Am Freitag den 4. August verlassen wir Vikingevågen und steuern den Sognefjord an; das Wetter ist immer noch recht durchwachsen, es regnet immer mal wieder, aber wenigstens nicht durchgängig. Gegen Mittag machen wir einen kurzen Stopp in Eivindvik, wo wir uns nochmal verproviantieren, bevor wir dann am Abend bei Storholmen den ersten Ankerplatz im Fjord ansteuern.
Der Sognefjord ist das Gewässer der Superlative: über 200 Kilometer schneidet er sich in die westnorwegischen Gebirge, dabei beträgt die Wassertiefe noch weit im Inland über 1300 Meter. Zur Navigation benötigt man kaum eine Seekarte, es gibt keine Untiefen – was für ein Unterschied zur heimischen Wattensee! Es stellt sich eher das umgekehrte Problem: wenn man mit dem Bug bis ans Ufer fährt (was fast überall möglich ist) hat man eine Schiffslänge hinterm Heck schon 40 Meter Wassertiefe, zu viel für den Heckanker. Es gibt nur sehr wenige kleine Inseln dicht am Ufer, hinter denen man zum Ankern geeignete Wassertiefen findet; glücklicherweise konkurriert man aber auch nicht mit vielen anderen Booten um diese Plätze, ganz anders als im Hardangerfjord sind wir quasi allein.
Die nächste dieser Ankerbuchten ist Vikane, schon 20 Seemeilen tiefer im Fjord; hier verbringen wir das Wochenende, da für Sonntag nur noch Regen angesagt ist.
Überhaupt scheint uns das Wetterglück etwas verlassen zu haben; es ist sehr unbeständig, und der Wetterbericht unterscheidet nur noch zwischen Tagen, an denen es immer regnet, und welchen, an denen es nur manchmal regnet. Montag ist wieder ein Tag von der letzteren Sorte, so dass wir wieder ein großes Stück weiter in den Fjord vorankommen; im Laufe des Vormittags scheint sogar richtig die Sonne – bislang haben wir die Berge nur wolkenverhangen gesehen.
Nebeneffekt der Wetterlage ist andauernde Flaute; auf den Satellitenbildern erkennt man riesige Tiefdruckgebiete über Westskandinavien, die sich tagelang nur im Kreis zu drehen scheinen anstatt sich endlich mal zu verziehen. So motoren wir also die ganze Zeit …
Am Abend erreichen wir Balestrand, der erste richtige Ort seit Bergen, und auch die erste Einkaufsmöglichkeit seit immerhin 50 Seemeilen.
Fjærland
Am 8. legen wir am Vormittag ab und motoren den Fjærlandfjord hinauf, zum voraussichtlich nördlichsten Ziel dieser Reise auf 61°24′ Nord. Trotz entgegengesetzter Vorhersagen zeigt sich der Himmel nach wie vor wolkenverhangen; dennoch sieht es beeindruckend aus, wie sich die Bergflanken von beiden Seiten immer näher zusammenschieben, und auf den letzten Seemeilen sieht man dann auch gleich mehrere Gletscherzungen zwischen den Gipfeln.
Wohl nirgendwo kommt man den norwegischen Gletschern – hier ist es der Jostedalsbreen, mit knapp 500 km² Europas größter Festlandsgletscher – mit dem Boot so nahe wie hier. Der Ort Fjærland am Ende des Fjords ist daher auch schon seit dem vorletzten Jahrhundert ein Touristenziel, wovon ein sehr hübsches, ganz aus Holz gebautes Hotel zeugt. Dennoch wurde er erst in den 80er Jahren durch einen langen Tunnel mit dem Straßennetz verbunden, bis dahin musste man per Dampfer oder Yacht anreisen – Kaiser Wilhelm war seinerzeit mit der ‘Hohenzollern’ auch schon da.
Der erste Tag in Fjærland zeigte sich auch halbwegs freundlich; da wir zu diesem Zeitpunkt noch auf weitere Wetterverbesserung gesetzt hatten, sind wir nur zu einer kleinen Wanderung ins Mundalsdalen aufgebrochen. Nach gut zwei Stunden erreicht man einen saftig-grünen Talkessel, in denen die Kühe friedlich grasen und die Aussicht zu genießen scheinen.
Eigentlich sollte das Wetter am nächsten Tag noch besser werden, und so haben wir dann noch die Bordfahrräder ausgepackt; am nächsten Morgen pladderte aber schon wieder der Regen aufs Deck. Mutigerweise haben wir uns dennoch auf den Weg zum Bøyabreen gemacht, als es mal aufgehört hatte zu regnen – nur um auf dem Rückweg völlig durchnässt zu werden. Trotzdem kam man schon ganz schön nah an die Gletscherzunge heran, und der See davor leuchtete in prächtigem Türkis.
In den folgenden Tagen stellte uns das Wetter auf eine harte Probe – es regnete es fast ununterbrochen. Bei so einem Wetter eine doch recht anstrengende Wanderung über 1000 Höhenmeter zu unternehmen, nur um dann doch nichts als Wolken zu sehen, erschien nicht wirklich verlockend. Zum Glück bietet Fjærland eine interessante Alternative bei Regenwetter: der Ort nennt sich das erste norwegische Buchdorf, in gefühlt jedem zweiten Haus befindet sich ein Antiquariat. Da auch Titel auf Deutsch und Englisch vorrätig sind, kann man hier durchaus einige Stunden stöbern.
Am Montag ist es endlich soweit: von Sonne kann zwar keine Rede sein, aber wenigstens soll es halbwegs trocken bleiben, und so radeln wir ein paar Kilometer bis zum Startpunkt der Wanderung zur Flatbreen-Hütte, auf 1000 Meter Höhe direkt am gleichnamigen Gletscher gelegen. Und tatsächlich fallen nur ein paar vereinzelte Tropfen Regen (was für norwegische Verhältnisse wirklich als trocken durchgehen kann), und als wir die Hütte erreichen zeigen sich sogar ein paar Löcher in der Wolkendecke.
Der Anblick des Gletschers lohnt die Mühe: geradezu unwirklich sieht es aus, wie sich die gewaltige Eismasse direkt vor uns langsam über die Kante Richtung Tal stürzt, quasi eingefroren in der Bewegung. Selbst bei dem trüben Licht leuchten die Farben geradezu in tiefem Blau – wie muss das erst mal bei Sonne aussehen …
Am nächsten Tag regnete es dann auch schon wieder, so dass wir erst am Mittwoch aufgebrochen sind, um uns auf den langen Rückweg aus dem Sognefjord zu machen.
Finnabotn
Erster Zwischenstopp war Finnabotn, ein kurzer Seitenarm des Fjordes gen Süden. Dessen innerer Teil ist durch eine wenige Meter breite (und tiefe) Engstelle vom äußeren Fjord abgetrennt, so dass man eher das Gefühl hat in einem See zu liegen. Die Ufer sind steil und unzugänglich, es führt keine Straße in den Fjord, und ein Mobilfunknetz sucht man auch vergeblich. Allein am äußersten Ende liegt ein alter Hof, der aber – wenigstens während unserer Anwesenheit – unbewohnt erscheit, so dass wir ganz allein sind in einem Talkessel, ringsum von 1000 Meter hohen Bergen eingeschlossen … ein beeindruckender Ort!
Wir bleiben einen Tag, während es mal wieder regnet, und verlassen Finnabotn am Freitag; unerwartet klart es sich auf, und wir bekommen sogar Rückenwind, so dass wir an einem Tag die ganze restliche Strecke von 45 Seemeilen aus dem Sognefjord heraus zurücklegen. Am Abend ankern wir in einer sehr hübschen Ankerbucht im Tollesundet, am äußersten Zipfel des Festlands; hier bleiben wir gleich drei Tage, weil es mal wieder …. regnet.