Am 2. September verlassen wir Utsira bei zunächst recht schwachem Wind; nach einer guten Stunde stoppen wir mal versuchsweise den Motor und probieren unter Gennaker zu segeln, und siehe da, die Mühe wird belohnt: der Wind wird nach und nach immer stärker, die Sonne strahlt vom Himmel, und als wir die Südspitze von Karmøy erreicht haben rauscht die ‘Orion’ mit über 6 Knoten durchs Wasser. Das macht so viel Spaß, dass wir an der Insel Kvitsøy, die mitten im Eingang des Boknafjordes liegt und ursprünglich als Tagesziel vorgesehen war, vorbeifahren und noch bis Mosterøy weitersegeln. Dort angekommen, bleibt nur noch der prächtige Abendhimmel bei einem Glas Wein zu genießen … so könnte es immer sein!
Am nächsten Tag ist es zwar schon deutlich bewölkter, aber die Sonne schaut doch immer mal hervor, und so bietet es sich noch an die Insel zu Fuß zu erkunden: einerseits gibt es hier das Kloster Utstein aus dem 13. Jahrhundert anzusehen, andererseits den Inselberg Mastravarden zu besteigen. Dieser ist zwar nur 152 Meter hoch, bietet aber einen hervorragenden Ausblick über die umgebenden Inseln.
Die Struktur der Landschaft ist hier anders als am Hardanger- oder Sognefjord: statt eines langen, tief ins Land schneidenden Fjords mit zahlreichen Seitenarmen gibt es einige kleinere Fjorde, die in alle Richtungen ins Land ragen, und davor eine Unmenge von Inseln. Der Sammelname für die Gegend ist Ryfylkefjordane, der bekannteste – und längste – Ausläufer der Lysefjord.
Weiter geht’s in eine neue Ankerbucht auf der Insel Talgje; diese ist unter Einheimischen als die ‘Blaue Lagune’ bekannt und in der Saison beliebtes Ziel für unzählige Bootsausflügler. Anfang September ist die Saison hier aber schon vorbei, und so haben wir die Bucht am Montag bei schönstem Bade- und Grillwetter für uns allein.
Dienstag hat die Schönwetterperiode aber wohl ein vorläufiges Ende: es regnet 24 Stunden ohne die geringste Unterbrechung, so dass wir erst am Mittwoch weiterziehen, zum gerade mal 10 Seemeilen südlicher gelegenen Rossøysund. Auch dies ein im Sommer beliebtes Naturerholungsgebiet, wovon die umfangreichen Steganlagen zeugen; auch hier ist aber kein anderes Boot zu sehen, und das Wetter wird am Nachmittag sogar noch viel sonniger als vorhergesagt.
Am Donnerstag kommt der angesagte Regen dann aber wirklich, und daran soll sich auch am Freitag nichts ändern; es bietet sich an, den in der Nähe gelegenen Hafen von Tau aufzusuchen, um mit Landstromversorgung auf Wetterbesserung zu warten …
Diese kommt am Samstag tatsächlich, und wir fahren mit dem Bus eine halbe Stunde ins Inland, um zum Preikestolen zu wandern. Dieses Felsplateau 600 Meter über dem Lysefjord ist wohl eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten Norwegens, und dementsprechend ist schon der Bus – obwohl die Saison sich sehr dem Ende entgegenneigt – gut gefüllt. Am Endpunkt der Fahrt kommen noch unzählige, per PKW angereiste Touristen dazu, so dass wir die Wanderung zum Preikestolen (ganze 4 Kilometer) in einer Art langen Warteschlange absolvieren; so viele Menschen haben wir hier – außer in Bergen – nie gesehen! Glücklicherweise muss man aber nur ein paar Meter vom Weg abweichen, und man ist wieder allein …
Schönwetterperioden sind ja in Norwegen meist nicht lang, also regnet es die nächsten zwei Tage wieder; dennoch nutzen wir am Montag ein Wetterfenster und fahren quer über den Fjord bis Langøy, einem kleinen Inselchen direkt vor Stavanger.
Von hier liegt die Stadt in Schlauchbootentfernung, und so machen wir am Dienstag einen kleinen Ausflug mit dem Beiboot. Die ganze Gegend ist sehr maritim geprägt: einerseits ist Stavanger Zentrum der Offshore-Ölindustrie, wovon unzählige, riesige Arbeitsschiffe zeugen, andererseits scheint auch jeder zweite Einwohner eine Yacht zu besitzen – man fährt die drei Seemeilen bis ins Zentrum abwechselnd an Industrie- und Yachthäfen vorbei. Direkt neben dem alten Stadthafen liegt ‘Gamle Stavanger’, eine Menge verwinkelter Gassen und Holzhäuser, die vor dem Modernisierungseifer der Nachkriegsjahre gerettet werden konnten.
Für das Ende der Woche sind kräftige Winde aus Nord angesagt – diese Gelegenheit wollen wir nutzen, um ein ordentliches Stück Strecke Richtung Heimat gut zu machen. Dazu verlassen wir am Mittwoch Langøy und fahren nach Ystabøhamn auf Kvitsøy – der Insel, die wir auf dem Weg von Utsira eigentlich schon ansteuern wollten. Der Weg ist nicht weit, also bleibt am Nachmittag noch Zeit, die Insel zu erkunden, bevor wir uns dann Donnerstagmorgen auf die offene See wagen – die nächsten 40 Seemeilen südlich gibt es keine vorgelagerten Inseln und Einschnitte mehr, in denen man Zuflucht suchen kann. Damit endet auch unsere Zeit in Ryfylkefjordane, und wir befinden uns endgültig auf dem Heimweg …