Røst
Gut 50 Seemeilen sind es von Fugløya über den Vestfjord nach Røst am südlichwestlichen Ende der Lofotenkette – nicht ganz am Ende, es gibt noch ein paar kleinere Inseln, auf denen es aber keine Häfen oder Bewohner gibt. Der Vestfjord genießt keinen guten Ruf hinsichtlich der häufig herrschenden Seeverhältnisse, und obwohl wir uns ruhiges Wetter für die Überfahrt ausgesucht haben werden wir mit einer kurzen, steilen und zum Teil erstaunlich hohen Welle konfrontiert. Auf der ersten Hälfte der Überfahrt haben wir – entgegen der Wettervorhersage – kaum Wind, dann kommen 3-5 Beaufort aus Nordnordwest auf; angesagt waren ganztägig Nordnordost 4. So wird die Überfahrt also länger und anstrengender als erwartet, und nach 12 Stunden sind wir froh, als wir im Hafen von Røst festmachen können.
Am nächsten Morgen wundern wir uns über zahlreiche Menschen auf der Mole; der Anlass ist schnell herausgefunden: am 13. Juni 2018 besucht das norwegische Königspaar die Insel! Harald und Sonja reisen mit dem königlichen Dampfer an und werden mit der Barkasse etwa 25 Meter Luftlinie von der ‘Orion’ entfernt an Land gesetzt – ohne dass vorher ein Sicherheitskommando unser Boot durchsucht hätte, hier läuft so etwas wohl entspannter. Das finden wir aber nett, dass die sich extra für unseren Besuch die Mühe gemacht haben!
Wir wandern über die Insel und finden überall den Dorsch der letzten Fangsaison, paarweise zum Trocknen auf endlosen Holzgestellen aufgehängt: Stockfisch, den wichtigsten Exportartikel der Lofoten. Überhaupt ist die ganze Insel noch sehr stark vom Fischfang geprägt, der hier noch echte Lebensgrundlage ist und nicht nur zum touristischen Flair beiträgt . Ansonsten ragt der Archipel kaum aus dem Meer auf, in starkem Kontrast zu den steil aufragenden nördlichen und südlichen Nachbarinseln, die sich am Horizont abzeichnen.
Am Donnerstag verlassen wir Røst und wollen weiter zur nächsten Insel:
Værøy
Bei der Überfahrt kommt der Wind schon deutlich stärker und ungünstiger als die Wettervorhersagen es versprochen haben, und am Abend bricht dann der Sturm los: ein – für diese Jahreszeit – ungewöhnliches Sturmtief zieht vor den Lofoten nach Norden und bringt mittlere Winde um 40 Knoten. Wir ziehen den Kopf ein und verstecken uns zwei Tage an Bord, wo wir – gut geschützt im tief ins Land ragenden Hafen – in den Böen bis 60 Knoten Wind messen: Windstärke 11! Die ‘Orion’ legt sich auf die Seite als würde sie hoch am Wind segeln, die Gischt fliegt waagerecht übers Wasser, und die insgesamt 6 Festmacher haben alle Mühe uns zu halten … ein Erlebnis, welches man nicht auf dem Meer wiederholen möchte!
Am Sonntag ist der Sturm endlich abgeflaut, und endlich scheint mal wieder die Sonne; wir brechen auf in die Berge, denn im Gegensatz zu Røst hat Værøy davon einige zu bieten …
Der Ort Sørland mit dem Hafen wird von drei Seiten von Bergrücken eingeschlossen; wir erklimmen den knapp 440 Meter hohen Håen, von dem aus man einen Postkartenblick auf die südliche Halbinsel mit dem Måhornet und die eingeschlossene Bucht Måstadvika werfen kann. Auf dem Rückweg wandern wir auf dem Bergrücken entlang über den Berg in der Inselmitte und sehen am Horizont schon die Insel Moskenes, unser nächstes Ziel …
Reine
Am 18. verlassen wir Værøy und segeln 23 Seemeilen bis zur Insel Moskenes; dabei passieren wir die berühmt-berüchtigte Meerenge zwischen den Inseln, den Moskenstraumen, ein Gebiet mit zu den weltweit stärksten zählenden Gezeitenströmen auf offener See, welches die reale Vorlage für den ‘Mahlstrom’ in den Geschichten von Jules Verne, Edgar Alan Poe oder auch Friedrich Schiller bildete. Ganz so dramatisch wie in der Literatur sieht es in der Realität nicht aus, aber in Spitzenzeiten soll der Höhenunterschied des Meeresspiegels im Vestfjord und draußen auf der Barentssee bis zu 5 Meter betragen, was zu Strömungsgeschwindigkeiten von 8 bis 10 Knoten und Wirbeln mit mehreren Dutzend Metern Durchmesser führen kann.
Wir sind bei ruhigen Bedingungen unterwegs, und doch bemerken wir urplötzlich, dass die See extrem kabbelig wird; eine halbe Stunde dauert der Spuk, dann ist alles wieder normal. Wir laufen auf etwa der Hälfte von Moskenes den Hafen von Reine an, ein altes Fischerdorf mit 300 Einwohnern und jährlich Tausenden von Besuchern . Wirklich malerisch ist die Lage vor grandioser Bergkulisse, und die ‘Rorbuer’ (dt. Rudererhütten), die liebevoll restaurierten und heute als (teure) Touristenunterkünfte dienenden alten Hütten der Fischerbootsbesatzungen, tragen zur vollendeten Postkartenidylle bei.
Obligatorisch ist die Wanderung auf den Reinebringen, von dem aus man den besten Blick über Fjord und Berge haben soll; leider meint es das Wetter am nächsten Tag gar nicht gut mit uns, so dass wir an Bord bleiben. Am Mittwoch versprechen die Meteorologen aber mehr Sonne und wir machen uns auf den anstrengenden, steilen Weg – nur um in dichten Wolken anzukommen. Aber nach einer halben Stunde Wartezeit reißt es etwas auf – nicht genug für ein Postkartenfoto, aber immerhin kann man Reine sehen.
Der Donnerstag bringt wieder nur Regen und einen Tag an Bord – und das ausgerechnet an Mittsommer! Da wir aber seit Wochen keine Dunkelheit mehr erlebt haben verliert dieser Tag hier etwas an Bedeutung …
Am Freitag sieht es wieder besser aus: wir fahren mit den Rädern bis Sørvågen und machen uns dort auf zu einer Wanderung auf den Berg Djupfjordheia, der mit gut 500 Metern schon eine tolle Aussicht bietet. Auch der Weg selbst ist abwechslungsreich und schön zu laufen, wir möchten gar nicht wieder zurückgehen!
Samstag ist es wieder grau, windig und regnerisch; wir beschließen den Tag noch in Reine an Bord zu verbringen und erst Sonntag weiterzuziehen. Tatsächlich lässt sich am Sonntagmorgen die Sonne wieder blicken, und Reine bietet uns doch noch einmal die Perspektiven, für die es berühmt ist …
Die nächste Insel in der Lofotenkette, Flakstadøya, lassen wir an Backbord liegen; mit Nusfjord bietet sie zwar ein vielversprechendes Ziel, aber das wären nur 8 Seemeilen von Reine, und der Wind weht so schön mit 5 Beaufort aus Südsüdwest … und so fahren wir also weiter, während neben uns ein Gipfel nach dem anderen wolkenumkrönt leuchtet, und laufen nach 24 Seemeilen
Stamsund
auf Vestvågøya an. Der Ort ist recht unspektakulär, dafür begegnen wir seit längerer Zeit mal wieder einem Schiff der Hurtigruten – Stamsund ist der erste Hafen auf den Lofoten, der auf deren Route gen Norden liegt. Und nicht zu vergessen, der Anleger gehört zu einem Hotel-Restaurant und bietet daher – für uns erstmals auf den Lofoten – eine heiße Dusche!
Nach dem Genuss dieser Annehmlichkeit brechen wir am Montag wieder auf und legen gut 10 Seemeilen bis
Henningsvær
auf Austvågøy bei immer mehr zunehmendem Wind zurück; für die kommende Nacht und den nächsten Tag ist mal wieder ein Südweststurm angesagt. Wir verstecken uns im Hafen von Henningsvær direkt hinter einer aus beeindruckend großen Felsbrocken gebauten Mole und liegen dort perfekt im Windschatten, so dass wir von diesem Sturm deutlich weniger mitbekommen als vorletzte Woche in Værøy. Am Dienstagabend kommt sogar die Sonne raus und erlaubt uns noch einen Spaziergang durch Henningsvær; auch dieser Ort ist fest in der Hand der Touristen, gleichzeitig aber auch noch ein aktiver Fischereihafen.
Laukvik
Am Mittwochmorgen ist auch dieser Sturm vorübergezogen, und wir brechen wieder auf; vor uns liegt der Gimsøysund, eine Meerenge zwischen den Inseln Vestvågøy und Austvågøy. Tidenabhängig setzt hier der Strom mit über 4 Knoten; wir sind zur richtigen Zeit da und werden rasch Richtung Norden geschoben. Damit sind wir auf der Außenseite der Lofotenkette, von wo wir zu den Vesterålen übersetzen wollen; wir suchen aber noch einen Hafen zum Übernachten auf – Laukvik, ein winziger Ort, dessen Mittelpunkt von einem 100 m²-Supermarkt gebildet wird. In norwegischen Dimensionen also eine Kleinstadt …