Im Thrakischen Meer (04.09. – 03.10.)

Nach einer kurzen Nacht verlassen wir am Samstagmorgen die Bucht von Porto Koupho und setzen nach dem Runden der Südspitze Sithonias Kurs auf den Berg Athos; wie wir es schon früher in diesem Seegebiet erlebt haben, läuft uns eine in Relation zum mäßigen (Gegen-)Wind hohe Welle entgegen, was in einem recht unbefriedigenden Vorwärtskommen resultiert; nach einiger Zeit müssen wir wieder den Motor hinzunehmen, um nicht immer tiefer in den Singitischen Golf hineingedrückt zu werden. Wir werden wieder an den Perserkönig Xerxes und sein Kanalbauprojekt quer durch den Isthmus von Athos erinnert – so schlecht war die Idee gar nicht, gäbe es den Kanal heute noch, bliebe uns etliche Mühe erspart!

Den ganzen Tag begleitet uns der heilige Berg Athos

Es ist schon 18 Uhr, als wir endlich die Südostspitze von Athos runden und den Kurs deutlich nördlicher setzen können, so dass der den ganzen Tag wehende Südost vom Gegen- zum Halbwind wird; erfreut stoppen wir den Motor und setzen alle Segel. Kaum sind wir damit fertig – es sind wirklich keine 10 Minuten vergangen! – als der Wind schlagartig einschläft … es ist schon etwas deprimierend, dass der Wind, welcher  uns 9 Stunden beständig entgegenwehte, in dem Moment stirbt, in dem wir ihn gebrauchen könnten! Und es bleibt dabei, der Wind erreicht keine drei Knoten mehr; der Schwell  ist aber natürlich noch da, so dass es unmöglich ist, das Boot unter Segeln zu stabilisieren – statt einer Nacht ruhigen Segelns können wir den Motor also gleich wieder starten und uns weitere 8 Stunden zudröhnen lassen 🙁

Rosoukremos / Thasos
Erst am nächsten Morgen sehen wir den Strand von Rosoukremos vor unseren Ankerplatz

Wir motoren also ins Thrakische Meer, das nördliche Nebenmeer der Ägäis, welches sich von Athos im Westen bis zur Halbinsel Gallipoli im Osten erstreckt. Kurz vor zwei Uhr in der Nacht erreichen wir nach 60 Seemeilen die Insel Thasos; wir ankern in tiefer Finsternis – bald ist Neumond – vorm Strand von Rosoukremos, was aber auf reinem Sandgrund kein Problem darstellt, nur etwas unheimlich ist es, die Wellen am Strand voraus hören zu können, ohne wirklich etwas zu sehen; die Wunder moderner GPS-Navigation …

Nach einigen Stunden Schlaf und einem ausgiebigen Bad, bei dem wir auch den zahlreichen Seepocken zu Leibe rücken, welche sich während des Aufenthalts in Thessaloniki auf dem Unterwasserschiff breit gemacht haben, verholen wir uns in den nahe gelegenen Hafen von

Limenaria / Thasos

Hier finden wir einen perfekten Längsseitsplatz an der nagelneuen Kaimauer, der es uns erlaubt, auch bei dem für die nächsten Tage angesagten Starkwind die ‘Orion’ mal alleine zu lassen. Auch für hübsche Strom- und Wassersäulen haben die EU-Gelder noch gereicht; nur die Verbindung mit dem Stromnetz lässt wohl seit mehreren Jahren auf sich warten – ja, wir sind eben in Griechenland 🙂 Dafür ist es nett und völlig kostenlos, wer wird sich da über fehlenden Strom beschweren …

Sicherer Hafen: Limenaria

Den Sonntagnachmittag sowie den ganzen Montag hängen wir erst mal in Limenaria ab – der Alarmstart in Thessaloniki und die folgenden drei langen Tage hängen uns doch noch nach. Aber gelohnt hat es sich, letzten Donnerstag konnten wir ja wirklich toll segeln, und am heutigen Montag setzt der Meltemi auch wie angekündigt in solcher Stärke ein, dass eine spätere Überfahrt nach Thasos völlig unmöglich gewesen wäre.

Dienstag weht es auf See immer noch mit 8 bis 9 Windstärken, wovon wir aber im Hafen von Limenaria nur die Hälfte abbekommen; inzwischen wieder ausgeruhter, mieten wir uns ein Auto und erkunden die Insel.

Thasos: weiße Klippen und grüne Pinienwälder prägen die Insel

Thasos ist die nördlichste Insel der Ägäis; sie ist annähernd rund und durchgehend gebirgig, das Ypsarion-Massiv ragt über 1200 Meter aus dem Meer. Dadurch findet man auf der Insel eine Vielzahl von Bodenschätzen wie Gold, Silber, Kupfer und Blei, die hier seit dem Altertum abgebaut und verarbeitet werden. Aber auch das Gestein selbst ist begehrt: überall auf der Insel findet man Marmor, der von der Antike bis zur heutigen Zeit abgebaut und exportiert wird. Als Folge davon sind die Nebenprodukte des Abbaus – Marmorbrocken und -schotter – überall auf der Insel als Baumaterial zu finden. Für uns, die wir an die Kostbarkeit des Materials gewöhnt sind, ist es schon merkwürdig, Hafenmolen aus Marmorbrocken zu sehen oder auf schneeweißen Schotterpisten in die Berge zu fahren …

Das Kloster des Erzengels Michael blickt über die stürmische See gen Athos am Horizont

Durchgängig befahrbar ist nur eine etwa 100 Kilometer lange Ringstraße um die Insel; von dort ziehen sich Stichstraßen zu den Bergdörfern, die früher die Besiedelungszentren waren, ihre Bedeutung jedoch an die Küstenorte abtreten mussten, als die Zeit der regelmäßigen Piratenüberfälle vorüber war. So sind von der ehemaligen Hauptstadt Kastro nur noch Ruinen übrig, die allerdings in neuerer Zeit wieder zu Ferienhäusern aufgebaut werden.

Wir erfreuen uns an der wilden Küstenlandschaft – der heftig auf die Nordostseite der Insel treffende Meltemi trägt seinen Teil dazu bei – und den grünen Gebirgslandschaften. Überall sieht man noch Spuren der Waldbrände, die vor einigen Jahren die Insel heimgesucht haben; viele Bäume haben die Feuer aber auch überlebt, nur ihre schwarz-verkohlte Rinde kündet noch von der Katastrophe.

Viel los in Panagia und anderswo auf Thasos

Die Dörfer sind lebendig und von vielen Touristen, vor allem aus den Balkanstaaten, besucht; zum Teil ist es uns tatsächlich etwas zu voll, die winzigen Dorfdurchfahrten kollabieren unter dem Ansturm der Mietwagen. Um die heutige Inselhauptstadt Limena finden sich zahlreiche Ausgrabungen aus der Antike, selten sind aber mehr als die Fundamente von Tempeln und Gebäuden erhalten. Die in die steilen Hänge gebauten Bergdörfer erfordern zum Teil gute Nerven beim Befahren mit einem PKW – Esel wären hier angebrachter – und leben heute von den Touristen, denen sich hier zahlreiche Tavernen zur Einkehr anbieten.

Der ‘Wasserfall’

Wir machen auch eine Wanderung zu einem kleinen Stausee, aus dem sich ein ‘Wasserfall’ ergießt – nun, bei gutem Willen kann man den Wasserstrahl als armdick bezeichnen, der ein paar Meter an den Felsen herabfließt 🙂 Aber für Wasserfälle kommt man ja auch nicht nach Thasos, eher schon für Olivenhaine – über Kilometer ziehen sich im Tal von Maries die jahrhundertealten, knorrigen Bäume.

Leider zeigt sich der Himmel an unserem Ausflugstag meistens bedeckt – damit rechnet man ja gar nicht mehr nach monatelangem Sonnenschein! Aber wir versuchen die Vorteile zu sehen: es ist nicht so heiß, wenn man mal herumlaufen möchte 🙂

Die nächsten zwei  Tage kommt es noch dicker: nicht nur, dass sich Wolken am Himmel breit machen, es regnet auch noch! Das haben wir nicht gebucht … also bleiben wir an Bord im Hafen von Limenaria und verlassen das Boot nur, um mal wieder zu erleben, wie nett, lecker und preiswert man hier ein Abendessen in der Taverna bekommt 🙂

Kavala
Hafen, Altstadt und Kastro von Kavalla begrüßen den Seefahrer

Am Freitagmorgen scheint aber wieder die Sonne, wie sich das gehört, und so verlassen wir bei schwachem Wind den Hafen, um nördlichen Kurs auf die größere Hafenstadt Kavala zu nehmen. Nach einiger Zeit stellt sich sogar sanfter Südwind ein, mit dem wir bis vor die Hafenmolen segeln können – offenbar der gleiche thermische Wind, den wir schon um Chalkidiki kennengelernt haben und der sich immer dann durchsetzt, wenn es keinen ‘echten’ Wind gibt.

Wir freuen uns, noch einen Platz an der äußersten Pier zu bekommen, die laut Revierführer für Gäste vorgesehen sein soll. Stromsäulen gibt es auch – allerdings braucht man für die eine Chipkarte. Kein Problem, denken wir, und laufen zur Hafenverwaltung, um uns anzumelden. Dort ist aber Freitag um 17 Uhr schon geschlossen … die Hafenpolizei in der Etage darüber rückt die Telefonnummer eines gewissen Pavlos raus, den sollen wir anrufen – der meldet sich aber nicht und ruft auch nicht zurück. Zurück am Hafen raten uns zum hiesigen Yachtclub gehörende Einheimische, zum Schrankenhäuschen am Parkplatz zu gehen, die verkauften auch die Karten; der nach einer halben Stunde aufgetriebene Parkplatzwärter weiß davon aber nichts und schickt uns zum anderen Parkplatz am entferntesten Ende des Hafens; dort bekommen wir nach einer halben Stunde Fußmarsch von seinem dortigen Kollegen aber die gleiche Antwort. Gegenüber ist das Fährterminal, dort sprechen wir jemanden von der Küstenwache an; der freundliche Offizier zückt sein Smartphone und telefoniert 10 Minuten, bis er schließlich die gleiche Telefonnummer ermittelt hat, die wir schon von der Hafenpolizei bekommen hatten; bei dem auf Griechisch geführten Gespräch fielen keine uns bekannten Schimpfworte (aber wir kennen ja auch nur die Grundausstattung), doch danach kündigte Pavlos ganz hilfsbereit an, uns eine Karte zum Boot zu bringen – was er dann auch um kurz nach 20 Uhr getan hat, nachdem wir den ganzen Weg dorthin zurückgelaufen waren. Die Karte samt 32 Euro Guthaben und normalerweise fälliger Kaution hat er uns dann einfach so dagelassen – ach, wir sehen uns schon noch … so haben wir in drei Stunden mal wieder alle Vor- und Nachteile Griechenlands auf einmal präsentiert bekommen: nichts läuft, aber alle sind nett, hilfsbereit und vertrauensvoll.

Kavala, Fischereihafen und Neustadt

Am Samstag erkunden wir die Stadt; Kavala hat etwa 70.000 Einwohner, wirkt aber auf uns eher größer, da die zur Verfügung stehende Fläche durch die umliegenden Berge begrenzt ist und sich daher die Häuser dicht an dicht drängen und in die Höhe wachsen. Vor 2700 Jahren wurde die Stadt als Kolonie von Thasos gegründet – man kann ermessen, welche Bedeutung damals die Insel hatte. Die nächsten Jahrtausende vergehen mit der landestypischen Abfolge römisch – byzantinisch – venezianisch – osmanisch, von denen jede Epoche ihre Baudenkmäler hinterlassen hat: so gibt es ein hervorragend erhaltenes römisches Aquädukt, eine ebenso sehenswerte byzantinische Burg, sowie das prächtige Geburtshaus von Muhammad Ali (nein, nicht der Boxer …).

Wir besichtigen das Kastro, von dessen Turm sich eine herrliche Aussicht über die ganze Stadt und das Umland bietet, und laufen durch die steilen Gassen der Altstadt. Die näher am Hafen gelegene Neustadt hat architektonisch wenig zu bieten, aber die Fußgängerzone mit ihren vielen kleinen Geschäften, Cafés und Restaurants wirkt einladend und bietet sich zum Shopping und Ausgehen an. Direkt an unserem Ende des Hafens gibt es einen kleinen Vergnügungspark mit Riesenrad, welches am Abend bunt beleuchtet ist. Wir fühlen uns hier wohl!

Blick vom Turm des Kastros über Hafen, Stadt und Berge

Unseren ‘Kartenbeauftragten’ Pavlos sehen wir übrigens weder am Samstag noch am Sonntagvormittag wieder; die Chipkarte deponieren wir zusammen mit dem großzügig aufgerundeten Stromverbrauch von knapp drei Euro im Café – von einem eventuellen Liegegeld war nie die Rede …

Limenas / Thasos

Sonntagmittag verlassen wir Kavala, um mit Hilfe des nachmittäglichen Seewindes die 17 Seemeilen bis Limenas, dem Haupthafen von Thasos an der Nordseite der Insel, zurückzulegen – und tatsächlich geht der Plan auf, wir können nach dem Setzen der Segel den Motor ausschalten und mit halbem Wind von rund 10 Knoten durch die fast völlig glatte See gleiten – sehr schön ist das!

Blick über den alten Hafen von Limenas

Der neue Hafen von Limenas bietet dem Sportbootfahrer nichts außer endlos viel Platz längsseits an den langen Molen – dafür kostet er natürlich auch nichts. Nebenan im alten Hafen ist es gemütlicher, aber auch enger und recht untief, hier liegen eigentlich nur Fischer und ein paar einheimische Segelboote, die Tagestouren anbieten. Wir bleiben am Montag noch hier, um nochmal in Ruhe durch den recht touristischen und dennoch wirklich netten Ort gehen zu können, den wir im Rahmen unserer Autorundfahrt letzte Woche nur kurz besuchen konnten. Diesmal schaffen wir es auch, das antike Theater zu finden – nur ist es dummerweise wegen Restaurierungsarbeiten geschlossen … macht nichts, Ruinen hatten wir ja schon reichlich 🙂

Aliki / Thasos

Dienstag kehren wir den Plan vom Sonntag um: wir brechen gleich nach dem Frühstück auf, um noch den nächtlichen Landwind mitnehmen zu können für eine Reise entlang der Ostküste nach Süden. Zunächst ist dieser aber einfach zu schwach, und wir müssen noch motoren; als wir aber aus der Passage zwischen Thasos und dem Festland herauskommen, wird der Wind kräftiger, und wir können einige Stunden unter Gennaker segeln.

Golden Beach, Thasos

Vorbei zieht der ‘Golden Beach‘, einer der meistbeworbenen Strände von Thasos – nicht ohne Grund, wir blicken auf kilometerweise besten Sandstrand, und vor allem der Hintergrund ist beeindruckend: statt einer Wand aus Beton wie an den meisten Stränden Spaniens zieht sich dort eine majestätische Bergkette von über 1000 Metern Höhe entlang. Immer wieder fallen die schneeweißen Flecken in den bewaldeten Berghängen auf: hier wird der Marmor, das weiße Gold der Insel Thasos, abgebaut.

Marmorklippen säumen die Einfahrt nach Aliki

Am späten Mittag erreichen wir die Ankerbucht Aliki; hier bildet eine kleine Halbinsel perfekten Schutz vor dem praktisch ständigen Schwell aus Nordost und rahmt einen Badestrand ein, der es zwar an Länge nicht mit dem ‘Golden Beach‘ aufnehmen kann, aber ansonsten sicher zum Schönsten gehört, was die Insel zu bieten hat: die Spitze der Halbinsel besteht nämlich auch großenteils aus Marmor, und so segelt man an weißen Klippen entlang und ankert auf einem Sandgrund, der so weiß und gleichmäßig ist, dass man sich kaum wagt, seinen Anker darauf fallen zu lassen 😉

Perfekt: vor Anker in Aliki

Am Strand herrscht reger Badebetrieb; es hat heute wieder knapp 30 Grad bei wolkenlosem Himmel, in der Sonne fühlt es sich noch beliebig viel wärmer an – da kommt es ganz gelegen, dass das Wasser schon etwas erfrischender ist als noch im Juli auf Chalkidiki. Wir schnorcheln entlang der spektakulär zerklüfteten Marmorfelsen bis zur Spitze der Halbinsel; hier finden sich Reste eines antiken Steinbruchs, wo man seit 2000 Jahren unfertige Säulentrommeln bewundern und auf tonnenschweren Liegen aus rundgeschliffenem, glitzernd-weißen Marmor in der Sonne baden kann. Wirklich überall stehen Schwärme aus dutzenden bis hunderten Fischen – ein besonderes Erlebnis, durch diese hindurchzutauchen und die Koordination der Bewegung der unzähligen kleinen Fische zu beobachten: der Schwarm verhält sich wie ein formbarer Organismus, öffnet geschmeidig eine Lücke für den Schwimmer und schließt diese wieder nahtlos.

Perfekter Schutz, perfekter Ankergrund, regelmäßige Tiefen und wunderschöne Umgebung: sicher ist Aliki einer unserer schönsten Ankerplätze – und überhaupt, nachdem wir so viele Tage in Häfen gelegen haben, tut es wirklich gut, mal wieder in einer richtigen Naturbucht zu ankern!

Kamariotissa / Samothraki

Nach einer ruhigen Nacht verlassen wir relativ früh am Mittwochmorgen den Ankerplatz; für den Vormittag ist etwas Nordwind versprochen, der gegen Mittag nach vorübergehender Flaute durch Südwind ersetzt werden soll. Das ist zwar keine berauschende Vorhersage für die gut 35 Seemeilen lange Überfahrt nach Samothraki, doch immer noch besser als Gegenwind …

Wie ein einziger Fels erhebt sich Samothraki aus dem Meer

Der Nordwind erhebt sich nicht über eine Geschwindigkeit von vier bis 5 Knoten – damit lässt sich nichts anfangen, also läuft bis zu Mittag mal wieder der Motor. Ab 13 Uhr beginnt aber der Wind tatsächlich aus Südwest zu wehen und schwingt sich auf 8 bis 9 Knoten auf, so dass wir endlich den Gennaker setzen und die zweite Tageshälfte angenehm segeln können; bald beginnt sich auch der Umriss von Samothraki am Horizont abzuzeichnen. Die Insel ist deutlich kleiner als Thasos, ragt aber mit über 1600 Metern noch höher aus dem Wasser auf; aus der Entfernung meint man auf einen einzigen, aus dem Meer aufragenden Felsen zuzufahren.

Als wir gegen 19 Uhr den Hafen von Kamariotissa (den einzigen brauchbaren auf der Insel) erreichen, ist es sehr warm und feucht, und am Himmel ziehen sich drohende Wolkenberge zusammen – gerade noch rechtzeitig! Kurz darauf zieht ein Gewitter über uns hinweg und bringt auch etwas Regen mit, danach klärt sich er Himmel aber schnell wieder auf.

Auch am nächsten Tag strahlendes Wetter – wir erkunden den Ort und die hiesigen Einkaufsmöglichkeiten (mit dem Schwerpunkt auf den ‘Ζαχαροπλαστεία’, den Konditoreien …) und erholen uns ansonsten vom doch recht langen Schlag am Vortag (wir staunen immer wieder, wie erschöpft man doch nach 12 Stunden Wind und Sonne ist, auch wenn man im engeren Sinne keine harte Arbeit geleistet hat).

Die alte Chora schmiegt sich in die Berghänge

Freitag aber wollen wir mehr von der Insel sehen: wir fahren mit dem (immerhin mehrmals täglich verkehrenden) Linienbus für landesüblich kleines Geld in die Chora, die alte Inselhauptstadt. Während die Menschen früher auf allen ägäischen Inseln eher in den Bergen gesiedelt haben, um sich besser vor Piratenüberfällen schützen zu können, haben in jüngerer Vergangenheit diese Siedlungen meist zu Gunsten der Hafenorte an Bedeutung verloren und sind teilweise völlig verlassen und verfallen; auf Samothraki dagegen hat dieser Vorgang erst viel später eingesetzt, einfach weil es aufgrund der abweisenden Küste keinen attraktiven Hafenort gab. Erst in den 90er Jahren wurde der Hafen von Kamariotissa mit einer künstlichen Schutzmole versehen, so dass der Ort wachsen konnte und heute Besiedelungs- und Verwaltungszentrum der Insel ist; die Chora jedoch ist nach wie vor ein lebendiger Ort – und sehr malerisch noch dazu: in den steilen Berghang schmiegen sich viele alte Häuser um enge Gassen und Treppen, unter alten Platanen sitzt man vor den Cafés und Tavernas; darüber wachen die Ruinen des alten Kastros, welche man kostenlos besichtigen kann und dazu sogar noch einen Infoflyer ausgehändigt bekommt.

Tempelreste im ‘Heiligtum der großen Götter’

Gestärkt von einem großen griechischen Mokka und köstlichem Gebäck machen wir uns auf den Fußmarsch Richtung Norden nach Paleopoli – diese ‘alte Stadt’ ist zwar heute praktisch nicht mehr existent, aber hier befinden sich die berühmtesten archäologischen Stätten der Insel, das ‘Heiligtum der großen Götter’. Dabei handelt es sich um das wichtigste Heiligtum der Kabiren-Verehrung, eines Mysterienkults, von dessen Herkunft und Inhalt man heute nur noch wenig weiß – und der gerade deshalb natürlich die Phantasie der Menschen anregt. Mythologisch sind die Kabiren jedenfalls eng mit der Seefahrt verknüpft, also kann es für einen Segler in jedem Fall nicht verkehrt sein, die Reste ihrer Tempel besucht zu haben 🙂

Blick auf den Platz der Initiation

Der berühmteste Fund der Ausgrabungen wurde 1863 getätigt: da fand der damalige französische Vizekonsul im Osmanischen Reich die Bruchstücke der Nike von Samothrake, einer überlebensgroßen Skulptur der Siegesgöttin, die seitdem das Vorbild für zahlreiche ähnliche Darstellungen weltweit geworden ist, so zum Beispiel in Berlin auf der Siegessäule. Die Statue wurde damals nach Paris verbracht, wo sie heute noch im Louvre zu besichtigen ist; seit der NS-Zeit nennt man so etwas Kunstraub, aber vorher war das offenbar ganz normal …

Marmor-Lego: noch viel zu tun für die Archäologen …

Der besonderen Atmosphäre im Gelände des Heiligtums kann man sich auch nach Jahrtausenden kaum entziehen; ein tief eingeschnittenes Tal umrahmend, liegen die Tempelruinen unter dem majestätischen Panorama des zentralen Gebirges. Leicht kann man sich vorstellen, dass der Vorläufer des Kabirenkults die Verehrung lokaler Naturgottheiten war – immerhin ist eine Besiedelung der Insel seit 8000 Jahren belegt, da stellt die hellenische Zeit ja nur die ‘jüngere Vergangenheit’ dar.

Zum Abschluss eines gelungenen Tages wandern wir noch eine gute Stunde entlang der Küstenstraße nach Kamariotissa zurück; dabei ist es ganz schön warm, aber wir sind froh, dass solche Ausflüge nach der extremen Hitze im Sommer überhaupt wieder möglich sind.

Aussichten fürs Wochenende: Blick vom Liegeplatz über den Hafen

Der Samstag sollte eigentlich ein ruhiger Tag zur Erholung werden: da die Busse auf der Insel am Wochenende nicht fahren, sind wir erst mal an weiteren Ausflügen gehindert. Ab späten Nachmittag wird es aber doch noch aufregend: ein Gewitter zieht über die Insel, wie wir selten eines erlebt haben. Binnen Minuten steigt der Luftdruck um 5 Hektopascal, während die Temperatur um ebensoviele Grade sinkt, der Wind dreht um 180 Grad, und aus dem Nichts erfassen Böen mit bis zu 54 Knoten das Boot – das ist fast Windstärke 11! Das Wasser im Hafen scheint zu kochen, die Boote reißen wild an ihren Leinen, und Gischt fliegt über die meterhohe Betonmole – na, wenn einen so etwas auf See erwischt ….

Nach einer halben Stunde ist der Spuk weitestgehend vorbei, dafür hält der Abend noch eine unangenehme Überraschung für uns bereit: mit dem Versiegen des Solarstroms schaltet sich der Kühlschrank ab. Wie kann das, die Batterien sind doch noch zu 76% voll?!? Aber die Spannung ist viel zu niedrig, da stimmt was nicht … nach kurzer Zeit ist der Verursacher identifiziert: eine der 12 Zellen, die (zu je drei Zellen im 6V-Block) in Reihe geschaltet unsere Verbraucherbatterie ergeben, ist defekt und liefert keine Spannung mehr – da hilft es auch nichts, wenn die anderen 11 sich noch so viel Mühe geben. Wir müssen also zusehen, dass wir irgendwo Ersatz für einen der 6V-Blöcke auftreiben können … aber höchstwahrscheinlich nicht auf Samothraki und ganz sicher nicht am Sonntag.

Am Montag fahren die Busse wieder, und so können wir einen weiteren Ausflug machen; diesmal steht eine Wanderung auf der wasserreichen Nordseite der Insel auf dem Programm. Der Bus fährt schon um 6:30 (um die Schulkinder aus den kleinen Siedlungen abzuholen) und danach erst wieder am frühen Nachmittag, also müssen wir früh raus.

Wir folgen dem Fluss Phonias stromaufwärts

Der freundliche Busfahrer setzt uns auf einem Parkplatz an der Mündung des Flusses Phonias ab; von hier führt uns der Weg im ersten Tageslicht zunächst sanft ansteigend durch einen märchenhaften Wald aus uralten Platanen, knorrig und ausladend, häufig mit Höhlen im Stamm, die groß genug sind um einen Menschen aufzunehmen.

Ein richtiger Wasserfall!

Schon bald erreichen wir den ersten Wasserfall, der sich aus 15 Metern Höhe in ein Becken ergießt, im welchem das Wasser durch die natürliche Bodenform aufgestaut wird; solche Pools heißen ‘vathra‘ und sind auf der Insel in großer Zahl zu finden. Für norwegische Verhältnisse sind die Wassermengen nicht beeindruckend, aber dieser Wasserfall stellt alles in den Schatten, was wir in Griechenland bislang gesehen haben! Überhaupt ist es faszinierend, wie völlig anders die Welt auf dieser Seite der Gebirgskette aussieht: während die dem Hafen zugewandte Seite braun, trocken und abweisend ist, hüllen sich die gegenüberliegenden Bergflanken in dichtes, geradezu urwaldartig anmutendes Grün – ein herrlicher Anblick für den an Trockenheit etwas übersättigten Reisenden!

Immer tiefer führt uns der Pfad in die Berge

Die Beschaffenheit des Weges ändert sich nun schlagartig: es geht steil bergauf, in den Felsen sind sogar eiserne Krampen geschlagen, um den Aufstieg zu erleichtern; passend dazu warnen große Schilder den flipfloptragenden Touristen davor, sich tiefer in die Natur zu begeben.

Der mit 35 m höchste Wasserfall Samothrakis

Wir lassen und nicht abschrecken und kraxeln schweißtreibende anderthalb Stunden steil Bergauf, lassen dabei die Abzweigung zum nächsten Wasserfall erst mal links liegen und erreichen schließlich den Endpunkt des Weges; hier stürzt das Wasser des Phonias 35 Meter in die Tiefe, natürlich wieder in einen natürlichen Pool – der höchste Wasserfall der Insel liegt vor uns.

Gerne wären wir noch tiefer ins Gebirge gewandert, aber der Pfad endet hier, und wir finden auch keine Möglichkeit auf eigene Faust weiterzuwandern, zu steil sind die umliegenden Felswände; wir machen uns also auf den Rückweg, nur dass wir diesmal zum zweiten Wasserfall abbiegen. Dieser hat zwar keine so große Fallhöhe, aber das vathra, in das er sich ergießt, ist zweifelsohne das Schönste seiner Art.

Ein herrlicher Ort der Ruhe

In allen Grüntönen schimmert das kristallklare Wasser und lockt mit seiner Frische den verschwitzten Wanderer; bildhübsch ist die Umgebung mit ihren glattgeschliffenen Felsformationen und alten Platanen – ein toller Ort für eine ausgiebige Rast. Wir profitieren nun davon, so früh aufgebrochen zu sein – alles hier gehört noch uns allein, wir haben bislang keine Menschenseele getroffen.

Bäume wie aus dem Zauberwald

Dies ändert sich, als wir auf dem Rückweg wieder den ersten Wasserfall und damit das Ende des steilen Abschnitts erreichen; auf einmal füllen etliche Ausflügler die Wege, und die magische Stimmung des frühen Morgens ist dahin. Schön ist es dennoch, denn nun flutet das Sonnenlicht ins Flusstal, lässt die Steine im Flussbett weiß leuchten und spielt mit den Blättern der Bäume.

Alter Wachtturm an der Mündung des Phonias

Wir gehen noch ein Stück weiter bis zur Mündung des Phonias ins Meer; hier steht die Ruine eines mittelalterlichen Wachturms, welcher einen weiten Ausblick entlang der ganzen Nordküste ermöglichte. In der Nähe befindet sich auch eine Taverna mit Tischen unter – wie sollte es anders sein – großen Platanen; hier genießen wir einen Kaffee und verbringen die Wartezeit, bis unser Busfahrer uns – zur Begrüßung hupend, man kennt sich ja nun – wieder aufsammelt und zurück nach Kamariotissa bringt.

Dort suchen wir uns am Abend noch ein nettes Lokal für ein Abschiedsessen (und werden – wie immer – problemlos fündig), denn in der Nacht soll der Wind auf Nordost drehen: gute Bedingungen für eine Fortsetzung der Reise.

Mourtzephlos / Limnos

So verlassen wir am Dienstagmorgen den Hafen von Kamariotissa; die verschiedenen Wettermodelle sagen sehr unterschiedliche Windstärken voraus, und so rechnen wir mit allem zwischen 5 und 25 Knoten. Im Schutz der über 1600 Meter  hohen Berge von Samothraki ist wenig Wind zu spüren, doch kaum verlassen wir den Hafen, frischt es erheblich auf, und beachtliche Wellen rollen von Nordosten heran. Bald können wir auf Südsüdwestkurs abfallen und rauschen  nur unter Klüver mit 5 Knoten die Wellenberge hinunter – also liegen doch die Modelle richtig, die 5 bis 6 Windstärken angesagt haben, denken wir. Es dauert aber keine Stunde, bis der Wind innerhalb von Minuten zunächst einschläft – und dann sogar die Richtung umkehrt und von vorne kommt! Was ist das, liegen doch die Schwachwindvorhersagen richtiger oder sind wir einfach in den Windschatten der Insel geraten? Wir müssen tatsächlich motoren, aber nach einer Stunde bekommen wir die Antwort: so schnell, wie der Wind weg war, ist er auch wieder da, nun aber mit 6 bis 7 Beaufort, in Böen auch gerne mal 8 – stürmischer Wind!

Erst am Nachmittag kommt die viel flachere Insel Limnos in Sicht

Das ist mehr, als irgendein Modell vorhergesagt hat – wir reduzieren zeitweise die Besegelung noch weiter und machen nur unter Kutter immer noch 6 Knoten Fahrt. Wie immer fühlt sich das Heulen im Rigg etwas unheimlich an, und die beeindruckenden Wellen schaffen es auch alle paar Minuten mal bis übers ganze Boot, aber die ‘Orion’ hat damit keine Probleme und eilt, von der Windsteueranlage perfekt auf Kurs gehalten, dem Ziel entgegen: der Insel Limnos, die wir nach etwa 40 Seemeilen und 9 Stunden erreichen.

Sonnenuntergang am Kap Mourtzephlos

Erstmöglicher Ankerplatz ist der Strand hinter dem Nordwestkap Mourtzephlos; dort liegen wir bestens geschützt vor der 2 Meter hohen See, die weiter draußen vorbeizieht; nur der Wind schafft es mühelos über die flache Landbrücke und hält sich die ganze Nacht noch bei 20 bis 25 Knoten – typisch für den Meltemi, der gerne auch über Nacht weht, während den meisten anderen Winden im Mittelmeer mit Sonnenuntergang die Puste ausgeht. Wie bekommen zur Belohnung für den windigen Tag einen klaren und tiefroten Sonnenuntergang geboten und müssen uns über Nacht erst mal wieder daran gewöhnen, dass der Anker auch bei kräftigem Wind hält – seit unserer Übernachtung vor Tinos im Juni haben wir nicht mehr bei ernsthaftem Wind geankert.

Myrina / Limnos
Blick vom Hafen auf den Burgberg von Myrina

Am Mittwochmorgen geht es gleich weiter in den Hafen von Myrina; die 8 Seemeilen legen wir bei anhaltendem Nordost, aber im Wellenschutz der Insel, ganz schnell und bequem zurück, so dass wir noch vor Mittag dort mit dem Heck zum Kai anlegen – was sich als gut erweist, denn später wird es noch ziemlich voll im Hafen.

Myrina ist mit über 5000 Einwohnern der größte Ort auf Limnos und auch der Fährhafen; hier hoffen wir Ersatz für unsere ausgefallene Batterie zu bekommen – und damit vergeht auch unser erster Nachmittag hier: der in etwa 20 Minuten fußläufig zu erreichende Autoteilehändler ist etwas überfordert mit unserem Anliegen, aber – wie immer – so hilfsbereit wie nur möglich. Die Dame des Hauses beginnt herumzutelefonieren; die ersten Großhändler erweisen sich als auch nicht ergiebig, und so bittet sie uns, später nochmal wiederzukommen, um in Ruhe nach unserer Batterie suchen zu können. Wie erledigen ein paar Einkäufe – Limnos hat einen Lidl! – und kommen zur Lagebesprechung zurück, zu der auch der Sohn der Familie hinzugezogen wird, dessen Englisch belastbarer ist. Nach wie vor gibt es aber kein Ergebnis: man wartet auf verschiedene Rückrufe und will sich melden. Das geschieht dann am gleichen Abend, als unerwartet die ganze Familie am Kai steht – um uns zu erzählen, dass es immer noch keine Ergebnisse gibt, aber noch mehrere Möglichkeiten offen sind.

Auch am folgenden Tag besuchen wir zweimal den Laden; inzwischen ist in Athen noch eine baugleiche Batterie aufgetaucht, aber die liegt schon lange auf Lager, und es muss erst getestet werden, ob die noch taugt; alternativ gäbe es ein etwas anderes Modell, aber das hat sehr lange Lieferzeit und ist teuer. Wir sind also immer noch nicht weiter, aber die ganze Familie ist im Einsatz, um uns zu helfen – wir müssen an unser kleines Stromdrama in Kavala denken: in Deutschland wäre es wahrscheinlich viel einfacher, so eine Batterie zu kaufen, aber wenn nicht, würde niemand sich so viel Mühe geben, das Problem zu lösen …

Unter wildem Wein flaniert man durch Myrina

Dazwischen können wir uns endlich auch mal um die uns umgebenden Sehenswürdigkeiten kümmern, und davon gibt es eine Menge: der Hafen liegt malerisch unter dem Kastro aus dem 13. Jahrhundert, der Ort verfügt über eine langgezogene Einkaufsstraße, die ganz mit wildem Wein überrankt ist und in der Sommerhitze herrliche Kühle verspricht. Die Geschichte der Insel reicht natürlich wie immer noch viel weiter zurück: es wurden 15.000 Jahre alte Besiedlungsspuren gefunden, und in der Frühbronzezeit, vor 6.000 Jahren, kam der Insel bereits große Bedeutung als Handelsknotenpunkt in der Ägäis zu – die damals entstandene Siedlung Poliochni gilt als älteste Stadt Europas!

Die Festungsanlagen ziehen sich über den gesamten Berg

Wir steigen zum Kastro auf, welches sich als beeindruckend umfangreiche Anlage erweist: der ganze Berg ist überzogen mit zinnenbewehrten Mauern, Bastionen, Türmen und Gebäuden, die zum Teil gut erhalten bzw. restauriert sind. Zahlreiche Infotafeln führen den Besucher durch die Anlage – wir sind mehr als erstaunt, dass es all das ohne Eintrittsgeld zu sehen gibt!

 

Neben der Festungsanlage selbst ist es der Ausblick von hier oben, der begeistert: an der Küste erstrecken sich zu beiden Seiten des Burgbergs die Ortsteile von Myrina mit dem Hafen im Süden und den ausgedehnten Stränden im Norden, und die Sonne funkelt auf dem tiefblauen Meer – auch heute ist es noch gut windig!

Blick vom Kastro über Myrina und Limnos

Auch am Freitagvormittag steht die Batterie im Mittelpunkt des Geschehens: die im Lager in Athen ‘gefundene’ ist für brauchbar befunden worden und soll sich nun auf den Weg nach Limnos machen; für uns zusammen mit dem schwachwindigen und sonnig-warmen Wetter, welches für Wochenende angesagt ist, Grund genug, erst mal dem Hafen den Rücken zu kehren und uns ein paar schöne Ankerplätze im Süden der Insel anzuschauen!

Ormos Kondias / Limnos
Vorbei am Akrotiri Tiganis

Wir kreuzen einige Seemeilen gegen den schwachen Südwind auf, bis wir um das Südwestkap der Insel abfallen können; dort lockt uns schon ein sehr interessant aussehender Ankerplatz, der aber gegen Wind und See aus Süd keinen Schutz bietet; wir fahren also noch einige Seemeilen weiter, bis wir in die Bucht von Kondias einbiegen und dort hinter einem kleinen Vorsprung auch gute Abdeckung finden; zunächst nehmen wir an, weit und breit das einzige Boot zu sein, denn begegnet ist uns auf dem Wasser niemand; nach einiger Zeit läuft aber noch ein Boot unter deutscher Flagge ein und ankert neben uns – aus Essen sind die zwei Herren, erfahren wir. Die Welt ist doch klein!

Abendstimmung über Limnos

Ein besonderer Tag ist heute auch, denn seit genau einem Jahr sind wir in griechischen Gewässern unterwegs. Passend dazu schenkt uns die Natur mal wieder einen wunderschönen Abend: zwar ist die Südseite von Limnos sehr, sehr karg und trocken, aber in der tiefstehenden Sonne verfärben sich die niedrigen Hügel in den tollsten Rot-, Braun- und Ockertönen, wirklich hübsch anzusehen 🙂

Kobi / Limnos
Unter Vollzeug entlang der Südküste

Am Samstagmorgen schwimmen wir erst mal ein paar Runden ums Boot, dann geht es ein Stück weiter die Küste entlang nach Osten, zunächst noch mit ein wenig Südwind, wir setzen alle Segel und freuen uns am Segeln nur so zum Spaß, ohne ein Ziel erreichen zu müssen. Am Nachmittag wird der Wind aber immer schwächen, so dass wir schließlich mit weniger als einem Knoten durch die stille See gleiten, bis letztendlich doch der Motor ran muss, um uns die letzte Seemeile bis auf einen geeigneten Ankerplatz zu schieben.

Blick auf Agios Efstratios vom Ankerplatz

Diesen finden wir hinter der kleinen Insel Kobi, die mit einer Kette von kaum aus dem Wasser ragenden Felsen mit dem Festland verbunden ist. Dieses Riff bietet perfekten Schutz vorm Schwell, lässt aber den freien Blick Richtung Südwesten zu, wo sich am Abendhimmel die Nachbarinsel Agios Efstratios abzeichnet – wieder eingebettet in ein prächtiges Farbenspiel. Dazu gibt’s Abendessen vom Grill, mit Pilzen, Halloumi, Brot mit Avokado-Dip, Salat aus roter Beete und Feta … so lässt es sich aushalten!

Die Bucht von Moudros, an deren Eingang wir nun ankern, spielte übrigens eine wichtige Rolle im Ersten Weltkrieg: zunächst wurden hier die alliierten Truppen für die Invasion der Gallipoli-Halbinsel zusammengezogen, und am 30. Oktober 1918 wurde in Moudros der Waffenstillstand unterzeichnet, welcher das Ende des osmanischen Reiches besiegelte – und den Auslöser des Kampfes eines gewissen Kemal Atatürk für den heutigen Staat Türkei darstellte.

Akrotiri Tiganis / Limnos

Sonntag machen wir uns auf den Rückweg Richtung Akrotiri Tiganis, nun mit nördlichem Wind, so dass wir den am Freitag ausgelassenen Ankerplatz direkt hinterm Kap ansteuern können. Dabei haben wir einen schönen Blick auf den Berg Athos in der Ferne, der über einer Schicht aus Dunst zu schweben scheint, mit seiner eigenen kleinen Wolkenkrone, während ansonsten der Himmel völlig wolkenlos ist – sehr dekorativ!

Die Fischer warten auf die Abendausfahrt

Wir machen gute Fahrt, und schon gegen 14 Uhr steuern wir die kleine, zu drei Seiten geschlossene Bucht an. Die Einfahrt weist einige Untiefen auf, aber sowohl auf den über die Seekarten gelegten Satellitenbildern als auch in der hoch stehenden Mittagssonne lassen sich diese gut erkennen und umfahren. Drinnen angekommen, finden wir eine schöne Sandfläche, auf welcher der Anker guten Halt findet. Später leisten uns auch noch ein paar Fischerboote Gesellschaft, die sich hier ein paar Stunden ausruhen, bevor es in der Abenddämmerung wieder hinaus geht.

Myrina / Limnos

Montagmorgen geht es nach einem erfrischenden Bad dann zurück nach Myrina; der Nordwind weht schon etwas stärker, bis morgen soll er sich zum Meltemi entwickeln, und dann wollen wir hoffentlich unsere Batterie im Empfang nehmen …

Dienstagnachmittag bringt uns tatsächlich der Händler die Ersatzbatterie netterweise bis ans Boot – bei knapp 50 Kilo Gewicht eine mehr als willkommene Gefälligkeit. Leider zeigt sich, dass der Lieferant in Athen sie bei der Überprüfung nur bis zur Hälfte geladen hat – wie bekommen wir nun einen einzelnen 6V-Block auf den Ladestand der anderen drei, bevor wir sie zusammenschalten können? Wir finden eine provisorische Lösung, aber nur mit 2 Ampere Ladestrom – das dauert Tage!

Macht aber nichts, denn der angekündigte Meltemi hat sich inzwischen eingestellt, und zwar ordentlich: Dienstag wäre die letzte Chance zum Weitersegeln gewesen, seit Mittwoch bläst es in Sturmstärke, die signifikante Wellenhöhe schwankt zwischen zwei und drei Metern – da muss man wirklich nicht unterwegs sein. Als Alternativprogramm mieten wir uns am Donnerstag mal wieder ein Auto (mit 30 € wirklich recht günstig) und schauen uns den Rest der Insel an.

Da gibt es sehr viel zu sehen: die geologische Entstehung aus gefalteten Sedimentschichten und vulkanischer Aktivität hat zu vielen Besonderheiten geführt: an der Nordküste, am Kap Falakro, gibt es bizarr geformte Lavalandschaften zu bestaunen. Die Erosion hat hier wundersame, einförmige Gebilde geschaffen, die aus mehreren Schichten zu bestehen scheinen, und überhaupt sind die glatten, geschwungenen Formen der Felsen in ihren leuchtenden Sand- bis Brauntönen toll anzuschauen.

Panagia Kakaviotissa

Auch finden sich im gebirgigen Teil der Insel zahlreiche Grotten verschiedenster Größe in den Felsen, die auf uns den Eindruck machen, als seien hier beim Erkalten der Lava Gasblasen eingeschlossen worden. Zum Teil sind diese so groß, dass man eine kleine Kirche hineinbauen konnte: Panagia Kakaviotissa, die weltweit einzige Kirche ohne Dach – das braucht sie nicht, denn der Felsenüberhang schützt das gesamte Gebäude.

Endlose Weite der Salzseen

Der größte Teil der Insel ist aber flach; im Zentrum findet sich etwas Landwirtschaft, hier wächst auch der auf der Insel erzeugte Wein, und im Osten gibt es ausgedehnte Lagunen, die größtenteils trockenfallen und Salzseen bilden. Im Frühjahr, wenn die Seen noch mehr Wasser führen, lassen sich hier Flamingos und zahlreiche andere Vogelarten beobachten, nun im Herbst beeindrucken sie mit ihrer endlos wirkenden, leuchtend weißen und spiegelglatten Fläche.

Im Theater von Hephaistia

Auch an Hinterlassenschaften der Antike gibt es einiges zu sehen: bei Kondopouli besuchen wir das Theater von Hephaistia. Diese etwa 1000 v. Chr. gegründete Stadt war einst sehr mächtig und ist nach Hephaistos, dem antiken Gott des Feuers und der Schmiedekunst, benannt; der Sage nach soll dieser in den Vulkanen unter Limnos sein Schmiedefeuer betreiben.

Reste des Kabiren-Heiligtums

Wie auf Samothraki gibt es auch hier ein den Kabiren gewidmetes Heiligtum, wovon aber weniger erhalten ist; zur Besichtigung der Ausgrabung gibt es aber ungewöhnlich gut ausgearbeitete Informationen, und außerdem kann man vom Ausgrabungsgelände zu einer zum Meer hin offenen Höhle absteigen, die nur zu betreten ist, indem man sich durch einen engen Spalt im Felsen zwängt und einige Meter durch knietiefes Wasser watet.

In der Höhle des Philoktetes

Hier soll der Sagenheld Philoktetes 10 Jahre gelebt haben, bevor er von Odysseus durch eine List bewogen wurde, in den schon fast ebenso lang andauernden Kampf um Troja (welches Limnos gleich gegenüber an der Küste der heutigen Türkei liegt) einzugreifen.

Weiter schauen wir uns noch einige der kleineren Dörfer der Insel an, finden in Kondias eine sehr dekorativ gelegene Reihe alter Windmühlen und besuchen die allein auf einem Inselchen gelegene Kapelle Agios Nikolaos. Rund 10 Stunden sind wir unterwegs und freuen uns, eine weitere Insel kennengelernt zu haben, die wieder anders ist als die zuvor besuchten Inseln, aber genauso sehenswert.

Auch am Freitag und Samstag lässt der Meltemi noch nicht wirklich nach; wir machen uns ein paar ruhige Tage im Hafen von Myrina, besuchen ein gerade stattfindendes Kurzfilmfestival mit internationalen Beiträgen und verbringen einen netten Abend mit unseren britischen Hafennachbarn in der Taverne. Am Sonntag lässt der Wind endlich etwas nach, so dass wir für den Montagmorgen die Weiterreise planen.