Eigentlich sollte in diesem Jahr schon Anfang Juni für den ganzen Sommer nach Norwegen gehen – nun ja, Ende Juni ist es dann doch geworden, aber wir sind froh, dass es nach Überwindung etlicher Hindernisse überhaupt geklappt hat. So verlässt die ‘Orion’ also am Samstag den 24. Juni gegen 12 Uhr den Heimathafen und schleust auf die Ems.
Die Fahrt verläuft zunächst bei freundlichem Wetter recht unspektakulär, als wir allerdings auf den letzten, genau in Richtung Westen verlaufenden Teil der Strecke bis Emden einbiegen weht uns auf einmal ein kräftiger Wind genau auf die Nase. Unter Motor gegenan kommen wir kaum vorwärts, so dass wir trotz der geringen Fahrwasserbreite aufkreuzen. Das klappt auch ganz gut, aber wir machen einfach zu wenig Fahrt, und irgendwann kippt die Tide und wir bekommen auch noch Gegenstrom, so dass wir schon erwägen in Delfzijl Station zu machen, doch als wir endlich den Dollart erreichen und freien Raum zum Segeln haben, beschließen wir dann doch noch bis Borkum durchzufahren, wo wir gegen 21 Uhr ankommen.
Den folgenden Tag verbringen wir dort im Schutzhafen, denn es weht ein kräftiger Nordwest, gegen den wir nicht losfahren wollen; außerdem haben sich beim ersten Einsatz nach der Winterpause die Nähte der UV-Schutzstreifen vom Klüver verabschiedet, so dass die Pause praktischerweise gleich zum Segelnähen genutzt werden kann.
Am Montag den 26. geht es dann endlich richtig los: mit ablaufendem Wasser verlassen wir Borkum, um bei immer noch 4 bis 5 Beaufort aus Nordwest erst mal gegenan bis Borkum Riff und dann hoch am Wind Kurs Nord durch die Verkehrstrennungsgebiete zu segeln. Mit dem letzten Licht durchqueren wir das letzte VTG, können etwas abfallen und segeln bei gleichmäßigem Wind unter Vollzeug durch die Nacht.
Am Dienstagmorgen flaut der Wind aber immer mehr ab; da wir ab Wochenmitte ein von Süden aufkommendes Feld mit starken östlichen Winden erwarten, werfen wir den Motor an, um nicht mitten hinein zu geraten. So motoren wir dann den ganzen Tag, und da der versprochene Wind auf sich warten lässt auch noch die ganze Nacht.
Mittwochmorgen ist es dann endlich soweit: Wind aus Nordost kommt auf, der Motor gibt Ruhe und wir rauschen am Wind gen Norden. Unter Vollzeug machen wir bei 5 Beaufort gute Fahrt von bis zu 8 Knoten durchs Wasser, wodurch wir sogar zu einem interessanten Spielgefährten für ein paar Delfine werden, die uns einige Zeit begleiten und immer wieder unter dem Schiff durchtauchen, um dann aus dem Wasser zu schnellen und uns zu begutachten. Wir sind begeistert!
Etwas später wird es dann aber doch zu viel Wind, wir drehen bei und reffen das Großsegel; unter zweitem Reff und Kuttersegel geht es weiter, und der Wind legt immer mehr zu, bis wir schließlich an der Windstärke 7 kratzen. Die Wellen legen immer mehr zu, zum Teil geht es drei bis vier Meter rauf und runter, während sie unter der ‘Orion’ durchrauschen. Die scheint sich aber nicht viel daraus zu machen, also versuchen wir das auch zu tun und schauen zu, wie die Aries uns durchs Skagerak steuert. Am Abend lässt der Wind auch deutlich nach, so dass wir schließlich das Reff wieder ausbinden können und bei weiterhin frischen Ostwind durch die dritte Nacht auf die norwegische Südwestküste zusteuern.
Am Donnerstagmorgen treffen wir auf Höhe Obrestad auf die Küste und folgen dieser noch eine Weile Richtung Norden, bis wir hinter Stavanger einbiegen und nach fast genau 72 Stunden Skudeneshavn erreichen. Dort sind wir erstaunt, den Hafen prall gefüllt vorzufinden – ein kleines Motorboot fährt heran und erklärt uns, dass wir gerade pünktlich zum größten Küstenkulturfestival Südwestnorwegens eintreffen. Daher finden wir nur noch einen nicht ganz so stimmungsvollen Liegeplatz am Industriehafen, der dafür kostenlos ist.
Froh angekommen zu sein, machen wir bei der Inspektion des Bootes aber eine unschöne Entdeckung: die Verschraubung der Ankerwinsch war nicht ganz dicht, und bei dem ständig überkommenden Wasser am Vortag war eine ganze Menge davon bis in den Stauraum unter der Koje gelaufen, so dass wir zum Tagesausklang erst mal einige hundert Kilogramm Vorräte ausräumen und irgendwie im Salon stapeln durften, um dort trockenzulegen, so dass es schon ganz schön spät war, als wir endlich den ersten Wein öfnen konnten. Glücklicherweise ist hier aber erst gegen 23 Uhr Sonnenuntergang, und richtig dunkel wird es auch danach nicht, so dass wir dann doch noch richtig ankommen konnten.
Die nächsten zwei Tage haben wir in Skudeneshavn verbracht, wo aufgrund des Festivals unglaublich viel los war: überall Menschen, Buden, Stände, Bühnen, Musik, Düfte … und eine schon an sich überaus reizende Stadt mit all ihren weißen Holzhäusern. Ein Glücksgriff, hier angelandet zu sein!