Mitte September, das Unvermeidliche rückt näher … solange man noch auf gutes Wetter für die Überfahrt hoffen darf, wollen wir die nächste Gelegenheit nutzen, die Nordsee zu überqueren.
Am Donnerstag den 14. laufen wir aus Ystabøhamn mit Kurs Süd aus; für die kommenden Tage hat sich ein umfangreiches Hoch angesagt, welches sich langsam an Skandinavien heranschiebt und für Nordwind sorgt. Der fällt dann etwas stärker aus als erwartet: mit 6 Windstärken geht es schon los, später werden 7 daraus, in den Böen auch 8 … etwas unheimlich ist uns zumute, aber die ‘Orion’ lässt sich nicht beeindrucken und fährt mit 7 Knoten vor dem Wind.
So fliegen die Meilen nur so vorbei, und schon am frühen Nachmittag erreichen wir die angepeilte Ankerbucht in der Nähe von Egersund, immerhin 46 Seemeilen haben wir in gut 7 Stunden zurückgelegt. Dort erwartet uns eine Überraschung: die zu einem Naturerholungsgebiet gehörende Bucht verfügt nicht nur über ausgezeichnete Steganlagen, sondern auch über eine Grillhütte mit Kaminofen und stapelweise Brennholz! So können wir den Abend bei Kaminfeuer ausklingen lassen …
Am nächsten Tag geht’s weiter, diesmal mit etwas weniger Wind, dafür aber endlich strahlendem Sonnenschein. Stundenlang segeln wir dicht unter Land und lassen die Küste an uns vorbeiziehen. Anders als weiter im Norden fehlen hier die Einschnitte ins Land völlig, eine steile, unzugängliche Küste bietet keinen Hafen über viele Seemeilen.
Wir kommen wieder gut voran und laufen am frühen Nachmittag Kirkehamn an. Die namensgebende Kirche leuchtet schon von weitem, und der kleine Ort erweist sich als sehr hübsch und in leuchtend grüne Hügel eingebettet. Ein rundum gelungener Tag, die Ernüchterung kommt aber beim Aktualisieren der Wettervorhersagen: so wie es aussieht, halten die nördlichen Winde noch genau drei Tage an – kommt so eine Gelegenheit noch einmal? Wir haben eigentlich gar keine Lust so plötzlich Abschied zu nehmen, bereiten aber schon mal alles für den Aufbruch vor – und lassen den womöglich letzten Abend in Norwegen mit einem kleinen Grillfest ausklingen …
Am Samstagmorgen holen wir uns per Internet nochmal aktualisierte Wetterdaten als GRIB-Datei und laden sie in den Routenplaner, und es bestätigt sich: wir sollten losfahren. Also verlassen wir gegen 10:30 Kirkehamn und richten den Bug gen Süden!
Den Vorhersagen nach sollte es eher zu wenig Wind geben als zu viel, und so sind wir recht erstaunt, als es immer mehr auffrischt und gegen Mittag mit 5 bis 6 Beaufort aus Südost bläst – das war nicht bestellt! Gegen Abend lässt der Wind aber etwas nach und kommt auch östlicher, so dass wir die Nacht und den ganzen Sonntag über entspannt mit halbem Wind segeln und so zwischen 5 und 6 Knoten Fahrt machen können. So darf es bleiben!
Tut es aber natürlich nicht: statt der angesagten Winddrehung über Nord auf Nordwest flaut der Wind am späten Sonntagabend aber ab und kommt immer südlicher; die Wetterfaxe verraten, dass sich ein kleines Tief in der Deutschen Bucht festgesetzt hat und einfach nicht von der Stelle will. So müssen wir also doch noch den Motor starten und die letzten 20 Stunden gegen Wind und Welle stampfen … zu früh gefreut!
Abgesehen davon verläuft die Überfahrt aber problemlos, und so erreichen wir am Montagabend nach 59 Stunden und 307 Seemeilen Borkum – für die nicht gerade auf Höchstgeschwindigkeit ausgelegte ‘Orion’ eine ziemlich gute Zeit! Damit fehlt nur noch das letzte Stückchen Ems, aber das hat noch einen Tag Zeit – am Dienstag ist erst mal ausschlafen angesagt …
Mittwochmorgen in aller Frühe (nein, die Tidenabhängigkeit haben wir nicht vermisst!) geht es dann aber bei gemütlichem Nieselregen in die Ems; der Wind bläst erst recht kräftig, lässt aber schnell nach, und so erreichen wir gegen 14:30 Papenburg – nach 89 Tagen und 1569 Seemeilen!