Entlang den ostägäischen Inseln gen Süden (04.10. – 23.10.)

Am Montagmorgen den 4. Oktober verlassen wir nach fast zwei Wochen endlich Limnos – nicht, dass es uns hier nicht gefallen hätte, aber die Saison ist selbst in der Ägäis nicht endlos …

Wir legen mit dem ersten Licht der Morgendämmerung ab, denn uns trennen etwa 60 Seemeilen vom nächstgelegenen Hafen auf der Insel Lesvos, unserem nächsten Ziel. Laut Vorhersage sollen auch heute auf der vor uns liegenden Strecke um die 22 Knoten Wind aus Nordnordost wehen, also eine kleine Windstärke 6; die charakteristische Wellenhöhe ist wie erhofft auf etwa anderthalb Meter gesunken – wie gesagt, laut Vorhersage. Die Realität sieht zunächst mal ganz anders aus: als wir den Hafen von Myrina verlassen, kann der Windmesser kaum mehr als 10 Knoten vermelden – damit kommen wir nie nach Lesvos! Also muss tatsächlich erst mal eine Stunde der Motor mitlaufen, während über Limnos malerisch die Sonne aufgeht. Von den zunächst eingebundenen zwei Reffs im Großsegel schütten wir eines gleich mal wieder aus – Vollzeug zu setzen trauen wir uns dann aber doch nicht.

Rauschende Fahrt bei prächtigem Wetter

Mit gutem Grund, denn wenig später stellen wir fest, dass es mal wieder nur die Abdeckung durch die Insel war, die uns getäuscht hat: kaum haben wir freie Sicht nach Osten, legt der Wind immer mehr zu, und der Motor hat Ruhe. Gegen Mittag haben wir die angesagten Windstärken erreicht, und da wir uns zwischenzeitlich nicht motivieren konnten das zweite Reff wieder einzubinden, gleiten wir leicht übertakelt mit gut 6 Knoten bei halbem bis raumem Wind durch die Wellen! Das macht so viel Spaß, wer mag denn da auf die Bremse treten?!

Lesvos voraus!

Aber natürlich kommt, was kommen musste: zum Nachmittag legt der Wind auch weiter zu und erreicht die 7 Beaufort, in Böen auch häufiger mal die 8; wir ersetzen noch den Klüver durch das kleinere Kuttersegel, aber das Groß fassen wir nicht an – es läuft doch soooo schön! Und so ziehen wir eben häufiger mal die Leereling durchs Wasser, ziehen den Kopf ein wenn mal wieder eine Welle übers Deck bricht und erfreuen uns ansonsten über 7 Knoten Fahrt – damit erreichen wir Lesvos noch deutlich vor Sonnenuntergang, wer hätte das gedacht!

Sigri / Lesvos
Dämmerung über den Inseln vor Sigri

Der starke Wind bleibt uns bis zuletzt erhalten, aber vor unserem Ziel, dem Ort Sigri, liegt eine längliche Insel vorgelagert, die eine große, gut geschützte Bucht bildet; kaum haben wir das Südende der Insel passiert, sind die hohen Wellen verschwunden, und wir können problemlos die Segel herunterholen und einen Ankerplatz südlich der Halbinsel, auf der Sigri liegt, ansteuern; der Ankergrund ist zwar nicht so berauschend, wir brauchen zwei Anläufe, bis das Eisen hält (und das kommt bei unserem Ankergeschirr wirklich selten vor), aber die Windabdeckung ist so gut, dass es darauf nicht wirklich ankommt. Wir freuen uns über die erfolgreiche Überfahrt, genießen noch die unbeschreiblichen Farbverläufe des Abendhimmels nach Sonnenuntergang  und verbringen schließlich eine ruhige, lange Nacht vor Anker.

Ormos Apothikes / Lesvos

Am nächsten Morgen schlafen wir zwar verdientermaßen aus, machen uns dann aber gleich auf den Weg, ohne vorher noch den Ort Sigri anzuschauen – Lesvos ist immerhin die drittgrößte Insel Griechenlands, und wir wollen die kommenden zwei Tage, an denen noch der Meltemi wehen soll, ausnutzen, um entlang der Südküste Strecke zu machen.

Tatsächlich können wir gut segeln, im Wellenlee der Insel müssen wir uns nicht mehr mit brechenden Wellen herumschlagen, aber genug Wind kommt über die hohen Bergketten – wenn auch recht ungleichmäßig, von 5 bis 25 Knoten ist alles drin. Gut, dass die ‘Orion’ letzteres auch mit viel Tuch geduldig hinnimmt – und voll Salz ist vom Vortag ja eh schon alles.

Entlang der Südwestküste von Lesvos

Die vorbeiziehende Küste im Südosten der Insel ist wieder deutlich gebirgiger als es Limnos war, aber ebenso trocken. Lesvos weist zwei sehr große Einbuchtungen auf, die nur über schmale Passagen mit dem Meer verbunden sind und quasi Binnenseecharakter haben, den Kolpos Kallonis und den Kolpos Geras; noch in der Zufahrt zum Kolpos Kallonis – die übrigens betonnt ist, das sieht man hierzulande nicht gerade häufig! – liegt eine Ankerbucht vor einer Flussmündung, Ormos Apothikes, die unser Tagesziel darstellt.

Hübscher und ruhiger Ankerplatz: Apothikes

Wir folgen also erstmals seit einer gefühlten Ewigkeit wieder einem betonnten Fahrwasser durch die felsige Einfahrt und können wenig später den Anker vor der Flussmündung auf schlammigem Grund werfen. Der Halt ist ausgezeichnet, und am nächsten Morgen verstehen wir auch, warum: der Schlamm ist sehr fest und zäh, wir haben offenbar den Anker vollständig darin vergraben, denn er ist bis zum Ende mit dem klebrigen Zeug überzogen, als er wieder ans Tageslicht kommt.

Paralia Tsilia / Lesvos

Auch am Mittwoch geht die Reise weiter entlang der Küste: wir können unter Vorsegel den Ankerplatz im Kolpos Kallonis verlassen und machen zunächst gute Fahrt bei unverändert abwechslungsreichen Windverhältnissen.

Da kommt kein Lüftchen vorbei!

Erst als wir in den Bereich der Insel kommen, wo die fast 1000 Meter hohen Gebirgsketten bis dicht an die Küste reichen, erfahren wir so massive Windabdeckung, dass für eine Stunde der Motor helfen muss – verrückt genug, wenn man gerade noch mit gerefftem Tuch auf der Seite gelegen hat! Dafür wird die Landschaft ab hier viel grüner, und auf der Höhe des Ortes Plomari hat uns auch der Wind wieder eingeholt, und wir können den Rest der Strecke bis kurz vor die Einfahrt in den Kolpos Geras wieder segeln.

Idyllische Kulisse vor Tsilia

Hier ist es landschaftlich besonders reizvoll, die Küste bietet wild zerklüftete Felsen, vorgelagerte Inselchen und tief eingeschnittene Buchten. In einer davon finden wir für die Nacht einen guten Ankerplatz vorm Strand von Tsilia; hier gibt es zwei Häuser, eine hübsche Kapelle und die Ruinen einer alten Olivenpresse – Idylle am Ende der Welt. Nach einem Abendessen vom Bordgrill verbringen wir hier begleitet vom Bimmeln der Ziegenglocken eine ruhige Nacht – hier könnte man auch länger bleiben!

Skala Loutron / Lesvos

Wir müssen aber am nächsten Tag weiterziehen, denn zum einen brauchen wir langsam mal eine Einkaufsmöglichkeit, und zum anderen kündigt sich schlechteres Wetter an, und das wollen wir lieber im Schutz des Kolpos Geras abwettern. Dorthin ist es nicht mehr weit, quasi um die nächste Ecke beginnt die Zufahrt; diese ist aber einige Seemeilen lang, und bei Flaute aus variablen Richtungen müssen wir diese Strecke motoren.

Die Bucht von Loutra

Dabei zieht ein schöner Ankerplatz nach dem anderen an uns vorbei: von Felsen eingerahmte Sandstrände vor Olivenhainen, was für eine schöne Gegend! Gegen Mittag lassen wir vor Skala Loutron den Anker fallen; der Ort liegt in der letzten Einbuchtung, bevor sich die Zufahrt in den eigentlichen Kolpos aufweitet.

Endlose Olivenhaine auf dem Weg nach Loutra

Die nächste Einkaufsmöglichkeit erfordert eine halbstündige Wanderung hinauf in den eigentlichen Ort Loutra; diese führt durch ausgedehnte Olivenhaine, so dass einem der Weg nicht lang wird. Wir erstehen noch die üblichen Köstlichkeiten in der Bäckerei und verbringen dann eine sehr ruhige Nacht an unserem Ankerplatz.

Blick von der Kapelle über Skala Loutron (im Vordergrund) und Loutra (hinten am Berghang)

Auch am nächsten Tag ist das Wetter zunächst noch schön, so dass wir zunächst noch einmal nach Loutra und sodann auf einen kleinen Berg neben unserer Ankerbucht wandern können; über einen steilen, aber gut ausgebauten Weg gelangt man zur Kapelle Panagia Apsili, von der sich ein schöner Blick über die Bucht und das Tal bietet – dafür hat sich wie immer die Mühe gelohnt. Am Nachmittag zieht es sich dann immer mehr zu, und für den Abend erwarten wir ausgiebigen Regen – ja, das gibt es tatsächlich auch mal!

Mytilini / Lesvos

Am Samstagmorgen ist aber die Welt wieder in Ordnung, die Sonne scheint; dafür gibt es aber leider gar keinen Wind, so dass wir die 13 Seemeilen um die Südostspitze der Insel unter Motor zurücklegen müssen. Unser Ziel ist Mytilini, die Hauptstadt der Insel, und dort laufen wir statt des Stadthafens die dortige Marina an – dort soll es viel ruhiger sein, es gibt Strom und Wasser und vor allem: eine richtige, heiße Dusche! Mit knapp 19 € pro Nacht ist es dort zwar für griechische Verhältnisse teuer, aber wir können uns ja noch an andere Maßstäbe erinnern, und so genießen wir erst mal für eine halbe Stunde das herabregnende Wasser 🙂

Der Ort selbst genießt keinen allzu guten Ruf, da es hier in den vergangenen Jahren zu großen Problemen im Zusammenhang mit dem nahegelegenen Flüchtlingslager bei Moria gekommen war; die Tourismusbranche hat darunter noch mehr zu leiden gehabt als es im restlichen Land wegen Covid-19 der Fall war.  In dem für 2.800 Menschen konzipierten Lager waren bis zu 20.000 Menschen unter entsetzlichen Umständen untergebracht; naheliegenderweise kam es mit der Zeit zu immer mehr Protesten, die auf eine schnellere Bearbeitung der Asylanträge drängten, und diese wiederum wurden von der griechischen Polizei mit Tränengaseinsätzen beantwortet – tja, wer möchte da noch Urlaub machen.

Eskaliert ist die Lage dann im September letzten Jahres, als im Lager die ersten Covid-Infektionen festgestellt und daraufhin das Lager komplett abgeriegelt wurde – über Abstand und Hygiene braucht man bei einer derartigen Überfüllung wohl nicht mehr zu diskutieren, und was wird wohl passieren, wenn man 20.000 Menschen auf engstem Raum hinter Stacheldraht einsperrt und dann dem Gerücht Vorschub leistet, dass alle dort sterben werden?! Es kam zur Massenpanik und dem bekannten Großbrand, bei dem das Lager vollständig zerstört wurde.

Agios Therapon, Mytilini

Heute ist das Vergangenheit; das Lager wurde nicht wieder aufgebaut, und außer massiver Präsenz der Küstenwache auf See bemerken wir nichts von der Flüchtlingsproblematik. Mytilini verfügt auch über eine Altstadt mit gemütlichen Tavernen und Cafés, das unvermeidliche Kastro und die architektonisch aus der Reihe fallende Kirche Agios Therapon; ansonsten fanden wir aber z.B. Kavala oder zuletzt Myrina auf Limnos ansprechender.

Aber Lesvos besteht ja nicht nur aus der Hauptstadt; am Sonntag mieten wir mal wieder ein Auto, um mehr von der Insel ansehen zu können. Wer sich übrigens über die Schreibweise gewundert hat: auf Griechisch heißt die Insel ‘Λέσβος’, und der Buchstabe ‘β’, zu dem wir ‘beta’ sagen, wurde zwar im Altgriechischen wie unser ‘b’ ausgesprochen, aber im Neugriechischen eben nicht mehr – heute heißt er hier ‘vita’ und die Schreibweise mit ‘v’ gibt also das wieder, was man sagen muss, wenn man nach dem Weg hierhin fragt und verstanden werden möchte 🙂

Aquädukt bei Moria

Zunächst besuchen wir in einem Tal bei Moria (ja, am ehemaligen Lager sind wir auch vorbeigefahren – entsetzlich!) das spätrömische Aquädukt, welches dazu diente, die Stadt Mytilini aus dem Gebirge im Inselinneren mit Wasser zu versorgen; man wandert durch die vollständig mit Olivenbäumen bewachsene Talsohle darauf zu und kann am Fundament angekommen seine Hand auf die vor fast 2000 Jahren behauenen Steinblöcke legen und mit dem Kopf im Nacken die 27 Meter hohen Bögen bestaunen – von Absperrungen hält man hier ja nicht so viel. Schon beeindruckend, mit den Fingern die Meißelspuren zu verfolgen, die der Steinmetz vor so langer Zeit hinterlassen hat … und wunderschön gelegen ist das Bauwerk allemal.

Berglandschaft auf Lesvos

Weiter geht es in Richtung der Nordküste; dabei fahren wir durch ausgedehnte Bergregionen, die Höhen von bis zu annähernd 1000 Metern erreichen. Die Landschaft ist im ganzen Inselinneren recht grün, und malerische, kleine Dörfer schmiegen sich in die Bergflanken.

Petra mit Agia

Eine sehr schöne Strecke, an deren Ende zwei vielbesuchte Orte auf der Insel liegen: da ist zunächst das kleine Küstenörtchen Petra, berühmt für seine hoch auf einem Felsendom mitten im Ort thronende Kirche Panagia Glykofiloussa; von hier genießt man einen schönen Ausblick über die Küste.

Vor dort ist es nicht mehr weit bis Mithymna; der Ort wurde in einen äußerst steilen Berghang gebaut und wird von einem gut erhaltenen Kastro überragt – von dort kann man die nur 5 Seemeilen entfernte Küste der Türkei betrachten. Seine Beliebtheit bei den Touristen verdankt der Ort seiner ungewöhnlichen Lage: die Häuser sind in beträchtlicher Höhe auf verbreiterte und befestigte Felsvorsprünge erbaut, und die verschiedenen Ebenen des Ortes sind nur über treppenartige Gassen verbunden – für Autos gibt es hier keinen Platz und viel zu große Steigungen. Hat man die Höhe erst mal erklommen, findet man weinüberrankte Gassen und dekorative Bruchsteingemäuer – in denen sich natürlich ausschließlich Restaurants, Cafés, Boutiquen und kleine Hotels befinden. Trotz der ausschließlich touristischen Nutzung aber ein sehenswerter Ort, und wir finden auch ein winziges Café, dessen Außenbereich einfach aus kleinen Tischchen und großen Kissen auf den Stufen der angrenzenden Seitengasse besteht – also, schöner kann’s ja kaum noch werden!

Bei Polichnitos …

Weiter geht’s zurück durch die Berge und am Nordrand des großen Kolpos Kallonis entlang; hier gibt es auch von Menschenhand geschaffene Lagunen zur Salzgewinnung, und wir können sogar Flamingos im flachen Wasser beobachten. Ziel ist aber der Ort Polichnitos, oder besser gesagt das Gebiet mit heißen Quellen in der Nähe des Ortes: mitten im Nichts sprudelt hier fast kochend heißes Wasser aus dem Boden! In so heißem Wasser kann nicht viel leben – bestimmte Bakterien aber schon, und diese verleihen dem Grund intensiv rote Farben! Wo es sich langsam etwas abkühlt können auch einfache Grünalgen überdauern, die auch sehr intensiv gefärbt sind; dazu kommen reinweiß auskristallisierte Salze.

… wird’s bunt!

Die ganze Umgebung sieht also aus, als sei hier ein großer Farbkasten ausgeleert worden, und über all dem steigen Dampfschwaden auf – märchenhaft!

Früher sind diese Quellen natürlich auch für Bäder genutzt worden, und an etlichen Orten auf der Insel kann man sich auch in solchen Wellness-Spas verwöhnen lassen; hier jedoch sind die alten Badehäuser verfallen, manche seit langem, manche sehen erst kürzlich geschlossen aus – nun, wirtschaftliche Krisen gab es hier ja genug.

Weiter fahren wir durch eine hügelige Landschaft, die uns durch ihre Üppigkeit erstaunt: richtig dichte, grüne Wälder gibt es, und das in großer Ausdehnung; immer wieder sehen wir Ausschilderungen von Wanderwegen – Lesvos muss auch für Wanderer ein empfehlenswertes Ziel sein!

Agiasos: touristischer Hotspot der Insel

Zuletzt besuchen wir noch das Bergdorf Agiasos – und bekommen den Mund nicht mehr zu vor Staunen, was hier los ist! Hunderte Autos sowie einige Reisebusse parken in der einzigen Zufahrtsstraße, und der – zugegebenermaßen recht hübsche – Ort wimmelt vor Menschen. Alle Geschäfte sind geöffnet – es ist Sonntag! – und bieten Töpferware, Lederwaren, Essbares und einfach Nippes an, ein großes Restaurant und Café liegt neben dem anderen. Kristallisationskeim dieser Beliebtheit scheint neben der einsamen Lage im Gebirge die äußerst prächtig ausgestattete Kirche zu sein – aber als Ort für unser Abendessen, wie wir das eigentlich geplant hatten, scheint uns das doch weniger geeignet zu sein, da haben wir es doch gerne weniger touristisch.

Daher biegen wir kurz vor Mytilini noch in ein unscheinbares Dorf ab und setzen uns dort in die Taverna zu den Einheimischen; das bringt zwar mit sich, dass die Bedienung einen roten Kopf bekommt weil sie kein Englisch kann, aber wenn wir etwas auf Griechisch verstehen, dann sind es die Namen von Gerichten 🙂 So kommen wir zu einem einfachen, aber authentischen, frisch gekochten (und sehr reichhaltigen!) Abendessen, für das wir sagenhafte 13,50 € bezahlen dürfen – zusammen wohlgemerkt. Einfach nicht zu fassen …

Nach all den greifbaren Schönheiten sei zum Schluss nicht unerwähnt gelassen, dass Lesvos der Welt auch große immaterielle Güter hinterlassen hat: die Insel war im 7. Jahrhundert v. Chr. die Wirkungsstätte der großen Dichterin Sappho, die als wichtigste Lyrikerin der Antike gilt; ihr Schaffen hat die Kulturgeschichte der Menschheit von der römischen Antike bis ins 20. Jahrhundert stark beeinflusst – und ihre die weibliche Schönheit besingenden Lieder haben zur geläufigen Adjektivierung des Inselnamens geführt (dies aber wohl eher aufgrund mittelalterlicher – also 2000 Jahre später ausgeübter – Versuche, ihr Werk zu schmähen).

Phteli / Lesvos
Aussicht vom Ankerplatz vor Phteli

Am Montag verlassen wir Mytilini und fahren zurück zur Einfahrt in den Kolpos Geras; hier gibt es mit der kleinen Bucht Phteli einen der ganz wenigen Plätze an der Südküste, die Schutz vor südlichen Winden bieten. Die soll es nämlich am Dienstag geben, zusammen mit Regen – schon wieder! Das wollen wir vor anker durchziehen lassen, um dann am Mittwoch die Weiterreise gen Süden antreten zu können.

Wie meistens fällt der Regen nicht sehr üppig aus, und auch der Wind hält sich in den Anker nicht wirklich herausfordernden Grenzen, so dass wir einen ruhigen Tag in der Bucht mit schönem Ausblick auf die östlichen Bergzüge und … mal wieder Olivenhaine verbringen.

Paralia Bilali / Oinoussa

Mittwoch um 8 Uhr gehen wir dann Anker auf und verlassen Lesvos endgültig; die Windvorhersage für den Tag ist nicht gerade berauschend, aber wenigstens soll der schwache Wind nicht auch noch genau von vorne kommen …

Die erste Stunde legen wir unter Motor zurück, dann haben wir uns soweit aus dem Windschatten der Insel freigefahren, dass wir tatsächlich die Fahrt unter Segeln fortsetzen können; teilweise weht es mit bis zu 18 Knoten aus Nordwest – doppelt so viel wie vorhergesagt – und wir machen gute Fahrt am Wind. Das Vergnügen hält aber nicht lange an, nach zwei Stunden hat sich der WInd auf 6 Knoten reduziert, und damit machen wir einfach nicht genug Fahrt, um die Tagesdistanz von knapp 40 Seemeilen bis Sonnenuntergang zu bewältigen, und so muss für den Rest der strecke wieder der Motor ran.

Chios begrüßt uns mit drohenden Wolken

Das Wetter ist weniger sonnig als vorhergesagt, während wir uns den verteilten Landmassen im Süden entgegenschieben: steuerbord voraus die Insel Chios, recht voraus die viel kleinere Insel Oinoussa und backbord voraus – viel näher als die beiden anderen – die türkische Küste, die wir in wenigen Seemeilen Abstand passieren. Wir fahren durch die Lücke zwischen Chios und Oinoussa, biegen nach Osten ab und suchen uns die erste geeignete Ankerbucht, Paralia Bilali; das Inseldorf mit seinem gut geschützten Hafen liegt nur eine Seemeile weiter, aber da wir ohnehin keine Zeit haben anzulanden und die Insel anzuschauen, können wir ebensogut hier ankern.

Chios Marina / Chios

Am Donnerstagmorgen ziehen wir nämlich gleich weiter, um die letzten 10 Seemeilen bis zur Chios Marina zurückzulegen; dabei handelt es sich um eine weitere der vielen, nie fertiggestellten Marinas in Griechenland; Molen und Piers bieten Schutz, sonst gibt es nichts, kostet aber eben auch nichts. Und Schutz brauchen wir, denn auch wenn an diesem Morgen die Sonne strahlt und gerade mal ein sanfter Südwind einsetzt, so kommt doch der Kern des Sturmtiefs auf uns zu, dessen Vorboten schon seit einer Woche das Wetter bestimmen und zu der ungewöhnlichen Häufigkeit von Wolken und Regenwetter führten.

Vor uns liegt Chios

Bevor wir aber den Hafen erreichen, haben wir noch eine kleine Begegnung mit zwei schwer bewaffneten Schnellbooten der griechischen Küstenwache: während wir gerade eine Wende fahren, um nicht vor den Bug eines großen Frachters zu kommen und unsere Aufmerksamkeit also eher nach vorne als nach achtern gerichtet war, kamen diese mit höchster Geschwindigkeit hinter uns auf und wollen wohl gerade längsseits kommen, als wir den Kurs um 90 Grad änderten und anfingen, wie wild an den Schoten zu reißen – nachdem sie aber befunden haben dass es sich nicht um einen Fluchtversuch handeln kann, haben sie geduldig gewartet bis die ‘Orion’ wieder auf Kurs war, um uns dann ihre Fragen zu stellen: woher wir denn kämen, doch wohl nicht aus der Türkei? Nein – dann ist ja alles gut. Und vollständige Papiere hätten wir auch an Bord? Ja, sicher – na, dann schönen Tag noch, und mit 45 Knoten brausen sie schon wieder davon …

Das waren aber noch nicht genug Erlebnisse für einen Vormittag: nach dem Einlaufen in die Marina haben wir wie üblich eine kleine Runde gedreht, um mögliche Liegeplätze auszukundschaften; und als wir uns gerade einen ausgesucht hatten und darauf zusteuern wollten, kam auf einmal dicker, schwarzer Qualm aus dem Auspuff, und der Motor brachte keinen Schub mehr aufs Wasser, mehr Gas führte nur zu mehr Qualm. Unnötig zu erwähnen, dass der Südwind inzwischen schon aufgefrischt war und uns hilflos quer übers Hafenbecken zu treiben begann – auf die dort liegenden Boote zu. Glücklicherweise war die Crew eines australischen Seglers zum Helfen auf die Pier gekommen, und so konnten wir ihnen schnell noch lange Leinen zuwerfen, mit deren Hilfe wir dann die ‘Orion’ sicher an die Pier ziehen konnten – das war knapp!

Sicher festgemacht war der Fehler auch schnell gefunden: die auf dem Ende des Schalldämpfers der Verbrennungsluftansaugung sitzende Schaumgummikappe war in den Schalldämpfer und durch diesen hindurch bis zu einem Krümmer direkt am Motor gesaugt worden, und hat dort – gut komprimiert – dafür gesorgt, dass praktisch keine Luft mehr durchkommt. Verstopfung beseitigt, und der Motor atmet wieder befreit auf. Kleine Ursache, große Wirkung – und natürlich passiert so etwas im ungelegensten Moment!

Zwischen Marina und Hafen liegen die historischen Windmühlen von Chios

Nachdem wir uns etwas von der Aufregung erholt hatten, sind wir noch bis zum gut 20 Minuten entfernten Ortskern gelaufen; ein sehr großer Stadthafen liegt eingebettet in einladende Einkaufsstraßen, und direkt daneben die imposanten Mauern einer alten Festung – ungewöhnlicherweise mal nicht auf einem Felsengipfel erbaut, sondern nach Art einer Wasserburg im flachen Land. Der Ort spricht uns durchaus an, aber bevor wir ihn und die Insel weiter erkunden können, müssen wir erst mal zurück an Bord, denn die ersten Wolken verfinstern die Sonne.

Am Abend trinken wir mit unseren australischen Rettern das eine oder andere Glas Wein (und lernen dabei, dass es Kängurus in Wirklichkeit gar nicht gibt – ein so absurdes Tier kann doch nur ein Scherz sein, mit dem die Australier seit Jahrhunderten den Rest der Welt zum Besten halten ;-)) und warten zusammen auf die Kaltfront des riesigen Tiefs – diese erreicht uns erst am frühen Freitagmorgen, dafür aber richtig: Böen von 40 Knoten fegen über die Marina, und heftige Gewitter mit anhaltenden Regenfällen verbreiten Weltuntergangsstimmung. Gut, dass wir sicher an sechs Festmacherleinen hängen: da kann man in Ruhe abwarten und Tee trinken …

Den ganzen Freitag und Samstag bestimmt das Sturmtief noch das Wetter: immer wieder schütteln heftige Böen das Rigg, und es regnet kräftig. Am Sonntag aber scheint es überstanden zu sein, nur noch wenige Wolken ziehen über Chios, und wir beschließen, mit dem Mietwagen die Insel zu erkunden.

Im Dorf Pyrgi zieren geometrische Muster aus Kratzputz fast alle Fassaden

Chios ist die fünftgrößte Insel Griechenlands und vor allem bekannt für ihren Mastix-Anbau: durch Anritzen der Rinde des Mastix-Strauchs wird die harzige Substanz gewonnen, welche seit der Bronzezeit für ein bemerkenswert breites Anwendungsspektrum geschätzt wird: als wasserbeständiger Lack, Firnis, Dichtungsmittel, Räucherwerk bei kultischen Handlungen, zur Einbalsamierung von Mumien im alten Ägypten, als Heilmittel gegen eine Vielzahl von Beschwerden und als Gewürz- oder Aromatisierungszutat in der Küche, wobei letztere Anwendung heute überwiegt: auf der Insel gibt es Mastix-Süßigkeiten in allen Variationen zu kaufen.

Wandgemälde in Olympi

Da die Gewinnung aufwändig ist, war Mastix ein kostbares Handelsgut, und seine Erzeuger erlangten einen gewissen Wohlstand, was wiederum Piraten anzog; daher wurden die Dörfer der Mastix-Bauern als Wehrdörfer angelegt: nach außen hin bieten sie eine geschlossene Front, die nur durch wenige Tore betreten werden kann, und im inneren findet sich ein völlig unsystematisches Gewirr von Gassen, Durchgängen, Gewölben, Kehren, Sackgassen und Verbindungselementen, welches einen konzentrierten Vorstoß von Eindringlichen unmöglich macht. Erbaut ist alles aus dem grob gebrochenen, lokalen Vulkangestein.

Zeitreise ins Mittelalter

Was die Mastix-Dörfer auf Chios so besonders macht, ist ihr Erhaltungszustand: alles steht noch so da wie im Mittelalter angelegt! Man fühlt sich wie ein Zeitreisender, wenn man durch die verschlungenen Pfade und Tunnel läuft – und oft genug folgt man dem falschen Weg und landet vor einer massiven Wand, bevor man es auf den zentralen Platz geschafft hat.

Einige Häuser sind liebevoll renoviert und beherbergen Tavernas, Cafés und Unterkünfte, sehr viele aber stehen auch leer, womöglich schon sehr lange, denn für den mittelalterlichen Originalzustand gibt es sehr traurige Gründe: als Vergeltung für den griechischen Freiheitskampf ermordeten die osmanischen Besatzer im April 1822 rund 25.000 Einwohner und verkauften die restlichen 45.000 in die Sklaverei, wodurch die Entwicklung der Insel zu einem abrupten Halt kam; erst 1912 wurde die Insel endlich wieder Bestandteil Griechenlands, aber die darauf folgenden Jahrzehnte waren nun auch nicht unbedingt geeignet, den Glanz vergangener Zeiten wiedererstehen zu lassen.

Farbenrausch am Paralia Didima

Neben den Mastix-Dörfern bietet sie Insel aber auch eine Menge schöner Natur: während der Süden eher hügelig ist, ragen im Norden Berge bis knapp 1300 Meter in die Höhe. Ausgedehnte Wälder bezeugen, dass es hier genug Regenfälle gibt, und die aus zerklüftetem Vulkangestein bestehende Küste umschließt viele traumhafte Buchten und Strände, darunter solche Besonderheiten wie den Strand Mavra Volia, der vollständig aus rundgeschliffenen, schwarzen Lava-Kieseln besteht.

Der schwarze Strand Mavra Volia

Bemerkenswert ist übrigens auch, mit wie vielen Besuchern man all dies teilen muss: während man in den Mastix-Dörfern noch vereinzelte Touristen trifft, hat man die gesamte Bergregion im Norden quasi für sich allein! Hier gibt es kaum noch Dörfer, die Natur selbst ist die Attraktion; wir erklimmen in Serpentinen die Bergflanken und bewundern das Licht der schon tiefer stehenden Sonne auf den Gipfeln, während sich der Tag – und damit unser Ausflug – langsam dem Ende entgegen neigt.

Emborio / Chios

Ab Montag versprechen die Wetterdienste endlich wieder Nordwind; dies wollen wir uns zu Nutze machen, um auf die nächste Insel weiterzureisen: nach Samos soll es gehen! Allerdings ist der Weg dahin recht weit und der Wind soll erst im Tagesverlauf an Kraft gewinnen, und so beschließen wir, noch eine Übernachtung an der Südspitze von Chios einzulegen. Viel günstiger wäre ein Stopp an der türkischen Küste, aber so einfach, wie wir das aus dem Schengen-Raum gewohnt sind, ist es ja nun leider nicht überall: wir müssten einen offiziellen Hafen anlaufen und dort einklarieren – und zurück in Griechenland das gleiche Spiel nochmal! Also, mal eben in der Türkei übernachten ist nicht …

Analipseos-Kapelle, Emporio

Stattdessen steuern wir also die kleine Bucht von Emborio an, den letzten Ankerplatz an der Südostküste, welcher noch Schutz gegen Nordwind und -welle bieten kann; und tatsächlich, schon beim Heransegeln an den Küstenabschnitt fällt uns das Tuch ein, und in der Ankerbucht bekommen wir die ganze Nacht nichts davon mit, wie der Nordwind laut Vorhersagen immer mehr zulegt – so soll das sein! Auch die Umgebung ist still und friedlich, wir schauen auf eine kleine Kapelle, in den wenigen Häusern des Ortes ist nicht viel los – die Saison ist vorüber. Gleich nebenan liegt übrigens Mavra Volia, der schwarze Strand – aber da waren wir ja gestern mit dem Auto, also bleiben wir an Bord und genießen den Abend!

Limnionas / Samos
Hinter uns leuchtet die Morgensonne auf Chios

Mit Sonnenaufgang lichten wir den Anker und verlassen Chios – zunächst unter Motor, denn es wehen kaum 5 Knoten Wind in unserer Ankerbucht. Wir sind schon recht verunsichert, ob der von allen Vorhersagen angekündigte Starkwind nun eintrifft oder nicht, aber wir haben ja am Vortag das Ausmaß der Abdeckung durch die Küste erlebt; daher motoren wir mit zweifach gerefftem Großsegel ohne Wind auf Kurs Südost, was sich schon etwas merkwürdig anfühlt 🙂

Aber wir müssen nicht lange warten: zwei bis drei Seemeilen ab der Küste stellt sich ein schöner Nordwind von 15 bis 20 Knoten ein! Der Motor hat Ruhe, und mit Klüver und reduziertem Großsegel machen wir gute Fahrt Richtung Samos.

Samos begrüßt uns mit Föhnfrisur

Gegen Mittag wundern wir uns aber doch langsam, denn die vorhergesagten Windstärken sind noch nicht erreicht – sollen wir nicht doch ausreffen? Aber gut, dass wir uns dagegen entscheiden: gegen 15 Uhr, als wir langsam in den Bereich der Winddüse zwischen den hoch aufragenden Inseln Samos und Ikaria kommen, legt es binnen kürzester Zeit auf die angesagten 6 Beaufort zu – und darüber hinaus! Wir jagen mit 7 Knoten Samos entgegen, bis wir bei rasch zunehmender Wellenhöhe immer mehr Wasser in Lee übernehmen und vom Klüver- auf das Kuttersegel wechseln; damit machen wir immer noch über 5 Knoten, das genügt! Die über 1400 Meter aufragenden Gebirge bewirken die Bildung einer großen Konvektionswolke über der Nordflanke der Insel – am sonst wolkenlosen Himmel ein bemerkenswerter Anblick.

Erst nach dem Runden des Südwestkaps Agios Domenikos deckt uns die Insel vom Wind ab – aber kurz vorm ersten möglichen Ankerplatz ist der Wind wieder voll da, ja, er wird sogar noch durch den mächtigen Berg vor uns verstärkt und pfeift in Böen von 35 Knoten über den Ankerplatz! Immer wieder begegnen wir hier zwei Situationen: hinter bergigen Inseln gibt es entweder gar keinen Wind oder doppelt so viel wie davor – aber welchen der beiden Effekte eine Insel machen wird, weiß man erst, wenn man da ist …

Ankern mit Gebirgsaussicht

Wir lassen uns davon aber nicht abschrecken, der Ankergrund ist hervorragend und die Aussicht auf die majestätische Felswand direkt vor uns hinreißend, also freuen wir uns über 46 schnell zurückgelegte Seemeilen und vertrauen uns unserem Ankergeschirr an, während stürmische Winde am Rigg zerren – durchaus gemütlich 🙂

Im Laufe der Nacht lässt der Wind aber nach, und so verbringen wir eine gute erste Nacht vor Anker auf Samos.

Ormos Marathokambou / Samos

Am Mittwochmorgen weht so wenig Wind, dass wir unter Motor den Ankerplatz verlassen müssen; unser Ziel ist der Hafen von Ormos Marathokambou, nur wenige Seemeilen östlich gelegen. Wir staunen nicht schlecht, als wir 20 Minuten später wieder 30 Knoten vom Windmesser ablesen können – in Wahrheit hat der Wind also über Nacht gar nicht abgenommen, sondern nur geringfügig die Richtung geändert, so dass er nun östlich des Gebirges über die Insel fegt statt westlich wie in der Nacht zuvor; eine weitere Erfahrung zum Thema ‘Windabdeckung oder Windverstärkung’ …

Abendhimmel über dem Kerkis-Gebirge

Wir beschließen jedenfalls, dass uns das zu heftig ist um in einen unbekannten, kleinen Hafen einzulaufen, zumal sich vorm Strand direkt westlich des Hafens hervorragender Ankergrund anbietet, dem die Mole noch zusätzlichen Schwellschutz schenkt; wir ankern also wieder, und bekommen nach einem entspannten Nachmittag einen sensationellen Abendhimmel über den Bergen von Samos geboten.

Blick über Ormos Marathokambou

Am nächsten Morgen fahren wir eben um die Mole und biegen in den Hafen ein – und stellen zunächst mal fest, dass man auch bei Starkwind hätte einlaufen können, der Yachthafen bietet so viel Platz an nagelneuen Piers, dass man zu jeder Windrichtung passende Längsseitsplätze finden kann … aber besser etwas zu umsichtig, als bei 35 Knoten Seitenwind rückwärts vor Buganker anlegen zu müssen und dabei in den Nachbarn zu dengeln!

Hafenpromenade, Ormos Marathokambou

Trotz des gepflegten Erscheinungsbildes und der funktionierenden Strom- und Wasseranschlüsse  ist das Liegen kostenlos – hier soll mal eine Marina entstehen, aber ob das Wirklichkeit wird, bevor die Anlagen wieder verfallen sind, das weiß man in Griechenland nie …

Uns jedenfalls gefällt der Hafen wie auch der kleine Ort – der mit etlichen Tavernas, einem Minimarkt, zwei Bäckereien und einer Tankstelle mit angeschlossener Autovermietung alles bietet, was man braucht – auf den ersten Blick, und wir reservieren uns gleich einen Mietwagen für den folgenden Tag.

Der berühmte Satz …

Am Freitag erkunden wir also Samos; unser Weg führt uns zunächst an der Südküste entlang bis zum Ort Pythagoreio, benannt nach dem berühmtesten Sohn der Insel: Pythagoras von Samos (ca. 570 – 510 v. Chr.). Dem nach dem Philosophen und Mathematiker benannten Dreieckssatz konnte wohl in den letzten zweieinhalbtausend Jahren niemand in der Schule entgehen (sofern er denn eine besucht hat – wir klammern also das Mittelalter mal aus).

… und sein Namensgeber

Pythagoras befindet sich aber in guter Gesellschaft: auch der Philosoph Epikur wurde hier geboren (341 v. Chr.), ebenso wie der Astronom Aristarchos (310 v. Chr.), auf den das erste heliozentrische Weltbild zurückgeführt wird; auch der Historiker Herodot, der ‘Vater der Geschichtsschreibung’, lebte zeitweise auf der Insel. Beschäftigt man sich mit dem Leben und Wirken solcher Menschen, muss man doch staunen, in welcher Blüte die Wissenschaften im alten Griechenland standen – ein Wissen, welches wir dann zwei Jahrtausende später während der Renaissance ‘wiederentdecken’ durften.

Pythagoreio

Pythagoreio jedenfalls ist ein recht touristischer Hafenort mit einer ausgedehnten Seepromenade, an deren Ende dem Namensgeber ein Denkmal gesetzt wurde; auch ein paar hübsche Altstadtgassen gibt es, an der Ruine der türkischen Festung gelegen. Nicht weit entfernt befand sich im Altertum eine gewaltige, der Göttin Hera gewidmete Tempelanlage, von der leider bis auf eine einzige Säule nichts stehengeblieben ist.

Blick über Samos-Stadt

Weiter geht die Fahrt an die Nordküste der Insel; hier befindet sich an einer tief eingeschnittenen Bucht der Hauptort der Insel, Kato Vathy oder einfach nur Samos genannt. Obwohl hier auch nur knapp 7000 Menschen leben, kommt der Ort uns schon recht städtisch vor – viel Verkehr, viele Menschen, so etwas ist man ja kaum noch gewohnt 😉

Beim Erdbeben vom 30. Oktober letzen Jahres, welches wir auf Pano Kouphonisi erlebt haben, sind hier zwei Menschen ums Leben gekommen, und zahlreiche historische Gebäude schwer beschädigt worden; wir sehen einige arg in Mitleidenschaft gezogene Fassaden, die weiträumig abgesperrt sind und durchaus den Eindruck machen, zeitnah ganz zusammenbrechen zu können (der Grad der Baufälligkeit, bei dem man hier ein Gebäude absperren zu müssen glaubt, unterscheidet sich signifikant von den in Deutschland angewandten Kriterien 😉 ).

Zum Höhepunkt des Tages wird für uns die Fahrt entlang der Nordseite des Ambelos-Gebirges zurück in den Westen der Insel; wir machen einen Abstecher ins Bergdorf Manolates, lassen dort das Auto stehen und wandern gut zwei Stunden in 400 bis 600 Metern Höhe durch die bezaubernde Berglandschaft zum Nachbardorf Stavrinides. Üppig grüne und intensiv duftende Nadelwälder wechseln sich mit zerklüfteten Felsen und Olivenhainen ab; da wir häufig im Schatten der Berge gehen, lässt sich die Temperatur sehr gut aushalten. Die Wanderwege sind zahlreich und gut gekennzeichnet (hier zu Lande nicht unbedingt die Regel), womit sich Samos wirklich auch für einen Wanderurlaub empfiehlt.

Bergpanorama auf Samos

Über den Hafenort Karlovasi fahren wir zurück nach Ormos Marathokambou; der Tag ist schnell vergangen, und wir haben eine sehr vielseitige und schöne Insel kennengelernt.

Dort verbringen wir auch noch den Samstag – es ist herrliches Wetter, um sich im Cockpit die an Bergwanderungen nicht mehr gewöhnten Beine erholen zu lassen, außerdem stehen ein paar Bootspflegearbeiten an; Wind weht auch keiner, aber das soll sich morgen ändern – dann geht die Reise weiter!