Spaniens Südostküste: Costa Blanca (30.10. – 14.11.)

Am Mittwoch den 30. Oktober verlassen wir Garrucha, und kurz danach übersegeln wir auch die Grenze von Andalusien zur Region Murcia. Die vorüberziehende Küste bleibt weiter felsig und zerklüftet, und bei erneutem Gennakerwind segeln wir 20 Seemeilen, bis wir in der Bucht von

El Hornillo
El Hornillo liegt gut geschützt hinter einem hohen Felsen

in der Nähe von Águilas vor Anker gehen; der Yachthafen von Águilas ist uns mal wieder viel zu teuer. Die Bucht ist relativ gut geschützt gegen den üblichen Schwell aus Südwest, aber sehr klein und durch diverse Fischereieinrichtungen und Absperrungen größtenteils belegt; wir finden aber gerade noch Platz und können nach dem Ankermanöver erst mal ins Wasser springen – mit 23 Grad ist es hier so warm wie bisher noch nie auf dieser Reise, der Costa Cálida (warme Küste) genannte Küstenabschnitt macht seinem Namen alle Ehre!

Am letzten Tag des Oktobers geht es genauso weiter die Küste entlang, nur dass der Wind heute noch mehr schwächelt – bei dieser geringen Welle segeln wir ja mittlerweile mit dem Gennaker bis herunter zu 5-6 Knoten Wind, aber bei einem wahren Wind von 2 Knoten hängt der auch nur noch wie ein Sack ins Wasser … so muss also am Anfang und am Ende der Motor helfen, bis wir nach 25 Seemeilen in der

Cala de la Salitrona
Halloween auf der ‘Orion’

ankern. Diese Bucht wird von der 350 Meter aufragenden Landspitze des Cabo Tiñoso umschlossen und geschützt, die Küste fällt aber steil ab, nur an wenigen Stellen kann man dicht unter Land hinreichend flaches Wasser und einen kleinen Strand zum Anlanden finden. Die Lage ist aber hinreißend: rundherum leuchten die Felsen in allen Farben von Rot über Braun bis Ocker und Gelb, das Wasser lässt auf 6 Metern Tiefe jedes Detail am Meeresgrund erkennen, und es hat immer noch 23 Grad, während die Lufttemperatur am Nachmittag Richtung der 30 Grad geht – und das an Halloween! Für eine herbstliche Kürbissuppe ist es uns viel zu warm, aber ein indisches Dal mit Kürbis und Linsen passt zum Wetter wie zum Anlass …

Am 1. November bleiben wir in der Ankerbucht – schließlich ist Feiertag 🙂 Wir paddeln mit dem Dinghi an den Strand und finden den Einstieg in einen Wanderweg, der durch die Berglandschaft führt. Die ganze Gegend ist unbewohnt und ein Naturschutzgebiet, die Farben und Formen der Felslandschaft vulkanischen Ursprungs beeindruckend; am meisten sind wir aber begeistert vom Duft der in Unmengen wachsenden Wildkräuter: Lavendel, Rosmarin und Thymian säumen unseren Weg. Dieser führt hinaus bis auf die Passhöhe; hier finden wir eine aufgegebene Küstenbatterie des spanischen Militärs, gebaut Anfang des 20. Jahrhunderts zur Verteidigung der Zufahrt nach Cartagena – zwei riesige Geschütze Kaliber 38.1 cm sind noch an Ort und Stelle. Die Aussicht über die Bucht ist grandios, wozu der strahlende Sonnenschein natürlich beiträgt.

Heiß wird es aber auch wieder, und so sind wir froh, früh aufgebrochen und somit noch vor der Nachmittagshitze wieder zurück an Bord zu sein; diese nutzen wir lieber zum Baden, schwimmen an den Strand und sammeln toll gemusterte Steine in bunten Farben – was wohl zu Hause an Allerheiligen für ein Wetter ist?

Cartagena

Am Samstagmorgen lichten wir den Anker und fahren ein paar Seemeilen über die Bucht bis in den Hafen von Cartagena. Dieser liegt – vor Wind, Wetter und feindlich gesinnten Besuchern gut geschützt – tief in einer von Bergen umschlossenen Bucht, was schon im Altertum dazu geführt hat, dass Cartagena zu einem der bedeutendsten Häfen im Mittelmeer geworden ist.

Blick über Cartagena

Bereits die Phönizier handelten Silber mit den ansässigen Iberern, bis sich die Karthager im Jahre 227 v. Chr. hier niederließen und der Stadt ihren Namen gaben: Cartagena leitet sich vom punischen Qart-ḥadašt ab, was ‘Neue Stadt’ bedeutet und ebenso namensgebend für Karthago selbst war.

Das römische Theater …

Alles in dieser Stadt atmet Geschichte: von hier brach Hannibal im Jahre 218 v. Chr. mit seinen Kriegselephanten gen Italien auf, welches er nach seiner spektakulären Alpenquerung ja auch erreichte; da er trotz gewonnener Schlachten letztlich aber den Krieg doch verlor, ging die Stadt mit der gesamten iberischen Provinz an die Römer, für die sie Scipio Africanus 209 v. Chr. als Carthago Nova in Besitz nahm.  Darauf folgten 600 Jahre als bedeutende Stadt im römischen Reich, bis sie mit dessen Zerfall im Jahre 425 n. Chr. von den Vandalen erobert wurde. In den folgenden Jahrhunderten wechselte Cartagena häufiger mal den Besitzer, bis es 756 Teil des Emirats von Córdoba wurde. Erst mit der Reconquista wurde Cartagena im Jahre 1269 nach fast 500 Jahren maurischer Herrschaft wieder christlich; es erübrigt sich wohl anzumerken, dass damit der Ärger noch kein Ende hatte: bis zum spanischen Bürgerkrieg  1936-1939, als Cartagena Hochburg der Republikaner war (und der Ort Spaniens, welcher sich am längsten gegen die Truppen des faschistischen Diktators Franco halten konnte), ist hier eine Menge Blut vergossen worden …

… verschmolzen mit den Ruinen der ‘Santa Maria la Vieja

In der Altstadt hat man das Gefühl, dass man in jenen zweieinhalb Jahrtausenden immer wieder munter über die Reste bzw. Trümmer der Vorgänger gebaut hat. Zahlreiche archäologische Ausgrabungsstätten ziehen sich durch die Innenstadt, und selbst als Laie erkennt man mit einem Blick auf die Mauern, dass man vor Relikten unterschiedlicher Jahrtausende steht, die nahtlos ineinander übergehen: hier haben Römer Tempel auf punische Fundamente gebaut, dort mittelalterliche Bürger ihre Häuser auf maurische Ruinen gegründet. Die Kirche Santa Maria la Vieja hat ihre Wurzeln in die Reste eines riesigen römischen Amphitheaters geschlagen – und ist seit der Bombardierung im Bürgerkrieg selbst eine Ruine. Schwer, da den Überblick zu behalten – aber faszinierend ist es allemal.

Cartagena, Calle Mayor

Abgerundet wird das Bild durch die schön angelegten Einkaufs- und Flaniermeilen der Stadt mit ihren neoklassizistischen Bauwerken, unzähligen Restaurants und Cafés – und natürlich mit dem herrlichen mild-warmen Wetter und der Freundlichkeit der Menschen.

Auch das ist Cartagena: Cala Cortina

Eigentlich wollten wir nur übers Wochenende bleiben und werden dann durch eine vier Tage andauernde Sturmwarnung dazu gezwungen, den Aufenthalt zu verlängern, aber für das bessere Erleben der Stadt war das gut so – hier hätte man auch vier Monate verbringen können (was etliche Segler auch tun, im Hafen hat sich bereits eine umfangreiche Gruppe überwinternder Boote häuslich eingerichtet).

Mar Menor / Tomás Maestre
Cabo de Palos

Am Mittwoch ist es tatsächlich weniger windig – wir verlassen den Hafen von Cartagena und müssen sogar zunächst eine Weile motoren, weil die am Cabo de Palos endende Landspitze mit ihren Bergen den Wind abschirmt. Am Nachmittag runden wir das Kap und ändern den Kurs Richtung Norden; die nächsten 12 Seemeilen geht es entlang einer schmalen Landzunge, die das Mar Menor, die größte Salzwasserlagune Europas, vom Mittelmeer abtrennt. Der schmale Streifen Land ist praktisch auf ganzer Länge mit Hotels bebaut – in starkem Kontrast zur Küste südlich des Cabo de Palos, die völlig naturbelassen wirkt; der auf halber Länge gelegene Sportboothafen Tomás Maestre stellt den einzigen schiffbaren Zugang zur Lagune dar.

Abendhimmel über Tomás Maestre

Wegen der langfristig ungünstigen Wettervorhersagen müssen wir auf einen Abstecher ins Mar Menor verzichten und ankern die Nacht auf Donnerstag im Schutz der Hafenbefestigungen; ein wirklich hinreißender Abendhimmel lässt sogar die Silhouette der Hotelklötze hübsch erscheinen.

Santa Pola
Santa Pola: Fischereihafen …

Donnerstag geht es weiter, zunächst am Mar Menor, dann an der Küste entlang. Zunächst ist der Wind eher noch schwächer und achterlich, so dass wir uns trauen den Gennaker zu setzen; ab Mittag frischt es dann aber auf, so dass wir auf den Klüver wechseln und schließlich gegen 16 Uhr bei um 6 Beaufort den Hafen von Santa Pola erreichen. 55 Seemeilen haben wir in den beiden letzten Tagen geschafft – und jetzt ist erst mal wieder Sturm, für Freitag lautet die Vorhersage NW 7, da bleiben wir lieber im Hafen.

… und Kastell im Stadtzentrum

Von den Römern als Portus Ilicitanus gegründet, ist Santa Pola heute stark touristisch geprägt, die ganze Stadt besteht aus Blöcken von Hotel- und Appartementanlagen, hübsch im Rechteckraster angelegt; mittendrin hat der Bauboom immerhin das alte Kastell verschont, und im Stadtpark stoßen wir auch auf Ausgrabungsarbeiten, die ein paar römische Grundmauern freigelegt haben. Ansonsten ist der Ort eher unspektakulär – und im ganztägig heulenden Wind ist es hier sogar trotz des Sonnenscheins erstmals als etwas frisch zu bezeichnen 🙂

Villajoyosa

Für den Samstag verspricht die Vorhersage eine kleine Pause zwischen zwei Sturmwarnungen – mehr als 15 Knoten Wind sollen in der Bucht von Alicante nicht wehen, also machen wir uns frohen Mutes mit vollen Segeln auf den Weg, schließlich wollen wir ja auch etwas Strecke machen. Zunächst entspricht der Wind auch noch den Vorhersagen, als wir jedoch das Cabo de Santa Pola gerundet haben werden aus den 15 Knoten ganz schnell 25, in Böen auch bis 30 Knoten – vielleicht doch etwas viel für Vollzeug … der Klüver ist ja schnell gegen den Kutter getauscht, aber jetzt das Groß reffen grenzt ja an Arbeit, also pflügt sich die ‘Orion’ auf leichtem Amwindkurs mit gut 7 Knoten und 30 Grad Lage durch die ein bis zwei Meter hohen Wellen. Eine ziemlich feuchte Angelegenheit, aber auch immer wieder eine Freude zu beobachten, wie der scharf geschnittene Bug die Wellen zerteilt und das Wasser bis hinters Heck spritzen lässt, ohne dass irgendein Aufschlag zu vernehmen wäre.

Heißt das hier wegen der endlosen weißen Hotelfronten ‘Costa Blanca’?

 

Villajoyosa: bunte Altstadthäuser …

Am frühen Nachmittag erreichen wir nach 29 Seemeilen den Hafen von Villajoyosa, wo der Club Nautic noch einen Liegeplatz für uns findet – gleich für zwei Nächte, denn Sonntag ist erst mal wieder – Sturm, was sonst. Das Anlegen erfolgt – wie hier meist üblich – mit zwei Heckleinen zur Pier und einer Muringleine vom Bug, welche von achtern durchgeholt werden muss; das Vergnügen, bei 6 Beaufort von vorne mit dem Langkieler rückwärts einzuparken krönt also den windigen Segeltag.

… direkt vorm Traumstrand

Wie angekündigt fliegen am Sonntag die Palmwedel wieder waagerecht – aber natürlich scheint die Sonne, und im Windschutz der engen Altstadtgassen ist es auch gar nicht mehr kühl, im Gegenteil. Anders als in vielen anderen Orten ist Villajoyosa nicht komplett neu überbaut worden; direkt vom wirklich traumhaft schönen Strand (fein, weiß und sauber) ziehen sich die bunt gestrichenen Häuser der Altstadt den Hang hinauf bis zur teilweise erhaltenen Stadtbefestigung aus dem Mittelalter. Natürlich dürfen drumherum die großen Hotels nicht fehlen, aber insgesamt hat man hier eine ausgewogenere Balance zwischen den Notwendigkeiten der touristischen Nutzung und dem Erhalt einer gewissen Ausstrahlung gefunden als in vielen anderen Orten an diesen sonnenverwöhnten Küsten.

Moraira / El Rinconet

Der Montag bringt uns mal wieder die Flaute zwischen zwei Stürmen: angesagt ist noch ein ganz brauchbarer Wind, tatsächlich regt sich aber kaum ein Ĺüftchen. Nach wie vor sehen wir uns unerwarteten Windverhältnissen gegenüber: zur Reiseplanung konsultieren wir wie viele Fahrtensegler die pilot charts, welche für jedes Seegebiet und jeden Monat die statistische Verteilung der Windverhältnisse angeben, und diese geben hier für den November 15 Knoten aus Nordwest an. Nun ja, wenn abwechselnd 30 Knoten und 0 Knoten gibt, sind das im Mittel natürlich auch 15 Knoten … praktisch ist bald der halbe November vorbei, und 15 Knoten hatten wir nie.

Benidorm: na dann schöne Ferien!

So motoren wir also mal wieder; zunächst passieren wir den bekannten Ferienort Benidorm – und staunen nicht schlecht: eine solche Dichte und Höhe der Bettenburgen haben wir bislang noch nicht gesehen, Benidorm – und nicht etwa New York – ist die Stadt mit den meisten Hochhäusern pro Einwohner weltweit. Möchte man da wirklich Urlaub machen?!?

Am frühen Nachmittag erreichen wir Moraira, wo wir direkt neben dem Ort in der Ankerbucht El Rinconet übernachten; hier scheint man auf landschaftsverträglicheren Tourismus zu setzten, am Strand stehen nur normale Ferienhäuser. Die Nacht ist recht ruhig, nur etwas Schwell  kommt um die Landspitze Punta del Moraira – weit draußen, nördlich der Balearen, stürmt es immer noch heftig.

Dénia
Cabo de la Nao

Dienstagmorgen lassen wir uns vom wenigen Wind am Ankerplatz verleiten, früher aufzubrechen, als wir eigentlich wollten – es steht nämlich die Rundung des Cabo de la Nao an, und das wollten wir erst tun, wenn gegen Mittag der angesagte Wind nachgelassen hat. Unser Verdacht, dass dieser gar nicht weht, erweist sich aber schnell als unbegründet: kaum haben wir uns eine halbe Seemeile von der Küste entfernt, sind unsere 30 Knoten wieder da. Wir legen also in Rekordzeit die letzten Meilen bis zum Kap zurück und verstecken uns dann nochmal in einer kleinen Bucht direkt davor – Windstärke 7 von vorne, das muss nicht sein.

Der Plan geht auf: als wir uns gegen Mittag wieder auf den Weg machen, weht kaum noch (Gegen-)Wind, und so runden wir ohne Probleme das Cabo de la Nao – sind aber noch hinreichend beeindruckt von der langen, 3 bis 5 Meter hohen Dünung, die von Norden heranrollt und der wir nun ausgesetzt sind, denn von hier an läuft die Küste bis Valencia in Richtung Nordwesten.

Für den Rest der Strecke muss wieder der Motor ran – Windstärke 1 und 7, das bekommen wir doch auch an ein und demselben Tag hin! Wir freuen uns, nach 21 Seemeilen und einem durch den Zwischenstopp doch langen Tag den Hafen von Dénia zu erreichen. Die Einfahrt wird nochmal spannend, denn die besagte Dünung läuft sich hier zu unglaublichen Höhen auf; wir hängen uns dicht an einen Fischkutter – der wird ja wissen, was er tut – und surfen hoch oben auf einem Wellenberg mit hervorragender Aussicht in die Hafeneinfahrt …

In der Burg von Dénia

Wie nicht anders zu erwarten, ist dann erst mal wieder Pause angesagt: am Mittwoch und Donnerstag weht es mit bis zu 8 Beaufort, und zwar genau aus der Richtung, in die wir wollen. Leider verschlechtert sich auch ansonsten das Wetter, es ist grau und regnerisch, wie wir es seit Monaten nicht mehr erlebt haben. Wir finden kaum eine Wetterlücke, um wenigstens kurz durch Dénia zu laufen – was sich durchaus lohnt, eine umfangreiche Burganlage aus dem 11. Jahrhundert wacht über dem Ort, der schon den Römern als Flottenstützpunkt diente und bei besserem Wetter sicher einiges zu bieten hätte.