Im Hardangerfjord (10.07. – 25.07.)

Rosendal
Auf dem Weg in den Hardangerfjord

Bei regnerischem Wetter brechen wir von Espevær auf, um gen Nordosten in den Hardangerfjord vorzudringen. Die Wetteraussichten versprechen auch keine baldige Besserung, aber der Wind ist mit 3-5 Beaufort aus südlichen Richtungen zum Segeln geeignet, und dieses – in den Fjorden wohl eher seltene – Glück wollen wir uns nicht entgehen lassen.

Je tiefer wir ins Inland segeln ändert sich die Landschaft immer mehr: die Schären der Küste werden von immer höheren Bergen abgelöst, die Ufer rücken langsam näher, und immer mehr Verzweigungen in neue Fjordarme tun sich auf.

Im Storsundet vor Rosendal

Und auf einmal ist das schlechte Wetter gar nicht mehr so schlecht: die in unzähligen Abstufungen von Graublau gefärbten Panoramen ziehen uns in ihren Bann, ganz märchenhaft entfaltet der Fjord seine Wirkung. Vorm ersten Tagesziel, Rosendal, liegt eine Kette vorgelagerter Inseln, und als wir zwischen diesen in den Sund einfahren, verschlägt uns der Anblick die Sprache: vor uns tut sich das Gebirge auf, dessen bis fast 1700 Meter hohe Gipfel den drittgrößten Inlandsgletscher Norwegens, den Folgefonna, einschließen. In Rosendal finden wir erstmals eine richtige Marina vor, und entsprechend zahlen wir mit 250 Kronen pro Tag (knapp 27 €) auch das bislang höchste Liegegeld.

Myrdalsvatnet

Am nächsten Tag ist es ebenso regnerisch, und so verbringen wir erst mal mehrere Stunden im Folgefonnsenteret mit einer sehr informativen Ausstellung über den Gletscher und die Zusammenhänge im Ökosystem von Fjord und Meer. Am späten Nachmittag brechen wir noch zu einer kleinen Wanderung zum Myrdalsvatnet auf, einem Bergsee etwa 300 Meter über Rosendal; trotz dichter Wolken ein sehr schöner Anblick.

Für Dienstag hatten die Meteorologen seit Tagen besseres Wetter versprochen, und so haben wir uns dann verleiten lassen, am folgenden Morgen zu einer Besteigung des 890 Meter hohen Malmangernuten aufzubrechen, obwohl es immer noch sehr bedeckt war. Als wir uns gerade im Aufstieg befanden setzte dann der Regen ein – und es hörte für die nächsten Stunden nicht mehr auf. Die sehr steilen Pfade wurden immer rutschiger, und wir waren reichlich erschöpft und bis auf die Knochen durchnässt, als wir endlich wieder an Bord waren.

Sundal

Nach diesem Abenteuer verlassen wir Rosendal und fahren weiter nach Nordosten in den Maurangerfjord. Vorbei an steilen Bergflanken und Wasserfällen, die sich direkt in den Fjord ergießen, erreichen wir nach wenigen Stunden Motorfahrt (mit Wind scheint es nun vorbei zu sein) Sundal. Der sehr kleine Ort hat einen Campingplatz mit Schwimmsteg für ein paar Boote – und einen Blick auf den Bondhusbrea, eine Gletscherzunge des Folgefonna. In unglaublicher Anblick, vom Boot aus mitten im Sommer in wenigen Kilometern Entfernung das blaue Gletschereis leuchten zu sehen …

Bondhusvatnet

In Sundal gefällt es uns besser als in Rosendal, alles ist viel kleiner und ruhiger – und mit 140 Kronen Liegegeld auch noch viel günstiger. Außerdem bieten sich von hier sehr vielversprechende Wanderwege an; den ersten davon probieren wir am nächsten Nachmittag (der Vormittag ist mal wieder verregnet) aus. Er führt uns ins Tal hinein bis zum Bondhusvatnet, dem Gletschersee, in welchen sich der Bondhusbrea ergießt – oder dies jedenfalls bis vor wenigen Jahrzehnten noch tat, wie Fotos auf den Infotafeln zeigen. Noch bei der Eröffnung des Folgefonna-Nationalparks 2005 konnte man um den See laufen und die Gletscherzuge erreichen, heute ist dies kaum mehr möglich, der Gletscher hat sich immer weiter zurückgezogen, und die Bergflanke ist zu steil und unzugänglich. Doch allein der Anblick des sich im See spiegelnden Bergpanoramas lohnt den Ausflug, auch wenn wir keinen Fuß aufs Eis setzen können.

Am Freitag schließlich soll endlich mal wieder die Sonne scheinen; wir schenken diesem Versprechen mal wieder Glauben und machen uns trotz wolkigen Himmels auf zu einer großen Wanderung, die vom Bondhusvatnet zunächst steil die Bergflanke hinauf bis zur Alm Gardshammar führt. Dieser Weg wurde schon im 19. Jahrhundert in Serpentinen ausgebaut, so dass man Touristen mit Pferden bis zum Gletscher bringen konnte; wir müssen selbst laufen, sind aber dankbar für die Erleichterung.

Die Sonne lässt sich zwar nur für eine Stunde gegen Mittag blicken, aber die sich mit jedem neuen Höhenabschnitt verändernde Berglandschaft zieht uns auch so immer weiter hinauf, so dass wir schließlich die Breidablikk-Hütte auf 1322 Metern erreichen. Von hier hat man das Gefühl, ganz West-Norwegen überblicken zu können, und endlich sehen wir auch den Folgefonna-Gletscher selbst vor uns liegen. In nur einer Stunde Entfernung liegt die Fonnabu-Hütte, von der aus man den Gletscher überqueren kann; da wir aber nicht auf eine Übernachtung eingerichtet sind, kehren wir um und sind auch so gut 9 Stunden unterwegs gewesen.

Jondal

Am Samstag den 15. haben wir Sundal und den Maurangerfjord verlassen, zum einen um tiefer in den Hardangerfjord zu gelangen, zum anderen aber auch um das für’s Wochenende angesagte Regenwetter zur Erholung der strapazierten Muskeln zu nutzen. So sind wir dann auch – mangels Wind unter Motor – noch gut und trocken in Jondal angekommen, wo es aber bald darauf zu regnen begonnen hat, und das gleich für zwei Tage.

Regenwetter in Jondal

Der Gasthafen von Jondal machte aber einen freundlichen Eindruck und war recht günstig (es gab auch ein all-inclusive-Paket mit Benutzung der Dusche, Waschmaschine und Trockner), so dass das Regenwetter zum Erholen, Säubern, Waschen und für anstehende Bootspflege (Motorölwechsel) gar nicht so ungelegen kam.

Kinsarvik

Dennoch waren wir am Dienstag dann froh, dass es endlich aufgehört hatte zu regnen; und nicht nur das, für die kommenden zwei Tage war sogar grandioses Wetter angesagt! Also sind wir zeitig von Jondal aufgebrochen, um Kinsarvik als Ausgangspunkt einiger besonders vielversprechender Wanderwege anzulaufen. Und siehe da, es gab sogar hinreichend Rückenwind, um ein gutes Stück der Strecke segelnd zurückzulegen!

Kinsarvik selbst ist in den letzten Jahrzehnten zu einem lokalen Tourismuszentrum geworden: es wimmelt vor Menschen, der Gästehafen ist völlig überfüllt mit großen Motoryachten, und gleich nebenan ist ein riesiger Ferienpark mit Spaßbad, Go-Kart-Bahn und allem, was dazugehört. Unverändert prachtvoll ist aber die Lage am Schnittpunkt mehrerer Fjordarme und eines langen Tales als Tor zur Hardangervidda; noch am Abend setzt sich die Sonne durch, und am Mittwochmorgen erwartet uns wie versprochen ein wolkenlos blauer Himmel.

Die erste Wanderung führt uns durchs Husedalen, immer entlang am Fluss Kinso; dieser beeindruckt schon unmittelbar nach dem Ort durch sein türkisfarbenes Wasser, welches sich seinen Weg durch rauschende Stromschnellen bahnt. Nach einer Stunde erreicht man den ersten Wasserfall, daneben steht ein Wasserkraftwerk, in welchem schon seit 1917 die Energie der Wassermassen genutzt wird. Man erklimmt neben dem Wasserfall die Felsen – und findet sich auf einem Plateau wieder, auf das sich der Fluss in einiger Entfernung wieder mit einem nicht gerade kleinen Wasserfall ergießt. Und so geht es weiter: Stunde um Stunde erklimmt man steile Felsenklippen, immer mit dem nächsten Wasserfall vor Augen. Schließlich erreicht man oberhalb der Baumgrenze ein großes Plateau, welches hauptsächlich aus gletschergeschliffenem Fels, durchzogen von weißen Quarzbändern, besteht. Hier legen wir eine lange Pause ein und sonnen uns auf den warmen Felsen, bevor wir den Rückweg antreten und nach 8 Stunden wieder die ‘Orion’ erreichen, welche im Hafen auf uns gewartet hat.

Eigentlich wäre nach dieser Wanderung wieder ein Erholungstag angesagt gewesen, doch auch am Donnerstagmorgen zeigt sich nicht die kleinste Wolke am Himmel – so ein Wetter muss man doch nutzen, sagen wir uns, und nehmen uns für diesen Tag den Weg von Kinsarvik nach Lofthus vor, Lieblingswanderweg der norwegischen Königin; die ist immerhin 80, und wenn die das noch schafft, müssen wir das trotz Muskelkater wohl auch!

Der Aufstieg auf dem Kongsbergvegen fällt entsprechend schwer, die 700 Höhenmeter des vergangenen Tages fordern doch ihren Tribut; doch der Anblick beim Erreichen des Höhenweges entschädigt schon für die Anstrengung: vor uns liegen die Arme des Hardangerfjords und ein spektakulärer Ausblick über die Berge und Täler im Umkreis …

Panoramablick vom Dronningstien

Weiter geht es auf dem Bergrücken Richtung Süden; die Landschaft ist durchsetzt mit kleinen Seen und nur auf den ersten Blick karg: zwischen den Felsen blüht es überall, unzählige Wildblumen soweit das Auge blickt, und selbst die Moose und Flechten leuchten in allen Farben.

Immer wieder eröffnen sich unbeschreiblich schöne und beeindruckende Blicke über den Fjord und die eisbedeckten Gipfel; dieser Wanderweg lohnt wirklich jede Mühe!

Sørfjord-Panorama mit Folgefonna-Gletscher

Nach etwa 10 Stunden erreichen wir schließlich Lofthus; von hier fährt ein Bus zurück nach Kinsarvik, doch der nächste geht erst in zwei Stunden. Glücklicherweise erklärt sich ein hilfsbereiter Norweger auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt bereit, und eben nach Konsarvik zu fahren, obwohl er da eigentlich gar nicht hinwollte – sehr nett!

Am Freitag ist mal wieder Regenwetter angesagt, aber nach den zwei anstrengenden Wanderungen schadet ein Ruhetag auch wirklich nicht; am Samstag ist es wieder freundlicher, und wir machen uns auf den Weg nach …

Herand

Obwohl so gut wie kein Wind angesagt ist, bekommen wir unterwegs sogar kräftigen Rückenwind und machen unter Gennaker gut 7 Knoten; es zeigt sich immer mehr, dass es in den Fjorden nur zwei Windrichtungen gibt: vor dem Wind oder gegenan. Die langen, tief ausgeschnittenen Täler lenken scheinbar jede Windrichtung so um, dass der Wind den Fjorden folgt.

Bronzezeitliche Steinzeichnungen

Herand ist berühmt für seine Steinzeichnungen aus der Bronzezeit; archäologische Untersuchungen deuten auf eine Besiedelung der Gegend seit 9000 Jahren hin. Die wollen wir uns natürlich anschauen, als wir gegen Mittag den Gastanlieger erreichen. Der Spaziergang dort hin dauert aber nur rund eine Stunde, und so sind wir schon am frühen Nachmittag wieder an Bord – und beschließen noch nach Jondal weiterzufahren, denn der dortige Hafen bot mehr Service für weniger Liegegeld.

Jondal

Am Sonntagmorgen strahlt wieder die Sonne aus einem tiefblauen Himmel – also ein guter Tag für eine Wanderung mit Aussicht. Diesmal soll es der Aufstieg auf den 1067 Meter hohen Vikanuten sein; der Wanderweg kennt kein Erbarmen und erklimmt diese Höhe auf kaum drei Kilometern Weglänge ohne ein einziges flaches Stück. Aber wieder wird man für seine Mühen reich belohnt: im Südosten überblickt man den Folgefonna-Gletscher, im Nordwesten den Hardangerfjord.

Der Abstieg erfolgt deutlich weniger steil, zunächst über einen Bergrücken bis zur Fjellstøl-Alm, dann durch den Wald bis nach Jondal. Damit haben wir uns auch mal wieder einen Ruhetag verdient, und passenderweise gibt es am folgenden Montag auch wieder Regen.

Im Lukksundet

Dienstag machen wir uns wieder auf den Weg zurück zur Küste und erreichen am Abend eine kleine Ankerbucht am Lukksundet, welcher den Hardangerfjord mit dem Bjørnafjord verbindet; dort übernachten wir nochmal und fahren am nächsten Morgen durch die enge Passage.