(Fehl-)Start in die neue Saison (13.01. – 09.02.)

Zurück in El Masnou

Am 13. Januar landen wir wieder in Barcelona und erreichen nach kurzer Fahrt mit dem Zug El Masnou; erfreut stellen wir fest, dass es der ‘Orion’ gut ergangen ist, sie liegt da wie vor einem Monat 🙂

Der Dienstagmorgen begrüßt uns mit dem Wetter, welches wir zu Hause vermisst haben: wolkenlos blauer Himmel und in der Mittagssonne T-Shirt-Temperaturen, es fühlt sich an wie Frühling. Wir nutzen in den nächsten Tagen das schöne Wetter für eine ganze Reihe von Arbeiten am Boot: für den Gennaker und den neuen Code Zero muss noch eine Aufnahme am Bugspriet vorbereitet werden, mit dem aus Deutschland importierten Epoxyspachtel (in Spanien kennt man nur Polyester) gilt es einigen kleinen Roststellen beizukommen, und schließlich braucht die Toilette neue Dichtungen. Auch packen wir die Fahrräder aus und unternehmen Einkaufstouren, unter anderem ins benachbarte Premià de Mar, 6 Kilometer immer direkt am Strand lang, ein hinreißender Ausblick!

So vergehen fünf Tage wie im Fluge, und auch das schöne Wetter hält genau bis zum Abschluss der Lackarbeiten; am Sonntag setzt dann wie aus dem Nichts starker Nordostwind ein, und es beginnt zu regnen, ab Montag auch heftig. Vier Tage lang stürmt es, bei sehr konstanten mittleren Windstärken um 6 und Böen bis zu 10 Beaufort (an Bord gemessen). Als der Wind immer östlicher dreht beginnt es im Hafen brenzlig zu werden: das gesamte Päckchen der Seite an Seite liegenden Boote beginnt sich immer mehr zu verschieben, und der ganze Druck kommt schließlich bei der ‘Orion’ an, die ihn an ein Motorboot weitergeben muss, dessen Deck ungefähr anderthalb Meter höher ist als unseres – eine Katastrophe zum Abfendern. Gleichzeitig steigt im ganzen Hafen der Wasserstand immer mehr, die am Heck abgefenderten Boote beginnen gegen die Betonpier zu schlagen, da die Fender herausspringen; bei einem Boot gegenüber ist das Vorstag gebrochen, und die abgerollte Genua knattert waagerecht in der Luft.

Zum Größenvergleich: die Hafenmole ist etwa 6 Meter über Normalnull …

Die Wetterberichte für das angrenzende Seegebiet sprechen von einer charakteristischen Wellenhöhe von 7 Metern; wir trauen uns am Dienstag in einer Regenpause  kurz das Boot zu verlassen und an den angrenzenden Strand zu laufen: der Anblick ist mehr als beeindruckend, die Wellen kommen in einer solchen Höhe angelaufen, dass sie sich schon hunderte Meter vor dem eigentlichen Strand anfangen zu brechen, die See ist ein einziges Inferno.

Wir überstehen den Sturm ohne Schaden, aber nur weil wir an Bord waren; was wenig Begeisterung auslöst ist mitanzusehen, wie das Personal der Marina achtlos an beginnenden Unglücken vorbeiläuft, ohne auch nur eine Hand z.B. zum Verrücken eines Fenders an die richtige Stelle zu rühren – für 450 Euro im Monat darf man wohl nicht zu viel erwarten …

Am Donnerstag ist der Spuk so schnell vorbei wie er begonnen hat: am Morgen regnet es noch etwas, ab 11 Uhr kommt die Sonne durch und es ist sofort wieder warm – bei völliger Flaute. Ein Ausflug mit dem Fahrrad entlang der Strandpromenade zeigt, dass dieser Sturm wohl das Maß des Üblichen deutlich überschritten hat: der Weg, den wir vor 6 Tagen noch so schön fanden, ist auf ganzer Länge verwüstet – überall haben sich tiefe Krater aufgetan, Bäume sind ausgegraben, die viele 100 Kilogramm schweren Betonbänke sind 10 Meter weiter landeinwärts wiederzufinden, vormals mit Holz beplankte Terrassen sind vollständig abgedeckt, und alles ist mit den kopfgroßen Bruchsteinen bedeckt, die einmal die Uferbefestigung bildeten. In Kenntnis des hiesigen Reparaturtempos gehen wir davon aus, dass es so etwas nicht alle Tage gibt … wie war das mit dem Klimawandel?

Ein Blick in die Nachrichten bestätigt dann den Eindruck: Sturm ‘Gloria’ ist die größte Katastrophe, die spanische Mittelmeerküste und die Balearen seit geraumer Zeit heimgesucht hat. Mindestens 9 Tote hat es gegeben, und im Internet kursierende Videos zeigen 14 Meter hohe Wellen, die zweistöckige Gebäude wie Spielzeug aussehen lassen – die 7 Meter charakteristische Wellenhöhe aus dem Seewetterbericht waren also keine bloße Phantasie …

Im Hafen gefangen

Am Wochenende kristallisiert es sich dann immer deutlicher heraus: wir haben ein Problem! In der Hafeneinfahrt hat sich während des Sturms Sand abgelagert, und der Hafen ist komplett gesperrt; während man zunächst noch in Aussicht stellt, das Problem mit eigenen Mitteln beheben zu können, kommt dann am Montag die ernüchternde Wahrheit ans Licht: ein großer Bagger muss herangeschafft werden, und allein das dauert erst einmal … man reißt sich auch nicht gerade Arme und Beine aus, um die Sache zu beschleunigen.

Ehemals die Hafeneinfahrt, jetzt ein neuer Badestrand …

Wir unternehmen eine Wanderung zum Molenkopf und können das ganze Ausmaß der Katastrophe mit eigenen Augen sehen: man kann fast trockenen Fußes quer über die Hafeneinfahrt laufen. Jemals in Aussicht zu stellen, das in absehbarer Zeit mit lokalen Mitteln zu lösen, war von Anfang an absurd – hat aber erst mal einige Tage gekostet. Nun sind wir also bis auf weiteres gefangen in El Masnou – Ende offen …

Alternativprogramm

Besonders ärgerlich für unsere extra aus Norwegen angereiste Crewverstärkung: eigentlich wollten wir zusammen die Costa Brava bereisen, und das Wetter wäre dazu auch perfekt geeignet, aber der Termin für die Öffnung einer Passage rückt in immer weitere Ferne. So bleibt uns nicht anderes übrig, als das Beste aus der Situation zu machen: wir genießen die Sonne, trinken Sangría, polieren Edelstahl und Chrom an Deck und lernen das wichtigste spanische Wort: mañana – morgen …

Arc de Triomf, Barcelona

Natürlich fahren wir auch noch zweimal mit dem Zug nach Barcelona: dort gibt es so viel zu sehen, und uns gefällt die Stadt mit jedem Besuch noch besser. Wir verbringen viel Zeit bei herrlichstem Wetter am sehr ausgedehnten Yachthafen und entdecken immer wieder neue Plätze und Straßen in der Altstadt; so stoßen wir mitten im Trubel der Stadt auf den Innenhof des alten Hospital de la Santa Creu aus dem 15. Jahrhundert: hier zwitschern die Vögel in den Orangenbäumen, ein Brunnen plätschert, und ein Straßenmusiker spielt (hinreißend!) Akkordeon – die Zeit steht still, und man mag gar nicht mehr weggehen …

Unseren letzten Besuch beschließen wir mit einem köstlichen Abendessen in einem kleinen Lokal in der Altstadt und freuen uns, die Stadt kennengelernt zu haben!

Mediterrane Natur wie aus dem Bilderbuch

Zwischendurch unternehmen wir auch einen Ausflug in die Natur: wir fahren eine Station mit der Bahn bis Montgat und wandern von dort in einem großen Bogen durch das bergige Hinterland zurück nach El Masnou, etwa 20 Kilometer. Wir sind den ganzen Tag unterwegs, und die Hügel erreichen gut 400 Meter Höhe; von hier bietet sich ein hervorragender Ausblick über Barcelona und Umgebung, und natürlich über das strahlend blaue Meer. Die Vegetation wird von Pinien und Zypressen bestimmt, die Luft duftet nach Harz und Rosmarin, ein leichter Wind macht die Wärme angenehm – obwohl die Lufttemperatur im Schatten ‘nur’ 20 Grad erreicht, ist es in der Nachmittagssonne knackig warm, es fühlt sich an wie Frühsommer in Mitteleuropa.

Baggerarbeiten
Einige unserer gut 1000 Mitgefangenen in Port Masnou

Unterdessen ist endlich ein größerer Saugbagger eingetroffen – gearbeitet hat dieser bislang aber nur wenige Stunden: zunächst entstand am Mittwoch wegen eines nördlicher durchziehenden Starkwindfeldes zu viel Schwell, und das Schiff schaukelte den ganzen Tag in einigem Abstand zum Land vor Anker. Donnerstag war das Meer wieder ruhig – statt aber die Arbeit aufzunehmen, fuhr der Saugbagger wieder weg! Die Nachfrage im Hafenbüro ergab, dass man nun wegen einer fehlenden Genehmigung pausiert: offenbar ist den Verantwortlichen in der Zwischenzeit aufgefallen, dass sie zur Wiederherstellung der Strände große Mengen Sand benötigen, und was liegt da näher, als die Genehmigung zum Baggern mit der Auflage zu Verknüpfen, dass der entfernte Sand am Strand aufgeschüttet wird. Da der weit angereiste Saugbagger dies aber nicht leisten kann (er kann nur seinen Laderaum im tiefen Wasser entleeren), passiert erst mal wieder …. nichts.

Fluchtpläne

Zum Wochenende dann die Überraschung: der Kapitän des kleinen Baggers klopft an und erklärt, dass er bald eine schmale Rinne auf 2 Meter Tiefe gebracht hat! Die Überprüfung der Wettervorhersagen ergibt ein günstiges Wetterfenster für Montag, und auch das Hochwasser wird passenderweise für 9 Uhr erwartet – zwar beträgt der Tidenhub ganze 20 Zentimeter und wird normalerweise nicht berücksichtigt, aber wenn es wie hier um jede Handbreit geht … also, wenn nichts dazwischen kommt und wir tatsächlich durch die Ausfahrt kommen, können wir am Montag, den 10. Februar nach gut 2 Monaten El Masnou verlassen und Kurs auf Mallorca nehmen!