Eigentlich sollte der Winter ja lang genug sein, um das Boot rechtzeitig auf die neue Saison vorzubereiten, aber irgendwie weicht da die Praxis doch von der Theorie ab … mal wieder gibt es in den letzten Wochen vor dem Aufbruch eine Menge Stress, und der ursprüngliche Zieltermin (1. Mai) kann nicht ganz realisiert werden, aber am Donnerstag den 3. ist es dann soweit, wir schleusen um 14 Uhr aus Papenburg aus, verabschiedet von den guten Wünschen der Schleusenmannschaft.
Der Himmel reißt bald auf, und strahlender Sonnenschein begleitet unsere Fahrt die Ems herunter; Vogelschwärme kreuzen unseren Weg, und die Schafe rufen uns ihr Lebewohl zu – so fängt Urlaub gut an, und die Anspannung der letzten Tage fängt langsam an abzufallen.
Der Wind auf Borkum zu kommt ungünstig aus Nordwest, so dass wir kaum ohne Motor auskommen, aber wenigstens können ab Gandersum die Segel etwas mithelfen. Gerade rechtzeitig bevor der Gegenstrom zu stark wird – eine knappe Stunde nach Niedrigwasser – passieren wir die Fischerbalje und machen gegen 22 Uhr im Schutzhafen auf Borkum fest.
Die erste Nacht wird kurz: schon um 6 Uhr legen wir wieder ab, um das ablaufende Wasser bis Borkum Riff nutzen zu können. Auch der Freitag bringt keinen günstigen Wind: am Vormittag können wir noch eine Weile die Ruhe genießen, während der Gennaker die wenigen Knoten Südwestwind zusammen mit der schiebenden Flut in eine annehmbare Fahrt verwandelt, den Rest des Tages läuft aber wieder der Motor; so sind wir dann ganz froh, als Helgoland in Sicht kommt und wir nach etwa 12 Stunden dort festmachen können.
Am folgenden Tag absolvieren wir das übliche Helgoland-Programm: 500 Liter Diesel sowie einige Liter Spirituosen bunkern; Höhepunkt ist aber die Wanderung übers Oberland zur Brutzeit der Seevögel. Wir beobachten Trottellummen und Basstölpel bei den Paarungsvorbereitungen, wobei sich erstere den Nestbau einfach schenken und ihre Eier gleich auf den nackten Fels legen. Besonders die prächtigen Basstölpel geben ein äußerst dankbares Fotomotiv ab!
Am Sonntagmorgen ist es dann aber endgültig soweit, die Wetterdaten versprechen anhaltenden Ostwind, und wir brechen auf zur Überfahrt. Der Sonntag zeigt sich zunächst recht schwach windig, doch dafür ist die See so ruhig wie man es auf der Nordsee selten erlebt: nur kleinste Wellen kräuseln das Wasser, keine alte See stört unseren Kurs, und so laufen wir unter Gennaker langsam aber stetig nach Nordwesten.
Nach wie vor scheint die Sonne, der Himmel wird sogar völlig wolkenlos, so dass sich bei gefühlter Windstille Badehosentemperaturen einstellen. Durch die kaum vorhandenen Bootsbewegungen können noch eine Vielzahl an nicht mehr so ganz fertig gewordenen Wartungsarbeiten durchgeführt werden; so wird die Aries abgeschmiert und justiert, und der Generator nach dem winterlichen Ausbau wieder in Betrieb genommen. Am Abend versinkt die Sonne spektakulär in der See, um nach langer Dämmerung einem tiefen Sternenhimmel das Feld zu überlassen. So kann man es aushalten!
Erst am dritten Tag frischt der Wind auf; erst freuen wir uns darüber, sind wir doch in den ersten 48 Stunden kaum über eine mittlere Fahrt von 4 Knoten gekommen, doch nach und nach baut sich eine immer höhere See auf. Am Dienstagabend bläst es schließlich durchgängig mit 5 bis 6 Beaufort – immer noch aus Südost, also genau von achtern. Die See baut sich auf 2 bis 3 Meter auf, und in jeder der kurzen Wellen legt sich die ‘Orion’ von 30° steuerbord auf 30° Backbord. Die mittlere Fahrt am dritten Tag steigt auf deutlich über 5 Knoten, doch die Bootsbewegungen zermürben ganz schön, und an Schlaf ist in der Nacht auch nicht zu denken.
So freuen wir uns, als am Mittwochvormittag Utsira in Sicht kommt und die Überfahrt geschafft ist; wegen des anhaltend starken südlichen Windes umrunden wir die Insel und laufen gegen Mittag in den Nordhafen ein. Hinter uns liegen gut 340 Seemeilen ab Helgoland (470 ab Papenburg), und all die Zeit haben wir kaum eine Wolke und keinen Tropfen Regen gesehen; ein gelungener Auftakt!
Der Liegeplatz im Nordvikvågen gefällt uns weniger gut als der im südlichen Hafen, wo wir letztes Jahr zu Gast waren: man liegt am mit dicken LKW-Reifen verzierten Betonpier gegenüber vom Fähranleger, und es gibt rein gar nichts an Einrichtungen; dafür ist es aber auch völlig umsonst, kein Schild informiert über Gebühren, kein Gemeindevertreter taucht auf und treibt diese ein. Wir machen uns noch auf den Weg zum Supermarkt, um die vermissten örtlichen Spezialitäten einzukaufen, und freuen uns dabei festzustellen, dass wir hier den zweiten Frühling des Jahres erleben können: hier ist die Natur doch deutlich zurück.
Am folgenden Tag ändert sich das Wetter aber drastisch: es regnet anhaltend. Wir nutzen die Zeit um erst einmal gründlichst auszuschlafen, das tut gut!