sonnenliegen, und es gibt ausnahmsweise mal eine Schwimmerabsperrung. Dort, wo diese endet, kann man aber noch vernünftig ankern, und zur Abkühlung ins kristallklare Wasser springen.

… und am Abend

Der Wind hält noch bis zum Abend durch, dreht dann sogar nochmal auf und fällt mit Böen der Stärke 8 über uns her, aber beim Schnorcheln hat sich schon gezeigt, dass man hier krisensicher liegt: der Bügelanker ist vollkommen im grobkörnigen Sand verschwunden, man sieht nur noch die Kette im Boden verschwinden. Besser geht’s nicht – und später beruhigt sich das Wetter auch noch, so dass wir eine deutlich bessere Nacht verbringen. Wie so oft zeigt sich, dass es vor Anker ruhiger und sicherer ist als im Hafen – das hätten wir uns früher so nicht vorstellen können!

Mytilini / Lesvos

Den Donnerstagvormittag verbringen wir noch am Ankerplatz und nehmen ein letztes Bad, bevor wir uns auf den Weg in die Marina Mytilini machen; wie schon früher auf dieser Strecke scheitern unsere Ambitionen, die letzten Meilen unter Segeln zurückzulegen, am fehlenden Wind – hier hinter Lesvos regt sich häufig kaum ein Lüftchen.

Am frühen Abend erreichen wir nach 650 Seemeilen in gut 8 Wochen den Liegeplatz, der nun für die nächsten 12 Monate unserer ist – weiter hinten in der Hafenanlage bei den kleineren Booten, was uns viel besser gefällt, ist es doch kaum möglich, sich gegen die zeitgemäßen, hochbordigen Dickschiffe vernünftig abzufendern.

Die verbleibenden Tage bis zum Rückflug vergehen mit dem üblichen Ausflug zur Küstenwache für den Papierkram, dem Abschlagen der Vorsegel (das Groß bleibt – zusätzlich geschützt durch die alte Persenning über den neuen lazy bags – am Baum), allerlei Aufräumarbeiten – und natürlich dem allabendlichen Genuss der hervorragenden Gastronomie in Mytilini! Beim Abschiedsessen am Sonntagabend bleibt uns nur zu hoffen, dass wir möglichst bald zurückkehren können …

 

 

Milos – Rafina (17.05. – 04.06.)

Milos / Paralia Phatourena

Die Wetteraussichten für Freitag und Samstag sind nicht überwältigend: bedeckter Himmel, feuchtwarme Luft, und umlaufende Flaute. Eigentlich keine Aussichten, die einen zu einer Ortsveränderung einladen, aber wie gesagt, eines steht fest: raus aus Adamas!

Ankern vor Paralia Phatourena – nichts als Ruhe!

Wir erledigen noch die Bevorratungen und legen gegen Mittag unter Motor ab, um ganze zwei Seemeilen quer über die große Innenbucht von Milos zu fahren. Dort ankern wir vor dem Strand von Phatourena, neben einer kleinen Lagune. Ein Fischerhäuschen, eine Kapelle, ein paar Ziegen, und sonst nichts: endlich Ruhe! Eine solche Wohltat nach den Nächten mit ununterbrochener Disko-Berieselung – mal wieder zeigt sich, wie viel lieber wir doch inzwischen ankern als irgendwo im Hafen zu liegen …

Milos / Klephtiko

Am Samstag fühlen wir uns schon ausgeruhter und beschließen, die Umrundung von Milos anzugehen, um einen der außergewöhnlichsten Ankerplätze weit und breit anzulaufen: an der Südwestspitze der Insel gibt es ein ausgedehntes Areal, in dem die See tiefe Höhlen in die weichen, weißen Klippen aus vulkanischem Gestein gegraben hat, Klephtiko. Das Gebiet ist praktisch nur von See aus zugänglich, und eine Unmenge Tagesausflugsboote verkehren von Adamas aus dorthin. Man darf also nicht damit rechnen, dort alleine zu sein …

Das schreckt uns aber nicht ab, wenn man schon um Milos segelt, muss man da wohl hin; eher schon tut es die Wettervorhersage: umlaufende Winde, immer noch kein klarer Himmel, und Schwell aus dem Südsektor – damit an einen ungeschützten Ankerplatz?

Tolle Klippen an der Westküste von Milos

Aber wir wollen der Sache eine Chance geben, vorbeifahren können wir ja immer noch! So fahren wir also entlang der Westküste von Milos gen Süden – mal unter Code 0, mal unter Motor, wie erwartet kann sich der Wind weder für eine Stärke noch für eine Richtung entscheiden. Die vorbeiziehende Küste wird immer spektakulärer, je weiter wir kommen: steil aufragende Klippen in den unterschiedlichsten Farben, die teils übergangslos abwechseln. Beeindruckend, selbst ohne rechten Sonnenschein!

Die Klippen von Klephtiko

Gegen Mittag umrunden wir die Südwestspitze der Insel, und wie erwarten tummeln sich hier schon etwa 20 Yachten, Katamarane und Motorboote mit Tagestouristen – gar nicht so einfach, in dem Gewimmel einen Platz zu finden. Wir ankern erst mal etwas abseits, wo wir allerdings dem Schwell ganz gut ausgesetzt sind. Was wir ringsherum sehen gefällt uns aber so sehr, dass wir beschließen, die Lage erst mal schnorchelnd zu sondieren und dann den Abend abzuwarten. Und tatsächlich: ab 17 Uhr verschwinden alle Ausflugsboote, und wir können uns einen sicheren Platz in der kleinsten und schönsten Bucht sichern, wo uns der Buganker im Schwell hält und der Heckanker so stabilisiert. Hier lohnt es sich doch, etwas länger zu bleiben!

Und am Pfingstsonntag ist dann auch der Himmel wieder blau, und die Farben des Wassers und der Felsen leuchten um die Wette! Das Wasser hat gut 21°, da gibt es kein Halten mehr, denn die schönsten Naturwunder erkundet man hier nur schwimmend: durch etliche der Felsen hat die See Torbögen gearbeitet, durch die man hindurchschwimmen kann, und zum Teil gibt es sogar lange, schluchtartige Einschnitte, durch die man ganze Felsendome untertauchen kann. Der Grund besteht aus weißem, feinen Sand, die Farben des in diesen Unterwasserschluchten langsam auslaufenden Lichts sind unbeschreiblich!

Wirklich ein außergewöhnlicher Ort, wir sind froh, hierhergekommen und geblieben zu sein – trotz des unbeschreiblichen Trubels drumherum, der sich aber auf die Zeit zwischen 9:30 und 17:30 Uhr beschränkt …  danach sind wir am ersten Abend ganz allein, tags drauf kommt noch ein Katamaran rein, der neben uns ankert, aber auf jede Beschallung verzichtet – gut, dass es auch noch solche Besucher gibt, denen die Natur nicht nur als Hintergrund für die Instagram-Session dient!

Farben- und Formenrausch vor Klephtiko
Kimolos / Psathi
Kimolos, Psathi und darüber Chorio

Am Pfingstmontag – der hier natürlich erst in 5 Wochen gefeiert wird – verlassen wir Milos endgültig, um uns auf den Weg gen Norden zu machen; die ganze Südküste bietet uns weiterhin farbenfrohe Felsformationen – nur Wind gibt es nicht, wir versuchen zwar mehrmals den Code 0 zu benutzen, aber für mehr als 5 Minuten reichen die Windfelder nie, wir motoren praktisch die ganzen 18 Seemeilen bis Kimolos.

In Chorio / Kimolos

Dort bekommen wir noch einen Platz im Hafen – gar nicht so selbstverständlich, es ist echt schon ordentlich was los Mitte Mai – und gleich auch leckeres Gebäck und Freddos von der örtlichen Konditorei. Später machen wir uns auf den Weg ins Hauptdorf der Insel, welches hier zur Abwechslung Chorio heißt. Der Ort wirkt noch wie ein echtes Dorf, man sieht mehr Einheimische als Touristen auf der Straße; dafür bekommt man aber auch nicht an jeder Ecke ein Abendessen angeboten, wir müssen etwas suchen, bis wir ein geöffnetes Lokal finden. Dabei handelt es sich wohl auch um die Dorfkneipe, die Karte bietet eine beeindruckende Liste verschiedener Ouzo-Sorten an, und auf der Terrasse sitzen nur alte Herren und diskutieren die Tagespolitik. Wir lassen uns davon nicht abschrecken, ein ‘Guten Abend’ auf Griechisch, und schon hellen sich alle Mienen auf 🙂

Sifnos / Platys Gialos

Dienstag geht es schon weiter Richtung Norden; wieder ist ziemlich Flaute angesagt, und wieder werden unsere Bemühungen, mit dem Code 0 jedes Lüftchen zu nutzen, nicht wirklich belohnt … wenigsten sind es ein paar Seemeilen weniger als am Vortag, so dass wir mit knapp drei Motorstunden die Nachbarinsel Sifnos erreichen. Diese ist größer als Kimolos und verfügt sogar über zwei Häfen; wir entscheiden uns für denjenigen, wo nicht die Fähren anlegen, dort geht es gewöhnlich ruhiger zu.

Selbst gegen Mittag liegen schon einige Charterboote im Hafen von Platys Gialos, und am schönen Sandstrand sind alle Bars und Restaurant geöffnet und gut besucht. Nur die Bäckerei ist noch zu – nun ja, dafür verkauft der Minimarkt Eis am Stiel 🙂

Wir machen noch einen Mietwagen für den nächsten Tag klar, ansonsten ist es einfach zu warm ohne einen nennenswerten Luftzug im Hafen.

Am Mittwoch frühstücken wir ausgiebig (frisches Brot verkauft auch der Minimarkt) und machen uns dann an die Erkundung der Insel. Erstes Ziel ist das alte Kastro, auf einem 100 Meter hohen Felsen an der Ostküste der Insel gelegen. Hier geht es recht ruhig zu, nur wenige Besucher sind zwischen den durchaus noch bewohnten und sehr hübsch hergerichteten Häusern unterwegs; es gibt ein äußerst stimmungsvolles Restaurant, und ein nettes kleines Café mit Souveniershop, wo wir uns auch mit einer hausgemachten Limonade erfrischen.

Cherronisos

Weiter geht die Reise in die Nordhälfte der Insel, wo wir den kleinen Fischerort Cherronisos besuchen. Es gibt offensichtlich etliche Ferienzimmer zu mieten, und direkt am Strand liegt ein recht ansprechendes Lokal – sonst nichts, entsprechend entspannt wirken die Badegäste. Zieht man allerdings die Fläche des oberhalb des Ortes zur Verfügung stehenden Parkraums in Betracht, könnte das im Sommer anders aussehen …

Als nächstes besuchen wir Kamares, den Fährhafen der Insel – und sind froh, diesen nicht mit dem Boot angesteuert zu haben: an der Kade liegt ein Charterboot neben dem anderen, direkt dahinter fahren die Autos vorbei, und die Gastronomie ist für unseren Geschmack zu durchgestylt.

Weiter geht unsere Rundfahrt in den Hauptort der Insel, Apollonia; hier gibt es eine Menge Peripherie, aber mitten durch den Ort zieht sich die alte Hauptstraße, zu schmal für Autoverkehr. An dieser liegen nebeneinander nette Cafés, einladende Restaurants – und etliche Kapellen, davon soll es auf Sifnos selbst für griechische Verhältnisse außergewöhnlich viele geben!

Ankerbucht vor Pharos

Letzte Station der Inseltour ist der kleine Ort Pharos an der Ostküste: hier gibt es eine schöne, große Bucht, die in mehrere feine Strände ausläuft, und vor allem einen Küstenwanderweg zum etwas südlicher malerisch auf einer felsigen Landzunge gelegenen Kloster von Chrysopigi.

Das Kloster Chrysopigi

Am Ende eines langen Ausflugstages mit recht feucht-warmer Luft (der Himmel ist nicht richtig klar und blau – schon wieder südliche Winde!) kostet die Wanderung zwar nochmal einige Anstrengung, aber wir werden mit wirklich schönen Aussichten belohnt.

Im Innenhof des Klosters

Zurück in Platys Gialos geben wir den Mietwagen zurück, und der junge Vermieter (keine Papiere, keine Kontrolle …) wirkt so aufrichtig ergriffen davon, dass es uns gut gefallen hat auf Sifnos, dass man es kaum beschreiben kann, wenn man die Art der Menschen hier nicht selbst mal erlebt hat: man erlaubt sich Emotionen und sie zu zeigen – und natürlich ist die eigene Insel die Schönste von allen! 🙂 Und auch wenn es paradox sein mag: irgendwie trifft es auch auf jede einzelne zu …

Despotiko / Livadhi

In der Nacht zum Donnerstag kommt kräftiger Wind auf, was leider zu deutlich mehr Unruhe im Hafen führt: die Wellen schlagen gegen die Kade, und das Boot ruckt in die Leinen. Wir wünschen uns für die kommende Nacht unbedingt einen Ankerplatz nach mehreren Nächten im Hafen: keine lärmenden Crews, keine ruckenden Leinen, und immer Wind von vorne im Boot. Da der kräftige Nordwestwind um 6 Beaufort eh nicht zur Weiterreise gen Nordwesten einlädt, beschließen wir einen Haken nach Osten zu schlagen. Dort liegt die heute unbewohnte Insel Despotiko, auf der aber bis in die Bronzezeit zurückreichende Siedlungsspuren nachgewiesen wurden – wie hier praktisch überall.

Einsamer geht’s kaum: Despotiko

Die Überfahrt verläuft entsprechend zügig, nicht selten sind wir nur unter Klüver mit 7 Knoten unterwegs – Rückenwind! Die Ankerbucht vorm Strand von Livadhi ist auch so schön und einsam wie erhofft, nur der Schwell kommt ganz schön um die Ecke; na ja, der Wind soll ja laut allen Vorhersagemodellen sehr bald auf Nord drehen … tut er aber nicht! Das erhoffte Baden wird abgesagt, und vorm Schlafengehen bringen wir noch mit dem Beiboot den Heckanker aus, um zu verhindern, dass das Boot quer zum Schwell zu liegen kommt. Das funktioniert auch und rettet wenigstens die Nachtruhe.

Serifos / Livadhi

Erst über Nacht hat der Wind auch endlich auf Nord gedreht – und ist außerdem praktisch eingeschlafen! Der aktuelle Wetterbericht liefert zwar immer noch 12 Knoten Nord für den ganzen Tag, aber als wir Despotiko umrunden finden wir höchstens die Hälfte davon. Egal: Großsegel gesetzt, Code 0 ausgerollt und an den Wind!

Unter Groß und Code 0 nach Serifos

Bei einem gemäßigten Amwindkurs mit 6 bis 7 Knoten wahrem Wind machen wir erstaunlich gute Fahrt, drei bis dreieinhalb Knoten sind drin, und das Boot läuft wie auf Schienen – da macht es auch nichts, wenn es etwas länger dauert. Aber viel Luft nach unten ist nicht mehr drin – als der Wind nach zwei Stunden zunächst unter 5 und dann unter 4 Knoten nachlässt, ist es vorbei mit dem schönen Segeln, und wir müssen den Motor bemühen. Nach einer Stunde schwingt es sich nochmal auf 5-6 Knoten Wind auf, die wir auch nutzen, danach ist es aber endgültig vorbei, aber immerhin haben wir mehr als die Hälfte der knapp 30 Seemeilen nach Serifos unter Segeln zurückgelegt, als wir gegen 18 Uhr den Hafen von Livadhi anlaufen.

Tatsächlich heißt unser Zielort wie unser Ausgangsort – ‘λιβάδι’ bedeutet einfach Wiese, und jede Insel, die über ein weites und vergleichsweise fruchtbares Tal verfügt, hat einen so benannten Ort.

Hoch über Livadhi liegt die Chora von Serifos

Wir bekommen noch einen Platz längsseits innen an der Pier, und sind auch gerne bereit, für diesen Luxus € 8,30 pro Nacht zu bezahlen, macht das es uns doch am nächsten Tag viel einfacher, die Insel zu erkunden.

Um 11 Uhr am Samstagvormittag nehmen wir den Bus hinauf in die Chora, die fast 300 Meter über dem Hafenort aufragt. Sie gilt als eines der schönsten  Inseldörfer der westlichen Kykladen, obwohl – oder gerade weil? – Serifos bei weitem keine so reiche Vergangenheit aufweist wie etwa Sifnos: dort wurden Silber und Gold gefördert, hier nur Eisenerz.

In der Tat finden wir einen kleinen, aber wirklich hübschen Ort, alles andere als touristisch überladen, aber mit ein paar geschmackvollen Kunsthandwerksläden und netten Cafés. Wir genießen den Ausblick von der Kapelle Agios Konstantinos auf der Bergspitze und frisch gepressten Orangen- und Zitronensaft auf dem malerischen Dorfplatz; so gestärkt gelingt der Rückweg bergab dann auch trotz der sengenden Sonne zu Fuß 🙂

Blick nach Süden über Livadhi und den Hafen
Kythnos / Agios Stephanos

Sonntagmorgen verlassen wir Serifos und ziehen eine Insel weiter, während sich die anderen Boote schon auf den nächsten, heraufziehenden Sturm vorbereiten; wir lassen uns einen Moment von den skeptischen Blicken verunsichern, kontrollieren nochmal alle Vorhersagen – nein, Windstärke 7 ist erst in der Nacht von Sonntag auf Montag vorhergesagt, heute kann man mit 5 Beaufort und anderthalb Meter Welle gegenan nach Norden kreuzen – oder noch zwei ganze Tage im Hafen ausharren und dann am Dienstag nach Serifos motoren … nee, dann lieber los!

Mit ordentlich Lage kreuzen wir auf

Wir binden das zweite Reff ins Groß, und zusammen mit dem Klüver geht es feucht-fröhlich mit rund 5 Knoten gegenan; der Wind bleibt meistens unter 20 Knoten, erst am Nachmittag werden es 25 – alles kein Problem. Der Tag wird nur recht lang, denn bei einem Wendewinkel von 120° über Grund werden aus 18 Seemeilen eben 36 – der Wind kommt wirklich genau von vorne. Wir sind also ganz froh, als wir gegen 17 Uhr unseren Zielort erreichen, die Bucht von Agios Stephanos auf Kythnos, die guten Schutz vor Nordwind und -welle verspricht – und ahnen nicht, dass der schwierige Teil des Tages noch vor uns liegt! Es will uns nämlich in beliebig vielen Versuchen nicht gelingen, den Anker sicher in den Grund zu bringen: dieser scheint aus puddingartigem Schlamm, durchsetzt mit Seegras, zu bestehen; der Anker durchdringt zwar mühelos das Gras (was sonst gerne das Problem ist), findet darunter aber auch keinen Halt. Wir sind mit dem Problem nicht allein, zwei andere Yachten sind dabei, lange Landleinen auszubringen – was wir uns dann auch entscheiden zu tun. Das dauert – provisorisch ankern, alle vorhandenen Leinen aneinanderknoten, mit dem Dinghi zum Strand und diese an die Tamarisken knoten, dann den Heckanker rückwärts ausbringen, das natürlich auch mehrmals, bis er auch nur halbwegs Halt findet – die Sonne steht tief, bis wir endlich angekommen sind!

Agios Stephanos: hübsche Bucht, guter Schutz, leckeres Essen – aber katastrophaler Ankergrund!

In der Nacht legt der Wind schon ganz gut zu, richtig bläst es aber erst am Montagvormittag; der Schutz in der Bucht ist hervorragend, es kommt praktisch kein Schwell herein – wenn nur der Ankergrund besser wäre! Der Heckanker rutscht langsam durch, und so wie die Böen abwechselnd aus Nordnordwest und Nordnordost einfallen, beschreiben wir einen schönen Viertelkreis um unseren Baum am Strand – und kommen dabei abwechselnd unserem Nachbarn und dem Flachwasserbereich verdammt nahe.

Mit nachlassendem Wind kommt am Montagnachmittag noch ein Charterboot mit vier deutschen Herren herein, die zwischen uns und dem Nachbarn, mit dem wir in der vorherigen Nacht fast kollidiert wären, noch eine Lücke sehen. Das kann ja mal passieren, also machen wir sie freundlich darauf aufmerksam, dass sie gerade versuchen, mitten in unserem Schwoikreis zu ankern – das interessiert sie aber gar nicht! Wir versuchen es mehrmals, aber alles ist vergeblich – nun gut, Plastik gegen Stahl, dann viel Spaß!

Die namensgebende Kapelle, bei Nacht stimmungsvoll beleuchtet

Am Abend lässt es wirklich nach, und wir trauen uns mit dem Dinghi an Land und finden uns ein ganz köstliches Abendessen in einer Taverna, die praktisch alle ihre Rohstoffe in einer angeschlossenen Landwirtschaft selbst anbaut – bei uns hieße das Bio, hier einfach Tradition. Als wir zurückkommen, trennen unseren massiven Bugspriet keine zwei Meter mehr vom gecharterten Kreidefelsen; wir sprechen die Herren nochmals an, und sie sind ganz erstaunt: damit haben sie wirklich nicht gerechnet! Tja, dann schaut mal, was ihr macht, wir hauen uns auf’s Ohr!

Das Glück hilft bekanntlich den Dummen, und in der Nacht schläft der Wind völlig ein, so dass wir nicht vom Geräusch reißender Glasfasern geweckt werden 🙂

Kythnos / Loutra

Dienstagmorgen sind wir erst mal wieder eine Stunde beschäftigt, unsere Kollektion Land- und Ankerleinen wieder einzuholen und aufzuklaren, dann verlassen wir die Ankerbucht. Die ersten zwei Seemeilen können wir noch mit bescheidener Geschwindigkeit segeln, als wir aber nach Norden abbiegen müssen und uns die inzwischen auf 5 Knoten zusammengebrochene Flaute auch noch entgegenkommt, muss wieder der Motor arbeiten – abwechselnd Starkwind von vorne oder Flaute scheint das Leitmotiv dieses Törns zu werden …

Weit ist es aber nicht, ab späten Mittag erreichen wir den Hafen von Loutra, gut geschützt in einem tiefen Einschnitt im Land gelegen, und von mehreren schönen Ankerplätzen umgeben. Der Hafen hat einen Hafenmeister (!), der sich sehr engagiert um seine Gäste kümmert, und das zum griechischen Gemeindetarif von rund 7 € pro Nacht – da kann man nicht meckern! In der Folge ist der Hafen aber auch sehr beliebt bei der riesigen Charterflotte, die sich zu Beginn jeder Woche von Athen nach Süden und zum Wochenende wieder zurück wälzt; bedingt durch den durchgezogenen Starkwind haben die Charterer aber alle einen Tag verloren und daher den Hafen in aller Frühe verlassen, so dass wir die freie Liegeplatzwahl haben; später am Nachmittag sind aber wieder alle Plätze belegt. Loutra wird seit der Antike für seine Thermalquellen geschätzt;  direkt am Strand gibt es ein Becken, wo das heiße, stark mineralhaltige Wasser eingeleitet wird und sich mit dem Seewasser vermischt. Im Winter sicher eine Sensation – jetzt ist es uns eigentlich schon so warm genug 😉

Wir haben einen lärmigeren Ort erwartet und sind positiv überrascht: Loutra ist zwar schon völlig auf den Tourismus ausgerichtet, aber es gibt eher Restaurants und Cafés als Bars um den Hafen, die ganze Atmosphäre ist tiefenentspannt, und in der Nacht herrscht völlige Stille im Hafen – Wind ist ja auch keiner mehr. Wir beschließen also einen weiteren Tag zu bleiben und am Mittwoch eine Wanderung in die Chora zu machen.

Das lohnt sich: auch hier alles sehr entspannt, die Geschäfte verkaufen ganz offensichtlich wirklich lokales Handwerk (man schaut dem Töpfer bei der Arbeit zu) und keine Chinawaren, und hübsch ist der Ort natürlich sowieso. Wir erfahren, dass Kythnos von der ausländischen Tourismusindustrie ziemlich ignoriert wird, außer den Charterern in Loutra kommen nur griechische Urlauber hierher – was wir anhand der Umgangssprache bestätigen können, hier hört man kaum Englisch auf der Straße.

Kea / Paralia Otzia

Am Donnerstag geht es weiter gen Norden zur letzten Kykladeninsel, Kea. Die meisten Wettermodelle sagen Flaute vorher, nur der griechische meteorologische Dienst verspricht einen lokalen Südwestwind zwischen Kythnos und Kea; darauf hoffen wir natürlich, sollte diese Vorhersage die lokalen Gegebenheiten am Besten berücksichtigen. Leider werden wir enttäuscht: auf der ganzen Überfahrt überschreitet der wahre Wind selten drei bis vier Knoten, und wir motoren die  gesamte Strecke.

Paralia Otzia – viel los hier!

Einen längeren Aufenthalt auf der Insel planen wir auch nicht ein, den nur für den folgenden Tag soll es etwas mehr Südwind geben, um den Rest der Strecke nach Norden zurückzulegen; wir steuern die ausgedehnte Ankerbucht von Otzias ganz im Norden der Insel an, um hier zu übernachten. Als wir in die Bucht einbiegen, erleben wir eine Überraschung: unzählige Boote ankern hier bereits! Nun, morgen müssen die Charterer alle in Athen ihre Boote zurückgeben, und wo übernachtet man am letzten Abend? Genau hier! Aber wir finden noch ein Plätzchen am Rande, Platz gibt es hier wirklich reichlich.

Nisia Petalioi / Chersonisi

Am Freitag probieren wir unser Glück mit dem Südwind, den heute wirklich alle Vorhersagen versprechen. Dass in unsere Ankerbucht erst mal Nordnordwest weht, ist schon mal kein gutes Vorzeichen, wir müssen also gegen den Wind unter Motor auslaufen; aber nach einer Viertelstunde erreicht dieser eine Stärke, dass wir unter Groß und Code 0 segeln können, wenn auch erst mal nicht gen Norden. Im Laufe des Vormittags dreht der Wind aber langsam über West und Südwest auf Süd, so dass wir unseren Zielkurs laufen können, wenn auch langsam. 26 Seemeilen sind es bis zu den Petalischen Inseln, eine Inselgruppe vor der Küste von Euböa; erst gegen 16 Uhr, als wir uns dem Ziel nähern, legt der Wind endlich zu: zu spät um nützlich für uns zu sein, aber gerade rechtzeitig um uns das Einrollen des Code 0 bei 25 Knoten Rückenwind zum Abenteuer geraten zu lassen. Zwischen den Inseln finden wir aber guten Schutz, die Wassertiefen sind gleichmäßg und betragen nur wenige Meter, im Grunde gleicht es einer Lagune, in der man überall auf Sandgrund ankern kann. Kaum haben wir das vor der Insel Chersonisi getan, lässt auch der Wind wieder nach, und wir können den Grill anzünden; später kommen noch drei offenbar lokale Motorboote in die Bucht, legen sich im Päckchen vor die Felsenküste und tun es uns nach – die Wochenendausfahrt des örtlichen Yachtclubs.

Akzeptable Wohnlage: Villa auf Chersonisi

Hier oben, nördlich von Athen, sieht man kein einziges Charterboot mehr, die befinden sich ja alle auf dem Pfad die Kykladen entlang; dafür wissen wir nun, wo all die Fahrtensegler sind: etliche andere Boote ankern über die Inselgruppe verteilt. Aber Platz gibt es ohne Ende, und schön ist es hier überall, das flache Wasser leuchtet in prachtvollem Türkis, und intensiv grüne Pinienwälder bedecken die Insel. Die Inseln selbst befinden sich in Privatbesitz und dürfen nicht betreten werden, es stehen ein paar vereinzelte Villen darauf; das Ankern davor dürfen die Privilegierten uns glücklicherweise nicht verbieten.

Abendstimmung über den Patalischen Inseln

Wir verbringen auch den ganzen Samstag hier, es ist wirklich ein perfekter Ort um abzuhängen und durchzuatmen; das Wasser hat über 22°, und da die Mittagstemperaturen schon um die 30° erreichen, ist eine Abkühlung sehr willkommen. Wieder geht am Nachmittag ein leichter Südwind über das Wasser, was die Temperaturen viel besser aushaltbar macht; selbst in den Nächten geht direkt über dem Wasser ein Luftzug, während die Mastspitze nichts davon sieht.

Evvia / Marmari

Am Sonntag verlassen wir unser Badeparadies erst am frühen Nachmittag; kaum 3 Seemeilen östlich liegt der Hafen von Marmari auf Evvia (Euböa), der zweitgrößten Insel Griechenlands. Dort wollen wir uns zum einen mal die Lage anschauen, denn von hier gibt es eine Fährverbindung zum flughafennahen Hafen von Rafina auf dem Festland, und zum anderen wollen wir nach drei Abenden Bordverpflegung auch mal wieder der griechischen Küche zusprechen.

Marmari

Die drei in Frage kommenden Liegeplätze sind schon vergeben, aber man kann direkt vor der Uferpromenade ankern, und bei der herrschenden Flaute ist das Beiboot schnell hinübergepaddelt. Marmari zielt wohl eher auf den preisbewussten Inlandstourismus, die Hotels sind sehr bescheiden, aber entsprechend auch das Preisniveau in der Gastronomie (im Vergleich zu den Kykladen, wo doch alles teurer war als wir es kennen) – ohne dass es deshalb schlechter schmecken würde, im Gegenteil: wir bekommen ein tolles Abendessen mit gewaltigen Portionen, aber außer uns spricht auch jeder Griechisch.

Attika / Rafina

Am Montag schließlich steuern wir die letzte Station des zweiten Drittels unserer Reise an, den Hafen von Rafina auf dem griechischen Festland. Der Ost liegt nur 15 km vom Flughafen Athen entfernt – das tun noch etliche andere Orte an diesem Küstenabschnitt, aber nur von Rafina aus verkehrt auch ein Bus dorthin, sonst führt der Weg immer über Athen. Ursache ist der große Fährhafen, nach Piräus der zweitgrößte des Landes.

Besagter Fährhafen bestimmt aber auch alles in Rafina: es gibt zwar eine große Hafenanlage, aber beim Anlegen der Fähren an der Außenseite der Hafenmole wälzt sich ein katastrophaler Schwell in den Hafen; bei starkem Wind soll es genauso sein, nur dann pausenlos. Kein Ziel, das man mit dem Sportboot freiwillig ansteuert, aber der perfekte Absprungort zum Flughafen, also müssen wir da wohl durch …

Rafina – riesige Fähren und die kleine Orion

Entsprechend sind wir das einzige Boot im Hafenbecken, und die Nacht wird – trotz des ruhigen Wetters – wenig erholsam: der Straßenlärm, der Lärm der Fähren … und außerdem ist es 36° heiß, und es geht kein Lüftchen.

Aber die Versorgungslage ist gut, wir können 300 l Diesel zu Festlandspreisen bunkern (€1,59 statt 2€ auf den Inseln), und es gibt einen Lidl in 10 Minuten Entfernung 😉 Die Bushaltestelle ist nach einiger Sucherei auch ausgemacht – und damit geht auch dieser Reiseabschnitt zu Ende!

Astypalaia – Milos (01.05. – 16.05.)

Windzerzaust verabschiedet uns Astypalaia

Am 1. Mai kann uns nichts mehr halten – auch nicht die Windvorhersage, die frische 6 bis 7 Beaufort verspricht, denn wir wollen endlich wieder segeln! Wir werden an der Pier von Maltezana herzlich verabschiedet, und mit zwei Reffs im Groß legen wir unter Segeln ab. Die kleine Segelfläche erweist sich als begründet, in der großen Bucht von Astypalaia weht es ganz knackig, wir lesen Spitzenwerte von 35 Knoten ab und sind nur mit unserem reduzierten Groß schon mit 7 Knoten unterwegs – das langt erst mal, schließlich fühlt sich das alles noch neu an!

Rauschefahrt zum Auftakt der Reise

Erst als wir die Südwestspitze der Insel runden (und eigentlich mit einer Windzunahme rechnen, die aber ausbleibt), nehmen wir die Vorsegel dazu; ein schöner Halbwindkurs stellt sich ein, der Seegang hält sich noch in Grenzen, die Windstärke überschreitet die 6 Beaufort nicht mehr, und so fliegen wir schnell und dennoch nicht unkomfortabel Anafi entgegen!

Wie immer sind die ersten Seemeilen nach einer langen Pause von einer gewissen Spannung gezeichnet: ist auch alles richtig aufgeriggt, befestigt und eingestellt? Wissen Boot und Crew noch, wie man segelt? Aber als böse Überraschungen ausbleiben, legt sich langsam auch die Anspannung, und wir können die Reise genießen.

Anafi voraus!

Zügig wie wir unterwegs sind, dauert es auch nicht lange, bis sich Kalamos, das markante Ostkap der Insel Anafi, immer deutlicher am Horizont abzeichnet. Gegen 15 Uhr erreichen wir die 460 Meter hoch aus dem Meer ragenden Marmorfelsen, und auf einmal ist es mit dem Wind vorbei – kein Wunder hinter solch einer Wand. Zum ersten Mal springt der Motor an, und obwohl der Wind nach der Passage des gewaltigen Felsens wieder einsetzt, laufen wir ob der abwechslungsreichen Windstärken und -richtungen die letzte Stunde mit Motorunterstützung bis in den Hafen von

Anafi
Blick auf die Chora …

Wir finden einen Liegeplatz längsseits im neu angelegten Hafen – außer einer offenbar schon länger verlassenen Yacht und lokalen Fischern sind keine Boote da. Es gibt neue Strom- und Wassersäulen, sogar eine Absauganlage für die Bordabwässer samt Kläranlage; der Verfall setzt aber schon ein, und man darf in Zweifel ziehen, ob hier je ein richtiger Yachthafen seinen Betrieb aufnehmen wird …

… und über die Insel auf Kalamos

Uns ist das egal, wir ruhen uns von der windigen Passage aus und machen uns am nächsten Vormittag auf den Weg in die Chora, den Hauptort der Insel. Der Aufstieg ist steil und anstrengend (in der Sonne ist es knackig heiß!), bietet aber mit zunehmender Höhe immer schönere Ausblicke über die Insel auf den Kalamos-Felsen mit der Kirche Panagia Kalamiotissa auf seiner Spitze und die weißen Häuser der Chora.

Im Dorf angekommen, belohnen wir uns mit einem Kaltgetränk in einem liebreizenden Café – hier waren wir vor zwei Jahren schon einmal, aber es ist einfach zu nett hier, und außerdem haben auch bei weitem noch nicht alle Geschäfte geöffnet, es ist Vorsaison. Das ganze Dorf besteht aus verwinkelten Pfaden zwischen weißgetünchten Mauern, und man verliert schnell die Orientierung – was Sinn der Sache war, wenn früher die Besucher in feindlicher Absicht kamen. Aber äußerst pittoresk und liebreizend ist es, und in sehr gutem Zustand; wieder befinden wir, dass Anafi ein echter Geheimtipp auch für den Landurlauber ist – man muss sich eben nur die Mühe machen, hier hinzukommen, es gibt nur alle paar Tage eine Fährverbindung …

Am Abend beschließen wir, eines der Restaurants in der Chora aufzusuchen – und nehmen dazu bergauf ein Taxi (besser gesagt, das Taxi – es gibt genau eines), die 8 € sind gut investiert, man ist doch eine gute Stunde unterwegs. Wie immer werden wir vom Essen nicht enttäuscht, und kugeln glücklich und zufrieden den Berg wieder herunter und in die Koje.

Ios / Paralia Papa

Am Freitagmorgen verlassen wir Anafi, etwas ausgeruhter als zwei Tage zuvor – was auch gut so ist, denn wieder steht uns viel Wind bevor, und die Chancen stehen schlechter als am Mittwoch, dass wir ihn nicht sogar auf die Nase bekommen. Angesagt sind zunächst nur etwa 4 Windstärken aus West, aber im Tagesverlauf soll sich das verdoppeln – da wollen wir möglichst schon angekommen sein, also brechen wir um 8 Uhr auf.

Thira / Santorini bleibt an Backbord in Luv …

Der Anfang gestaltet sich problemlos, der Wind kommt südlicher als West, und wir können sogar mehr Höhe laufen als es für unser Tagesziel, die Insel Ios, nötig wäre; allein die für den gegebenen Wind untypisch hohe Welle lässt vermuten, dass sich da mehr zusammenbraut. Aber der scharf geschnittene Bug der Orion durchschneidet sie mühe- und geräuschlos – nur nicht unbedingt trocken 🙂 Auf dem Westkurs kommen wir der Santorini-Gruppe näher, deren Hauptinsel Thira ist auch unser Plan B, falls der Starkwind uns zu früh ereilt. Zunächst aber fällt der Wind sogar ab – die Abdeckung von Thira hat uns im Griff. Das ist aber nicht von langer Dauer, neuer Wind kommt auf, um die Nordseite von Thira herum und somit viel vorlicher für uns. Wir können unseren Zielkurs nicht mehr halten, und es frischt kräftig auf; bald sind wir im 2. Reff und mit Kutter hoch am Wind bei mittleren 25 Knoten unterwegs – alles kein Problem, nur dass es noch mehr wird, müssen wir nicht haben.

… und bald liegt Ios vor uns

Aber die Vorhersagen passen, stärker wird es nicht, und je mehr wir uns Ios näher, wird auch die Richtung wieder besser, so dass wir gegen 15 Uhr nach etwa 30 Seemeilen praktisch auf direkter Linie in die Ankerbucht Paralia Papa hereinfallen. Hier gibt es herrlich klares, türkisblaues Wasser, an Land eine noch völlig unbelebt wirkende Hotelanlage (kein großer Klotz, sondern sich halbwegs in die Landschaft einpassend) – und hervorragenden Schutz vor dem aufziehenden Starkwind.

Perfekter erster Ankerplatz vor Paralia Papa

Auch der ersten Nacht bei viel Wind vor Anker haben wir mit etwas Nervosität entgegen gesehen, aber nach kurzer Zeit haben wir wieder verinnerlicht, dass wir hier viel besser aufgehoben sind als in jedem Hafen, und verbringen eine erholsame Nacht ohne jede Störung. Und Frühstück im Cockpit mit Blick auf die See und der aufgehenden Sonne im Osten – unbeschreiblich!

Ios / Gialos

Der Wind will auch im Laufe des Vormittags nicht nachlassen, aber dennoch machen wir uns auf den Weg um die Südspitze der Insel, um den Hafen von Gialos anzusteuern – ohnehin wollen wir diesen sowie die darüber gelegene Chora kennenlernen, und überdies ist heute auch noch Ostersamstag nach dem orthodoxen Kalender, und wir versprechen uns ein Osterfeuerwerk zu sehen zu bekommen!

Erst mal müssen wir aber hinkommen, und während wir auf der Ostseite der Insel noch ordentliche Wellenabdeckung erwarten dürfen, wird sich dies beim Umrunden der Südspitze drastisch ändern, denn es bläst mit 6 bis 7 Windstärken durch die Passage zwischen Ios und Thira – also uns genau auf die Nase. Mit gut zwei Metern signifikanter Wellenhöhe ermutigt uns die Vorhersage auch nicht sonderlich, aber die Orion wird’s schon machen, denken wir uns, und lichten den Anker …

Tatsächlich wird es nach Verlassen der Abdeckung sportlich; wir fahren nur unter Klüver so hoch am Wind, wie es angesichts der Wellen noch möglich ist – etwa 60° sind drin; damit machen wir nicht gerade schnell Höhe gut, aber der Weg ist ja auch nicht allzu weit. Wie erwartet steckt das Boot die Schläge tapfer weg, und wir kommen mit 5 Knoten Fahrt bei bis zu 30 Knoten Gegenwind gut voran – nur reichlich feucht wird es, wenn der Bug die meterhohen Wellen zerteilt! Aber gerade das verhindert, dass wir aufgestoppt werden, also Kopf einziehen und durch!

Erst als wir die große, gut geschützte Hafenbucht anlaufen, beruhigt sich die See endlich; durch den Kreuzkurs sind aus 12 Seemeilen 20 geworden, und wir waren über 4 Stunden unterwegs – für so einen begrenzten Zeitraum kann das durchaus Spaß machen, mehrere Tage am Stück müssten wir aber unter solchen Bedingungen nicht unterwegs sein, jede Bewegung an Bord wird zum Abenteuer!

Im Hafen von Ios

Wir finden einen Liegeplatz längsseits, können am Hafen noch etwas Gebäck zum Nachmittagskaffee erwerben und erholen uns von der feuchten Fahrt. Am Abend allerdings zieht sich der Himmel schlagartig zu, der Wind lässt ebenso schnell nach, um dann aus Nord neu einzusetzen; und dann regnet es doch am späten Abend tatsächlich, ausgerechnet um Mitternacht, wo wir das Osterfeuerwerk erwartet haben – so bleibt der Himmel weitestgehend dunkel, nur ein paar Böller werden gezündet; schade, vor allem für die Einheimischen – wir wissen ja von Astypalaia, wie sich die Insel(-jugend) ein ganzes Jahr auf dieses pyrotechnische Großereignis freut!

Ios / Chora

Am nächsten Vormittag schiebt der kräftige Nordwind die Wolken weg, und wir erkunden den Hauptort der Insel, zu dem uns ein knapp halbstündiger Aufstieg führt. Ios hat einen gewissen Ruf als Ziel für Partytouristen, und so sind wir gespannt, was uns erwartet. Tatsächlich finden wir einen etwas gespaltenen Ort vor: der neuere, tiefer gelegene Teil der Chora weist eine ganze Anzahl von Nachtclubs und der dazugehörigen Gastronomie (Burger-Grills, Lounge-Cafés) auf, allerdings wirkt alles deutlich gepflegter und weniger abschreckend als z.B. auf Ibiza; und der alte Teil des Dorfes mit seinen steilen, engen Pfaden zwischen schneeweißen Häusern ist äußerst hübsch!

Viel los ist natürlich noch nicht, aber das schadet ja nicht, umso besser können wir die Stimmung auffangen: wir steigen auf den höchsten Punkt des Hügels, der von mehreren Kapellen gekrönt ist, und lassen uns dort den ziemlich scharfen Wind um die Nase wehen; und belohnen uns unten im Dorf mit Köstlichkeiten von der lokalen Bäckerei.

Blick über die Chora

Am Abend planen wir, anlässlich des Osterfestes schön auszugehen; das geht allerdings gründlich schief: die Taverna, die wir uns dazu unten am Hafen ausgesucht haben, hat am Ostersonntag nicht geöffnet. Also steigen wir nochmal den Berg hoch, in der Hoffnung, in der Chora fündig zu werden. Hier bietet sich aber das gleiche Bild: alle richtigen Restaurants haben geschlossen, nur am Imbiss ist was zu bekommen – Ostersonntag isst man im Familienkreis, das wissen wir wohl, aber für die Touristen … nun, offenbar gibt es davon noch nicht genug, also kehren wir hungrig an Bord zurück.

Sikinos / Alopronia
Der Ende des 19. Jahrhunderts erbaute Leuchtturm von Ios verabschiedet uns

Ostermontag verlassen wir also Ios, um eine Insel weiterzuziehen: nach Sikinos soll es gehen; die Insel gilt in touristischer Hinsicht als Kontrastprogramm zu Ios, hat nur wenige 100 Einwohner und ist seit der Antike für ihren Wein berühmt – wenn das keine guten Gründe sind!

Wir müssen noch bis zum Mittag warten, bevor wir unseren Liegeplatz auf Legerwall verlassen können; dann aber haben wir mit 4 Windstärken raumschots zum ersten Mal auf dieser Reise wirklich angenehme Bedingungen – schade, dass die Strecke nur so kurz ist!

Der Hafen von Sikinos liegt vor uns

Umso spannender ist die Situation im Hafen: dieser ist klein, hat im Inneren zwar durchaus hinreichende Wassertiefen, aber die Einfahrt liegt gleich neben einem hinreißenden Sandstrand – und dieser versucht beständig, sich in den Hafen zu ergießen! Man kann auch davor ankern, aber das tut schon ein einfamilienhausgroßer Katamaran, als wir um die Ecke kommen; also erkunden wir vorsichtig die Wassertiefen voraus auf der Sandfläche, um die Breite der Lücke zwischen Molenhaupt und Sandbank abschätzen zu können, und stoßen dann gaaanz langsam rückwärts Richtung Hafen vor …

Wohlverdienter Premium-Liegeplatz!

Kurz vorm Ziel zieht das Skeg eine kleine Furche durch den Sand, aber dann sind wir drin, und direkt an der Kaimauer haben wir sogar wieder drei Handbreit Wasser unterm Kiel – es scheint, dass es eine Kreisströmung im Hafen gibt, die gerade ausreicht, um eine Rinne vor der Mauer freizuhalten. Jedenfalls freuen wir uns, den einzigen Liegeplatz für Kielboote auf Sikinos bekommen zu haben (die zahlreichen Fischer fahren natürlich an uns vorbei über das Flach), finden aber auch, ihn uns mit unserem Präzisionsmanöver redlich verdient zu haben 🙂

Traumstrand inklusive – nicht, dass der Hafen etwas kosten würde …

Der kleine Ort ist sehr ruhig und sympathisch, der Sandstrand ein Traum – steigt man vom Boot ins Wasser, kann man zwei Meter neben der Bordwand bereits stehen, und es erstrecken sich hunderte Meter reiner, feiner Sand bis zum Strand, mit gleichbleibenden Tiefen um einen Meter. Das Wasser hat gut 20 Grad auf diesem Flach, am Strand ist sehr wenig los, und kein nochsokleines Kieselsteinchen piekst in die Fußsohlen – besser geht es nicht! Es gibt auch zwei gut bewertete Tavernas im Ort, aber die sind noch geschlossen, wer hätte das gedacht – das Osterfestessen ist also endgültig ausgefallen 🙁

Sikinos / Chora

Am nächsten Vormittag verbringen wir erst mal ein paar Stunden mit bootstypischen Problemen: uns plagen einige technische Probleme, und es gilt, Ersatzteile zu beschaffen; schon seit der Wasserung mag das Bord-WC kein Wasser mehr ansaugen – der Effekt ist nach langer Trockenheit der Ventile bekannt, statt sich wie in der Vergangenheit mit der Zeit von selbst zu reparieren, pumpt es nun aber noch nicht mal ab – unpraktisch 😉 Und seit dem Vorabend geht der externe Monitor im Cockpit nicht mehr an, da ist wohl der Controller defekt. Die Bereitschaft des bayerischen Systemhauses, welches das Set ursprünglich geliefert hat, schnell ein (!) Ersatzteil für ein 6 (!) Jahre altes Display zu liefern, geht stark gegen Null – mal wieder bereut man es, nicht für’s gleiche Geld 5 Displays in China gekauft zu haben, da lägen jetzt genug Ersatzteile im Schrank … aber nein, deutsche Industriequalität, da hat man wenigstens Service und einen Ansprechpartner, für 400 statt 80 € muss man doch mehr bekommen, denkt man … tja, teuer bezahlte Lektionen, das gehört wohl auch zum Segeln.

Mit dem Mittagsbus (nun ja … ein Kleintransporter, der sicher auch schon mal eine Ziege mitnimmt) fahren wir dann hoch in die Chora; diese ist sehr klein, sehr wenig touristisch – und sehr hübsch! Wir spazieren durch die engen Straßen und genießen den prachtvollen Kontrast der blühenden Pflanzen und der schneeweißen Mauern, alles immer eingerahmt von der dunkelblauen See. Von der Terrasse eines Hauses sprechen uns zwei alte Leute an und fragen, wie es uns gefällt; nach drei Worten auf Griechisch können wir es nur mit größter Mühe noch vermeiden, an ihrem Mittagstisch Platz zu nehmen, bekommen aber wenigstens noch einige Backwaren zugesteckt, die die Dame des Hauses am Vormittag zubereitet hat – man weiß ja nie, ob diese Ausländer auch genug essen 😉

Hinter uns bleibt die Chora zurück …

Selbst hier im Hauptort gibt es nur wenige Restaurants, und auch davon ist ein Großteil noch geschlossen; wir finden aber ein sehr nettes Café, welches uns leckere Freddos serviert, und machen uns so gestärkt auf den Rückweg zu Fuß – und zwar nicht entlang der Straße, die der Bus genommen hat, sondern auf einem gut bezeichneten Wanderweg durch die Berge.

… und wir wandern durch unberührte Berglandschaften

Fast 4 Stunden brauchen wir für die 8 Kilometer, es geht über Stock und Stein; aber es lohnt sich, wir begegnen keiner Menschenseele, die wilde Berglandschaft wirkt völlig unberührt, die Luft ist von intensivem Thymianduft und dem Gesumme tausender Honigbienen erfüllt. Ein herrliches Stück Natur!

Zurück am Hafen spült ein Bad direkt neben dem Boot den Staub und Schweiß ab, und dann entschließen wir uns zu einem mutigen Vorstoß: wir gehen zum einzig geöffneten Lokal im Ort, welches eigentlich zu einem kleinen Hotel gehört und eher darauf ausgerichtet ist, den ausländischen Gästen ihre Vorstellung von griechischer Küche zu servieren, sprich Gyros und Souvlaki; der Kellner schaut auch etwas erschreckt drein ob unserer Frage nach echtem Essen, aber nach Rücksprache mit der Köchin kratzt er zusammen, was er an Hausmannskost auftreiben kann, und wir bekommen ein leckeres Schmorgericht mit Kartoffeln und grünen Bohnen – wahrscheinlich, was Oma heute für die Familie gekocht hat. Dazu Bauernsalat, Brot, gebratener Käse und Pommes aus frischen Kartoffeln – was will man mehr!

Folegandros / Paralia Boreina

Mittwoch müssen wir uns dann leider von Sikinos verabschieden – schweren Herzens, hier hat es uns sehr gut gefallen. Aber leider haben wir einen Zeitplan, und die Windverhältnisse sind uns (wie die ganze Zeit schon) nicht sehr freundlich gesonnen, zeichnet sich doch zum Wochenende eine Störung mit Windgeschwindigkeiten bis zu 40 Knoten ab – da möchte man nicht mehr unterwegs sein. Das bedeutet auch, dass wir auf der nächsten Insel, Folegandros, keinen Hafentag einlegen können, wenn wir später nicht in den Sturm geraten wollen – schade, die Chora der Insel gilt als eines der schönsten Inseldörfer.

Tolle Felswände neben dem Strand von Boreina

Wir suchen also einen Ankerplatz für eine Nacht, und eigentlich hatten wir einen schönen Sandstrand auf der Südseite der Insel ins Auge gefasst. Als wir aber auf See sind, stellen wir fest, dass es nicht nur absolut keinen Wind gibt, es rollt auch noch eine lange, alte Dünung aus Süd heran. Also ändern wir kurzerhand den Plan und steuern einen abgelegen Ankerplatz auf der Nordseite an, der wenig frequentiert wird – beim ‘normalen’ Nordwind ist das die schwer zu besuchende Inselseite. Trotz der felsigen Umgebung finden wir reichlich Platz auf Sand, es ist vollkommen ruhig und sicher – außer bei Nordwind halt 😉 Wir genießen die Aussicht, werfen den Grill an und freuen uns über unsere Entscheidung, hierher gekommen zu sein!

Kimolos / Paralia Alyki

Am Donnerstag wollen wir den Rest der Strecke bis Milos zurücklegen – fast jedenfalls, den für Freitag ist der Durchzug einer Zyklone angesagt mit Windgeschwindigkeiten bis 9 Beaufort und Gewitter, das wollen wir doch an einem möglichst sicheren Ankerplatz durchstehen. Da der Mist aus Südwest heranrückt, sollten wir zunächst ordentlichen Ostwind bekommen, den wir für die Strecke gen Westen nutzen wollen – so ist es jedenfalls angesagt. Wir warten bis zum Mittag an unserem Ankerplatz, aber so richtig merken wir nichts vom aufkommenden Wind. Schließlich lichten wir doch den Anker, damit es nicht zu spät wird; etwas ab von den steilen Klippen stellen wir fest, dass der Wind schon aus der richtigen Richtung kommt, statt der vorhergesagten 20 Konten sind es aber kaum 10. Geduld, sagen wir uns – und das Stunde um Stunde,  während wir langsam gen Westen dümpeln und der Wind einfach nicht zulegen will.

Bei verhangenem Himmel dümpeln wir auf Kimolos zu

Es ist nach 19 Uhr, als wir endlich den angestrebten Ankerplatz südlich der Insel Kimolos erreichen, der perfekten Schutz vor den Sturm- und Gewitterböen aus Nord verspricht; der Ankergrund ist hervorragend, wir legen 40 m Kette auf 5 m Wassertiefe – nur der Wind lässt weiter auf sich warten, und dabei bleibt es auch die ganze Nacht. Was das Sturmtief aber schon vorausschickt, ist ein Schwell von vielleicht einem Viertelmeter – nicht viel, aber in der Richtung haben wir keinerlei Schutz, und eben auch noch keinen Wind, der das Boot vor Anker stabilisieren könnte; so verbringen wir eine äußerst schaukelige erste Nacht am Ankerplatz.

Sturm am Ankerplatz

Am nächsten Morgen hat der Wind endlich auf Nordost gedreht, ist aber immer noch nicht sehr stark; es regnet etwas, aber erst gegen Mittag kommt der angekündigte Sturm – dafür aber richtig! Binnen kürzester Zeit weht es mit Windstärke 7 bis 8 aus Nord, die Böen kratzen an der 10. Wie erwartet hält der Anker problemlos, und an Bord ist es sogar angenehmer als bei der Schaukelei zuvor, stoppt doch der Sturm endlich den Schwell und stabilisiert das Boot; leise ist es aber nicht eben, der Wind heult im Rigg, und trotz der geringen Anlauflänge vom Strand rauschen ganz ordentliche Wellen am Rumpf entlang. So bleibt es für den Rest des Tages – und der Nacht, die also wieder nicht allzu erholsam gerät.

Milos / Adamas

Erst am Samstagvormittag lässt der Sturm endlich nach – auch das passiert später als vorhergesagt. Wir verlassen den Ankerplatz und wollen nach Milos, welches wir schon seit zwei Tagen eine Seemeile hinterm Heck anschauen können. Der Weg in den Hafen ist aber deutlich länger, denn die Insel umschließt eine (von mehreren Vulkantrichtern gebildete) ausgedehnte Bucht, die nur vom Nordwesten aus zugänglich ist. Der Weg dorthin führt durch die kaum einen Kilometer breite Passage zwischen Milos und Kimolos, die in ihrer Mitte Wassertiefen von gerade 10 Metern aufweist. Die signifikante Wellenhöhe beträgt heute laut Vorhersage noch anderthalb Meter – aber das gilt für den offenen Seeraum; in der Passage, wo die Wellen gegen den ansteigenden Grund anlaufen, herrscht reines Chaos mit vielen Metern hohen Brechern! Der Ritt hindurch wird äußerst feucht und … lebhaft; an Fotos oder Videos ist leider nicht zu denken …

Die Orion in Adamas / Milos

Später, im Hafen von Adamas angekommen, werden wir als erstes gefragt, wo wir denn heute herkommen – oh, Kimolos, wie war es denn in der Passage?  So verdient man sich den Respekt der Einheimischen – oder wird vielleicht auch für komplett verrückt gehalten 😉 Ein österreichisches Boot klagt aber, dass es während des Sturms im Hafen völlig unerträglich war – nicht unwahrscheinlich, dass wir vor Anker besser aufgehoben waren. Vielleicht (na ja, ziemlich sicher) hätte man nur mit der Überfahrt noch einen Tag warten sollen, aber Zeit ist ja nun ein kostbares Gut, und für irgendwas müssen die U-Boot-Qualitäten der Orion ja auch mal gut sein.

Am Sonntag erkunden wir die Insel mit dem Leihwagen. Milos ist wie Santorini eine Vulkaninsel, nur dass hier der letzte große Ausbruch 60.000 Jahre zurück liegt. In geologischen Maßstäben ist aber auch das keine lange Zeit, und so gibt es auf der Insel noch zahlreiche Thermalquellen und Fumarolen. Auffälligste Konsequenz der vulkanischen Vergangenheit ist aber die Beschaffenheit des Landes: die Felsen leuchten in den Unterschiedlichsten Farben, überall werden diverse Mineralien und Metalle abgebaut, und häufig riecht es nach Schwefel. Schon im Altertum waren die Bodenschätze der Insel sehr geschätzt, Obsidian von Milos ist seit 7.000 Jahren ein im ganzen Mittelmeerraum zu findender Exportartikel!

Farbenrausch bei Paralia Paleochori

Wir besuchen zunächst die Südküste der Insel, wo sich ein spektakulärer Strand an den anderen reiht. Den Beinamen ‘Insel der Farben’ hat sich Milos wahrlich verdient, die Felsen leuchten in allen Gelb- Orange- und Rottönen, was einen hinreißenden Kontrast mit dem türkisfarbenen Flachwasser und dem tiefblauen Meer bildet. Die weichen, vulkanischen Ablagerungen werden außerdem vom Meer zu bizarren Formen gestaltet – ein Fest für’s Auge! Touristisch wirkt die Gegend dennoch wenig erschlossen – es gibt nur wenige Hotels der bessern Kategorie, Massentourismus sucht man hier vergebens. Man muss sich allerdings auch vor Augen halten, dass die Insel recht groß ist – und der Süden wirklich sehr abgelegen, nennenswerte Ortschaften gibt es nicht, nur tolle Strände und außergewöhnliche Natur.

Weiter geht die Rundreise nach Pollonia im Nordosten; hier ist deutlich mehr los, zahlreiche Restaurants werben um die Gäste. Am kleinen Hafen verkehrt die Pendelfähre hinüber nach Kimolos, und von den Klippen über der Bucht haben wir einen hervorragenden Blick auf die Stätte unseres Abenteuers vom Vortag. Selbst 24 Stunden später herrscht hier noch recht konfuser Seegang …

Agios Konstantinos

Weiter geht es, an der Küste entlang; hier finden sich etliche, tiefe Einschnitte, an denen sich vor langer Zeit Fischer angesiedelt haben. Heute dienen die malerisch gelegenen, kleinen Häuser als Ferienunterkünfte …

Felsskulpturen aus Bimsstein

Bei Sarakiniko bestehen die Felsen aus weichem, weißem Bims; tief hat sich die anbrandende See hier ins Land gearbeitet und nicht nur einen spektakulären Strand am Ende einer tief eingeschnittenen Schlucht sowie glatte Felsplateaus zum Sonnenbaden geschaffen, sondern auch abstrakte Skulpturen, die mit ihrem Spiel aus Licht und Schatten faszinieren.

Paralia Sarakiniko
Plaka: hübsch …

Als nächstes liegt der Hauptort der Insel auf unserer Route, welcher ausnahmsweise nicht nur Chora genannt wird, sondern Plaka heißt. Einwohnermäßig hat der Hafenort Adamas diesen zwar inzwischen überholt, aber hier findet sich die Altstadt, das Rathaus, die größte Kirche – und natürlich der unvermeidliche Burgberg mit einer Kapelle auf den Ruinen des Kastros.

… aber ganz auf Touristen eingestellt

Wir trinken in einem netten Café einen Freddo zur Stärkung (der preislich allerdings schon an deutsche Verhältnisse denken lässt – hier ist der Tourismus voll angekommen!), bevor wir den Berg erklimmen, von wo sich uns eine herrliche Aussicht über die ganze Insel bietet.

Blick vom Kastro über die Bucht von Milos

Auf dem Rückweg besuchen wir endlich auch die berühmteste Tochter der Insel: unterhalb der Stadt, unweit des Fundortes, steht eine Replik der als Venus von Milo bekannten Marmorstatue, welche die griechische Göttin Aphrodite darstellt – und sinnigerweise auch als solche benannt werden sollte und nicht nach ihrer römischen Kollegin.

Die unechte Aphrodite im echten Milos

Aber viel Gutes ist ihr ohnehin nicht widerfahren, seit sie 1820 von einem Bauern unweit der Ruinen des alten Theaters entdeckt wurden. Dieser wurde für eine der berühmtesten Skulpturen der Welt von französischen Antiquitätenjägern mit einer Handvoll Geldstücken abgefunden, und diese schenkten sie dann dem französischen König, der sie im Louvre in Paris aufstellen ließ – wo sie bis heute als Raubkunst steht (wenn auch dieser Begriff politisch korrekt natürlich erst für Kunstwerke verwendet wird, die nach 1939 aus ihren Ursprungsländern gestohlen wurden). Verdient hat die Hübsche das sicher nicht, perfekt gearbeitet sind ihre Züge und Proportionen sowie der Faltenwurf ihres Gewandes – es hat fast zweitausend Jahre gedauert, bis man in Europa so etwas wieder erschaffen konnte.

Die Syrmata in Klima

Zu guter Letzt besuchen wir den kleinen Küstenort Klima; hier findet sich eine architektonische Besonderheit der Insel Milos in größter Dichte, die sogenannten Syrmata: zweigeschossige Fischerhäuser, deren direkt an die See gebautes Erdgeschoss als Bootsgarage dient. Die Fronten sind farbenfroh gestaltet, und der Anblick von See ist wirklich malerisch.

Am Abend besuchen wir noch ein Restaurant in Trypiti, ganz in der Nähe der Aphrodite, wo man in einem schön angelegten Garten mit Blick auf die Bucht von Milos die Farben des Abendhimmels und sein Essen genießen kann; damit endet dann leider auch schon das erste Drittel unseres Frühjahrstörns.

Die nächsten 4 Tage verbringt die Orion im Hafen von Adamas; leider ist der ziemlich gesichtslose Ort wirklich nicht der schönste Teil von Milos, und mit jedem Tag zieht sich der Aufenthalt mehr in die Länge. Die anstehenden Arbeiten sind schon nicht die reine Freude: das Bord-WC muss in Vorbereitung eines neuen Dichtungssatzes komplett zerlegt und gereinigt werden. Wer dabei an schmierigen Dreck denkt, liegt falsch: Problem sind vielmehr zentimeterdicke Versteinerungen, die sich über die Jahre ablagern und den Querschnitt aller Teile immer mehr verengen. Diesen ist nur mit einer Mischung aus mechanischer Gewalt und konzentrierter Säure zu begegnen, und das auch nur in wiederholter Anwendung; könnte man nach getaner Arbeit wenigstens mal über Bord oder unter die Dusche springen, aber nicht mitten im voll besetzten Hafen … am dritten Tag schließlich ist alles wie neu, außer dem Bordklempner ;-(

Nicht zur Erholung bei tragen die Nächte: jeden Vormittag leert sich der Stadtanleger komplett, und jeden Abend ist es wieder voll mit unzähligen Charterbooten, eines riesiger als das andere; nicht dass die Anlegemanöver nicht unterhaltsam wären, aber dass die Crews ihren Erfolg, niemanden versenkt zu haben, Tag für Tag wieder bis drei Uhr am Morgen lautstark feiern müssen, nervt die arbeitende Bevölkerung ganz schön.

Als wir am Donnerstagabend wieder vollständig und mit Ersatzteilen versorgt sind, beschließen wir schnell: egal wohin morgen, aber raus aus diesem Hafen!

Werftzeit (04.04. – 30.04.)

Anfang April geht es endlich zurück nach Astypalaia, wo die Orion den ganzen Winter verbracht und tapfer allen Stürmen getrotzt hat; wie immer nach langer Abwesenheit ist es spannend, zum ersten Mal unter Deck zu gehen und zu prüfen, ob alles an Bord in Ordnung ist … aber ja, außer etwas abgestandener Lust gibt es nichts zu bemängeln!

Mit neuem Antifouling …

Also kann die Arbeit gleich losgehen: zunächst gibt es einige Schäden zu beseitigen, unter Wasser die Schrammen von der etwas verunglückten Wasserung vor zwei Jahren, und an Deck kleinere Roststellen unter der Genuaschiene und dem Mastfuß. Es zeigt sich, dass selbst der heftige Aufschlag auf den Trailer die 2K-Epoxidbeschichtung nicht beschädigt hat, nur das Antifouling und der Primer sind komprimiert und weggeschoben; aber um ganz sicher zu gehen, dass es nicht doch Haarrisse gibt, die sich mit der Zeit entwickeln, werden diese Stellen ebenso wie die an Deck mit viel Gefühl sandgestrahlt, um einen kontrollierten Übergang auf die Epoxidschicht zu erreichen, und dann neu beschichtet.

… und bereit zum Wassern!

In Folge der Arbeiten am Mastfuß bekommt auch der Aufbau eine neue Schicht weißen Lacks, und das Laufdeck wartet eh seit Jahren auf eine Auffrischung der Anti-Slip-Farbe. Unterwasser wird neues Antifouling aufgebracht, der blaue Streifen überm Wasserpass wird auch aufgefrischt, ebenso alles Holz im Cockpit; und außerdem gibt es natürlich noch tausenderlei Kleinigkeiten (von denen mansche sich als gar nicht so klein herausstellen): die neu genähte Sprayhood (in hitzefreundlichem Weiß) muss montiert werden, am Mast stehen ein paar Arbeiten an, ein paar Stecker und Kabel wollen erneuert werden, und die Abpumpleitung für das Abwasser bekommt einen zusätzlichen Absauganschluss (in der Türkei ist das vorgeschrieben). Eine ganze Menge Arbeit – und die Zeit ist knapp bemessen. Zunächst spielt das Wetter noch mit, aber dann dreht der Wind auf Südost – für Lackierarbeiten ist die Luft zu feucht und zu staubig.

Auf dem Weg zum Strand …

So wird es eine knappe Angelegenheit, aber am Mittwoch den 24. ist es endlich soweit, die Orion macht sich auf den Weg zum Strand! Diesmal geht es (glücklicherweise) nicht ganz so schnell ins Wasser, im Gegenteil: da sich die fahrbare Verlängerung für den Trailer über den Winter festgerostet hat, wird eben eine neue aus einem Laternenmast geschweißt (der Landeskundige fragt sich, wo auf der Insel jetzt wohl kein Licht mehr brennt …), aber nach anderthalbstündigem Aufenthalt auf dem Strand ist auch die fertig, und kurz darauf schwimmt die Orion wieder!

… und schließlich mit Mast und Segeln!

Tags drauf wird der Mast gestellt, und somit sieht sie wieder wie ein Segelboot aus – dennoch braucht es weitere 4 Tage, bis das Rigg gespannt ist, alle Segel angeschlagen sind, das laufende Gut vervollständigt und Proviant gebunkert ist. Außerdem läuft parallel natürlich das unvermeidliche Sozialprogramm, verbunden mit der Aufnahme unbeschreiblicher Mengen köstlicher Nahrungsmittel – man kann doch den Werftarbeiter nicht verhungern lassen!

So sind gut dreieinhalb Wochen wie im Fluge vergangen, eine äußerst anstrengende Zeit mit vielen Arbeitsstunden, aber wie immer auch viel Hilfe und Unterstützung von allen Seiten – allen, die sich beim Lesen hier angesprochen fühlen, sei gedankt! 🙂

Herbsttörn in der Ostägäis (27.09. – 11.11.)

Lesvos / Mytilini

Schon wieder liegt der letzte Besuch an Bord der ‘Orion’ fast 5 Monate zurück, und der Sommer war von neuen Rückschlägen gekennzeichnet – und wettertechnisch im Juli/August in Norddeutschland kaum als solcher zu erkennen. Umso mehr sind wir froh, endlich wieder nach Griechenland reisen zu können, diesmal sogar für 6 Wochen (wenn auch mit Unterbrechung). Die Anreise gibt nochmal alles, beide Flüge haben Verspätung, und es ist fast Mitternacht, als wir angekommen sind; um diese Zeit ist es noch 28 Grad warm – hier ist noch Sommer! Ein kurzer Rundblick lässt keine Schäden am Boot erkennen, und dann geht es auch erst mal in die Koje – wo es allerdings mangels Durchlüftung ziemlich heiß und stickig ist.

Dennoch geht es am nächsten Morgen los mit den Segelvorbereitungen: die übliche Schicht Saharastaub möchte abgewaschen, die Vorsegel angeschlagen, die neu genähten Relingskleider angebracht und der Bordrechner aktualisiert werden; außerdem natürlich die Batterien einmal voll geladen und Wasser und Vorräte gebunkert werden. Natürlich gibt es auch eine kleine Überraschung: die im Mai neu gekaufte Starterbatterie weist um die Polklemmen dicke Schichten Sulfatkristalle auf! Da war ja was: da die alte Batterie über Schraubanschlüsse verfügte und an der Tankstelle keine Polklemmen verfügbar waren, bekamen die Bleizapfen kurzerhand ein Querloch verpasst – wer hätte denn gedacht, dass die Dinger nicht massiv sind? Offenbar muss es im Inneren ein hauchfeines Loch geben, durch welches Schwefelsäure durch die Bohrungen austreten kann – in sehr kleinen Mengen, aber das Zeug zersetzt ja alle Kabelanschlüsse, und die Batterie trocknet auch langsam aus, also – es hilft ja alles nichts – die Tankstelle gegenüber der Marina verkauft eine weitere Starterbatterie, und der diesmal geöffnete Bootsbedarfsladen auch die dazu passenden Polklemmen. Kaum 6 Stunden und ein paar grün-blaue Rippen später (die Starterbatterie ist wirklich hervorragend zugänglich …) ist alles wieder in bester Ordnung – diesmal hoffentlich dauerhaft.

Die ‘Orion’ segelklar in der Marina Mytilini

Trotzdem versuchen wir es ruhig angehen zu lassen, und gehen auch an zwei Abenden in die Stadt – das griechische Essen hat uns doch sehr gefehlt. Wie immer werden wir nicht enttäuscht: beide aufgesuchten Lokale sind im Stil durchaus unterschiedlich (einmal eher modern, einmal traditionell), kochen aber gleichermaßen köstliche Gerichte zu äußerst fairen Tarifen. Dazu das perfekte Klima: sitzt man zum Essen in den stimmungsvoll erleuchteten Altstadtgassen Mytilinis bei immer noch 25 Grad und einem lauen Windhauch, schmeckt es gleich nochmal so gut.

Schließlich gibt es noch Papierkram bei der Küstenwache und im Marinabüro zu erledigen, und dann ist es am Sonntagmorgen soweit: wir sind segelklar!

Lesvos / Paralia Tsilia

Um 12 Uhr werfen wir die Muringleine los und schieben uns langsam aus der Boxengasse, die fast ein Jahr das Zuhause der ‘Orion’ war. Der Wind pfeift in durchaus beachtlicher Stärke über die Anlage – jetzt bloß keine der zahlreichen Sorg- und Muringleinen im Wasser mit dem Propeller einfangen! Aber alles geht gut, und nach einer langen Rechtskurve sind wir auf offenem Wasser, und der Wind schiebt uns gen Süden. Schnell den Klüver ausgerollt und den Motor aus: nur noch das Rauschen des tiefblauen Wassers begleitet uns!

Es weht mit fast 20 Knoten aus Nord (für uns ein Novum in der Straße von Mytilini, bisher kannten wir diese nur bei Flaute), und wir wollen nicht weiter als bis zur Südküste der Insel, und so können wir es bei der Besegelung für Faule belassen; um die 5 Knoten fahren wir auch nur unter Klüver, und so fällt nach kaum 3 Stunden in unserer Lieblingsbucht auf Lesvos der Anker.

Abendhimmel über dem Ankerplatz

Das Wasser hat fast 23 Grad, und die Sonne brennt vom nachmittäglichen Himmel – da kann uns auch der kühlende Wind nicht vom ersten Bad des Törns abhalten! Dabei kontrollieren wir wie immer die Lage des Ankers (auf 9 m Tiefe gänzlich im Sand verschwunden – ein paar Umdrehungen weniger hätten es beim Einfahren wohl auch getan 😉 ) und nach dem langen Stillstand den Zustand des Unterwasserschiffs (überraschend gut, ein paar Algen und einige Seepocken). Schließlich runden ein Abendessen bei Ziegenglockengeläut und Farbenspiel am Himmel den gelungenen ersten Segeltag ab.

Oinousses / Oinoussa

Montagmorgen geht es nach einem schnellen Frühstück gleich los, denn heute liegt eine längere Distanz vor uns: etwa 35 Seemeilen südlich von uns liegt die Inselgruppe der Oinousses wie eine Sperre quer in der Einfahrt zum Chios-Sund, und dort wollen wir hin.

Rauschefahrt gen Süden

Die griechische Wettervorhersage verspricht uns 5 Böen 6 am Vormittag und 6 bis 7 Windstärken im weitern Tagesverlauf, und das stimmt auch ziemlich genau – wieder einmal stellen wir fest, dass die lokalen Wettermodelle hier wohl besser passen als GFS und ECMWF, die gerne mal eine Windstärke weniger ansagen. Der Wind kommt genau von hinten, und wir baumen beide Vorsegel aus, um so mit Passatbesegelung nach Süden zu fliegen – speziell am Nachmittag, als der Wind sein Maximum erreicht und sich mit zunehmender Entfernung von Lesvos auch eine ganz ansehnliche Welle aufgebaut hat, fühlt sich das recht dynamisch an. Die Aries steuert einen perfekten Kurs, und wir müssen nur auf die vorbeirauschenden Wellen schauen und genießen – die Sonne von vorne und der Wind von hinten sorgen für sehr angenehme Temperaturen im Cockpit.

Begrüßung an der Hafeneinfahrt

Gegen 16 Uhr erreichen wir die nur gut eine Seemeile breite westliche Einfahrt in den Sund und biegen in den Windschutz der Hauptinsel, Oinoussa, ein, um deren Hafen anzusteuern, den mehrere kleinere Inseln perfekt vorm Schwell schützen. Hier finden wir einen Längsseitsplatz an der Kaimauer, direkt im Herzen der kleinen Siedlung. Touristisch ist die Insel nicht besonders erschlossen – sie ist zu klein für einen Flughafen, und nur die Fähre nach Chios verbindet sie mit der Außenwelt. Es gibt nur drei Tavernas und einen kleinen Supermarkt, aber erstaunlich viele Bäume (für so eine kleine Insel in der Ägäis) und sehr nette Menschen. Natürlich müssen wir einkehren, schließlich sind wir erstmals auf der Insel, und genießen ein Abendessen auf der Terrasse direkt an der See mit Blick auf Chios – die Aussicht müsste man woanders teuer bezahlen, hier ist sie eine Selbstverständlichkeit.

Am nächsten Vormittag unternehmen wir eine kleine Wanderung; die größten Anhöhen der Insel erreichen gerade mal 180 Meter, also wird es nicht allzu anstrengend. Wir schauen uns den Ort mit der hübschen Kirche an und wandern durch die Hügel, machen Rast in einem duftenden Pinienhain – alles klein und fein! Oinoussa hat keine altgeschichtliche Relevanz, ist aber in der Gegenwart Heimatort einiger der bedeutendsten griechischen Reederfamilien – daher verfügt die Gemeinde wohl auch über ausreichende Mittel, vor allem die Kirche ist in bestem Zustand und erstaunlich groß für die wenigen Einwohner.

Chios / Chios Marina

Gegen Mittag sind wir zurück von unserer Wanderung, und wenn auch der Hafen gut windgeschützt ist, so kann mann dennoch erahnen, dass es draußen wie am Vortag weiterbläst. Weit haben wir es auch nicht, und so können wir uns wieder nur unter Klüver auf den Weg nach Chios machen.

In der Marina Chios

Schon gegen 15 Uhr erreichen wir die offene Marina und sind froh, gleich einen Platz an der Außenmole zu finden – so schön die Überfahrt mit Wind war, Manöver im Hafenbecken bei 6 Beaufort sind eben doch kein Vergnügen. Wir holen uns noch Freddos vom Café gleich gegenüber und entspannen den Rest des Tages an Bord.

Die Windmühlen von Chios

Den nächsten Tag beschließen wir, in der Marina zu bleiben – sie gewinnt zwar keinen Schönheitspreis, bietet aber eine gute Versorgungslage, und vor allem haben wir für den Abend einen festen Programmpunkt! Erst mal aber erledigen wir die Einkäufe und fragen an der Tankstelle, ob man uns wohl 100 Liter Diesel in Kanistern ans Boot bringen würde – und erleben eine typisch griechische Episode: ja, gerne, aber der Seniorchef hält gerade Mittagsruhe, und die junge Frau kann ja nicht die Tankstelle alleine lassen … aber da steht ja ein Auto, die Schlüssel stecken, also, wenn es Dir nichts ausmacht … und so schnell ist man mit 5 Kanistern Diesel in einem fremden Auto unterwegs, ohne irgendwelche Papiere oder sonstwas hinterlegt zu haben. Überflüssig zu erwähnen, dass das keinen Cent Aufpreis kostet …

Im ‘Βραδύπους’

Am Abend dann gehen wir in die Stadt, denn hier wartet ein besonderes Restaurant auf uns: in der filmreifen Kulisse einer historischen Bruchsteinruine im Inneren der Burg liegt das ‘Βραδύπους’ (Vradhypous) und bietet eine Interpretation der griechischen Küche auf Sterneniveau zu den Tarifen einer deutschen Fast-Food-Kette. Wir bestellen ‘Kichererbsen aus Smyrna
in einer Sauce aus dehydrierten Chios-Tomaten, Minze und Kefirschaum’, ‘Fava-Creme mit Chutney aus sonnengetrockneten Tomaten, eingelegten Zwiebeln, Olivencreme, gebratenen Kapern, rotem Paprikapulver und Dillöl’, ‘Saisonales Grün, gekochte Zucchini, in Soja mariniertes Ei, Meerfenchel und Chios-Oregano, Chios-Roséessig’ und ‘Kichererbsen-Pilaw mit Tahini, traditioneller Gewürzmischung und Limettenschale’. Das Essen ist himmlisch, die Atmosphäre perfekt – wen es mal nach Chios führt, der sollte das nicht verpassen!

Chios / Komi

Donnerstagmorgen machen wir uns wieder auf den Weg, nachdem wir uns noch in der Bäckerei gegenüber der Marina mit herrlich fluffigen Zimtschnecken für den Nachmittagskaffee versorgt haben. Wir haben es zwar nicht weit, denn wir wollen nur bis kurz vor die Südspitze der Insel, aber es ist auch wenig Wind angesagt. Anfangs trifft das zwar gar nicht zu, so dass wir den größeren Teil der Strecke bald zurückgelegt haben – der verbleibende Rest dauert dann aber mehr als nochmal so lange, da der Südosten von Chios nicht mehr viel Wind abbekommt.

Nachsaison: nichts mehr los am Strand von Komi

Am frühen Nachmittag erreichen wir aber endlich den Strand von Komi, vor dem wir ankern. Direkt nebenan liegt die Bucht von Emborios, die eher besseren Schwellschutz verspricht, aber da waren wir vor zwei Jahren schon einmal, und neue Orte zu besuchen hat ja auch was. Tatsächlich schaukelt es hier etwas mehr (eher durch die von den mit Vollgas aus dem kleinen Hafen von Komi auslaufenden Fischerbooten verursachten Wellen als durch die See), aber dafür bietet der Ankerplatz eine riesengroße, weiße Sandfläche auf 4 bis 5 Metern Tiefe – perfekter Halt und sehr schön zum Schwimmen und Schnorcheln, was wir auch ausgiebig tun, das Wasser ist sehr klar und türkisfarben.

Fournoi / Hafen

Freitag steht die bislang längste Etappe auf dem Plan, wir wollen rund 45 Seemeilen durch die Passage zwischen Ikaria und Samos bis zur Insel Fournoi segeln. Die verschiedenen Windvorhersagen sind sich sehr uneinig: während manche (und auch die Hafennachbarn in Chios, die sie gelesen haben) uns prophezeien, den ganzen Weg mangels Wind motoren zu müssen, sagen andere für den Nachmittag sogar kräftigen Wind an – und in der besagten Passage kann man erfahrungsgemäß immer nochmal zwei Windstärken auf die Vorhersage drauflegen.

Sonnenaufgang über der Türkei

Wir brechen also zeitig auf und können uns so kurz nach dem Aufholen des Ankers erst mal beim kleinen Frühstück den Sonnenaufgang über der Türkei anschauen – da noch unter Motor, aber das ändert sich recht bald, als wir die unmittelbare Abdeckung verlassen, stellen sich etwa drei Windstärken Nordnordost ein, und wir können den Gennaker setzen – endlich mal wieder, das schöne bunte Segel haben wir schon lange nicht mehr benutzt.

Endlich wieder Gennakersegeln!

So läuft es einige Stunden ganz gut, bis wir am späten Vormittag, rund 15 Seemeilen südlich von Chios, in die Konvergenzzone kommen, in der sich die östlich und westlich um die Insel wehenden Windsysteme vermischen und dabei ihre Energie einbüßen. Schnell fällt die Geschwindigkeit über Grund auf unter drei, unter zwei, dann unter einen Knoten – das auszusitzen hat erfahrungsgemäß keinen Sinn, da es nicht die Zeit sondern die Stelle ist, welche die Flaute macht, und ohne Fahrt kommt man da nie raus; also läuft nochmal eine Stunde der Motor, und siehe da, dann kommt der Wind wieder – aus Nordwest, wer hätte das gedacht. Also geht es weiter unter Gennaker, nur auf dem anderen Bug.

Fournoi voraus!

Am Nachmittag steigert sich der Wind langsam, aber stetig; als er von Windstärke 4 in 5 übergeht (und uns der Gennaker mit sechseinhalb Knoten gen Süden zieht), tauschen wir diesen gegen den Klüver – keine schlechte Entscheidung, denn bald bläst es in der Passage wie erwartet mit konstanten 6 Beaufort. Danach lässt es wieder nach, so dass wir die restlichen Meilen bis Fournoi recht gemächlich unterwegs sind, aber auch so machen wir noch um 17:30 fest – das hat alles sehr gut geklappt!

Bei der Ansteuerung erleben wir noch eine kleine Episode mit einem Charterboot: dieses sehen wir in einiger Entfernung vor uns von Süden aufkommen und den Hafen von Fournoi ansteuern – wenn die uns mal nicht den letzten Liegeplatz wegschnappen, denken wir noch. Aber siehe da, als die ‘Orion’ kurz vorm Hafen steht, kommt uns der Segler wieder entgegen – ohne ausgebracht Fender. Unsere hängen schon schön in Reihe an Backbord – das sehen die Charterer, fangen an ihre auch zu platzieren und uns wieder Richtung Hafen hinterherzufahren.

Blick über den Hafen von Fournoi

Als wir um die Ecke biegen, sehen wir gleich vorne einen freien Platz von mindestens 30 Metern und tiefer drinnen einen von höchstens 15; einer Eingebung folgend, steuern wir den kleineren, engeren Platz an, um der Chartercrew den wirklich geräumigen Platz gleich zu Beginn der Kade zu überlassen. Unser Anlegemanöver dauert etwa 30 Sekunden – schnell genug, um die Charterer zwei Boote hinter uns quer im Hafenbecken treiben, mühsam wenden und wieder die Flucht ergreifen zu sehen. 5 Minuten später haben sie ihre Nerven beruhigt und fahren den dritten Anlauf auf ihren Längsseitsplatz, mit milden 12 Knoten von quasi vorne und genug Platz für eine kleine Fähre. Wir stehen inzwischen da, um die Leinen anzunehmen, und uns fliegen lange Leinen von Bug und Heck entgegen – nur die Mittelklampe, mit der man so schön in eine kleine Spring eindampfen könnte, ziert keine Leine. So ziehen wir also das Boot mit Muskelkraft an die Kade … die Familie an Bord bedankt sich (man spricht Deutsch) und ist heilfroh, endlich fest zu sein. Die Leute machen einen netten Eindruck, und es tut uns aufrichtig leid, wie man sich seinen wohlverdienten Urlaub so stressig gestalten kann, nur weil einem niemand vernünftiges Anlegen beigebracht hat …

Auf Fournoi

Am nächsten Tag erkunden wir die Insel zu Fuß: man kann zwar Roller und sogar Autos mieten, aber für eine Insel mit nur einer einzigen Straße scheint uns das übertrieben 😉 Fournoi sieht aus der Luft aus wie ein großer Hummer: etwa da, wo der Kopf ist, liegt der einzige und gleichnamige Ort, und die gewaltigen Scheren erstrecken sich weit nach Osten und Westen.

Ausblick Richtung Samos

Die Berge sind steil, die Küsten sehr zerklüftet, und die Insel ist so windgebeutelt wie kaum ein anderer Ort: gelegen genau südlich der Lücke zwischen Ikaria und Samos, bläst hier quasi immer der Nordwind. Eigentlich ein perfekter Ort für eine Windkraftanlage – nur gibt es die natürlich nicht.

Im Dorf

Bezaubernd ist der kleine Ort: wir hatten viel weniger erwartet (schließlich verirren sich nicht furchtbar viele Besucher hierher), finden aber hübsche, sehr lebendige Sträßchen, alle mit Bäumen gesäumt, deren Grün sich über den Köpfen vereint und Schatten spendet, darin zahlreiche Tavernas und ein paar Minimärkte – nett! Und der – übrigens nagelneue – Hafen macht den Aufenthalt hier auch trotz der Lage auf der Nordseite sicher, so dass sich in Zukunft sicher mehr Segler hier einfinden werden.

Auch die örtliche Gastronomie besuchen wir am Abend noch – im ‘Delphinakia’ gibt es Spaghetti mit Riesengarnelen, die in den höchsten Tönen gelobt werden. Die Portion ist äußerst großzügig und günstig, und wir können uns den begeisterten Gästen dort nur anschließen: eine unbedingte Empfehlung! Wir fragen uns langsam, ob man irgendwo in Griechenland auch mittelmäßig essen kann …

Patmos / Paralia Livadhi

Sonntagmorgen verlassen wir Fournoi – hier hätte man es noch länger aushalten können, aber der Zeit sind ja leider enge Grenzen gesetzt. Schon vor dem Ablegen machen wir eine erstaunliche Entdeckung auf dem AIS: das Passagierschiff ‘Elysium’, welches letzten Abend noch direkt neben uns auf der Außenseite der Mole lag, wird nur ein paar Kabel entfernt angezeigt, aber mit dem Bug an … Land! Ankern die da, und die Seekarte ist nur falsch? Aber kaum haben wir den Hafen verlassen und können um den Felsvorsprung Richtung Süden schauen, bestätigt sich das Kartenbild: der gut 60 Meter lange Luxusdampfer mit nur 25 Kabinen für die besseren Gäste liegt dwars auf den Felsen – just an der Stelle, wo die Seekarte einen Durchgang nach Süden zeigt, der aber nur groß und tief genug für ein Kanu ist. Hat man diesen mit der Fournoi-Passage eine halbe Seemeile weiter westlich verwechselt, oder ist nach dem Ablegen Maschine oder Ruderanlage ausgefallen? Man weiß es nicht, und der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, aber in jedem Fall haben die handverlesenen Passagiere für den fünfstelligen Pfund-Betrag ihrer Reise echt was geboten bekommen!

Da die falsche Passage ja nun wirkungsvoll blockiert ist, nehmen wir statt dessen die richtige und sind bald auf Südostkurs nach Patmos; der Wind ist sehr abwechslungsreich, auf der Nordseite von Fournoi hatten wir 5 Windstärken, in der Passage eine konstante 6, danach flaut es aber auf 5, 4 und bald auch 3 ab. Klüver rein, Gennaker raus – und kaum eine halbe Stunde später geht es wieder auf 20 Knoten, und die ‘Orion’ fliegt mit 7 Knoten Patmos entgegen. Das macht Spaß, aber wer soll das Segel wieder runterholen, wenn es noch weiter zulegt? Also, Gennaker runter, Klüver raus – und sofort beruhigt es sich wieder auf 4 Beaufort. Ach ja …

Paralia Livadhi

Ungeachtet dieser Kapriolen erreichen wir gegen 14 Uhr die Ostspitze von Patmos und biegen in die riesige, geschützte Bucht ein, welche die Halbinsel bildet. An der Südseite dieser findet man eine geschützte Ankerbucht neben der anderen; wir können uns kaum entscheiden und möchten jede besuchen, entscheiden uns aber schließlich für Paralia Livadhi, wo das Wasser besonders türkisfarben leuchtet und der Strand völlig unbebaut ist.

Abendhimmel über Patmos

Später gehen wir ins 23 Grad warme Wasser und schwimmen zum Strand, wo knorrige Tamarisken blühen, und beim Abendessen im Cockpit färbt sich der Himmel über Patmos in allen Orange- bis Lilatönen – was für ein schönes Fleckchen!

Auch die Nacht ist perfekt, der tief im weißen Sand eingegrabene Anker lässt uns ruhig schlafen, und nicht der geringste Schwell schaukelt das Boot, während ein beständiger, lauer Wind uns ausgerichtet hält und für angenehme Luft sorgt, die nach den aromatischen Kräutern der Insel duftet. Ein paar Ziegenglocken, in der Ferne grüßt uns ein Esel … was will man mehr!

Patmos / Skala
Abseits der Besucherströme …

Ausgeruht warten wir am nächsten Morgen noch die Karawane der Charterboote ab, die den Hafen von Patmos verlässt, um dann selbst dort einzulaufen – nur drei Seemeilen sind es von unserem Ankerplatz. Die Platzauswahl ist groß, wir können sogar längsseits liegen – in diesem Fall möchten wir das auch, da für den Abend starker Wind angesagt ist, der dann quer über die Boote vor Buganker fegt.

… gibt es noch viel Schönes auf Patmos

Wir nutzen den langen Tag für mehrere Spaziergänge in die Stadt – Supermarkt, Obst- und Gemüsehändler, Kaffeetrinken und schließlich Abendessen – und finden unseren Eindruck vom ersten Besuch hier bestätigt: natürlich weist Patmos die Erkennungsmerkmale eines Kreuzfahrerziels auf (Andenkenläden, teure Juweliere, für griechische Verhältnisse überhöhte Preise – ein halber Liter Wein für 8 Euro, man stelle sich das vor! 😉 ), aber dennoch will man nicht gleich wieder weg, der Ort hat – vor allem fernab der Seefront – seine charmanten Seiten: liebevoll restaurierte Häuser, verwinkelte Altstadtgassen, prächtig Blühende Blumen vor weißem Mauerwerk – die Griechenlandidylle findet man auch hier noch.

Leipsoi / Paralia Papantria

Als die ‘Norwegian Jade’ vor dem Hafen ihre Heerscharen ausbootet, wird es uns aber doch zu voll auf Patmos, und wir legen ab – ohne Maschine unter Vorsegel, man will den Chartercrews ja mal was bieten 😉 Der Wind der vergangenen Nacht hat sich etwas beruhigt, aber die Vorhersage für die offene See lautet immer noch 5 bis 6 Beaufort; wir lassen uns davon nach Südosten zu Nachbarinsel Leipsoi tragen.

Paralia Papantria und Nachbarbucht

Die auf der Südwestküste gelegene Hafeneinfahrt lassen wir links liegen – der Ort hat uns zwar bei früheren besuchen gut gefallen, aber bei dem Wind wollen wir nicht in die Enge des Hafens. Lieber suchen wir uns einen Ankerplatz an der Südküste, wo ein Strand neben dem anderen liegt. An der Südwestspitze der Insel ragt eine Kette von Riffen weit hinaus – gut so, das verspricht guten Schutz vor Schwell! Und tatsächlich, als wir um den südlichsten Felsen biegen, liegt ein ‘Träumchen in Türkis’ vor uns! Gut, dass wir früh hier sind (es waren nur 13 Seemeilen von Patmos), denn das Wasser ist einfach zu einladend!

Leros / Xirokampos

Neuer Tag, neue Insel – heute soll es weiter nach Leros gehen, die nächste Insel im Süden. Das ist es, was uns den Dodekanes so schätzen lässt: unzählige attraktive Ziele befinden sich in kürzester Distanz zueinander. Eine kleine Herausforderung beinhaltet der Weg nach Leros aber doch: heute soll der Wind nämlich nochmal ordentlich zulegen, 6 bis 7 Beaufort sind vorhergesagt – und die gibt es auch! Schon am Ankerplatz pfeift es gut, und wir gehen sicherheitshalber erst mal nur unter Kuttersegel Anker auf statt wie gewohnt unter Klüver – und tatsächlich, mit 25 bis 30 Knoten Wind laufen wir auch mit dem kleinen Segel noch fast 6 Knoten!

Leros voraus – die Wellenhöhe ist wie immer kaum auf dem Foto einzufangen

Die zunächst noch moderate Welle legt auch immer mehr zu, als wir die Abdeckung von Leipsoi hinter uns lassen, und bald rauschen 2 – 3 Meter hohe Wasserberge heran. Die ‘Orion’ lässt sich davon aber nicht irritieren, die Aries steuert wie immer perfekt, und so werden wir mutiger und rollen noch ein ganzes Stück vom Klüver zusätzlich aus. 7 Knoten über Grund im Surf die Wellen hinunter, geht doch! 🙂

Panteli bleibt an Steuerbord zurück

Nicht so gut ist die Gesamtlage nur für unsere Übernachtungspläne: gerne hätten wir den Hafen von Panteli an der Ostseite der Insel angelaufen oder davor geankert, aber dazu müssten Wind und See stärker aus Nordwest kommen – so steht noch eine Menge Schwell in die Bucht von Panteli, die südlich vom Hafen an (kostenpflichtigen!) Muringbojen liegenden Boote schaukeln ganz schön. Wir schauen uns die Sache dennoch aus der Nähe an, der Hafen ist aber wirklich klein und vollgepackt mit Fischerbooten, der einzig halbwegs in Frage kommende Ankerplatz direkt vorm Hafen bereits besetzt, und das Muringfeld weiter südlich … Geld bezahlen, um schlecht zu schlafen? Da fahren wir halt weiter … nur ein paar Seemeilen, denn am Südende der Insel befindet sich die Bucht von Xirokampos, und dort gibt es genug Platz, keinen Schwell – und sogar einige kostenlose Murings, so dass wir noch nicht mal ankern müssen – alles richtig gemacht!

Panagia Kastrou

Am folgenden Morgen blasen wir endlich mal unser Dinghi auf und setzten über zum kleinen Anleger von Xirokampos; der Wind hat inzwischen stark nachgelassen, und so gestaltet sich das ganz problemlos und trocken. Wir erklimmen eine kleine Anhöhe, wo man auf die Überreste eines alten Kastros (uns) unbekannter Herkunft eine Kapelle gebaut hat. Von hier bietet sich ein schöner Rundumblick sowohl über unsere Ankerbucht als auch nach Norden in die große Bucht von Lakki.

Strandbar mit Aussicht

Auf dem Rückweg versorgt uns ein Minimarkt mit Nachschub an Milch und griechischem Joghurt (der hier nochmal um Klassen besser schmeckt als das gleichnamige Produkt in Deutschland!), und zum Abschluss setzten wir uns noch in eine der Strandbars und trinken Freddo und frisch gepressten Orangensaft mit Blick auf die ‘Orion’ – herrlich!

Kalymnos / Emporeios

Auch heute gibt es aber noch eine neue Insel – eine Passage von gerade einer Seemeile Breite trennt Leros vom südlichen Nachbarn Kalymnos, also macht es nichts, dass wir erst gegen Mittag losfahren. Der Wind kann sich allerdings im Schatten von Leros nie richtig durchsetzten, und als wir auch noch von Kalymnos abgedeckt werden, verlässt er uns gänzlich, so dass wir die zweite Hälfte unserer 6 Seemeilen Tagesstrecke motoren müssen.

Ankerbucht mit Bergpanorama: Emporeios

Unser Ziel, die Bucht von Emporeios, liegt zu drei Vierteln umschlossen von den Gebirgszügen, die die ganze Insel bedecken, und in der verbleibenden Öffnung liegt die ebenfalls ziemlich hohe Insel Telendos, so dass man sich in einen Alpensee versetzt fühlt. Dementsprechend hat der Bergsteiger- und Aktivurlaubstourismus die klassische Einkommensquelle der Insel, das Schwammtauchen, schon lange verdrängt.

Strand vom Emporeios

Vorm Strand hat der Besitzer einer der Tavernas, Captain Kostas, geschäftstüchtigerweise etliche Muringbojen ausgelegt. Das ist auch wirklich nützlich, fällt der Grund doch recht steil ab (wie alles auf dieser Insel), und man findet keine guten Tiefen zum Ankern. Bedingt durch diese Erleichterung findet sich aber ein Dutzend Boote ein – hauptsächlich Charterer, die sich sonst vielleicht nicht an dieser Aufgabe versuchen würden. Die Benutzung der Bojen ist kostenlos, aber wenn man zum Abendessen an Land geht, sollte man anstandshalber auch zu Captain Kostas und nicht zur Konkurrenz gehen.

Abendessen mit Aussicht

Das Konzept geht auf, der Laden brummt, als wir dort einkehren, und die meisten Gäste sind Segler – auf dem Landweg ist Emporeios nur durch eine einstündige Fahrt durchs Nichts zu erreichen, und die Straße endet auch dort. Trotz des touristischen Auftritts ist das Essen nicht schlechter als gewohnt, sondern sehr gut – nur etwas teurer als die sich auch an Einheimische richtende Gastronomie. Seit Patmos merken wir, wie es immer voller wird, auf dem Wasser wie an Land. Touristisch hin oder her, die Aussicht vom auf dem Kiesstrand stehenden Essentisch ist einfach fantastisch!

Hauptattraktion des Ankerplatzes ist eben nicht das leckere Essen – wo gibt’s das hier nicht? – sondern das atemberaubende Panorama, von dem sich nach unserer Rückkehr an Bord nur noch die Silhouette abzeichnet; dafür beleuchten tausend Sterne und die Milchstraße die Szenerie – magisch!

Telendos

Auch als wir am nächsten Morgen die Bucht verlassen und gen Süden zwischen Kalymnos und Telendos durchfahren, können wir uns nicht sattsehen an diesen mächtigen, steil ins Wasser abfallenden Gebirgszügen. Auf Telendos klebt ein winziger Ort am Hang dieses riesigen Felsens – nur ein geringer Prozentsatz der Inselfläche ist eben genug, um in irgendeiner Form bebaut werden zu können. Man muss sich in Erinnerung rufen, wie die ganze Gegend von tektonischer Aktivität geformt und geprägt wurde – Telendos etwa war bis zu einem Erdbeben im Jahre 554 n. Chr. noch mit Kalymnos verbunden. Was muss das für ein Ereignis gewesen sein – die häufigen Erdbeben an der türkischen Küste sind nur eine kleine Erinnerung daran, dass die Erdkruste hier sehr lebendig ist.

Kalymnos / Vathy

Als wir uns aus der Abdeckung von Telendos lösen, fangen wir auch einen sanften Wind ein, mit dem wir bis auf die Südseite von Kalymnos segeln können; vor der großen Bucht, in welcher der Haupthafen der Insel liegt, verwandelt sich dieser aber in eine umlaufende Flaute, so dass wir die letzte Stunde motoren müssen, um schließlich in die fjordartige Bucht von Vathy einzulaufen.

Bilderbuchlage: Vathy

Hier waren wir vor knapp zwei Jahren schon einmal, aber das ist kein Grund, nicht noch einmal herzukommen, ganz im Gegenteil: der sehr kleine Ort ist einfach wunderschön gelegen, hier sollte man nicht vorbeifahren! Nach den vielen Charterbooten vor Emporeios machen wir uns etwas Sorgen um die Liegeplatzsituation, aber das erweist sich als unbegründet: zwar ist der Hafen klein und größtenteils, es gibt nur Platz für wenige tiefgehende Boote, aber gerade deshalb verirren sich hierher auch nur etwas kleinere Yachten. Wir sind ohnehin im Vorteil, weil wir mit unserem langgezogenen Bug auch vorwärts vor Heckanker anlegen können, wo sich ein modernes Boot rückwärts die Ruderanlage ruinieren würde; das tun wir auch, um den tieferen, ebenfalls noch unbelegten Platz noch jemandem zu überlassen, der darauf angewiesen ist – es kommt jedoch nach uns kein Boot mehr herein.

Da erblasst der Gartenfreund vor Neid …

Obwohl tagsüber die großen Ausflugsboote Scharen von Touristen von Kos herüberschaffen (einschließlich Reiseleiterin mit TUI-Schild, und auch sonst wird kein Klischee ausgelassen), findet sich noch eine familiengeführte  Taverna mit nur einer Handvoll Tischen, sehr nettem und persönlichem Service, köstlicher Küche und Preisen ohne Touristen-Aufschlag (wer mal hinkommen sollte: ‘Το Λιμανάκι του Βαθύ’, Der kleine Hafen von Vathy) – wir können nur darüber staunen, wie man unter diesen Umständen nicht der Versuchung erliegen kann, das schnelle Geld mit Leuten zu machen, die eh nie wieder kommen werden. Was steht dahinter – Anstand, Würde, Ehre? Wie schon so oft festgestellt, die Gewinnerzielungsabsicht hat hier noch nicht alle anderen menschlichen Leitmotive verdrängt … und, um das deutlich zu sagen, dabei geht es uns nicht um Geiz-ist-geil: aber es fühlt sich gut an, fair behandelt zu werden, und die Gastronomie hier mag nur ein Drittel der Preise in Deutschland abrufen, aber dafür gehen wir hundertmal so gerne und (fast) so oft aus, und sorgen so für einen deutlich größeren Umsatz – und auch nach Abzug der ‘Materialkosten’ Gewinn – als zu Hause … aber bitte, jeder wie er’s will!

Pserimos / Vathy
Vathy auf Pserimos

Wir verlassen Vathy erst gegen Mittag, es sind nur 9 Seemeilen bis zu unserem nächsten Ziel, der kleinen Insel Pserimos. Unsere Erwartungen an den Wind sind nicht hoch, umso erfreulicher, dass wir kurz nach dem Verlassen des Küstenbereichs vor Kalymnos, wo nur ein flauer thermischer Wind auf die Insel zu weht, die Segel setzen und bis kurz vor den Ankerplatz segeln können. Dieser liegt auf der der Türkei zugewandten Seite von Pserimos und heißt – Vathy. Wer sich über das Namens-Recycling wundert: ‘βαθύς’ bedeutet einfach ‘tief’ (der Segler denke an die ‘Bathymetrische Karte’ – der griechische Buchstabe ‘beta’ wird heute eben als ‘v’ ausgesprochen).

Im kristallklaren Wasser wirft die ‘Orion’ ihren Schatten auf den weißen Sand in 5 Metern Tiefe

Die Ankerbucht ist nicht nur tief eingeschnitten, sie verfügt auch über gleichmäßig tiefes Wasser – und einen perfekten Sandgrund, der die ganze Bucht in traumhaften Farben leuchten lässt. Es ankern auch schon einige Yachten hier, und ein Ausflugsboot wässert gerade seine menschliche Fracht (oder wie nennt man das, wenn alle im Gänsemarsch ins Wasser hüpfen, zwei Runden ums Boot schwimmen und wieder die Treppe an Bord laufen, um bald darauf zum nächsten Ziel befördert zu werden?). Platz gibt es aber reichlich, und auch wir genießen nach dem Abzug des Ausflugsdampfers noch das inzwischen 24° warme Wasser – auf der Reise nach Süden steigen langsam die Temperaturen …

 

Später unternehmen wir eine kurze Wanderung über den Hügelsattel in den einzigen Ort der Insel, Avlakia, nur eine Handvoll Häuser und Gastronomie für die – Tagestouristen, genau. Am Abend sind die wieder am Buffet im Hotel auf Kos, und wir genießen die Ruhe am schönen Strand des Dorfs, das keinen Meter geteerte Straße hat, alles ist weißer Sand.

Kos / Kardamaina

Am Sonntagmorgen verlassen wir den Ankerplatz (hier hätte man wirklich auch noch bleiben können …) und machen uns auf den Weg zum Zwischenziel dieses Törns, Kardamaina auf der Südseite von Kos. Die Distanz ist mit 24 Seemeilen nicht ganz so kurz, und ausgerechnet an diese Tag verlässt uns der Wind, der es in den vergangenen zwei Wochen so gut mit uns gemeint hat, völlig: mit 4 Knoten Wind legen wir diese Distanz nicht an einem Tag zurück. Zudem sind wir etwas nervös hinsichtlich der Liegeplatzsituation vor Ort, also haben wir auch nicht die Geduld, auch nur ein paar Stunden auf der Stelle zu segeln; statt dessen läuft die ganze Zeit der Motor – wenigstens sind wir mit dem letzten Herbst montierten 20″-Propeller rund einen Knoten schneller unterwegs.

Türkische Küste bei Bodrum

Zunächst halten wir auf die Meerenge zwischen Kos und der türkischen Küste bei Bodrum und kommen dieser dabei bis auf anderthalb Seemeilen nahe – die Bebauung ist so viel dichter als auf den griechischen Inseln direkt gegenüber! In dieser Hinsicht sind wir auch auf den Anblick von Kos-Stadt am Ostende der Insel gespannt, gibt es hier doch das volle Programm an Pauschalreisen und Badetourismus; wir werden aber ‘enttäuscht’, natürlich gibt es unzählige Hotels, aber die elfstöckigen Plattenbauten der spanischen Küste sucht man auch hier vergebens -gut so!

Hallo, Nachbar!

Wir passieren das Ostkap von Kos, Agios Fokas; hier hat man eine riesige griechische Flagge auf die Felsen gemalt, damit beim misstrauisch beäugten Nachbarn gegenüber auch ja keine Missverständnisse aufkommen 😉

Mächtige Berge im Südosten von Kos

An der Südostküste fallen die Berge so steil ins Meer ab, dass keinerlei Bebauung möglich ist; hier ist die Insel völlig einsam und sehr schön. Erst als sich die Berge nach weiteren zwei Stunden Fahrt langsam abflachen, gibt es wieder Platz für Siedlungen, so auch Kardamaina, welches über einen großen, gut geschützten Hafen auch bei südlichen Winden sowie eine perfekte Anbindung zum Flughafen verfügt, was es als unser Zwischenziel qualifiziert.

Blick vom Liegeplatz über den Hafen von Kardamaina

Die Liegeplätze etwas abseits an der Südmole sind leider belegt, aber dafür finden wir ein Plätzchen neben den Fischern – sehr gut, hier können wir ein paar Tage bleiben!

Der Ort ist ebenfalls sehr touristisch geprägt, und offenbar fest in britischer Hand: es gibt original englische Pubs,  und am Abend läuft überall ein Rugby-Spiel auf riesigen Flachbildfernsehern, unter großer und lautstarker Anteilnahme des Publikums. Etwas skurril alles, aber sonst ganz nett hier 🙂

Kos: Landgang

Am Montag mieten wir ein Auto, um auch das Inland von Kos kennenzulernen. Von Kardamaina führt eine Stichstraße wenige Kilometer ins Inland bis zum Flughafen, wo sie auf die Hauptstraße trifft, die sich der Länge nach über die Insel erstreckt – ein übersichtliches Straßennetz. Wir fahren zunächst in den Wald von Plaka.

Im Wald von Plaka

Auf ca. 30 Hektar wachsen hier alte Pinien; das ganze Gelände liegt in einer Art Senke im weichen Tuffgestein der Gegend, was wohl erklärt, wie sich hier genügend Feuchtigkeit halten kann. Besondere Attraktion ist die Population von wildlebenden Pfauen – die auch gefüttert werden und daher alles andere als scheu sind.

Nach den Pfauen muss man nicht lange suchen

Am Parkplatz neben der Straße finden sich auch am Vormittag schon etliche Besucher ein, denn hier ist auch der Futterplatz für die Tiere; geht man aber nur 50 Meter in den Wald hinein, trifft man keine Menschenseele mehr. Und der Spaziergang lohnt sich: die Luft ist warm, aber noch angenehm, es ist schattig, die Sonne bricht durch die Baumkronen und zaubert wunderhübsche Lichtreflexe auf den von langen Piniennadeln bedeckten Boden, und der Duft – ist unbeschreiblich! Ein wunderschöner Ort, hier könnte man auch einen Picknickkorb mitbringen und den ganzen Tag verbringen – sehr erstaunlich eigentlich, dass niemand auf diese Idee kommt.

Blick von Zia über die Ebene von Kos auf Pserimos und Kalymnos (links)

Als nächstes führt uns unser Weg nach Osten, entlang der Berge. Majestätisch ragt das Dikaios-Massiv mit bis zu 846 Metern Höhe über der Küstenebene auf. Die Gipfelregion ist nur durch eine echte Bergtour zu erreichen, wir müssen uns damit begnügen, ein paar auf halber Höhe gelegene Bergdörfer zu besuchen. Eines davon, Zia, hat ziemliche touristische Berühmtheit erlangt.

Ein paar Meter abseits ist es auch in Zia schön

Busladungsweise werden hier die Besucher abgeladen, um entlang der Dorfstraße zu schlendern und neben Kräutern, Olivenölprodukten und Honig auch Waren mit so ausgeprägtem Ortsbezug wie Designershirts und Handtäschchen zu erstehen … die Aussicht ist aber wirklich schön, und wenn man die 30 Höhenmeter auf die nächste Ebene des Wegenetzes zurücklegt, auch das Dorf.

Ruinen in Chaichoutes

Wir besuchen auch noch das ‘verlassene Dorf’ Chaichoutes oder Agios Dimitrios; dieses ist größtenteils verfallen, nur die Kirche ist gepflegt, und einige Häuser sind sehr hübsch restauriert. Es gibt euch eine Taverna, die allerdings schon geschlossen ist – im Oktober ist halt die Saison vorüber (es hat ja auch nur noch 27°, und ab und an soll es sogar regnen). Von der Lage und Aussicht her hätte das Dorf das Potential, ein zweites Zia zu werden – wenn die Zufahrt nur für Reisebusse passierbar wäre 😉

Herrliche Lage – Ausblick von der Kirche Agios Dimitrios

Zum Abschluss des Landgangs besuchen wir natürlich den Hauptort der Insel; hier finden sich zahlreiche Ausgrabungsstätten, denn auch Kos blickt auf eine vieltausendjährige Geschichte zurück. Nicht fehlen dürfen natürlich die Überreste zahlreicher Heiligtümer, besonders bekannt ist Kos aber für seine antike Ärzteschule, das Asklepieion, und seinen berühmtesten Sohn, Hippokrates.

Aus jüngerer Vergangenheit stammt die noch immer beeindruckende Johanniterfestung Neratzia direkt am Hafen, welche von den Kreuzrittern im 14. Jahrhundert zur Verteidigung gegen die Osmanen errichtet wurde. Diese kann kostenlos besichtigt werden – aber nur bis 15 Uhr, und da wir das nicht wissen, schließt man die Pforte quasi vor unserer Nase. Aber auch der Rest von Kos-Stadt bietet genug Programm: die – ebenfalls frei zugänglichen – Ausgrabungsstätten um die Agora, die hübsche Altstadt und der große Hafen. Und selbst in diesem Ort, wo man auf den Straßen praktisch nur Deutsch, Englisch und Niederländisch hört und die Restaurants bebilderte Tafeln aufgestellt haben, schaffen wir es, ein gutes (frühes) Abendessen einzunehmen, so dass wir das Auto zum Schluss noch für Einkäufe nutzen und rechtzeitig in Kardamaina wieder abgeben können.

Nisyros / Paloi

Nach viertägiger Zwangspause in Kardamaina, die mit den üblichen Bootsarbeiten und ansonsten recht ereignislos verlaufen, können wir am Samstag den 21. zur zweiten Hälfte unseres Törns aufbrechen. Schwacher Südwind ist angesagt, und wir sind hoch motiviert, die überschaubare Strecke von 10 Seemeilen bis zur südlichen Nachbarinsel Nisyros unter Segeln zurückzulegen – und müssen in den folgenden Stunden wieder einmal feststellen, dass bei Flaute zu segeln in vielerlei Hinsicht anstrengender ist als bei Starkwind: wir versuchen der Gegenflaute mit Großsegel und Code 0 etwas Geschwindigkeit in Richtung Ziel abzuringen, was durch einen halben Knoten Gegenstrom nicht einfacher wird. Nach vielen Manövern und Stunden müssen wir schließlich doch den Motor zu Hilfe nehmen, wenn wir zu einer akzeptablen Zeit den Zielhafen erreichen wollen.

Die Insel Nisyros ist vulkanischen Ursprungs – anschaulicher gesagt, sie ist ein einziger großer Vulkan, dessen Mitte zu einer Caldera eingebrochen ist. Der Kraterrand fällt größtenteils so steil ins Meer ab, dass es keinerlei Siedlungen, Häfen oder Ankermöglichkeiten gibt.

Abendstimmung im Hafen von Paloi

Nur auf der Nordseite gibt es den Hauptort und Fährhafen Mandraki und etwas östlich noch den Fischerhafen Paloi, und da wollen wir hin. Die Einfahrt neigt dazu, zu versanden (kein Wunder, auf die Nordseite der Insel steht normalerweise der Wind), daher wollen wir noch bei brauchbarem Licht da reinkommen – was uns auch gut gelingt, wir sehen aber noch zwei Boote nach uns einlaufen, die sich festfahren, in einem Fall sogar sehr nachhaltig.

Der Ort ist wirklich übersichtlich, aber sehr nett, und so ist auch der Autovermieter, mit dem wir gleich einen Leihwagen für den nächsten Tag ausmachen: per Handschlag, zum schmalen Preis, ohne jeden Papierkram – griechisch eben.

Zwar verfügt die Insel nicht gerade über ein umfangreiches Straßennetz, dennoch muss man ihr Inneres besuchen, wenn man schon hier ist: in der Caldera raucht und dampft es nämlich überall, und der Stefanos-Krater ist einer der wenigen begehbaren aktiven Vulkankrater weltweit. Der Vermieter gibt uns auch Hinweise, wie wir den Ausflug planen müssen, um den Tagestouristen, die in Bussen aus Mandraki herangekarrt werden, auszuweichen. So haben wir den Krater für uns allein und können, umweht von Schwefeldämpfen, die geothermale Aktivität bestaunen und einer aktiven Magmakammer so nahe kommen wie nirgendwo sonst.

Dorfplatz in Nikia

Aber auch die beiden Bergdörfer Nikia und Emporeios sind sehenswert; ins letztere fahren wir zum Abschluss des Tages noch einmal, um dort in eine traditionelle Taverna einzukehren, und bekommen ein ganz hervorragendes Abendessen in sehr netter Umgebung. In Mandraki wäre die Auswahl zwar viel größer gewesen, aber dort ging es uns viel zu touristisch zu; beeindruckt haben uns dort aber die riesigen, perfekt zusammengefügten Steine in der schätzungsweise 2.500 Jahre alten Festungsmauer – unglaublich, wie man das zu dieser Zeit und mit den entsprechenden Werkzeugen hinbekommen hat, die einzelnen Steine sind sicher einen Meter hoch und teilweise doppelt so breit, und in die Fugen passt kein Blatt Papier!

Neben dem Vulkan ist eine der Hauptattraktionen der Insel aber einfach der Ausblick, der sich rundherum vom Kraterrand auf die Ägäis und die umliegenden Inseln bietet – so unglaublich weit und blau!

Tilos / Paralia Skafi

Montagmorgen verlassen wir den Hafen von Paloi – genau unserem GPS-Track von der Einfahrt folgend, man muss sein Glück ja nicht herausfordern – und nehmen Kurs auf die südlich liegende Nachbarinsel Tilos. Diese soll uns aber nur als Übernachtungsstopp dienen, eigentlich wollen wir erst mal nach Symi weiter im Osten, aber auch heute gibt es kaum Wind, und da ist uns der Weg nach Symi zu weit.

So absolvieren wir also wieder das übliche Schwachwind-Beschäftigungsprogramm: Groß setzen, Code 0 ausrollen, Segel shiften, Motor an, Motor wieder aus, Segelstellung wieder verändern – und schließlich, als wir den Einflussbereich von Nisyros verlassen, werden wir mit einer leichten Brise belohnt, die uns an die Nordspitze von Tilos bringt.

Einsam: Paralia Skafi

Eigentlich hatten wir uns eine Ankerbucht an der Ostküste ausgesucht, weil uns diese besser geschützt erschien, aber quasi im Vorbeifahren haben wir uns dann für die Bucht von Skafi ganz im Nordosten entschieden, konnten wir doch auf glattes, ruhiges Wasser und einen hübschen Strand blicken. Also, schnell das Leichtwindsegel eingerollt und ab in die Bucht!

Abendhimmel am Ankerplatz

Der Ankergrund erweist sich als hervorragend, ebenso das Schnorcheln bei 25° Wassertemperatur sowie später der Blick auf das Farbenspiel am Abendhimmel; dass die Bucht völlig einsam und unbewohnt ist, bringt zwar den kleinen Nachteil mit sich, dass wir mal wieder ohne Mobilfunkabdeckung und somit Kontakt zur Außenwelt sind, aber das nehmen wir gerne in Kauf 🙂

Symi / Pedi

Für den Dienstag ist halbwegs brauchbarer Wind aus West angekündigt, und so wollen wir die rund 30 Seemeilen nach Symi in Angriff nehmen. Wir können schon unter Großsegel den Anker lichten und aus der Bucht herausfahren, wo wir dann den Code 0 hinzunehmen und tatsächlich bald gute Fahrt machen; der Wind ist sogar etwas kräftiger als vorhergesagt, zeitweise messen wir 15 Knoten aus westlichen Richtungen, und so geht es mit bis zu 6 Knoten Fahrt schnell voran, was wir sehr zu schätzen wissen nach 10 windarmen Tagen.

Aber wir haben und zu früh gefreut: fast genau gegen 11 Uhr sichten wir noch Delphine und halten das für ein gutes Omen, als auf einmal der Wind abgestellt wird – von 15 auf 2-3 Knoten innerhalb von ein bis zwei Minuten! Solche scharfen Windgrenzen haben wir nur im Windschatten großer Bergmassive wie auf der Südseite Kretas erlebt – aber wir befinden uns vor der Lücke zwischen Tilos und Nisyros, in Luv von uns ist rein gar nichts, nur hunderte Seemeilen Wasser!

Symi voraus!

Aber es bleibt dabei, und so motoren wir mehrere Stunden, bis sich kurz vor Symi neuer Wind einstellt – aus Südost! Der muss irgendwie um Rhodos herumkommen … das erklärt auch ein wenig, was den Westwind aufgehalten bzw. neutralisiert hat, aber es passt nicht im allergeringsten zu irgendeiner Vorhersage – wir stellen immer mehr fest, dass die Rhodos-See genannte Bucht, welche von ebendieser Insel im Süden, der Datça-Halbinsel im Norden und dem türkischen Festland im Osten eingerahmt wird, ziemlich unberechenbare Windverhältnisse hat …

Die Nimos-Passage: da müssen wir durch …

Am Nachmittag erreichen wir so wieder unter Segeln Symi, queren die enge Passage zur vorgelagerten Insel Nimos, lassen den Hauptort der Insel an Steuerbord liegen und ankern schließlich in der Bucht von Pedi.

Farbenfroh: Pedi

Hier erwarten uns farbenfroh gestaltete Gebäude eingebettet in eine fjordartig eingeschnittene Bucht mit intensiv blauem Wasser – eine Farbenpracht! Am ungewohnten Architekturstil kann man den Einfluss der Italiener ablesen, welche die Insel von 1912 bis 1943 besetzt hatten und in dieser Zeit offenbar rege Bautätigkeit entwickelt haben; später hat man dann diesen Stil beibehalten, weil er zu einem (touristischen) Merkmal der Insel geworden war.

Am Abend nach unserer Ankunft kommen wir nicht mehr an Land, da wir auf einem britischen Nachbarboot, deren Crew wir schon auf Nisyros kennengelernt haben, zu einem Drink eingeladen werden und dann dort hängenbleiben, aber am nächsten Vormittag laufen wir über die Anhöhe, die Pedi vom Hauptort der Insel trennt, um uns diesen anzuschauen. Symi-Stadt erweist sich als größere Ausgabe von Pedi: die gleichen bunten Häuser, nur mehr davon, und alles ziemlich überlaufen mit Menschen. Visuell gefällt uns der Ort gut, er fühlt sich aber viel hektischer an, und wir sind froh, nicht dort an die Kaimauer gegangen zu sein, wo einem die Autos quasi durchs Cockpit fahren.

Zurück in Pedi – wir haben den öffentlichen Bus genommen, die Temperaturen gehen schon wieder auf 30 Grad, obwohl es noch nicht Mittag ist – erledigen wir noch die Einkäufe im kleinen, aber überraschend gut sortierten Minimarkt und verlassen dann die schöne Bucht von Pedi.

Symi / Panormitis

Gut 10 Seemeilen um die Insel liegt im Südosten nämlich die Hauptattraktion derselben – jedenfalls für unzählige griechisch-orthodoxe Christen, die jedes Jahr hierhin pilgern: in einer einsamen und nur durch eine enge Passage zu erreichenden Bucht liegt ein altes Kloster, mit vollem Namen ‘Kloster des Erzengel Michael in Panormitis‘, wunderschön in die Landschaft eingebettet. Unser Weg dorthin ist wie üblich von Flaute begleitet, aber wenigstens ist es ja nicht so weit …

Das Kloster des Erzengel Michael in Panormitis

Wir waren gewarnt, dass es in der Bucht sehr voll werden kann, aber glücklicherweise ist es ja doch schon spät im Jahr – nur wenige Boote ankern dort schon, und es gibt reichlich Platz; wir finden eine schöne Stelle vor einem kleinen Strand mit Blick aufs Kloster.

Das Kloster in abendlicher Beleuchtung

Dieses ist wirklich sehr hübsch, was sicher zu seiner Attraktivität beiträgt, und es werden auch sehr günstige Übernachtungszimmer an die ‘Pilger’ vergeben; wie wir selbst von unseren griechischen Freunden wissen, ist eine Reise dorthin ein guter Anlass, einfach mal rauszukommen und einen Kurzurlaub im Zeichen der Frömmigkeit zu machen – warum auch nicht?!

Am Abend ist das Gebäude stimmungsvoll ausgeleuchtet, und es schallen zu uns die Mönchsgesänge der Abendmesse übers Wasser – ein sehr stimmungsvoller Ort, das begreift man auch, wenn man nicht als Pilger hier ist.

Alimia / Tigani

Am Donnerstag ist mal wieder ein Hauch Wind angesagt; diesen wollen wir nutzen, um uns aus der flautigen Bucht, in der Symi liegt, herauszusegeln. Dementsprechend brechen wir relativ früh auf, können auch unter Groß den Anker lichten und aus der Bucht heraussegeln, den Code 0 hinzunehmen und sind so bald mit 5-6 Knoten unterwegs. Bald wiederholt sich aber exakt das Spiel vom Dienstag: der schöne Ostsüdost von 15 Knoten wird nach kaum zwei Stunden plötzlich abgestellt! Wenigstens können wir diesmal den Schuldigen ausmachen: bei unserer Fahrt nach Südwesten kommen wir der mächtigen Landmasse von Rhodos immer näher. Nach einer Stunde Motorfahrt kommt aber auch heute der Wind aus der Gegenrichtung wieder, und wir können nochmal zwei Stunden segeln, bis wir bei Gegenwind wieder unter Motor die innere Bucht der Insel Alimia anlaufen, welche sich wie ein Fragezeichen um diese herumkrümmt.

Alimia

Hier bietet sich Ankerraum ohne Ende und gegen verschiedene Windrichtungen geschützt, klares, tiefes Wasser, ganz viel Einsamkeit – die Insel ist unbewohnt – und mehrere Wracks am Grund, welche die Hobbytaucher anziehen.

Wir verbringen einen ruhigen Abend – und eine nicht ganz so ruhige Nacht: zwischen 1 und 2 Uhr in der frühe fällt das Barometer um 4 Hektopascal in 30 Minuten, und kurz darauf werden die Ankerlieger von Böen der Windstärke 6 gebeutelt. Das ist noch nicht furchtbar viel, aber niemand – die Wetterdienste eingerechnet – hat damit gerechnet, und so bricht auf einigen Booten hektische Aktivität aus, weil der Anker slippt oder man dies noch durch Geben von mehr Kette zu verhindern versucht. Unserer hält (wie eigentlich immer), und eine Stunde später ist der ganze Spuk auch wieder vorbei.

Sowohl wegen der unruhigen Nacht als auch der schönen Umgebung legen wir am Freitag einen Pausentag ein. Auf der Insel zu wandern ist nicht einfach, gibt es doch keine brauchbaren Wege.

Wohl das Maximum an Kritik, das man sich damals herausnehmen konnte

Wir besichtigen die alten Soldatenunterkünfte, wo sich hier im 2. Weltkrieg kurzzeitig stationierte Soldaten an den Wänden künstlerisch betätigt haben (die Bucht wurde wohl als Versteck für U- und Schnellboote benutzt), steigen über Stock und Stein bis auf den Hügel auf der Inselmitte und genießen die Aussicht. Nach der Schwitzerei geht es natürlich ins Wasser, und wir schnorcheln über dem in ca. 10 Metern Tiefe liegenden Wrack eines Ausflugsbootes, dessen hölzerne Spanten aus der grünen Tiefe heraufragen. Die Sicht ist übrigens ausgezeichnet, selbst von der Wasseroberfläche – ein merkwürdiges Gefühl, so schwerelos über dem Gerippe zu treiben.

Farbenspiel am Wassersaum

Wir stellen beim Schnorcheln fest, dass die ganze Bucht trotz der großen Tiefen überall geeigneten Ankergrund bietet – alles fester, schwerer Lehm, kein Gras, keine Felsen – und dazu eine wirklich schöne Umgebung: viele grüne Gehölze, leuchtend orangerote Felsformationen, und natürlich das tiefblaue Wasser dazu – der perfekte Ort für einen ganzen Tag vor Anker!

Ausblick über Alimia
Chalki / Emborios

Nachdem wir noch einen zauberhaften, langen Abend auf Alimia verbracht haben, bei fast vollem Mond im Cockpit sitzend und die Stille genießend, haben wir uns am Samstag den 28. Oktober auf die kurze Überfahrt zur Nachbarinsel Chalki gemacht.

Emborios in Festtagslaune

Heute ist Feiertag in Griechenland, der ‘Όχι’-Tag – man gedenkt der Ablehnung der italienischen Aufforderung zur Kapitulation 1940 – und dementsprechend ist der Haupt- und Hafenort der Insel festlich geschmückt, und am Fähranleger liegt ein imposantes Patrouillenboot der griechischen Marine. Am für besuchende Yachten vorgesehenen Schwimmsteg ist es dennoch nicht gerade voll, nur ein Boot liegt dort – die Saison ist eben doch langsam vorüber.

Auf der Seekarte sah die Insel für uns recht klein aus, aber das lag wohl nur an der riesigen Landmasse von Rhodos direkt daneben – in der Realität ist die rund 10 Kilometer lange Insel ein ganz ordentlicher Brocken, was auch daran liegt, dass sie sich gut 600 Meter aus dem Meer erhebt. In der Antike war Chalki viel fruchtbarer und durch den dort erfolgenden Kupfererzabbau bedeutend, bis zu 8000 Menschen sollen einst hier ihr Auskommen gefunden haben; heute sind es kaum 500, die praktisch nur vom Tourismus leben.

Die ‘Orion’ im Hafen von Emborios

Besonders gut ist die Insel aber nicht zu erreichen (wenn man nicht gerade mit dem eigenen Boot kommt), es gibt noch nicht mal täglich eine Fähre, weshalb sich die Besucherzahlen noch in Grenzen halten; dabei hat die Insel mit Emborios einen wirklich schönen Hafenort zu bieten, mit italienisch anmutender Architektur wie auf Symi, glasklarem Wasser selbst im Hafen, exzellenten Tavernas (so eine Überraschung …) und freundlichen Menschen – uns gefällt es sehr gut hier!

Chalki / Paralia Pondamos

Obwohl selbst das Wasser im Hafen schon zum Baden einlädt, hat Chalki in dieser Hinsicht noch mehr zu bieten: gleich um die Ecke (und für landbasierte Urlauber von Emborios aus fußläufig zu erreichen) liegt der Traumstrand von Pondamos: über hunderte Meter erstreckt sich eine weiße Sandfläche mit sanft ansteigenden Tiefen, der perfekte Ankergrund.

Badeparadies Pondamos

Zur einen Seite der Bucht liegt malerisch eine kleine Kapelle, zur anderen Seite eine Steilküste mit rotbraunen Felsen, und in der Mitte ein breiter Sandstrand, im Hintergrund eine einzige Taverna (die auch schon geschlossen ist), das ganze eingerahmt von hoch aufragenden Bergen. Das Wasser hat knapp 25 Grad in der Mitte der Bucht, zum Ufer wird es wärmer; die Sonne zaubert magische Reflexe auf den weißen Sandgrund, und zur Steilküste liegen zerklüftete Felsen am Ufersaum, in denen sich ganze Schwärme bunter Fische tummeln – ein herrlicher Ort für einen Badetag!

Allein dass durch die in der vergangenen Nacht erfolgte Zeitumstellung die Sonne nun schon um Viertel nach Fünf untergeht, ist schade – aber wir beschließen die Uhrzeit einfach zu ignorieren (wenigstens bis zum Rückflug)

Tilos / Paralia Agios Sergios

Am Montagmorgen müssen wir Chalki verlassen, es wird Zeit, uns auf den Rückweg zu machen; erstes Ziel ist die Insel Tilos, die wir vor einer Woche ja nur für einen Übernachtungsstopp besucht haben.

Schwachwindsegeln nach Tilos

Wie inzwischen schon gewohnt weht kaum Wind – und wenn, dann von vorne; wir motoren also erst mal bei Gegenflaute bis zum Westende der Insel, um dann auf offener See etwas Wind einzufangen und die eigentliche Querung unter Segeln anzugehen. Dies gestaltet sich zunächst bei kaum 5 Knoten Gegenwind äußerst mühsam, nachdem aber einige Stunden vergangen sind und die Sonne etwas Bewegung in die Flaute gebracht hat, werden 7 bis 8 Knoten daraus, und die Richtung wird westlicher – damit können wir etwas anfangen und segeln mit dem Code 0 am Wind bis zum Eingang in die südlichste Ankerbucht auf Tilos, Agios Sergios.

Einsam und schön: Agios Sergios

Die Küste ist hier wild zerklüftet, und die gesamte Gegend völlig unbebaut; dementsprechend können wir vor Anker auch kein Mobilfunknetz finden, aber das macht nichts, beim Wetter erwarten wir keine spannenden Entwicklungen, und die Umgebung ist Beschäftigung genug: wir beobachten, wie die Ziegen sich noch in den steilsten Felswänden bewegen, um an die dort wachsenden Kräuter zu gelangen, und betrachten die wild gefalteten Gesteinsformationen durch das Fernglas.

Bizarre Felsen vor Tilos

Als wir am nächsten Morgen die Ankerbucht verlassen, können wir im Licht der Morgensonne nochmal die Felsformationen am Eingang zur Bucht in ihrer ganzen Pracht bestaunen: das relativ weiche, vulkanische Gestein ist beim Erkalten in die verrücktesten Formen gepresst worden, und die Wechselwirkung mit der See hat zu bizarren Aushöhlungen geführt. Bei der mäßigen Qualität der hiesigen Seekarten ist diese Küste allerdings auch mit großer Vorsicht zu genießen, es ist nie ausgeschlossen, dass ein gewaltiger Unterwasserfelsen in der Seekarte einfach mal fehlt …

Tilos / Paralia Kokkini

Wir wollen ‘nur’ ein kleines Stück um Tilos herum, und da wir vor der Bucht gekräuseltes Wasser sehen, denken wir, das sollte mit einiger Geduld doch unter Segeln möglich sein – aber weit gefehlt, es beginnt das übliche Spiel: vier Knoten raumer Wind von Backbord, Leichtwindsegel raus –  fünf Minuten später drei Knoten von Steuerbord, Segel shiften – zwei Minuten später zwei Knoten von vorne, Segel fällt ein. Als wir – zunächst erfreut – feststellen, dass die Geschwindigkeit über Grund sich von 0.0 wieder auf 0.3 Knoten erhöht hat, und dann ernüchtert bemerken, dass wir mit einem Gegenstrom dieser Geschwindigkeit exakt auf unserer Kurslinie rückwärts segeln, muss dann doch wieder für eine Stunde der Motor ran …

Der ‘Rote Strand’ von Tilos

Erst als wir die Südostspitze der Insel passieren, setzt sich der Nordwestwind mit 8-10 Knoten durch – für uns exakt von vorne, natürlich, aber wenigstens können wir damit kreuzen, und erreichen so gegen Mittag nach stolzen 10 Seemeilen die nächste Ankerbucht, Paralia Kokkini. Das bedeutet ‘Roter Strand’ – und der Name hält, was er verspricht, der Sand und die Felsen dahinter leuchten in allen Rot- bis Brauntönen!

Die Bucht ist wirklich sehr klein, mit dem Anker in der Mitte und hinreichend Kette würde uns Seitenwind auf der einen oder anderen Seite auf die Felsen treiben lassen. Aber die Umgebung ist wirklich toll, wie wir auch beim Schnorcheln feststellen: hier wurden offenbar abwechselnd harte und weiche Gesteinsschichten abgelagert, und durch die Herauslösung der letzteren sehen die Ufersäume wie riesige Blätterteigschichten aus. Hier verstecken sich natürlich unzählige Fische, wir sehen sogar eine sicher einen guten Meter lange Muräne, die uns nicht sehr freundlich anschaut.

Mondaufgang zu Halloween

Für so eine Umgebung lohnt es sich mal, etwas suboptimale Ankerverhältnisse in Kauf zu nehmen; wir bringen noch den Heckanker aus, um halbwegs sicher durch die Nacht zu kommen, und beobachten noch lange den phantastischen Sternenhimmel, bis schließlich – passend zu Halloween – ein blutroter Mond aufgeht und mit seinem Licht die Sterne bald verblassen lässt.

Natürlich passiert es in der Nacht, dass wir den Felsen zu nahe kommen, weil das Boot bei völliger Flaute orientierungslos herumtreibt; wir verkürzen die Kette des Bugankers nochmal um 5 Meter, und dann können wir den Rest der Nacht ungestört schlafen.

Tilos / Livadhia

Am Vormittag des 1. November lassen wir es erst mal ruhig angehen, denn wir wollen heute nur in den Haupthafen von Tilos, nach Livadhia; das ist nur eine Seemeile entfernt, und wir wollen den Charterbooten dort ja erst mal die Zeit geben, abzulegen und den kleinen Hafen zu räumen. Als einige Yachten an uns vorbei gefahren sind, machen wir uns dann auch auf den Weg – mit etwas Verzögerung, nun unfreiwillig, denn der zur Stabilisierung ausgeworfene Heckanker hat sich perfekt in den oben beschriebenen Felsplatten verhakt. Aber mit etwas Geduld und guten Nerven (schließlich fand das Manöver eine gefühlte Armlänge vor den Felsen statt) haben wir ihn auch ohne Tauchgang frei bekommen, und eine halbe Stunde später waren wir auch schon in Livadhia. Zwei große Charteryachten lagen noch an der Kaimauer, aber Minuten nach unserer Ankunft verließen die uns auch (unter lautem Abspielen von ‘Time to say goodbye‘), und wir waren die einzigen Gäste.

Der kleine Ort verfügt über eine endlos lange Strandpromenade, an der sich einige Tavernas und Cafés befinden, die aber alle schon geschlossen waren, die Saison ist halt vorüber (auch wenn das dem Wetter nicht anzumerken ist). Auch vier (!) Mini-Supermärkte gibt es, die allerdings hinsichtlich Obst und Gemüse nicht gut bestückt waren – die Fähre mit Lieferungen kommt nur zweimal in der Woche … aber eine geöffnete und sehr nette Bäckerei finden wir, womit die Kaffeetafel an Bord gut gedeckt ist 🙂

Den Nachmittag verbringen wir an Bord mit Hafenkino – wir beobachten filmreife Anlegemanöver im noch leeren Hafen bei 5 Knoten Wind und strahlendem Sonnenschein. Natürlich helfen wir auch, wobei die psychologische Betreuung schwerer wiegt als das Abhalten und Annehmen der Leinen – oberflächlich betrachtet mag das amüsant sein, aber man leidet da schon mit, schließlich ist es der wohlverdiente Jahresurlaub, und dann hängt der Bordsegen deutlich schief, nur weil das Manöver suboptimal verläuft. Erschwerend kommt hinzu, wie leicht das vermeidbar wäre – aber soll man jedem Fahrstunden anbieten? Das könnte auch falsch rüberkommen …

Am Abend suchen wir die Taverna auf dem Dorfplatz auf, und siehe da, die ist noch geöffnet! So bekommen wir doch noch ein Abschiedsessen auf Tilos, und ein sehr gutes dazu.

Tilos / Agios Antonios
Die ‘Orion’ ganz allein im Hafen von Agios Antonios

Am Donnerstag können wir noch frisches Obst und Gemüse von einem Bauern erstehen, der seine Produkte frisch vom Feld direkt vorm Hafen von der Ladefläche seines Trucks verkauft, bevor wir uns  in eine bessere Startposition für die anstehende Überfahrt nach Astypalaia verholen; gut 10 Seemeilen sind es bis in den Fischerhafen von Agios Antonios.

Nichts los, also perfekte Ruhe garantiert

Da der aufkommende Westwind für uns noch ungünstig einfällt, müssen wir dafür einen Schlag kreuzen, aber wenigstens ist das mit 3 bis 4 Beaufort endlich wieder möglich – wir genießen den Segelschlag und laufen gegen 14 Uhr in den leeren Hafen ein, der ebenso klein ist wie der dazugehörige Ort (mehr als drei bis vier Boote längsseits passen hier nicht rein; und der Ort hat ein halbes Dutzend Gebäude, zwei davon Tavernas, beide saisonbedingt geschlossen). Aber das Tal und die Berge im Hintergrund bieten eine schöne Umgebung für den letzten Abend der Rundreise, und die Ruhe und Entspannung hier sind eine gute Voraussetzung für einen erholsamen Schlaf vor einem langen Tag.

Astypalaia / Maltezana
Vom Sonnenaufgang auf Tilos …

Am frühen Freitagmorgen verlassen wir den Hafen von Agios Antonios mit dem Ziel Astypalaia – der letzte lange Schlag dieses Törns, bevor es für die ‘Orion’ ins Winterlager geht. Im Hafen ist noch wenig vom angekündigten Wind zu spüren, in der Bucht vorm Ort bekommen wir aber schon etwas mehr ab und können noch gut im ruhigen Wasser das Großsegel setzen und kurz darauf den Code 0 hinzunehmen, während hinter uns über Tilos die Sonne aufgeht.

… vorbei an Nisyros …

Zunächst scheint es, als wäre schon mehr Wind als für den Vormittag angesagt, aber bald zeigt sich, dass dies wohl nur ein Effekt der Insel war; kaum lassen wir diese hinter uns, geht es ziemlich gemächlich zu, und trotz der großen Segelfläche sind wir nur mit dreieinhalb Knoten unterwegs. Gegen Mittag aber legt der Wind endlich zu, so dass unsere Chancen, das Ziel beim letzten Tageslicht zu erreichen, wieder steigen – die Distanz ist mit fast 50 Seemeilen nicht so gering, und die Tage Anfang November eben doch schon recht kurz.

… zum Sonnenuntergang auf Astypalaia

Da wir ja einen Rückstand aufzuholen haben, lassen wir den Code 0 relativ lange stehen und fliegen so am Spätnachmittag mit sechseinhalb Knoten auf Astypalaia zu, nehmen noch kurz vor Sonnenuntergang unser Abendessen bereits in den vertrauten Gewässern südlich der Insel ein und haben eben noch genügend Licht, um uns die Liegeplatzsituation für die Nacht anzuschauen. In den wenigen, für Südostwind geeigneten Ankerplätzen liegen tatsächlich schon Boote, und auch auf der Innenseite der Pier von Maltezana ist nichts mehr frei, so dass wir auf eine Muring in der offenen Bucht zurückgreifen müssen, an der im Sommer ein großes Ausflugsboot festmacht. Die Muring ist sicher, aber alles andere als komfortabel, was zu einer sehr schlafarmen Nacht führt – als ab Mitternacht der Wind immer mehr zulegt, bockt das Boot ganz ordentlich in den hereinrollenden Wellen.

Wintervorbereitungen

Die verbleibende Woche auf Astypalaia beginnt dementsprechend eher unangenehm, denn auch am folgenden Samstag beruhigt sich das Wetter erst am Abend – 24 Stunden Rodeo an der Muringboje sind kein Vergnügen! Aber daran kann man mal wieder gut ersehen, dass das größte Problem beim Segeln Zeitpläne sind: hätten wir keinen festen Abreisetermin, hätten wir diesen furchtbaren Tag mit Leichtigkeit vermeiden können, Paloi auf Nisyros etwa wäre ein perfekter Hafen für diese Wetterbedingungen gewesen – aber dann wären wir erst Tage später gut ans Ziel gekommen.

Am Sonntagmorgen können wir endlich die Muring verlassen und längsseits an die Fischerpier gehen und somit erstmals einen Fuß an Land setzen. Sich dann gleich aufs Abriggen zu stürzen ist undenkbar – soziale Aspekte stehen in Griechenland ganz klar oben auf der Prioritätenliste 🙂

Der Tag bzw. die Nacht wird entsprechend lang, und zu allem Überfluss und entgegen jeder Vorhersage setzt am frühen Montagmorgen schon wieder der elende Südwind ein – Rodeo an der Pier ist auch nicht erbaulicher als an der Muring (vielleicht sogar noch schlimmer).

M/Y Orion

Erst am späten Montagnachmittag hat es sich soweit beruhigt, dass die Segel abgeschlagen werden können; Dienstag legen wir den Mast mit Hilfe des Kranarms auf dem Traktor vom Boatyard und lagern diesen nach Demontage des stehenden Gutes längs auf dem Boot. Ganz schön nackt sieht die ‘Orion’ nun aus, wie sie so auf den Landgang wartet …

Genug schweres Gerät im Einsatz

Dieser erfolgt dann am Mittwoch; nach den Erfahrungen vom vorletzten Herbst ist der Radlader diesmal von Anfang an zur Stelle, und so gelingt es problemlos, den tonnenschweren Trailer mit dem Boot darauf aus dem Wasser auf den Strand zu ziehen. Weiter geht die Reise ein Stück die Straße entlang bis auf den Boatyard, wo wir ein hübsches Plätzen mit dem Heck zwischen den Olivenbäumen zugewiesen bekommen – Olivenpflücken von der Badeplattform inklusive!

Bereit für den Winter

Die letzten zwei Tage vergehen mit den Einwinterungsarbeiten: der Rumpf wird mit dem Hochdruckreiniger von seinem Bewuchs befreit (der sich aber sehr in Grenzen hält, offenbar taugte das verwendete Antifouling, das kann wohl auch zwei Winter im Wasser bleiben – gut, dass wir noch einige Dosen davon in der Bilge stehen haben!), alle losen Teile werden in Sicherheit vor den Winterstürmen gebracht und gründlich festgezurrt, und vor allem werden Arbeitslisten mit den zum Frühjahr zu reparierenden Dingen erstellt – zu dumm, wenn man zu Hause sitzt und keine Maße für ein Ersatzteil hat. Schließlich kommt bis zuletzt auch das Sozialprogramm nicht zu kurz, was zu ziemlichem Schlafmangel führt – und einer sehr schönen Zeit natürlich!

Am Samstag den 11. November schließlich bringt uns die Turboprop nach Athen, von wo wir nach einer Übernachtung die endgültige Heimreise antreten. In 34 Tagen auf See haben wir 414 Seemeilen zurückgelegt, viele neue Inseln kennengelernt und eine gute Zeit mit tollem Sommerwetter, herrlichem Essen und netten Menschen gehabt – viel zu kurz natürlich, aber daran ist nun mal nichts zu ändern.

Kurzurlaub auf Lesvos (25.04. – 13.05.)

Zurück an Bord

Am Dienstag, den 25. April ist es endlich soweit: nach 6 Monaten bekommt die ‘Orion’ wieder eine Besatzung! Das zurückliegende halbe Jahr war lang und bitter, und auch die ersehnte Rückkehr ist nur sehr vorübergehend und von vielerlei Einschränkungen geprägt; dennoch sind wir mehr als froh, als uns der milde Wind vorm Flughafen von Mytilini die ersten floralen Düfte in die Nase trägt: endlich zurück!

Natürlich lockt der Ruf der See, aber bevor wir die Leinen loswerfen können, gibt es erst mal einiges zu tun: wichtigste Aufgabe ist der elektronisch und mechanisch vernünftige Einbau der seit über 10 Monaten darauf wartenden Lithium-Zellen; diese waren ja Ende Juni ’22 noch in Agios Nikolaos angeliefert worden, aber mangels Zeit nie korrekt im Batteriefach untergebracht und mangels fehlerfrei arbeitender Elektronik nie richtig in Betrieb genommen worden.

Die neuen Lithiumzellen (Abdeckung halb aufgeklappt)

Nun wird erst mal die vorhandene Halterung mittels Flex und Schweißgerät so umgebaut, dass sie die 16 neuen Zellen unverrückbar an Ort und stelle hält, und die Energieverteilung sowie die Ladegeräte und die Steuerung auf die hälftig klappbare obere Abdeckung montiert. Nun sieht das schon viel besser aus, und siehe da, als die 16 Nodeboards mit der Steuereinheit per I²C verbunden sind, können sie auch alle mit dieser kommunizieren – kaum macht man’s richtig, klappt’s auch …

Lazy bags, die Baumpersenning für Faule

Das alles nimmt schon zwei Tage in Anspruch; am dritten Tag montieren wir die mitgebrachten lazy bags am Großbaum, eine Eigenanfertigung, die im Gegensatz zu vielen käuflichen Systemen aus drei Teilen besteht, so dass nach dem Herausnehmen eines langen Mittelteils mittels symmetrisch verlaufender Reißverschlüsse deutlich schmalere Stoffbahnen zurückbleiben als bei einer zweigeteilten Tasche. Dies fanden wir in der Theorie schöner, und um das Ergebnis vorwegzunehmen, es hat sich auch in der Praxis gut bewährt.

Mytilini: viel zu sehen, viel zu genießen

Schließlich ist noch ein neues (weil doppelt geführtes) Fall für das Leichtwindsegel einzuziehen, die Vorsegel müssen angeschlagen werden (wobei wir auf den Klüver verzichten, das ist uns zu viel Mühe für die kurze Zeit), und die Bootspapiere müssen auch noch von der Coast Guard abgeholt werden. Natürlich kommen während all dem auch die Besuche bei der örtlichen Gastronomie nicht zu kurz, zumal es das Wetter überwiegend gut mit uns meint, es ist angenehm warm, in der Mittagssonne sogar schon heiß.

Am Montag den 1. Mai soll es dann endlich losgehen; als es Zeit fürs Ablegen ist, gibt der Anlasser aber nur ein müdes Würgen von sich! Nun ja, die Starterbatterie ist noch vom Vorbesitzer, also schätzungsweise 12 bis 15 Jahre alt, und hat das letzte halbe Jahr nur noch rumgestanden – es sei ihr verziehen. Glücklicherweise hat die Tankstelle gegenüber der Marina Ersatz vorrätig, der allerdings nicht über Schraubterminals verfügt wie die defekte Batterie, und Terminalklemmen haben sie nicht – eine kleine Bastelaktion ist also noch vonnöten, bis die Maschine hochmotiviert gestartet werden kann.

Endlich unterwegs!

Darüber ist es Mittag geworden, bis wir die Marina verlassen; Sonne gibt es reichlich, Wind eher weniger, weswegen sich eh keine großen Sprünge mehr anbieten, also beschließen wir gleich, es ruhig angehen zu lassen. Unbeschreiblich schön aber, endlich wieder das Wasser glitzern zu sehen, wenn man diesen Anblick so lange entbehren musste!  Wir bescheiden uns mit zwei Knoten Fahrt und einem runden Dutzend Seemeilen Distanz bis zum Strand von

Agios Ermogenis
Paralia Agios Ermogenis

Dieser Ankerplatz, kurz vor der Einfahrt in den Kolpos Geras, bietet nicht viel Schutz gen Süden, aber das ist bei den herrschenden Wetterbedingungen auch nicht wichtig; es läuft kaum Schwell, ein Ausrichten des Bootes vor Anker ist unnötig, und wir verbringen einen ruhigen, ungestörten Abend.

Endlich wieder vor Anker! Kein Stadtlärm, keine Marina-Geräusche, völlige Ruhe, eine gefällige Umgebung – den Strand zieren die dem namensgebenden Heiligen gewidmete Kapelle und eine kleine Taverna – und nach Süden die Weite des Meeres … das hat gefehlt!

Plomari

Am Dienstag ist es etwas bedeckter, aber immer noch sehr freundlich und warm; Wind gibt es allerdings eher noch weniger, so dass wir uns nur ein kleines Stück fortbewegen, um nicht nur auf den Motor angewiesen zu sein. In passender Entfernung bietet sich er Hafen von Plomari an, den wir schon gegen Mittag erreichen.

Plomari, Fischerhafen

Zu unserem Erstaunen taucht sogar ein freundlicher Mitarbeiter der Küstenwache auf, der uns umfangreiche Formulare ausfüllen lässt, um uns schließlich eine Zahlungsanweisung – jawohl, ausschließlich per Überweisung, solche Unsummen doch nicht cash! – über sage und schreibe 6 Euro auszuhändigen! Da sage nochmal jemand, der griechische Staat würde nicht auf seine Einnahmen achten 🙂

Plomari, Platanos

Plomari ist bekanntlich die Heimatstadt des Ouzo, aber außer der Brennerei gibt es hier noch so einiges zu entdecken, wenn man sich etwas weiter vom Fischerhafen entfernt. Wir landen in einem Viertel mit einladenen Tavernas unter großen, schattenspendenden Platanen und einem sehr nett gemachten Imbiss mit internationalen Köstlichkeiten (im Land des Küchenpatriotismus selten!). Zum Abendessen landen wir dennoch in einem griechischen Traditionslokal, wo wir sechs verschiedene, allesamt mit Liebe gekochte und entsprechend köstliche Gerichte bestellen – und schließlich einschließlich eines halben Liters Wein 18,50 € bezahlen … ja, auch das hat gefehlt: handgemachtes Essen zu mehr als fairen Preisen.

Im Kolpos Kallonis

Mittwochmorgen begrüßt uns zwar wieder die Sonne, aber für den Abend drohen die Wettervorhersagen etwas Regen an, und für den Donnerstag und Freitag sieht es ähnlich aus: wechselnde Windrichtungen, Gewitterrisiko, und ab Samstag dann starker Nordwind. Damit lässt sich nicht wirklich viel anfangen, bei einer Inselumrundung böte sich zu wenig Schutz an der Nordküste, und bei einer Überfahrt nach Chios kämen wir nicht mehr zurück. Also segeln wir gut 20 Seemeilen weiter die Südküste entlang, um die kommenden Tage im Kolpos Kallonis zu verbringen, des westlicheren (und größeren) der zwei ausgedehnten Golfe, die Lesvos unschließt. Die Fahrrinne hinein ist so schmal, dass sie tatsächlich durchgehend betonnt ist – hierzulande nicht gerade ein häufiger Anblick. Ist man dann drinnen, eröffnet sich der Blick über eine 11 Seemeilen weite Wasserfläche, gesäumt von zahlreichen Salinen, ein Paradies für zahlreiche Arten, unter anderem gibt es hier viele Flamingos.

Da uns bei der Einfahrt die ersten, drohend dunklen Wolken verfolgen, biegen wir gleich rechts ab und suchen uns einen Ankerplatz vorm Strand von Nyphida. Kaum ist der Anker im Boden, beginnt es zu regnen – Glück gehabt!

Am nächsten Morgen ist es wieder sonnig, wir verholen uns bei völliger Windstille wenige Seemeilen weiter nach Skala Polichnitou, einem kleinen Fischerort; hier finden wir einen Platz an der Kaimauer mitten zwischen (für griechische Verhältnisse) größeren Fischerbooten, was aber niemanden zu stören scheint, und so beschließen wir, hier auch über Nacht zu bleiben und die örtliche Fischtaverne zu testen.

Für Freitag sind die Gewitter und das langsame Einsetzen des Nordwindes angekündigt, also beschließen wir uns von der ungeschützen Kaimauer zum Nordende des Kolpos, vor den Strand von Skala Kallonis, zu begeben – wieder unter Motor, der sehr schwache Wind kommt schon von vorne.

Samstagmorgen bläst er dann so richtig, der Nordwind; da sich im Golf aber keine bedrohliche Welle aufbauen kann, beschließen wir uns nur unter Kuttersegel wieder gen Süden blasen zu lassen, wo wir kurz vorm Ausgang nochmal einen Ankerplatz mit Nordschutz vor Apothikes finden – hier haben wir 2021 schon mal übernachtet. Landschaftlich sehr schön vor einer Flussmündung gelegen, bietet der Ort perfekten Ankergrund, wie überhaupt der ganze Kolpos: egal wo wir geankert haben, überall bestand der Grund aus einem schweren, zähen Gemenge, in dem der Anker wie einbetoniert liegt (selbst senkrecht aufholen ist nicht einfach!).

Plomari die 2.
Garbias in gelber Blüte

Sonntag müssen wir uns dann leider schon wieder auf den Rückweg machen; im Ausgang des Kolpos Kallonis fasziniert uns die kleine Felseninsel Garbias, welche dicht an dicht mit intensiv gelb blühenden Blumen überzogen ist – während man direkt gegenüber an Land nichts von diesen Blüten sieht! Merkwürdig – und hübsch sowieso.

Plomari von See

Eine Weile segeln wir die Küste entlang, dann verlässt uns der Wind recht plötzlich, wir müssen also wieder mal den Motor bemühen, um in den Hafen von Plomari zu gelangen. Dass wir hier vor 5 Tagen noch waren, macht uns nicht wirklich was aus, und auch nicht, dass ausgerechnet heute das kleine Restaurant mit den internationalen Köstlichkeiten geschlossen hat; wir essen statt dessen mit Premium-Aussicht über den Hafen im Restaurant einen Gesellschaftsclubs, welcher sich den Lehren des um 1760 in Plomari geborenen Benjamin von Lesbos verschrieben hat – und offenbar auch der guten Küche 😉

Paralia Tsilia
Vor Tsilia

Montagmorgen ergänzen wir noch Vorräte, dann segeln wir weiter gen Osten bis kurz vor den Eingang des Kolpos Geras; hier liegt – gut versteckt – die kleine Ankerbucht vorm Strand von Tsilia, die wir auch 2021 bereits besucht haben und als eine der schönsten Ankerbuchten an der Küste von Lesvos empfinden: am Fuße eines beeindruckenden Berges liegen eine kleine Kapelle sowie Ruinen alter Bruchsteinmauern an einem sandigen Strand. Ziegenglocken sind das einzige Geräusch, vom Summen der Bienen und dem leisen Plätschern der Wellen abgesehen. Paradiesisch!

Skala Loutron

Eigentlich hätten wir gerne noch eine hübsche, aber ziemlich ungeschützte Inselgruppe nördlich von Mytilini besucht, aber mal wieder macht uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung: dort sind für die kommenden Nächste zu kräftige Nordostwinde angesagt, verbunden mit kräftigem Schwell. Um nicht gleich zurückfahren zu müssen, wollen wir noch einmal in Skala Loutron übernachten; auch hier haben wir vor anderthalb Jahren schon mal geankert, nun gehen wir längsseits an der Außenseite des Hafens.

Nichts als Olivenbäume um Skala Loutron

Wir wiederholen unseren damaligen Spaziergang durch die endlosen Olivenhaine bis hinauf ins Dorf Loutra und wieder hinunter nach Skala; dabei begleitet uns die ganze Zeit ein freundlicher Hund, als würde er zu uns gehören. Am Ziel angekommen, leitet er uns zielsicher zur Taverna seines Besitzers, womit gleich auch das Abendessen gesichert ist. Nicht schlecht, was man so einem Tier so alles beibringen kann 😉

Wieder in Mytilini

Am Mittwoch den 10. Mai müssen wir dann leider schon wieder zurück in die Marina; wenigstens können wir unter Code 0 aufkreuzen, in der chronisch windarmen Straße von Mytilini schon eine Ausnahme.

Kein Scherz: Taxistand in Petra

Etwas Trost spendet das Wiedersehen mit unseren Freunden von der ‘Blitz’, mit denen wir so viel Zeit vor drei Jahren im Lockdown auf Ibiza verbracht haben; wir lassen alte Zeiten wieder aufleben und lassen uns zusammen das griechische Essen und Trinken schmecken, mieten auch ein Auto für einen Ausflug in den Westen der Insel. Nebenbei packen wir die Segel wieder ein und machen das Boot fertig für unsere Abreise – das fühlt sich völlig falsch an, während rundherum alle ihre Boote segelfertig machen.

Am Sonntagmorgen geht es dann zum Flughafen, zweieinhalb Wochen waren wir in Griechenland, davon 10 Tage unterwegs, und sind gut 120 Seemeilen gesegelt – hoffentlich können wir bald zurückkehren!

Überführung (27.09. – 19.10.)

Agios Nikolaos

Am 27. September bekommt die ‘Orion’ endlich wieder eine Crew – einen Monat später als geplant und in unerwarteter Zusammensetzung. Statt eines schönen, geruhsamen Herbsttörns im Dodekanes gen Norden müssen wir die Strecke bis Lesvos nun in kürzestmöglicher Zeit zurücklegen – wie es so ist, wenn das Leben mal wieder andere Pläne hat.

Zunächst aber sind einige Vorbereitungsarbeiten angesagt: die Segel müssen wieder angeschlagen und das Boot verproviantiert werden, vor allem aber warten die im Juli noch angekommenen Lithium-Zellen auf ihren Einbau – und der hat es in sich, die Elektronik will nämlich nicht so, wie sie sollte, und zu allem Überfluss sind die Bedingungen sehr widrig: es ist nämlich unerträglich – und für diese Jahreszeit untypisch – heiß auf Kreta, und besonders unten im Bauch der ‘Orion’. Aber nach drei ziemlich quälerischen Tagen funktioniert es zwar noch immer nicht so wie gewünscht, aber die Batterien sind benutzbar, und dem Aufbruch steht nichts mehr im Wege.

Nachtfahrt nach Astypalaia
Kreta bleibt hinter uns zurück

Am Vormittag des 1. Oktober verlassen wir die Marina von Agios Nikolaos mit Kurs Nordnordost; unser Ziel ist Astypalaia in gut 90 Seemeilen Entfernung, welches wir nur über Nacht erreichen können. Zunächst weht sehr wenig Wind, aber am folgenden Tag soll sich das sehr gründlich und nachhaltig ändern, so dass wir uns sagen: jetzt oder nie (jedenfalls nicht so bald) und etliche Motorstunden in Kauf nehmen.

Nächtliche Begegnung mit der ‘Rhapsody of the Seas’ bei Mondschein

Schon bald sichten wir Delfine, und nach wenigen Stunden stellt sich sogar sanfter Ostwind ein, so dass wir mit Großsegel und Code Zero anständig Fahrt machen können; mit der Sonne verschwindet aber auch der Wind, und den größeren Teil der Nacht läuft wieder der Motor. Erst nach 3 Uhr haben wir wieder genug Wind, nun aus Süd; in den nächsten Stunden dreht dieser wie angekündigt südwestlicher und nimmt zu, aber nur ganz langsam; nach Sonnenaufgang aber, als wir Astypalaia schon in Sicht haben, geht es dann ganz schnell, und auf einmal haben wir 6 Beaufort und machen mit zweifach gerefftem Groß und Klüver über 7 Knoten Fahrt – sehr schön!

Astypalaia begrüßt uns stürmisch

Schon im Einflussbereich der Insel legt es dann aber noch weiter zu als angekündigt, und die Böen fallen mit 8 Beaufort über uns her, so dass der Zielanlauf noch recht sportlich wird. Um Viertel vor 11 Uhr sind wir aber längsseits fest an der Fischerpier von Maltezana und können uns nun erst mal von den Strapazen der letzten Tage erholen – der (inzwischen Nord-)Wind wird nämlich die nächsten Tage nicht mehr weniger, und so haben wir einen längeren Zwangsaufenthalt vor uns.

Ausflug nach Agios Ioannis

Der Meltemi scheint kein Ende nehmen zu wollen: Tag um Tag pfeift es über den gut geschützten Liegeplatz hinweg. Zunächst gibt es noch einiges am Boot zu erledigen, so will etwa der vor 9 Monaten bestellte und auf Kreta endlich gelieferte Propeller montiert werden; dann aber sind die Arbeiten durch, und wir mieten ein Auto, um uns auf der Insel umzuschauen und die Zeit zu vertreiben.

Die Chora leuchtet weiß vor der stürmischen See

Dabei können wir immer wieder einen Blick auf die See gen Norden werfen, deren Anblick einen von allen Gedanken, so schlimm sei es doch gar nicht, augenblicklich kuriert. Aber Astypalaia ist schließlich nicht der schlechteste Ort, um etwas zu verweilen …

Astypalaia – Kalymnos

Schließlich werden es ganze 7 Tage, bis wir am Morgen des 9. Oktober die Leinen loswerfen. Für den Tag sind noch 6 bis 7 Windstärken angesagt, aber wir können auch nicht länger warten, denn das darauf folgende, ruhigere Wetter soll nur sehr kurz anhalten …

Sonnenuntergang auf Kalymnos

Glücklicherweise sind es dann aber nur 5 bis 6 Beaufort, und hoch am Wind können wir die Südspitze von Kalymnos anpeilen. Mit zwei Reffs im Groß und Kuttersegel kommen wir gut voran – doch überflüssig zu erwähnen, dass es eine recht feuchte Angelegenheit wird, und die See, die sich in einer Woche Starkwind aufgebaut hat, ist auch nicht zu verachten. Damit es nicht langweilig wird, schlägt unterwegs in den hohen Wellen die Mutter vom Steuerrad los, so dass wir die ‘Orion’ noch eben auf Pinnensteuerung umrüsten; das geht auch sehr gut, nur die Windfahne kann so nicht zum Einsatz kommen, und wir steuern von Hand. Aber nach 44 Seemeilen erreichen wir eine wunderschöne Ankerbucht im Nordwesten der Insel, wo wir die Sonne neben Telendos gerade noch untergehen sehen; hier liegen wir perfekt geschützt an einer zu einer Taverna gehörenden Muring, so dass wir uns bald erschöpft in die Kojen fallen lassen können.

Kalymnos – Chios
Unter Vollzeug kreuzen wir auf

Lange hält die Ruhe aber nicht an, am nächsten Morgen geht es gleich weiter, und diesmal wieder zu einer Nachtfahrt – wir haben nämlich unsere zwei Tage ruhigeren Wetters zugeteilt bekommen, und diese wollen bzw. müssen wir nutzen, um die Meerenge zwischen Ikaria und Samos zu passieren, die bei starkem Nordwind eine Weiterfahrt unmöglich macht.

Abenddämmerung über Patmos …

Wie kaum anders zu erwarten war, gibt es nun zu wenig Wind statt wie zuvor zu viel; wir fahren Vollzeug, und dennoch muss auch immer mal wieder der Motor ran, wenn wir einzuparken drohen. Der wenige Wind kommt auch logischerweise von vorne, und so kreuzen wir den ganzen Tag an Leros, Leipsoi, Arkoi, Patmos und Phournoi vorbei, bis wir in der Nacht die IkariaSamos-Straße passieren.

… und Morgendämmerung über Samos

Am Dienstag gibt es erst recht keinen Wind mehr; am Vormittag versuchen wir noch tapfer zu segeln, aber später muss der Motor ran, damit wir noch bei Tageslicht nach insgesamt 113 Seemeilen Chios erreichen können; hier finden wir einen Platz in der unfertigen Marina – und ein köstliches Abendessen in einem hinreißenden Lokal in der Altstadt 🙂

Chios – Lesvos

Auch Mittwochmorgen geht es gleich weiter – der letzte lange Schlag bis nach Lesvos steht an. Wieder sind wir mit wenig (Gegen-)Wind unterwegs, und spontan beschließen wir, die Fahrt etwas zu verkürzen, indem wir erst mal Plomari, den für uns nächstgelegenen Hafen auf der Insel ansteuern. So gewinnen wir etwas Zeit, die wir in langsames Segeln investieren können, um nicht die ganze Zeit nur motoren zu müssen. Nach  39 Seemeilen in 10 Stunden (von denen immerhin ‘nur’ 2/3 der Zeit der Motor lief) erreichen wir wieder mit Sonnenuntergang Plomari – und freuen uns, auf Lesvos angekommen zu sein!

In Plomari

Da die Rückflüge inzwischen für den 20. gebucht sind, können wir uns nun etwas mehr Zeit lassen und am Donnerstagmorgen erst mal Plomari anschauen. Der Ort ist übersichtlich, zentrale Attraktion ist der Fischerhafen mit seinen vielen, farbenfroh gestrichenen Booten; außerdem gibt es die Ouzodestillerien zu besuchen, denn die Stadt gilt als der Geburtsort des griechischen Nationalgetränks, aber so lange bleiben wir nun auch wieder nicht.

Statt dessen machen wir uns auf den Weg nach Mytilini, wobei wir nach 12 Seemeilen nochmal einen Ankerstopp im Einfahrtsbereich des Kolpos Geras einlegen, um nochmal ein paar Runden im inzwischen ‘nur’ noch 21 Grad warmen Wasser schwimmen zu können; am nächsten Vormittag fahren wir dann die letzten 11 Seemeilen bis Mytilini – wieder unter Motor bei spiegelglatter See.

Insgesamt haben wir 311 Seemeilen in 8 Tagen auf See zurückgelegt – allerdings lief dabei der Motor im Schnitt 4 Stunden pro Tag, so dass wir nur die Hälfte der Strecke gesegelt sind. Es gab entweder zu viel Wind oder zu wenig – aber das ist nicht überraschend, wenn man versucht, in der Ägäis möglichst schnell von Süden nach Norden zu segeln.

Die ‘Orion’ bereitet sich in der Marina Mytilini auf den Winter vor

Es verbleiben fünf Tage, um das Boot für einen Aufenthalt unbestimmter Dauer vorzubereiten – was sich als nicht zu viel erweist, es sind doch über das Offensichtliche – wie das Abschlagen der Segel – hinaus noch eine Menge Kleinigkeiten zu tun, und die vor drei Wochen erst montierte Batterieelektronik muss ja zwecks Fehlersuche auch wieder mit nach Deutschland fahren.

Mittwochmittag ist dann alles geschafft, nur die Taschen müssen noch gepackt werden, damit es am Donnerstag in aller Frühe nach Hause gehen kann; die ‘Orion’ ist bestmöglich vorbereitet und wartet die nächsten Monate drauf, wieder segeln zu dürfen …

 

Rund Kreta (11.05. – 03.07.)

Kolymvari

Als ersten Hafen auf Kreta steuern wir Kolymvari am westlichen Ende der Bucht von Chania an; die Kleinstadt scheint keine besonderen Attraktionen zu bieten zu haben, und wir wählen den Hafen hauptsächlich deshalb als Ziel, weil wir einerseits nach der Überfahrt nicht sofort in einer engen Bucht ankern, andererseits aber auch nicht gleich in den Trubel von Chania eintauchen wollen. Bei der Anfahrt auf den Hafen sind wir begeistert von der Klarheit des Wassers und dem sandigen Grund: was für ein Farbenrausch!

Im Hafen herrscht nicht unbedingt Überfüllung …

Der Ort erweist sich als gute Wahl: der Hafen ist sehr groß, gut ausgebaut – und praktisch völlig leer. In einem Nebenbecken liegen ein paar lokale Boote, ansonsten können wir unseren Längsseitsplatz an hunderten Metern Betonpier frei wählen.  Offenbart hat man auch hier mal große Pläne gehabt: überall gibt es Strom- und Wassersäulen, die sich in unterschiedlichen Zerfallsstadien befinden und selbstverständlich alle nicht funktionieren. Vielleicht nimmt man aber nach längerer Pause nun die Aktivitäten wieder auf: an der stadtzugewandten Seite der Promenade laufen Bauarbeiten.

Kolymvari: typischer kleiner Badeort

Trotz des unfertigen Zustandes wirkt der Hafen nicht abweisend, im gegenteil, wir fühlen uns wohl; der Ort bietet einladende Gastronomie, einen gut sortierten Supermarkt und vor allem eine Bäckerei und Konditorei, die keine Wünsche offen lassen: wir erwerben das beste Brot, welches wir bislang in Griechenland zu kaufen bekommen haben! Logischerweise (für griechische Verhältnisse) ist der Hafen auch noch kostenlos, und so bleiben wir gerne ein paar Tage, um erst mal so richtig anzukommen – und natürlich gibt es nach den ersten 150 Seemeilen auch noch eine Liste mit Bootsarbeiten, die abgehakt werden möchte …

Paralia Menies
Schöner ankern: Paralia Menies

Am Samstag haben wir uns etwas erholt und wollen langsam wieder etwas Abwechslung: wir beschließen, zu der 7 Seemeilen nördlich an der Spitze der Rodhopos-Halbinsel gelegenen Ankerbucht von Menies zu fahren. Natürlich wollen wir trotz der schwachen Winde segeln – schließlich ist es ja nicht weit … aber in den folgenden Stunden lernen wir die Windverhältnisse in der Bucht von Chania erst mal richtig kennen: nicht nur die Stärke des Windes schwankt lustig zwischen 0 und 10 Knoten, auch die Richtung dreht sich munter im Kreis! Ständig fällt der 60 m² große Code Zero wieder ein und will gewendet werden – wir sind fast 4 Stunden unterwegs, bis wir endlich in der sehr kleinen Bucht auf 7 Meter tiefem Wasser den Anker werfen können.

Reste des Diktynna-Heiligtums

Hinter dem Strand von Menies liegen die Reste eines alten, der minoischen Nymphe Diktynna gewidmeten Heiligtums; davon ist nicht allzu viel übrig, die eigentliche Attraktion des Ortes ist seine Lage: auf dem Landweg gelangt man nur über 20 Kilometer gebirgiger Buckelpiste hierher, die gesamte Halbinsel ist unbesiedelte Wildnis – Natur und Einsamkeit pur. Es erschließt sich einem unmittelbar, weswegen sich dieser Ort für die Verehrung einer der Natur und den Bergen verbundenen Gottheit angeboten hat!

Wir folgen der Schlucht tiefer in die Berge

Wir folgen der tief eingeschnittenen Schlucht ins Innere der Halbinsel; die steilen, zerklüfteten Felswände bilden einen tollen Kontrast zur grünen Vegetation am Talgrund.

Die ‘Orion’ scheint zu schweben

Nach einer Weile finden wir eine Möglichkeit zum Aufstieg; wir klettern die Felsen hinauf (wobei wir gehörig ins Schwitzen kommen: es ist richtig heiß in der Sonne!) und laufen entlang der Felsenkante zurück bis zur Ankerbucht. Von hier bietet sich ein hinreißender Anblick: die ‘Orion’ scheint im türkisfarbenen Wasser geradezu schwerelos zu schweben. und der Ausblick über die Berglandschaft ist grandios!

Was für eine Aussicht!
Chania

Am Dienstag den 17. lösen wir uns schließlich – etwas schweren Herzens – von unserer Ankerbucht und machen uns auf nach Chania, mit rund 54.000 Einwohnern eine richtige Stadt, für Inselverhältnisse sogar eine sehr große. Unsere Erwartungen sind etwas gemischt, schließlich bevorzugen wir kleinere Orte, aber Chania steht auch in dem Ruf, die schönste Stadt Griechenlands zu sein – wir werden sehen!

Chania, Venezianischer Hafen

Sehen können wir zunächst mal den alten venezianischen Hafen und die historische Wasserfront mit der Hasan-Pascha-Moschee von 1645, überragt vom Panorama der schneebedeckten Berge im Hintergrund – beeindruckend! Wir finden einen Liegeplatz an dem für Gäste reservierten Kai – aus dem Cockpit kann man gleich Bestellungen in der nächstgelegenen Taverna aufgeben. Der ganze Ort pulsiert vor Leben, die Straßen sind voller Menschen, und die Zahl der Restaurants und Cafés geht in die Hunderte – und alle haben gut zu tun!

Unser Liegeplatz – mitten im Geschehen

Wir tauchen in die Atmosphäre ein und genießen den Trubel – meistens jedenfalls, unser Liegeplatz macht es definitiv unmöglich, früher als der Rest der Urlauber in die Koje zu gehen 😉 Aber trotz der vielen Menschen wird die Stimmung nie stressig, sondern bleibt vollkommen entspannt, und trotz der gegebenen Möglichkeit, mit all den Touristen den schnellen Euro zu verdienen, bietet die Gastronomie augenscheinlich durchweg hohe Qualität – für schlechtes Essen hat man in Griechenland eben nichts übrig (trotz der unzähligen internationalen Touristen gibt es auch keine Filialen der amerikanischen Fast-Food-Ketten – kein echter Grieche würde deren Machwerke in die Kategorie ‘Nahrungsmittel’ einordnen).

In der Altstadt von Chania

Wir erkunden in den nächsten Tagen die Stadt – und sind begeistert, hinter jeder Ecke wartet eine neue Überraschung: liebevoll restaurierte, jahrhundertealte Häuser, leuchtende Blütendächer über schattigen  Plätzen, Geschäfte mit Kunsthandwerk (und zwar größtenteils kretischem, nicht fernöstlichem), und natürlich Tavernen, Tavernen und nochmals Tavernen – hier könnte man ein Jahr lang jeden Abend woanders gut essen! Die massentouristischer ausgerichteten Lokale an der Hafenpromenade mit den mehrsprachigen Speisekarten mit Fotos der Gerichte darauf lassen wir links liegen und suchen uns die kleinen, familiengeführten Tavernen in der zweiten oder dritten Reihe aus – und machen nur beste Erfahrungen! Wir sind im Schlaraffenland – so sind die in der Werftzeit verlorenen Kilos bald wieder drauf …

Am Ende der Woche zieht eine kleine Störung durch, es gibt etwas Regen (womöglich den letzten bis September) und stärkeren Nordwind; der kommt trotz der in Lee liegenden Berge kaum in Chania an, aber die Wellen lassen sich davon nicht abhalten, und nun zeigt sich der Nachteil dieses Hafens: es baut sich ein heftiger Schwell auf, zwei Tage (und Nächte) kann man es an Bord kaum aushalten, und ein solider Festmacher scheuert sich durch. Ankerplätze mit Schutz gegen Nord gibt es weit und breit auch keine – vielleicht der Grund, warum recht wenige Boote in diesem Revier unterwegs zu sein scheinen (im Gästehafen ist vielleicht Platz für 10 bis 12 Boote, die Hälfte ist nicht belegt).

Überall unterm Straßenpflaster stößt man auf die minoischen Fundamente

Wir besuchen das archäologische Museum und staunen über die Besiedlungsgeschichte: man geht davon aus, dass auf Kreta seit mindestens 130.000 Jahren Menschen leben, und Chania als Stadt ist seit mindestens 6000 Jahren bewohnt. Nun, wir können bestätigen, dass man es hier aushalten kann …

Wie in Griechenland üblich, hat die Stadt häufig die Besitzer (und den Namen) gewechselt: in der Jungsteinzeit besiedelt, kam Chania in der minoischen Zeit unter dem Namen Kydonia zu großer Blüte als Handwerks- und Handelszentrum. Die Minoer mussten ab ca. 1450 den Mykenern weichen, diese wiederum wurden ein paar Jahrhunderte später von den Doriern verdrängt, welche die klassisch-griechische Epoche einläuteten; 67 v. Chr. wurde Kreta ans Römische Reich angeschlossen, nach dessen Teilung wurde es byzantinisch,  ums Jahr 900 auch mal für ein gutes Jahrhundert von den Sarazenen erobert, und 1204 schließlich, nach dem Fall Konstantinopels im vierten Kreuzzug, an die Venezianer verscherbelt, die sich bis zur Eroberung durch die Osmanen 1645 daran bereichern konnten. Nach weiteren 250 Jahren muslimischer Fremdherrschaft wurde Kreta endlich wieder an Griechenland angeschlossen, doch bald darauf innerhalb einer Woche im Mai 1941 von Deutschland in der Luftlandeschlacht um Kreta erobert. Die neuen Herren hatten auch nicht viel Freude an der Insel, die folgenden Jahre sind von blutigen Partisanenkämpfen gekennzeichnet. Als die Engländer nach der deutschen Kapitulation im Mai ’45 die deutschen Befestigungen in Chania übernahmen, staunten die Partisanen nicht schlecht, dass diese ihre vorherigen Kriegsgegner nicht etwa entwaffneten, sondern mehr oder weniger mit diesen zusammen gegen die Partisanen vorzugehen begannen, galten diese doch als kommunistisch infiltriert – nun gut, dann bekämpft man von nun an halt die Engländer. Erst seit dem Ende der griechischen Diktatur 1974 ist endlich Ruhe eingekehrt …

An dieser an sich recht unerfreulichen Geschichte fasziniert uns, wie die Kreter über Jahrtausende ihre Identität, Sprache und Religion gegen die jeweiligen Besatzer lebendig erhalten konnten – ein stolzes Volk, ebenso wehrhaft gegenüber seinen Feinden wie gastfreundlich gegenüber seinen Freunden. Im Laufe des vergangenen Winters haben wir mehrfach mit Griechen über unsere Reisepläne gesprochen, und immer ein Leuchten in ihren Augen aufblitzen sehen, wenn wir Kreta erwähnt haben; für viele Griechen ist Kreta das alte Griechenland, die Essenz der griechischen Kultur. Wieder mal muss Alexis Sorbas herhalten:

Diese kretische Landschaft glich einer guten Prosa: geschliffen, knapp, frei von Schwulst, kräftig und verhalten. Sie drückte das Wesentliche mit den einfachsten Mitteln aus. Sie spielte nicht. Sie wandte keine Kunstgriffe an und blieb jeder Rhetorik fern. Was sie zu sagen hatte, das sagte sie mit einer gewissen männlichen Strenge. Aber zwischen den herben Linien dieser kretischen Landschaft entdeckte man eine Empfindsamkeit und Zartheit, die keiner vermutet hätte – in windgeschützten Schluchten dufteten die Zitronen- und Orangenbäume, in der Ferne ergoß sich aus dem endlosen Meere eine grenzenlose Poesie.

Nikos Kazantzakis, Alexis Sorbas

Der ‘Alexis-Sorbas-Strand’ in Stavros

Wir mieten für zwei Tage ein Auto und unternehmen damit Ausflüge in die Umgebung, besuchen die Akrotiri-Halbinsel (und dort einen der Drehorte der Alexis-Sorbas-Verfilmung mit Anthony Quinn – dort findet sich auch das einzige wirklich schlecht bewertete Lokal Kretas), durchwandern die Schlucht von Topolia und waten durch das warme, seichte Wasser des Traumstrandes von Elafonisi.

Im kretischen Hochgebirge

Mit dem Fernbus fahren wir zum Einstieg der die Samaria-Schlucht in den zweieinhalbtausend Meter aufragenden Weißen Bergen; der Abstieg erfolgt auf 16 Kilometern Länge über 1200 Höhenmeter, die Schlucht ist eine der längsten Schluchten Europas und bedeutender Touristenmagnet.

Die ‘Eiserne Pforte’ in der Samaria-Schlucht: 3 m breit, 300 Meter hoch

Technisch ist die Wanderung nicht anspruchsvoll, aber bedingt durch den großen Zustrom von Besuchern, die eher selten zu Fuß gehen, haben die Mitarbeiter des Nationalparks jeden Sommer einige Touristen zu retten, die sich bei 40 Grad im Schatten etwas mit ihrem Vorhaben übernommen haben …

Auch Rosen mögen das kretische Klima

Ebenfalls mit dem Bus (pünktlich, klimatisiert, billig – das geht!) fahren wir zu dem im Vorgebirge gelegenen Botanischen Park von Kreta und verbringen einen interessanten Vormittag inmitten von Blütenpracht und -duft, wobei wir einiges über die einheimischen Pflanzen lernen.

Abendstimmung über dem Hafen von Chania

Zum Wochenende bereiten wir uns langsam auf den Aufbruch vor, genießen noch einmal die wundervollen Hafenduschen, kaufen den halben Wochenmarkt leer (Obst und Gemüse sind eine Sensation, und quasi geschenkt!), besuchen den SB-Waschsalon (Fahrtensegleralltag …) und kehren nochmal in einer sehr netten Taverna ein, bevor wir am Sonntagmorgen die Leinen loswerfen und etwas schweren Herzens Chania verlassen. Es weht zunächst nur wenig Wind, aber gegen Mittag soll kräftiger Westwind aufkommen; die Übergangsphase nutzen wir, um die 15 Seemeilen zurück zur Bucht von Menies zu segeln, wo wir schon vor unserem Besuch in Chania geankert haben und nun eine letzte Nacht verbringen, bevor wir uns am Montag auf die Reise nach Westen machen.

Balos
Die Rodhopos-Halbinsel mit Wolkenmütze

Der am Vortag aufgekommene Westwind weht immer noch recht frisch; laut Vorhersage sollen es nur 13-15 Knoten sein, tatsächlich sind es aber eher 20 Knoten, die uns ins Gesicht blasen. Zwar vermeidet der Fahrtensegler ja eigentlich Amwindkurse, aber besser Gegenwind als gar keiner, denken wir uns, und kreuzen um die Rodhopos– und Gramvousa-Halbinseln bis zu Kretas nordwestlichster Spitze, dem Kap Kokala, auf.

Kap Kokola, der nordwestlichste Punkt Kretas

Aus unserer Ankerbucht sind wir schon mit gerefftem Großsegel gestartet, denn wir wissen ja, dass wir mit Fallböen hinter den Bergflanken zu rechnen haben; als wir offenen Seeraum erreichen und immer noch 6 Beaufort am Windmesser ablesen, beschließen wir, es auch erst mal dabei zu belassen – eine gute Entscheidung, der Wind nimmt auch im weiteren Tagesverlauf kaum ab. Da uns auch ein beträchtlicher Strom entgegensteht, geht es über Grund nur langsam voran, und so geht es auf 17 Uhr, als wir endlich Kap Kokala gerundet haben und in die Bucht von Balos einlaufen.

Ankern in der Bucht von Balos

Nach knapp 30 Seemeilen lassen wir unser Anker im Schutz der Insel Tigani in das kristallklare Wasser der Bucht fallen, welche eine der großen Touristenattraktionen Westkretas darstellt. Nicht ohne Grund, wie wir finden: die Farben sind hinreißend, und die schroff aufragenden Berge bilden einen perfekten Hintergrund.

So richtig überwältigt sind wir aber erst, als wir am nächsten Tag mit dem Dinghi auf die Insel Tigani übersetzen und ihre höchste Erhebung erklettern: aus gut 100 Metern Höhe ist der Ausblick über die Bucht von Balos, die Inseln nördlich, die Strände, die Lagune und die Bergkette einfach atemberaubend! Das Wasser leuchtet in allen Schattierungen von Türkis über Smaragdgrün bis Kobaltblau – wir sitzen eine ganze Weile auf den Felsen und saugen den Anblick in uns auf, an Orten wie dieser lässt sich die Natur so unmittelbar erfahren, dass es einem die Sprache verschlägt …

Panorama von Tigani über die Bucht von Balos
Gramvousa
Das Wrack der Dimitrios P.

Am Mittwoch den 1. Juni dreht der Wind auf Nordost, für uns ein Anlass den Ankerplatz zu wechseln – nicht gerade weit, wir fahren eine Seemeile gen Norden und ankern nun vor der Insel Gramvousa, welche den nördlichen Abschluss der Bucht von Balos bildet. Neben uns am Strand liegt das Wrack der 1968 gestrandeten Dimitrios P., an welcher der Zahn der Zeit aber schon gehörig genagt hat: bald wird von dem beliebten Fotomotiv nichts mehr zu sehen sein.

Das venezianische Kastell auf Gramvousa

Auch diese Insel ist ein Ziel für die Tagesausflugsboote, doch bis etwa 12 Uhr gehört die Insel uns; das nutzen wir aus und machen uns gleich auf den Aufstieg zum venezianischen Kastell aus dem 16. Jahrhundert. Diese zur Verteidigung der venezianischen Besitztümer gegen die Ottomanen errichtete Anlage galt zu ihrer Zeit als uneinnehmbar, und tatsächlich war sie noch lange nach der Besetzung Kretas ein Widerstandsnest. Später wurde sie zum Piratenstützpunkt und verfiel schließlich nach deren Vertreibung.

Im Inneren der Festung steht auch nicht mehr viel, die das 127 m hohe Gipfelplateau der Insel umfassenden Mauern sind aber noch gut erhalten. Höhepunkt des Besuchs der Insel ist aber wieder der Ausblick: die Bucht von Balos mit ihren herrlichen Farben und die zerklüfteten Gipfel der Berge liegen malerisch vor uns!

Die Bucht von Balos, diesmal von Gramvousa aus gesehen; die Insel Tigani ist rechts im Bild
Phalasarna

Donnerstagmorgen verlassen wir die Bucht von Balos endgültig, denn es kommt Starkwind aus Nordost auf, und da wollen wir uns einen besser geschützten Platz suchen – eine Einkaufsmöglichkeit und Mobilfunkabdeckung darf dieser auch gerne haben, all das hat Balos nämlich nicht.

Groß ist die Auswahl an geschützten Ankerplätzen an Kretas Küsten ja nicht gerade; 8 Seemeilen entfernt befindet sich die Bucht von Phalasarna, die über endlose Flächen perfekten Ankergrunds verfügt, und einen Hauch von Schutz gegen Schwell durch eine etwas herausragende Landzunge – besser wird’s nicht. Die Fahrt dorthin dauert nicht lange, vor allem weil der Wind schon zügig aufdreht; wir sind mit kleiner Segelfläche unterwegs, und doch sind wir spätestens dann wach, als uns bei der Ansteuerung der Bucht eine Windbö von 38 Knoten erwischt – die Freuden des Segelns an Bergflanken!

Die Felsten an Kretas Westküste zeigen deutlich die Absenkung der Wasserlinie

Die ‘Orion’ stört das ja bekanntlich nicht so, und nachdem wir alle nicht hinreichend gut gesicherten Gegenstände unter Deck wieder eingesammelt haben, können wir uns einen Platz für unseren Anker auf einer kilometerlangen Sandfläche aussuchen. Um den Halt müssen wir uns hier keine Sorgen machen, nur der rechtwinklig zum Wind in die Bucht einrollende Schwell dürfte auf die Dauer an den Nerven zehren.

Am Nachmittag erreicht der Wind 6 bis 7 Beaufort, bevor er in der Nacht etwas abflaut; am Freitag soll es noch stärker wehen, daher nutzen wir gleich am Morgen die Atempause und versuchen, mit dem Dinghi anzulanden – eine recht feuchte Angelegenheit.

Phalasarna – endloser Sandstrand, sonst nicht viel los

Phalasarna war in der Antike mal eine recht bedeutende Stadt, was sie nicht zuletzt ihrem Hafen verdankte; durch das katastrophale Erdbeben im Jahre 365 wurden Stadt und Hafen völlig zerstört, und die resultierende geologische Landhebung machte es auch unmöglich, hier einen neuen Hafen zu errichten. Heute ist Phalasarna eine Ansammlung von Hotels und Restaurants vor einem kilometerlangen Sandstrand, im Umland ein paar Gewächshäuser, und das war’s. Der einzige Minimarkt führt immerhin Milch und Brot, was will man mehr – wir sehen also zu, dass wir rechtzeitig wieder an Bord sind, bevor der Wind richtig aufdreht, und entspannen dann bei Sturmwind vor Anker – selbstredend bei wolkenlosem Himmel und 30 Grad im Schatten.

Paralia Kedrodasos

Erst am Sonntag hat sich das Wetter soweit beruhigt, dass wir an eine Fortsetzung der Reise denken können. Sobald wir aber aus der Landabdeckung herauskommen, stellen wir fest, dass es immer noch recht motiviert bläst; macht aber nichts, so können wir die 18 Seemeilen entlang der Westküste gen Süden zügig absegeln.

Das Ende dieses Küstenabschnitts markiert die Halbinsel Elafonisi mit ihrem berühmten Traumstrand, den wir schon von Chania aus mit dem Mietwagen besucht hatten. Direkt davor zu ankern ist leider nicht möglich, da sich ein mit Felsen durchsetzter Flachwasserbereich eine Seemeile vom Strand hinaus erstreckt – diesem verdankt das Meer vor Elafonisi ja gerade seine unglaublichen Farben.

Paralia Kedrodasos, ein Paradies abseits der Touristenpfade

Etwas weiter östlich allerdings liegt der Strand von Kedrodasos – und der erweist sich als Geheimtipp, sowohl von Land wie vom Wasser aus: als Strandurlauber muss man nur eine halbe Stunde zu Fuß der Küste von Elafonisi aus nach Osten folgen, und man findet ein Paradies fernab des Trubels: feiner weißer Sandstrand, schattenspendende alte Bäume, und ein Meer, welches dem vor Elafonisi weder in Klarheit noch in Farbintensität nachsteht – alles halt nur ohne Menschenmassen.

Flachwasser ohne Tiefenangabe, unreiner Grund, Felsen – sagt Navionics … endlos viel reiner Sand auf 5 bis 8 m sagt die Realität

Für den Segler sieht der Ankerplatz auf der Seekarte recht schwierig aus – was aber nur daran liegt, dass die Seekarten hier häufiger mal nichts taugen. Ein paar verzeichnete, den Ankerbereich störende Felsen gibt es schlicht und einfach nicht – wenn man auf 10 Metern Tiefe noch die sprichwörtliche Stecknadel auf dem Grund sehen kann, wären die uns wohl aufgefallen. Statt dessen ein über hunderte von Metern gleichmäßig bis dicht zum Strand ansteigender Grund aus reinem, weißen Sand. Hier ist Platz für 100 Boote – und wir sind allein. Der starke Nordostwind der vergangenen Tage hat das Meer zwar wieder etwas abgekühlt, aber auch bei 21 Grad lässt es sich noch gut aushalten, und das Schnorcheln in den kleinen Felsenriffen vorm Strand macht mächtig Spaß.

Palaiochora

Es gefällt uns so gut hier, dass wir ernsthaft erwägen, noch einen Tag zu bleiben – aber für Dienstag ist nur noch Flaute angesagt, also nutzen wir den letzten Wind am Montag, um bis nach Palaiochora zu segeln. Wir befinden uns nun auf der Südküste Kretas, und damit nicht mehr in der Ägäis, sondern im Libyschen Meer – und damit nach dem Verständnis der alten Seefahrer auf ‘hoher See’, in Abgrenzung zum Inselmeer der Ägäis.

Blick vom Kastell über Palaiochora

Palaiochora als Ort ist historisch erst seit 1278 belegt, als ein venezianischer General hier ein Kastell errichten ließ – und damit für griechische Verhältnisse ja quasi eine Neubausiedlung. Man kann nur vermuten, dass es eine ältere Nutzung gab, die Lage auf einer Halbinsel mit dem Burghügel ist nämlich prädestiniert für eine Besiedelung. Das Kastell ist natürlich längst verfallen, und der Ort war schon aufgegeben; erst im 19. Jahrhundert kamen Siedler hierher zurück, und seit den 1970er Jahren haben die Touristen den Ort entdeckt – zunächst die Hippies, die es hier so schön abgelegen fanden. Dies völlig zurecht, denn die Südküste Kretas ist durch die hohen Gebirgszüge völlig von der dichter bevölkerten Nordküste abgetrennt; bis Straßen durch die Berge gebaut wurden, kam man nur per Boot oder Esel hierher.

In Palaiochora

Im Hafen werden wir von einer freundlichen Beamtin der Küstenwache begrüßt – die allerdings nur an ihrem Dienstfahrzeug zu erkennen ist, hier in der Provinz trägt man der Einfachheit halber wohl Jogginghose statt Uniform. Sobald man sich als Schengen-Europäer zu erkennen gegeben hat, lässt das Interesse wie immer schnell nach – wenn wir ‘bei Gelegenheit’ unsere Papiere mailen könnten, das wäre nett. Von Liegegeld ist mal wieder keine Rede …

Möchte man hier nicht einkehren?

Palaiochora ist der Ort mit der höchsten mittleren Jahrestemperatur Griechenlands: 20,8 °C … davon sind wir weit entfernt, in der Mittagssonne und bei völliger Windstille werden wir durchgebraten. Erst am nächsten Tag haben wir uns soweit akklimatisiert, dass wir den Ort erkunden, der etwa eine Viertelstunde vom Hafen entfernt liegt.

Auch für den Badegast ist gesorgt

Was wir sehen, gefällt uns gut: offenbar haben sich mit der langsamen Entwicklung des Tourismus gewachsene Strukturen entwickeln können, nichts wirkt zu groß, zu laut und zu teuer; vielmehr laufen wir durch sehr hübsche Straßen, sehen viele liebevoll gestaltete Häuser, Läden, Restaurants und Cafés – und finden im örtlichen Supermarkt (einen Wochenmarkt gibt es leider nicht) eine gute Auswahl an allerköstlichstem Obst und Gemüse, neben dem Tourismus ist nämlich der Gartenbau die Haupteinnahmequelle der Region. Nun, praktisch immer Sonne und dazu eine gesicherte Wasserversorgung aus den Bergen, wenn das keine guten Voraussetzungen sind! Wir kaufen kleine, krumme, kretische Bananen direkt von der Staude – so schmecken die Dinger also, wenn man sie halbwegs reif erntet!

In der Anydroi-Schlucht ….

Am Mittwoch trauen wir uns sogar trotz der Hitze an eine kleine Wanderung: durch ein schattiges Tal führt der Weg bis ins Bergdorf Anydroi, wo man im zum Café umgebauten alten Schulhaus einkehren und bei herrlichem Blick über Berge und See seinen Freddo genießen kann; zurück wandert man zunächst bergab über Stock und Stein durch die Anydroi-Schlucht bis an den Strand, wo eine kleine Beach-Bar das nächste Kaltgetränk darreicht.

… und am Strand vor ihrer Mündung

So gestärkt geht es dann entlang der Küste zurück nach Palaiochora; insgesamt sind es etwa 16 Kilometer, für die wir uns fast 7 Stunden Zeit lassen – so kann man es gerade aushalten, und die kretischen Schluchten mit ihren klaren Bergbächen und schattigen Bäumen zeigen ja im Kontrast zur Hitze am Strand erst richtig ihre Qualitäten!

Gavdos

Für Donnerstag einigen sich die verschiedenen Wettermodelle ausnahmsweise mal auf eine Windrichtung (West) und -stärke (3 Beaufort) – für uns ein Signal, weiterzuziehen, herrschte doch tagelang nur Flaute (von sturmartigen Fallböen in der Nacht mal abgesehen).

Gavdos voraus

Die Vormittagsstunden müssen wir noch motoren (womit wir aber auch gerechnet haben), aber bis in den Abend haben wir dann beständigen Wind von 8 bis 10 Knoten – mit vollem Groß und Code Zero machen wir damit ganz brauchbare Fahrt, so dass wir kurz vor Sonnenuntergang nach 33 Seemeilen die fernab der kretischen Südküste gelegene Insel Gavdos erreichen.

Die von gerade mal 150 Menschen bewohnte, rund 33 km² große Insel weist so einige Besonderheiten auf; zunächst mal ist sie das südlichste Fleckchen Europas – 300 km südlich liegt Tobruk in Libyen, bis dahin gibt’s nur noch Wasser. Dann finden sich hier einige der ältesten Spuren aus den Anfängen der Menschheit: bis zu 200.000 Jahre alte Artefakte wurden hier gefunden. Auch zu literarischer Berühmtheit gelangte die Insel früh: hier soll laut Homer die Nymphe Kalypso den vom trojanischen Krieg heimkehrenden Odysseus sieben Jahre festgehalten haben (nicht ganz unfreiwillig, wie man zugeben muss) – allerdings beanspruchen auch noch ein paar andere Inseln diesen Ruhm für sich. Unstrittiger ist da schon, dass der Apostel Paulus hier auf seiner Reise nach Rom fast Schiffbruch erlitten hätte (Apostelgeschichte 27:16). Und Tatsache, wenn auch kaum zu glauben, ist, dass sich in den 90ern eine Gruppe von russischen Wissenschaftlern hier niedergelassen hat, um pythagoreische Philosophie zu treiben und nebenbei den Schlüssel zur Unsterblichkeit zu finden … man darf davon ausgehen, dass der Genuss alkoholischer Getränke dabei eine Rolle spielt.

Am Freitag unternehmen wir eine kleine Wanderung vom Hafen Karave (von einem Ort zu sprechen wäre gewagt – es gibt einen winzigen Laden, eine Taverna und die Polizeistation der Insel)  zum Strand von Sarakiniko; dieser ist berühmt für seine tolle Lage zwischen kieferbewachsenen Dünen und einer leuchtend blauen See – und als Traumziel für Camper.

Paralia Sarakiniko, Gavdos

Zelten in der Natur ist in Griechenland zwar generell verboten, aber … wie verschiedentlich angedeutet werden gesetzliche Vorschriften hier zu Lande vor der eventuellen Befolgung einer Sinnhaftigkeitsprüfung unterzogen, und so finden sich etliche Zelte im Schatten der Tamarisken gleich am Strand. Zweifellos ein toller Ort, und mehrere Beach Bars sowie ein weiterer Mini-Markt bieten die Versorgung; man hinterlässt auch keinen Müll und stört niemanden – alles gut.

Am Samstag zieht ein Tiefdruckausläufer über die Insel – was in ganz Europa Sturm und Hagel mit sich bringt, bewirkt hier kräftigen Westwind bei ansonsten ungetrübtem Sonnenschein. Dennoch bleiben wir an Bord, um Landleinen und Fender nachstellen zu können. Am Sonntag ist es aber wieder ruhig, und wir brechen auf, um den allersüdlichsten Punkt der südlichsten Insel zu erwandern – gleich um 8 Uhr, heiß wird es schon bald genug.

Wanderweg nach Trypiti

Der Weg führt zunächst an der Küste entlang bis zum Strand von Korphos – ein weiterer der ‘Orte’ der Insel, der aus drei Häusern besteht – und dann über einen Höhenrücken bis zur Südwestspitze. Man wandert auf einem gut angelegten Weg durch erstaunlich grüne Natur, ständig umgeben von einem betörenden Duft nach Thymian. Nach etwa drei Stunden erreichen wir den Strand von Trypiti; auf der von drei Felsbögen getragenen, seeunterspülten Landspitze ist ein überdimensionaler Stuhl als Kunstprojekt errichten worden (übrigens von den verrückten russischen Wissenschaftlern), auf dem sitzend man ganz Europa überblicken kann – jedenfalls soweit das Auge reicht. Die größte Attraktion für uns ist aber die bizarr zerklüftete Felsenküste selbst und die unbeschreiblichen Farben, in denen sich die See an ihr bricht – einfach toll!

Am Abend kehren wir noch im einzigen ‘Restaurant’ von Karave ein – man könnte auch sagen, Oma Litsa (ein wandelnder Meter unschätzbaren Alters) hat ein paar Tische vor ihre Küche gestellt. Das Essen ist entsprechend – Großmutters Spezialitäten, alles handgemacht aus frischen Zutaten, kein moderner Schnickschnak. Uns jedenfalls schmeckt es hervorragend!

Lendas

Mit Bedauern verlassen wir am Montagmorgen Gavdos – die Insel ist schon etwas Besonderes mit ihrer – selbst für griechische Verhältnisse – extremen Abgelegenheit und den entsprechend wenigen Besuchern. Wir wollen zurück an die kretische Küste, was erneut einen langen Schlag von 40 Seemeilen bedeutet; die Windvorhersagen sind sehr inhomogen: Gavdos liegt in der Windabschattung der Weißen Berge, und da müssen wir uns erst mal rausmotoren; danach soll es dann Nordwind um die 5 Windstärken geben.

Wir nähern uns wieder der kretischen Küste

Wir sind eher positiv überrascht, als schon nach einer guten Stunde brauchbarer Wind einsetzt – allerdings als Südwest statt Nord. Egal, den nehmen wir auch – also schnell den Motor abgestellt und den Code Zero entrollt. In den nächsten – vielen – Stunden dämpft sich unsere Freude aber wieder, denn der Wind will einfach nicht zunehmen, er schwächelt zwischen 5 und 8 Knoten vor sich hin – zu wenig, wenn man viel Strecke vor sich hat. Erst als wir schon längst in dem Bereich sind, für den alle Wettermodelle den Nordwind angesagt haben, kommt er auch – zum Ausgleich für seine Verspätung aber nicht mit Stärke 5, sondern gleich mal 7. Den Code Zero können wir noch schnell gegen den Klüver tauschen, aber das Großsegel bleibt oben. So legen wir also in den letzten 2 Stunden der ganztägigen Fahrt fast ein Drittel der Strecke zurück – bis 8.2 Knoten Fahrt über Grund lesen wir ab! Das macht Spaß, ist aber auch ein wenig unheimlich – müssten wir mit der Menge Tuch an den Wind gehen, gäbe es furchtbar was auf die Mütze!

Magische Abendstimmung über Lendas

Übernachten wollen wir vor dem kleinen Ort Lendas, im Schutz einer hohen Klippe, die den Schwell aus West abhalten soll. Der Plan geht auf – und auch der Wind lässt nach, so dass wir einen ruhigen Abend mit einer magischen Lichtstimmung über den Bergen verbringen können.

Am nächsten Morgen machen wir auch noch das Dinghi klar, denn nach vier Tagen Gavdos brauchen wir ein paar Frischvorräte. In Lendas gibt es den ‘Supermarkt Christina’ – und ebenso reizend wie der Internetauftritt (!) wirkt der kleine Laden selbst. Hier erstehen wir frisches Brot, selbsteingelegte Oliven aus der Nachbarschaft und frisches Obst und Gemüse. Genauso nett wirkt der kleine Ort auf uns – mit seiner Handvoll Unterkünften sicher ein Geheimtipp für den Individualtouristen.

Tsoutsouros

Danach lichten wir den Anker bei schwachen Nordwest – unter Segeln, versteht sich. Die verschiedenen Windvorhersagen für diesen Tag sind sich mal wieder sehr uneinig: wo die aktuelle Abdeckungszone endet und die nächste Windzone anfängt, das sieht jedes Modell anders. Einig sind sie sich nur in einem: aus Nord soll der Wind kommen, den ganzen Tag. Muss man noch irgendetwas dazu sagen, dass wir die nächsten 6 Stunden bei schwachem Südwest die Küste entlangdümpeln?!?

Aber wie tags zuvor: am späten Nachmittag kommt die nächste Windschneise, und zwar richtig! Wieder dreht der Wind innerhalb von 10 Minuten von 5 Knoten Südwest auf 30 Knoten Nord – auf einmal wird es feucht an Bord! Auf den letzten Meilen zu unserem auserkorenen Ankerplatz müssen wir sogar hoch an den Wind, und die Böen erreichen 8 Beaufort – also, Abwechslung ist ja schön und gut, aber das muss doch nicht sein, wenn man sich nach einem langen Tag Flautenschieben schon fast am Ziel wähnt.

Tsotsouros, 7 Windstärken, der Anker sitzt!

Aber irgendwann fällt auch der Anker, und wir kommen zur Ruhe; zwar fegt der Wind immer noch mit 25 Knoten vom Strand heran, aber auf die kurze Distanz baut sich keine Windsee auf, und der Schutz gegen den Schwell ist unerwartet gut, wie überhaupt der gesamte Ankerplatz: eine endlos große Sandfläche mit perfekten Tiefen, die wir – wie immer – für uns allein haben.

Es weht aber die ganze Nacht hindurch unvermindert mit 6 Beaufort, in Böen auch mal 8; so können wir am nächsten Morgen nicht den Ort besuchen, das Risiko, dass unser Dinghi zum fliegenden Gummiteppich wird, ist uns doch zu groß …

Myrtos

Entsprechend stürmisch geht die Fahrt weiter: kaum haben wir ein paar Kabel Entfernung zum schützenden Strand aufgebaut, steigt die Windstärke auf 6 bis 7 Beaufort, in Böen sehen wir alle paar Minuten auch eine 8. Nur unter Kutter kämpft sich die ‘Orion’ voran – wir segeln wieder recht nass.

‘Tourismushochburg’ Myrtos

Nach 7 Seemeilen aber endet der Spuk so schlagartig, wie wir es inzwischen ja schon kennen: für höchstens 5 Minuten tauschen wir noch den Kutter gegen den Klüver, dann geht auch schon der Motor an, um uns die nächsten 10 Meilen bei völliger Flaute bis zum Badeort Myrtos zu schieben.

Wie üblich an Kretas Südküste ist der Ankerplatz recht offen und direkt vor dem Badestrand; dieser ist hier dicht mit Hotels bestückt, für südkretische Verhältnisse schon ein großer, touristischer Ort – in Spanien hätten wir das als ‘intime Atmosphäre’ bezeichnet.

5000 Jahre alte Pflasterarbeiten

Hauptattraktion des Ortes ist die archäologische Ausgrabungsstätte auf dem Hügel neben dem Ort; nach einem kurzen Anstieg kann man hier durch die Fundamente einer Siedlung laufen, die vor etwa 5000 Jahren gegründet wurde und über die ganze minoische Zeit genutzt wurde. Wie immer bei dermaßen alten Orten gibt es nur ein paar Steine zu sehen – aber man erkennt deutlich die Räume der Häuser und den mit farbigen Steinen gepflasterten Vorplatz; schließt man dann die Augen und stellt sich vor, wie hier vor so vielen Jahrtausenden Menschen gelebt haben – schon spannend! Und der Ausblick vom Hügel war damals sicher nicht weniger schön als heute (wahrscheinlich sogar auf deutlich dichtere Bergwälder, und sicher ohne Gewächshäuser …).

Gaïdharonisi

Donnerstagmorgen lichten wir den Anker und verlassen wieder die kretische Südküste, der wir in den vergangenen Tagen dicht gefolgt sind, denn es gibt mal wieder eine vorgelagerte Insel, Gaïdharonisi, für die Touristen auch auch gerne als Chrysi (‘die Goldene’) bezeichnet . Diese ist noch viel kleiner als Gavdos, und es gibt keine permanenten Bewohner; früher gab es während der Saison noch zwei Strandbars, seit diesem Mai ist aber das Anlanden mit Booten aus Naturschutzgründen verboten worden, da die vielen Tagestouristen (bis 200.000 pro Jahr!) die empfindliche Natur der flachen, sandigen Insel kaputtgetrampelt und zugemüllt haben. Unter Naturschutzaspekten gut nachvollziehbar, denn hier gibt es einen einzigartigen Wacholder-Wald, für das über viele Jahre aufgebaute Geschäft mit den Tagesausflüglern aber natürlich eine Katastrophe. Ankern vor der Küste ist noch erlaubt, und wenn man schwimmend den Strand erreicht, darf man diesen auch betreten – aber für diese Form der Unterhaltung wird man sicher deutlich weniger Besucher begeistern können.

Ankerplatz vor Gaïdharonisi

Wir freuen uns, für die Überfahrt noch etwas Westwind mitnehmen zu können, und staunen bei der Annäherung an Chrysi über die Farben: da die Insel und der umgebende Felssockel aus Kalkstein bestehen, wird das Sonnenlicht vom Meeresgrund extrem reflektiert, und das Meer scheint von innen zu leuchten! Ganz übertrieben ist der Beiname also nicht …

Wir ankern auf der Südseite der Insel, verbringen viel Zeit im Wasser und genießen die Ruhe und Schönheit der Umgebung.

Die Ruhe vor dem Sturm

Mit dem Abend setzt Nordwind ein, und wird langsam stärker … und stärker … und noch stärker. In der folgenden Nacht und am ganzen nächsten Tag erleben wir ein Totalversagen sämtlicher meteorologischer Modelle – ob GFS (das amerikanische Wettermodell), ECMWF (das europäische Pendant), ICON (vom Deutschen Wetterdienst) oder die griechische Vorhersage von Meteo.gr: ALLE sind sich einig, dass es schwache, umlaufende Winde gibt – und wir liegen über Nacht in 6 bis 7 Beaufort Nordnordost! Dass es solche Störungen bedingt durch die thermischen Effekte der Gebirge kurzzeitig geben kann, haben wir ja schon erlebt, aber auch am nächsten Morgen wird es nicht besser; wir warten bis zum Mittag, bis wir uns auch nur trauen, mit dem Dinghi überzusetzen – so naß, wie die Überfahrt wird, zählt das als ‘an den Strand schwimmen’, finden wir. Wir wandern auf die Nordseite der Insel, und finden die uralten Bäume in einer dünenartigen Landschaft wirklich wunderschön; aber uns wird etwas flau, als wir die See in Luv sehen: ganz viel Weiß … und da sollen wir gleich durch?

Ierapetra
Zielanlauf auf Ierapetra bei kräftigem Gegenwind

Aber es hilft ja alles nichts – mit stark gerefftem Groß und zunächst noch Klüver machen wir uns auf den Weg zurück zur kretischen Küste. Als wir die Abdeckung verlassen und der mittlere Wind 30 Knoten erreicht, tauschen wir den Klüver gegen den Kutter – und machen mit dieser geringen Segelfläche immer noch 5 Knoten Fahrt! Versteht sich, dass der Sturm uns exakt entgegenweht – hoch am Wind bei 7 bis 8 Windstärken werden die kaum 10 Seemeilen ziemlich lang: erst gegen 19 Uhr erreichen wir Ierapetra und gehen vor dem Strand vor Anker. Wenn einem JEDER Wetterbericht erzählt, dass man gerade durch eine Flaute gefahren ist, kommt man sich schon etwas für dumm verkauft vor …

Am nächsten Morgen landen wir mit dem Dinghi an – nach wie vor nicht ohne Schwierigkeiten, denn 20 Knoten schafft der Nordwind immer noch – und decken uns auf dem Wochenmarkt und in den großen Supermärkten von Ierapetra mit Vorräten ein, denn vor uns liegt die Südostküste Kretas, und da gibt es nicht mehr viel zu kaufen … umso unerfreulicher, dass der Kühlschrank an Bord Probleme macht, als wir ihn mit Bergen von Milch, Yoghurt, Obst und Gemüse befüllt haben: der Verdichter läuft zwar, aber der Verdampfer wird nicht kalt. Ob da Kühlmittel fehlt? Nach einer Weile kühlt er dann doch noch, aber bei jedem neuen Anlaufen das gleiche Problem. Das hat uns bei diesen Temperaturen gerade noch gefehlt … hoffentlich hält er noch eine Weile durch!

Die alte Moschee in Ierapetra

Am Nachmittag lässt der Wind endlich nach, und wir setzen nochmals über, um uns auch den Ort anzuschauen. Ierapetra ist die südlichste Stadt Europas und produziert das Obst und Gemüse für halb Griechenland. Ansonsten finden wir, dass es nicht so viel zu sehen gibt – die allermeiste alte Bausubstanz ist verloren, am Hafen gibt es noch eine venezianische Festung, und selbst von der verhältnismäßig jüngeren Vergangenheit, der Zeit der osmanischen Besatzung, zeugt gerade noch eine halbverfallene Moschee. Ansonsten viel Badetourismus und die dazugehörigen Restaurants, aber nur die der ‘ersten Reihe’ an der Strandpromenade, die traditionelleren Tavernas ohne bebilderte Speisekarten, die man sonst eine Häuserzeile landeinwärts findet, fehlen hier eher. Nicht so unser Fall – aber ein guter Versorgungshafen vor der kargen Ostküste allemal.

Makry Gialos

Am Sonntag ziehen wir also weiter – der Wind hat natürlich über Nacht wieder zugelegt, und wir erleben die gleichen, abwechslungsreichen Windverhältnisse, wie sie inzwischen quasi täglich bewältigen müssen: während am Ankerplatz der mittlere Wind noch mit 6 Beaufort bläst, sind es eine Seemeile weiter draußen schon 7 bis 8; wir sind nur mit Kuttersegel unterwegs, und das recht zügig. Nach anderthalb Stunden wilder Fahrt lässt der Wind schlagartig nach – wir rollen noch für 10 Minuten den Klüver aus, und dann geht auch schon der Motor an: von 38 auf 3 Knoten in 15 Minuten!

Hinter Makry Gialos kollidieren die Windsysteme

Dementsprechend sind wir nicht so motiviert, unter Maschine noch viel Strecke zu machen (obwohl wir natürlich ahnen, dass es am nächsten Tag so weitergehen wird: Abdeckung bleibt Abdeckung), und steuern für die nächste Nacht den Badeort Makry Gialos an – beziehungsweise eigentlich den Strand direkt westlich davon, denn am Hauptstrand stehen uns schon eindeutig zu viele Hotels (wie schnell sich die Maßstäbe verschieben!). Vom Ankerplatz aus lässt sich gut das Schauspiel der sich über dem Gebirgskamm auftürmenden Wolken beobachten, wo der Nordwind von der anderen Inselseite mit dem thermischen Südwind kollidiert …

Kato Zakros

Wie erwartet gibt es vor Makry Gialos am Montagmorgen so wenig Wind wie am Sonntagabend; wir versuchen dennoch tapfer bei 4 bis 5 Knoten thermischem Südwind, uns unter Code Zero aus der Bucht freizukreuzen, und irgendwann das nächste Windfeld zu erreichen. Wir schaffen 6 Seemeilen in 5 Stunden – und müssen also schließlich doch wieder den Motor starten, denn es will sich einfach kein Nordwest einstellen.

Karg und einsam ist die Ostküste Kretas

Die vorbeiziehende Küste wird unterdessen immer karger und einsamer, wir sehen nur noch vereinzelte Siedlungen. Erst kurz vor unserem Tagesziel, als wir die vor Xerokambos gelegenen Kavali-Inseln passieren,  setzt sich wieder der über die Insel wehende Wind durch – und weht fröhlich mit 5 Windstärken über unsere Ankerbucht vor Kato Zakros, als hätten wir keine 20 Seemeilen Flaute hinter uns.

Hier legen wir einen Ankertag ein, denn in Kato Zakros gibt es zwei Attraktionen (abgesehen von dem üblichen tollen Strand mit klarem Wasser und einladenden Tavernas): direkt hinterm Strand wurden die Überreste eines minoischen Palastes ausgegraben, und dahinter erstreckt sich die Schlucht der Toten – die nicht wegen der verdurstenden Wanderer so genannt wird, sondern weil die Minoer hier ihre Toten in Felshöhlen bestattet haben. Zunächst führt die Wanderung bergauf entlang der alten Straße von Kato Zakros nach Ano Zakros, kurz vorm Ort steigt man steil in die Schlucht herab und folgt dieser wieder zurück zum Meer.

Eingebettet in ein karges Felsplateau liegt die Schlucht der Toten
Im grünen Talgrund

Am Grund der Schlucht erwartet uns ein unerwarteter Kontrast zur kargen, trockenen Berglandschaft rundherum: aus Felsspalten entspringen Quellen und bilden einen kleinen Bach, der den Talgrund in ein blühendes Paradies verwandelt; wir erfreuen uns am prächtig blühenden Oleander, ruhen unter schattenspendenden Platanen und Feigenbäumen und lauschen dem Plätschern des Wassers. Ja, die alten Minoer wussten, wo man begraben sein möchte …

Der minoische Palast von Zakros

Auf dem Rückweg besichtigen wir natürlich auch die Ausgrabungsstätte: man sieht umfangreiche Grundmauern eines Palastes mit zahlreichen Nebenräumen, der damals zweigeschossig ausgeführt und damit ein recht großes Gebäude war, drumherum eine ganze Siedlung mit Gebäuden, Bädern, Werkstätten und Straßen. Wie bei derart alten Relikten gewohnt ist nicht viel stehengeblieben, aber der jahrtausendealte Ort berührt uns mit seiner Geschichte, und die zahlreichen Fundstücke bei der Freilegung der Grundmauern geben den Archäologen Einblicke in das Leben der Menschen vor 4000 Jahren.

Zurück am Strand genießen wir zur Belohnung einen erfrischenden Freddo mit Blick auf die ‘Orion’ – die selbstredend als einziges Boot in der Bucht ankert.

Paralia Erimoupoli

Am Mittwoch brechen wir zeitig auf, denn vor uns liegt zwar keine besonders lange Etappe, aber wir erwarten einigen Wind, und das zum Teil von vorne. Ziel ist der Strand von Erimoupoli, welcher den letzten guten Ankerplatz vorm Kap Sideros, der Ostspitze Kretas, darstellt. Bis zum Kap Plaka, welches etwa auf halbem Weg nach Erimoupoli liegt, haben wir mal wieder kräftigen Wind von 6 Beaufort mit 7er Böen, können aber die notwendige Höhe noch laufen; vom Kap an müssen wir dann nach Nordwesten abbiegen, genau gegen den Wind. Entgegen unserer Erwartung nimmt dieser nun, da wir keine hohen Berge mehr in Luv haben, aber ab statt zu – die Starkwinde der letzten Woche spiegeln also offenbar nicht die Windstärke auf Kretas Nordseite wider, vielmehr wird diese durch die Düseneffekte intensiviert.

Vor Anker in der Bucht von Erimoupoli

Wir kreuzen also gegen gerade mal 5 Windstärken auf, und die langgestreckte Kyriamadi-Halbinsel bietet noch Wellenabdeckung – das geht gut, und wir können schon gegen 13 Uhr nach 17 gesegelten Meilen den Anker fallen lassen.

Der Strand von Erimoupoli gilt als Geheimtipp unter Kreta-Urlaubern: es gibt keinerlei Infrastruktur, und man kommt von Land nur mit dem Auto hin, dafür teilt man sich einen herrlichen Sandstrand in wildromantischer Umgebung mit nur wenigen anderen Besuchern – und heute eben der ‘Orion’.  Wir landen mit dem Dinghi am Strand an und wandern gut zwei Kilometer im Inland nach Süden, bis wir die Stichstraße zum Strand von Vaï nehmen.

Im Palmenwald

Diese führt durch den größten natürlichen Palmenhain Europas – während man am ganzen Mittelmeer ja reichlich angepflanzte Palmen als Zierbäume sieht, begegnet man eben nie einem ganzen Wald davon. Natürlich ist auch dieser Bestand bedroht, so dass man den Wald heute nicht mehr betreten darf, nachdem er in der Vergangenheit von dort hausenden Alt-Hippies zugemüllt worden ist – wie war das mit der Naturverbundenheit?!?

Am Strand von Vaï kann man’s aushaltem

Aber von verschiedenen Aussichtspunkten kann man sich immer noch einen guten Eindruck verschaffen, und der am Ende gelegene Strand lohnt noch dazu den Besuch – das finden allerdings hier auch etliche andere Besucher. Dafür gibt’s einen (mit € 3,40 für griechische Verhältnisse etwas überteuerten, aber wenigstens guten) Freddo mit Strandblick – die Vorzüge der Zivilisation.

Blick über die Bucht von Vaï mit dem Palmenstrand

Zurück geht’s am Strand und der Steilküste entlang, ein schmaler und manchmal schwer zu findender Pfad führt bergauf und -ab und bietet dabei herrliche Aussichten.

Byzantinische Basilika in Itanos

Man kommt an der Ausgrabungsstätte des alten Itanos vorbei, in der hellenistischen Zeit ein wichtiger Hafenort, später aber völlig aufgegeben; einige Fundamente wurden freigelegt, am besten zu erkennen sind die Umrisse einer byzantinischen Basilika. Aber selbst wenn man sich nicht für Ruinen interessiert – der Ausblick vom Hügel, auf dem einst Itanos erblühte, ist umwerfend!

Sitia

Wie vorhergesagt öffnet sich am Donnerstag unser Wetterfenster zur Rundung des Kap Sideros – seit zwei Wochen variierte die Windvorhersage dort nur zwischen Nordwest 6 und Nordwest 7, zusammen mit dem an einem solchen Kap zu erwartenden Verstärkungseffekt und dem Gegenstrom keine erbauliche Aussicht, was uns auch durchaus etwas nervös gemacht hat; umso mehr kommt es uns gelegen, dass die Meteorologen für den heutigen Tag ausnahmsweise nur schwachen Wind angesagt haben. In der Tat hat es am Ankerplatz über Nacht drastisch nachgelassen, wir haben nur noch 10 Knoten Nordwest, als wir den Anker lichten; etwas erstaunt sind wir dann aber doch, dass der Wind auf dem Weg zum Kap noch mehr nachlässt, denn vorhergesagt waren immerhin noch 3 bis 4 Beaufort.

Flaute vor Kap Sideros

Vorm Kap selbst verlässt uns der Wind dann ganz – das Wasser wird spiegelglatt, und der Windmesser zeigt eine glatte Null – das haben wir schon sehr lange nicht gesehen! Reichlich absurd, nachdem wir uns so lange vorher Sorgen wegen des möglichen Starkwindes gemacht haben, aber wir müssen genau vorm Leuchtturm den Motor starten …

Wenigstens ermöglicht uns das, eine kleine Abkürzung zu fahren, vor dem Kap liegen nämlich noch zahlreiche Riffe, die man bei aufgewühlter See großräumig hätte umfahren müssen; so aber können wir unter Maschine einen Steinwurf vom Land entfernt innerhalb aller Gefahrenstellen durchfahren.

Nördlich des Kaps stellt sich ein Hauch von Wind ein, wir können wieder segeln, aber sehr langsam – und es wird immer heißer und heißer, während wir uns langsam Sitia nähern. Gegen 17 Uhr machen wir innen an der langen Mole fest; wir bekommen noch Besuch von der Coast Guard, die äußerst freundlich und höflich unser Boot kontrolliert (man hat hier offenbar große Probleme mit Tauchern, die illegal archäologische Relikte vom Meeresgrund bergen und zu Geld machen), zu mehr sind wir dann aber nicht mehr in der Lage – es ist einfach schrecklich heiß so ganz ohne Wind!

Blick über den Hafen von Sitia

Am nächsten Tag bekommen wir auch noch Besuch von einer netten Dame von der Gemeinde – die uns erst mal eine Willkommenstüte überreicht, in der sich neben umfangreichen Informationsmaterial über die kulturellen Angebote von Sitia und Umgebung eine Flasche lokalen Weins und zwei Flaschen besten Olivenöls finden! Sind wir hier etwa in einen Luxushafen geraten? Aber nein, beim Bezahlen später im Gemeindehaus stellen wir fest, dass wir den Standardtarif von € 8,31 pro Tag berechnet bekommen; kann man sich das in irgendeinem anderen Land vorstellen?

Venezianisches Kastell in Sitia

Sitia selbst hat leider außer eines venezianischen Kastells kaum alte Bausubstanz zu bieten, aber für den Segler beste Versorgungsmöglichkeiten und für den Landurlauber eine äußerst reizvolle Umgebung – all die Naturschönheiten der Ostküste, an denen wir in der letzten Woche vorbeigesegelt sind, können von hier mit dem Mietwagen ja leicht erreicht werden; und bestens essen und trinken kann man hier wie immer auch.

Angesichts unseres nach der Rundung von Kap Sideros recht entspannten Zeitplans und der extremen Gastfreundlichkeit hier bleiben wir gerne noch einen Tag länger; es ist auch nicht mehr ganz so heiß, und so futtern wir uns durch die örtliche Gastronomie- und Konditoreiszene, ergänzen die Bordvorräte genießen die Ruhe an unserem Platz an der Hafenmole, wo auch immer ein wenig Wind ins Cockpit steht.

Im archäologischen Museum von Sitia

Auch dem archäologischen Museum statten wir einen Besuch ab: hier kann man viele Fundstücke aus der neolithischen und minoischen Epoche bewundern. Es ist schon eindrucksvoll, aus nächster Nähe die Striche des Pinsels nachvollziehen zu können, mit dem ein Mensch vor 4000 Jahren eine Tonvase bemalt hat …

Spinalonga

Am Sonntagmorgen verlassen wir den Hafen von Sitia; bis zu unserem Zielhafen für den Sommer, Agios Nikolaos, sind es noch gut 20 Seemeilen gegen die vorherrschende Windrichtung, und so wollen wir den für diesen Tag angesagten, mäßigen Gegenwind nutzen, um schon mal einen Ankerplatz in der Nähe zu erreichen. Natürlich kommt es mal wieder anders: statt der versprochenen 10 Knoten Nordwest gibt es die ersten drei Stunden 5, und dann schlagartig 25 Knoten – Übergangszeit 5 Minuten.

Die Festungsinsel Spinalonga in der Einfahrt zur Lagune

Wir kreuzen also unter Klüver auf und erreichen am Nachmittag die rundum geschützte Lagune von Spinalonga, an deren Ostseite wir einen brauchbaren Ankerplatz finden.

Eigentlich war der Plan, hier die nächsten Tage zu entspannen und ein paar Ausflüge mit dem Beiboot zu machen, zur venezianischen Festung auf Spinalonga und in den Ort Elounda im Süden der Lagune, doch leider macht uns der Wind einen Strich durch die Rechnung: am Montagmorgen frischt es nochmal deutlich auf, im Mittel messen wir 6 Beaufort am Ankerplatz, und die Böen erreichen eine stolze 9! Der Anker hält gut, während sich das Boot von den heftigen Böen gebeutelt von der einen auf die andere Seite legt und die abgerissenen Wellenkämme über die Oberfläche jagen, aber an Ausfahrten mit dem Dinghi ist unter solchen Bedingungen nicht zu denken – und das Wetter denkt überhaupt nicht daran, sich zu beruhigen, es geht auch Dienstag und Mittwoch so weiter, und auch in der Nacht gibt es keine Pause – an Schlaf ist da auch nicht wirklich zu denken, selbst wenn man dem Anker vertraut, die Geräusche und Bootsbewegungen sind zu heftig. Wie üblich darf man sich darunter kein Sturmwetter wie auf der Nordsee vorstellen: es zeigt sich keine Wolke am Himmel, und der stürmische Wind hat 33 Grad …

Agios Nikolaos

Am Donnerstag freuen wir uns geradezu, den letzten Hafen vor der Sommerpause anlaufen zu können: dreieinhalb Tage an Bord festzusitzen bei ununterbrochenem Starkwind genügt wirklich …

Beim Verlassen der Lagune zeigt der Windmesser nochmal 44 Knoten – ein kleiner Abschiedsgruß von Spinalonga. Draußen stellen wir schnell fest, dass es wirklich die Verstärkung durch die Berge war, die uns so lange festgesetzt hat: den Rest der Strecke von 10 Seemeilen segeln wir bei kaum halb so viel Wind. Genug sind 5 bis 6 Windstärken aber auch noch, und so sind wir gegen Mittag in der Marina von Agios Nikolaos, wo die ‘Orion’ die heißeste Zeit des Sommers verbringen soll.

Agios Nikolaos von See

Das Anlegemanöver gelingt zum Glück gut – die Marina ist extrem eng, und wenn dann solche Böen einfallen … zum Glück schlucken die Häuser der Stadt aber einen Großteil des Nordwests. Eng aber bleibt es – Boote, die tiefer in der Boxengasse liegen, können den Hafen nur bei Flaute erreichen oder verlassen, der Abstand von Bug zu Bug beträgt bei weitem keine Bootslänge, ein Drehen ist unmöglich.

Geographisch sehr gelungen, architektonisch weniger ….

Die nächsten zwei Tage werden von den Reisevorbereitungen eingenommen: die Vorsegel werden abgeschlagen, das Schlauchboot eingepackt, alles wird gründlich entsalzt und noch alle möglichen Dinge zum Mitbringen notiert. Am Samstagnachmittag reicht es wenigstens noch für einen kleinen Stadtrundgang: der ursprünglich wohl eher kleine Ort ist durch den Tourismus schnell gewachsen und von diesem bestimmt; die Lage verteilt über mehrere Hügel mit einem See in der Mitte ist eigentlich äußerst reizvoll, die Architektur dagegen eher nicht: man sieht praktisch nur charakterlose Betonbauten. Aber wenigstens ragen diese nicht 11 Stockwerke in den Himmel wie vielerorts in Spanien …

Am Sonntag den 3. Juli ist es dann soweit: alle Leinen und Fender werden nochmal kontrolliert, und dann geht es mit dem Bus zum Flughafen in Heraklion!