Am Sonntagmorgen, den 24. Oktober, verlassen wir den Hafen von Ormos Marathokambou auf Samos mit Südostkurs; vor uns liegt der Dodekanes, wo unsere Sommerrunde nach Nordgriechenland Ende Mai dieses Jahres begonnen hat. Wir sind also wieder in vertrauten Gewässern, allerdings haben wir uns hier vor 5 Monaten nicht allzu viel Zeit lassen können, und so gibt es noch genügend Inseln und Buchten, die wir noch nicht kennen.
Das erste Ziel soll Agathonisi sein, die nördlichste bewohnte Insel im Dodekanes; 22 Seemeilen sind es bis dorthin, und die Wettervorhersagen versprechen Nordwestwind zwischen 4 und 6 Beaufort – na, denken wir, da kann ja nichts schiefgehen! Wie so häufig unterscheidet sich die Realität aber signifikant von allen Wettermodellen: auf den ersten zwei bis drei Seemeilen schieben uns noch Fallwinde von bis zu 20 Knoten an, und dann kommt der Wind auf einmal innerhalb weniger Minuten völlig zum Erliegen; ja, nach einer Weile stellt sich sogar ein schwacher Südwind von drei oder vier Knoten ein – was soll man denn damit anfangen?
Wir beschließen notgedrungen, uns aus der Windabdeckung von Samos herauszumotoren – was grundsätzlich auch gelingt, allerdings erst, als die Küste von Agathonisi schon zum Greifen nahe ist; dann setzt der Wind fast eben so plötzlich wieder ein, wie er drei Stunden zuvor verschwunden war. Wir lernen daraus, dass die gut 1400 Meter hohe Insel Samos offenbar in der Lage ist, kräftigen Nordwind auf rund 15 Seemeilen völlig zu verschlucken …
Agios Georgios / Agathonisi
Wir umrunden die kleine Insel und laufen – nun bei 20 Knoten Gegenwind, was denn sonst – in die nach Süden offene Bucht von Agios Georgios ein. Dort gibt es einen Fähranleger, der sich naheliegenderweise für einen längeren Aufenthalt verbietet, eine schöne Sandfläche zum Ankern, in deren Mitte eine sehr raumgreifende Hanse 558 schwojt, und schließlich den Anleger für die Fischer; dort steigt der Grund zum Kai hin schnell an, aber die ‘Orion’ ist hier mit ihrem Tiefenprofil mal wieder im Vorteil – während wir vom Bugspriet noch einen langen Schritt an Land machen können, hätte es bei unserem ankernden Nachbarn schon längst geknirscht.
Die Insel hat vielleicht 100 Einwohner, ein Café, eine Taverna, einen Minimarkt – und unzählige Ziegen. Sehr beschaulich geht es hier zu, für Ruhesuchende das richtige Ziel; allerdings ist der größte Teil der kargen Insel praktisch unzugänglich, man kann nur über erstaunlich gut ausgebaute Straßen zwischen den drei Ortsteilen laufen, sonst gibt es nur Wildnis. Für einen Tag aber ein nettes Ziel, besonders wenn draußen der Meltemi mit inzwischen 6 bis 7 Windstärken bläst und man hier bei gutem Schutz in der Sonne abhängen kann 🙂
Limani / Arkoi
Dienstagmorgen zieht es uns weiter: knapp 20 Seemeilen westlich liegt die Insel Arkoi, und der immer noch kräftige Nordwind trägt uns mit gerefftem Groß und Klüver in rauschender Fahrt dorthin – eigentlich hätte man bei dem tollen Wind auch gleich bis Patmos durchsegeln können, aber wir fanden es im Mai auf Arkoi so nett, dass wir dort noch einmal Station machen wollten. Wir kommen also schon am späten Mittag an, und so fällt es uns nicht ganz so schwer, den eigentlich vorgesehenen Aufenthaltstag auf Arkoi wegen der weiteren Wetterentwicklung zu streichen; wir kehren am Abend nochmal in der Taverna von Nikolas ein und legen am Mittwochmorgen wieder ab.
Skala / Patmos
Immer noch weht der Nordwind, allerdings etwas schwächer als am Vortag; es reicht aber völlig, um die 12 Seemeilen bis in den Hafen der Nachbarinsel Patmos unter Segeln zurückzulegen. Nach dem winzigen Hafen von Arkoi ein ziemlicher Kontrast: rund um eine geräumige Bucht ziehen sich die Hafenanlagen, die groß genug sind, um Kreuzfahrtschiffe aufzunehmen.
Aufgrund dessen hatten wir keine allzu großen Erwartungen an die Insel, fürchteten wir doch Massentourismus à la Mykonos; wir werden aber positiv überrascht: der Hafenort Skala ist wirklich hübsch mit seinen weißen Häusern und steingepflasterten Straßen, die Gastronomie bietet keine überteuerte Massenabspeisung, sondern die in Griechenland übliche hohe Qualität zu vernünftigen Preisen – und über die Andenkenläden mit Made-in-China-Nippes kann man ja auch mal hinwegsehen 🙂
Am Donnerstag den 28. wollen wir die Insel erkunden: eigentlich war schon ein Mietwagen angedacht, aber beim Kartenstudium stellen wir fest, dass sich die Hauptsehenswürdigkeiten von Patmos in einer längeren Rundwanderung erreichen lassen, und so entscheiden wir uns gegen das Auto.
Zunächst geht es eine gute Stunde stramm bergauf in die Chora; dabei führt die Straße an der Johannesgrotte vorbei, welcher die Insel ihre Berühmtheit im Umfeld der orthodoxen Kirche verdankt: hier hat der Prophet Johannes, der in römischer Verbannung auf der Insel weilte, das letzte Buch des Neuen Testaments, die Offenbarung des Johannes, niedergeschrieben – diesem Umstand verdankt Patmos den in unseren Ohren etwas seltsamen Beinamen ‘Insel der Apokalypse’. Jener Johannes ist übrigens nach neuerem Stand der Geschichtsforschung nicht identisch mit dem Apostel Johannes, wie man früher angenommen hat; nichtsdestotrotz ist diesem das 1088 gegründete Kloster, dessen burgartige Erscheinung sich über der Chora erhebt, gewidmet.
In der Chora geraten wir mitten in die Feierlichkeiten zum 28. Oktober, dem Ochi-Tag (gr. όχι = nein) – hier gedenkt man in Griechenland den Ereignissen von 1940, als Mussolini den Griechen anbot, sich wehrlos den Streitkräften Italiens zu ergeben, statt von diesen gewaltsam überrannt zu werden; die Griechen lehnten ab, und fügten in der Folge den zahlen- und ausrüstungsmäßig weit überlegenen Italienern eine vernichtende Niederlage zu – das hatte der Diktator sich wohl anders vorgestellt.
Zur Feier des Tages marschiert die örtliche Militärgarnison (ca. 20 Mann) auf, und sämtliche Schulkinder der Insel nehmen an dem Umzug teil – die Straßen wimmeln vor Menschen. Mit dem Ende des Umzugs kehrt aber bald wieder Ruhe ein, und wir können die verwinkelten Straßen des Ortes erkunden. Viele der Gebäude sind gut erhalten und in strahlendem Weiß gestrichen, ein echtes Bilderbuchdorf, das verständlicherweise im Sommer so viele Besucher anzieht; jetzt ist natürlich nichts mehr los, nachdem sich die Umzugsteilnehmer zerstreut haben, gehört der Ort uns quasi allein. Die Kontraste von tiefblauem Himmel, weißen Mauern und leuchtenden Bougainvilleen faszinieren uns immer wieder – ein Fest für’s Auge!
Hier ist die Wanderung aber noch nicht zu Ende: wir steigen von der Chora hinab ins nächste Tal, um dann auf den Profitis Ilias zu steigen, mit 269 Metern die höchste Erhebung der Insel.
Die gleichnamige Kapelle nimmt praktisch die gesamte Fläche des Felsendoms ein, aber man kann mit etwas Kletterei einen Rastplatz mit grandioser Aussicht über Patmos und die umgebende Inselwelt erreichen; wir können Ikaria, Fournoi, Samos, Arkoi, Leipsoi, Leros, Levitha und schemenhaft selbst noch Amorgos sehen – und stellen einmal mehr fest, dass der Dodekanes wie zum Segeln gemacht ist!
Nach dem langen Rückweg bis zum Hafen sind wir einigermaßen erschöpft, aber nicht zu sehr, um der lokalen Gastronomie noch einen Besuch abzustatten – wie immer nehmen wir eine positive Erinnerung mit.
Paralia Kambos / Leipsoi
Am Freitag verlassen wir Patmos schon wieder – gerne hätten wir noch ein paar Ankerbuchten kennengelernt, aber es ist der vorerst letzte Tag mit passendem Wind, und so wollen wir noch ein Stückchen weiterkommen; um dies zu ermöglichen, hatten wir auch unseren Aufenthalt auf Arkoi schon verkürzt.
Wir segeln bei frischem Nordnordwest zur Nachbarinsel Leipsoi; hier waren wir im Mai schon mal, haben damals aber an der Südseite geankert, während wir jetzt die große Bucht anlaufen, in welcher der Hauptort der Insel und der einzige Hafen liegen. Wir ankern direkt neben dem Hafen vorm Strand von Kambos, um den laut Wettervorhersage letzten sonnigen Abend für einige Tage in der Natur zu genießen – und den Hafen erst anlaufen zu müssen, wenn kein so starker (Seiten-)Wind mehr das Anlegemanöver verkompliziert.
Limani / Leipsoi
Am Samstagmorgen ist dies wie angekündigt der Fall, und wir machen mit dem Heck voran an der Pier von Leipsoi fest. Da das Wetter noch viel länger stabil bleibt als vorhergesagt – das Einsetzen des Regens wurde inzwischen auf Sonntag verschoben – können wir noch in aller Ruhe einen entspannten Tag an Bord und im Ort verbringen, wobei letzteres unvermeidlich mit der Aufnahme weiterer kalorienreicher Köstlichkeiten verbunden ist: die Konditorei im Ort ist umwerfend gut!
Am Sonntag ist es dann tatsächlich bewölkt, und über den ganzen Tag verteilt fallen auch wirklich mehrmals ein paar Tropfen Regen – so richtig regnet es hier ja eher selten. Es ist aber unfreundlich genug, um das Boot kaum zu verlassen; eine gute Gelegenheit, sich einiger anstehenden Arbeiten an Bord anzunehmen, aber auch, um einfach mal nichts zu tun – man mag es ja kaum für möglich halten, aber die Tage sind ganz schön ausgefüllt, Langeweile kommt jedenfalls nicht auf. Am späten Nachmittag reißt die Wolkendecke auch auf, und wir bekommen mal einen anderen Abendhimmel zu sehen: dramatisch werden die dicken Wolken von der untergehenden Sonne angestrahlt. Dass das jetzt wegen der in der vergangenen Nacht erfolgten Zeitumstellung schon eine Stunde früher geschieht, ist allerdings nicht so schön …
Paralia Blephoutis / Leros
Am Morgen des 1. November ist der Himmel wieder blau, und zum Mittag hin hat sich ein ganz leichter Nordwind angesagt; eine gute Gelegenheit, ein wenig Strecke nach Süden gutzumachen, und uns dabei eine Ankerbucht mit Südschutz zu suchen, für die Nacht von Dienstag auf Mittwoch ist nämlich kräftiger Südwind angesagt.
Wir segeln also nur mit Klüver bei 6 bis 8 Knoten Wind auf Leros zu; natürlich ginge das schneller, wenn wir den Gennaker rausholen würden, aber bei gerade mal 8 Seemeilen Tagesdistanz siegt die Faulheit … wir kriechen also ganz friedlich mit ein bis 2 Knoten Fahrt über die fast völlig glatte See – perfekt, um in der Sonne zu liegen und ein Buch zu lesen, während der Autopilot den Kurs hält.
Am späten Mittag erreichen wir eine tief eingeschnittene und nur über eine schmale Durchfahrt von Norden zugängliche Bucht im Norden von Leros und ankern vorm Strand von Blephoutis auf 5 bis 6 Meter Tiefe über reinem Sandgrund – hier kann der Südwind kommen. Wir nutzen die Wärme der Nachmittagssonne und springen in das mit 20 Grad zwar nicht mehr wirklich warme, aber dafür kristallklare und verlockend leuchtende Wasser – und müssen uns immer wieder vor Augen halten, dass heute der November begonnen hat!
Der Dienstag beginnt mit völliger Windstille, aber im Laufe des Vormittags setzt langsam der angekündigte Südwind ein; dabei ist es noch fast wolkenlos sonnig und deutlich über 20 Grad warm. Wir genießen die Ruhe in der hübschen Ankerbucht und das herrliche Wetter; mit dem Südwind soll es sich wieder zuziehen und etwas regnen, noch ist davon aber nichts zu sehen.
Agia Marina / Leros
Nachdem es in der Nacht auf Mittwoch den angekündigten Südwind und tatsächlich etwas Regen gegeben hat, sieht es am nächsten Morgen schon wieder ganz freundlich aus, und der Wind hat auch an Stärke verloren; wir lassen uns davon unter Klüver aus der Bucht heraustragen und halten an der Ostküste der Insel auf die nächste große Bucht zu. Dort liegt der Fischerhafen von Agia Marina, wo wir einen Liegeplatz an der Seite des kleinen Fähranlegers finden; uns ist zwar nicht so ganz klar ob wir dort liegen dürfen, aber wenn nicht, so sagen wir uns nach einem Jahr Griechenland-Erfahrung, wird uns das schon jemand mitteilen – was nicht explizit verboten ist, ist normalerweise erlaubt.
Agia Marina erweist sich als netter kleiner Ort; hier – und nicht im deutlich größeren Lakki – befindet sich auch die Gemeindeverwaltung der Insel. Überragt werden Ort und Bucht von der immer noch imposanten Johanniter-Festung aus dem 14. Jahrhundert; der Weg dort hinauf erweist sich als äußerst schweißtreibend, denn der Südwind hat auch eine Temperaturerhöhung mit sich gebracht: über 25 Grad sind es im Schatten – den man aber auf dem gesamten Aufstieg vergeblich sucht. Es lohnt sich dennoch, die Mühe auf sich zu nehmen, sowohl für die Festung selbst wie auch für den Ausblick, der sich von dort über Leros bietet.
Wir bleiben am Donnerstag noch in Agia Marina, denn wir wollen noch ein wenig die Umgebung erkunden, und Wind gibt es auch keinen. Wir unternehmen eine Wanderung, die uns über Platanos auf der gegenüberliegenden Seite der Halbinsel bis an die Bucht von Lakki und zurück führt. Platanos verfügt über einen schönen Strand aus ganz feinem Kies und stimmungsvollen Cafés an dessen Rand, von denen aus sich eine tolle Aussicht gen Süden bis nach Kalymnos genießen lässt – herrlich, hier mit einem Freddo in der Wärme zu chillen!
Auch am Freitag ist noch kein brauchbarer Wind in Sicht, aber die Flaute ändert ihre Richtung: es läuft leichter Schwell aus Nord in die Bucht, Vorbote einer Winddrehung. Nun erhebt auch tatsächlich jemand Anspruch auf unseren Liegeplatz: ein Kreuzer der griechischen Küstenwache möchte dort anlegen. Die Uniformierten fragen aber sehr höflich, ob es uns etwas ausmachen würde, das Boot etwas in Richtung der Fischer zu verholen, und nehmen auch gleich die Leinen, um zu helfen – ach, wäre der Umgang mit Seglern (die man hier als ‘Gäste’ in der ursprünglichen Bedeutung des Wortes versteht) doch überall so!
Paralia Vromolithos / Leros
Wegen des Schwells und des aufkommenden Nordwindes verlassen wir aber später doch noch unseren Liegeplatz – nicht ohne vorher nochmal die einfach göttliche Konditorei gleich am Hafen zu besuchen …
Wir motoren um die Halbinsel, um diejenige Bucht zu erreichen, die wir am Vortag umwandert haben. Wir finden vor Vromolithos ein ausgedehntes Bojenfeld und machen uns der Faulheit halber dort für die Nacht fest – während der Saison wird hier wohl eine Gebühr erhoben, jetzt aber offensichtlich nicht mehr.
Den Nachmittag verbringen wir mit Schnorcheln (auf über 8 Meter Wassertiefe erkennt man jedes Sandkorn am Boden) und Lesen, in der Sonne fühlt es sich hochsommerlich an – am 5. November!
Palionisos / Kalymnos
Am Samstag gibt es dann endlich Nordwind – wirklich nicht viel, aber gerade genug um uns die kaum 12 Seemeilen bis hinüber nach Kalymnos vorzunehmen. Leider gibt es deutlich mehr Dünung als der Wind erwarten ließe, und so schaukeln wir uns unter heiß brennender Sonne gen Süden.
Beeindruckend ist die Silhouette der 700 Meter hohen Insel, die sich gegen die Sonne im Südwesten wie ein Scherenschnitt abzeichnet; der Nordteil der Insel fällt steil ins Meer ab und ist praktisch unbewohnt.
Erste Ankermöglichkeit an der Ostküste ist Palionisos – von einem Ort zu sprechen wäre schon übertrieben, es gibt nur drei Tavernen, die einige Muringbojen ausgelegt haben, um Segler anzulocken; erst seit 2009 führt eine Schotterstraße hierher, vorher war die Siedlung nur zu Fuß und per Boot zu erreichen. Die Einfahrt erinnert an einen norwegischen Fjord, so steil ragen zu beiden Seiten die Felsen auf; am Ende der Bucht angeln wir uns eine der Bojen und verbringen eine ruhige Nacht – die leider recht früh beginnt, weil die Sonne schon am Nachmittag hinter dem Gebirge verschwindet.
Vathy / Kalymnos
Am Sonntag gibt es weiter Flaute aus nördlichen Richtungen – wieder nehmen wir uns nur eine kurze Strecke von gut 7 Seemeilen vor, damit wir nicht nur motoren müssen, und tatsächlich können wir unter Segeln den größeren Teil der Strecke zurücklegen; erst als wir auch noch in die Abdeckung der Insel geraten, fällt die Fahrt auf unter einen Knoten, und wir werfen für die letzte halbe Stunde den Motor an.
Die Einfahrt ist ähnlich fjordartig wie in Palionisos, dahinter tut sich aber ein kleines Fischerdorf vor einem fruchtbaren Tal auf. Es gibt einen kleinen Anleger mit Platz für drei oder vier Gäste; wir bekommen vom rührigen Hafenmeister Manolis einen Platz zugewiesen, er organisiert auch gleich eine Landstromversorgung per Kabeltrommel – den Strom müssen wir bezahlen, der Liegeplatz kostet … nichts!
Die Lage zwischen hohen Felsen ist wirklich attraktiv, das Wasser leuchtet in herrlichem Türkis, die Häuser sind gepflegt, die Tavernen einladend – was für ein schöner Ort! Im Sommer wird es hier wohl auch recht voll mit Tagesausflüglern aus Kos, nun aber ist es ganz ruhig. Autovermietungen gibt es nur im Hauptort der Insel, aber Manolis organisiert für uns gleich die Überstellung eines Mietwagens für den nächsten Tag nach Vathy – was will man mehr.
Am nächsten Morgen holt uns also Nikos, der Besitzer des Autoverleihs, mit einem kleinen Nissan ab, und wir fahren zusammen nach Pothia, dem Hauptort der Insel, von wo wir unsere Erkundung beginnen. Ähnlich wie Lakki auf Leros kann Pothia seine italienische Vergangenheit nicht leugnen, die alten Gebäude und Villen befinden sich aber in wesentlich besserem Zustand als dort. Der große Hafen wirkt sehr lebendig, und man flaniert an unzähligen Cafés entlang, während man ihn umrundet.
Nach dem Hafenbummel fahren wir mit dem Auto zunächst in Richtung der Chora, die heute mit dem Hafenort Pothia zusammengewachsen ist. Hier gibt es – wie es sich für jede griechische Insel gehört – auch ein Kastro, welches allerdings stark verfallen ist; nichtsdestotrotz lohnt sich der Aufstieg für den tollen Ausblick über die Insel.
Kalymnos war lange Zeit als Insel der Schwammtaucher bekannt; in den letzten Jahren sind die Erträge aber stark zurückgegangen, da die Schwämme durch noch unbekannte Ursachen dezimiert werden – die Meeresverschmutzung ist dabei kein unwahrscheinlicher Kandidat. Die qualitativ besten Schwämme werden aus großer Tiefe geholt; dies war früher eine sehr gefährliche Arbeit, da es durch zu schnelles Auftauchen zur Taucherkrankheit kommt. Dies war so verbreitet, dass die dadurch bedingten Lähmungen in die traditionellen Tänze der Insel eingegangen sind.
Heute verdient man sein Geld ungefährlicher: die ungemein steilen Höhenzüge der Insel sind zu einem beliebten Ziel für Sportkletterer aus aller Welt geworden, und während die Segelsaison sich ihrem Ende entgegen neigt, nimmt die Kletterei jetzt, wo es nicht mehr so heiß ist, erst mal richtig Fahrt auf; auf unserer Fahrt entlang der Westküste sehen wir hauptsächlich mit Kletterausrüstung behängte Sportler, die sich auf den Weg zu den Touren machen.
Hinreißend ist der Ausblick von der Küstenstraße auf die vorgelagerte Insel Telendos, die steil aus dem Meer aufragt – das Spiel der Sonne auf dem Wasser, die Farben des Meeres und der Felsen sind ein visueller Genuss.
Endpunkt der Straße und auch einer der Höhepunkte des Ausflugs ist der Ort Emborios weiter im Norden der Insel; der Ausblick, der sich vom Kiesstrand des Ortes nach Süden bietet, ist wirklich wunderschön – hier, denken wir, würden wir auch gerne mal ankern!
Zum Tagesabschluss fahren wir schließlich noch an den Strand von Kantouni, wo wir die Sonne im Meer versinken sehen … immer wieder wunderschön.
Vlichadhia / Kalymnos
Im Laufe des Dienstags soll dann endlich Nordwind einsetzen; wir wollen den besten Absprungort zur Überfahrt nach Astypalaia ansteuern und beschließen also, erst mal abzuwarten, um vielleicht den Wind schon nutzen zu können. Es wird aber Nachmittag, ohne dass sich ein Lüftchen rührt, und so müssen wir schließlich die gut 7 Seemeilen nach Vlichadhia motoren, um noch beim letzten Tageslicht eine gute Stelle zum Ankern auswählen zu können.
Nach einem windstillen und beschaulichen Abend in der hübschen Ankerbucht geht es dann um drei Uhr in der Nacht los: plötzlich kommt Wind auf, und binnen kürzester Zeit ergreifen Böen von über 30 Knoten die ‘Orion’. Der Anker hält, aber der Rest der Nacht wird nicht sehr erholsam …
Am Mittwoch geht es genauso weiter: durchgängig 7 Beaufort den ganzen Tag, in Böen bis zu 9, See 2,6 Meter charakteristische Wellenhöhe lautet die Vorhersage; da bleiben wir lieber noch vor Anker und lassen uns bei strahlendem Sonnenschein (Meltemiwetter!) den Wind um die Ohren pfeifen – so ist es eben, wochenlang Flaute und dann viel zu viel Wind.
Maltezana / Astypalaia
In der Nacht zum Donnerstag scheint es sich tatsächlich etwas beruhigt zu haben, in unserer Ankerbucht messen wir kaum noch 12 Knoten Wind; da auch die aktuellen Vorhersagen in den Morgenstunden noch 5, später dann nur noch 4 Windstärken versprechen, binden wir nur ein Reff ins Groß und lichten gleich nach Sonnenaufgang um 7 Uhr den Anker, um aus der Bucht zu segeln und uns auf die knapp 40 Seemeilen lange Überfahrt nach Astypalaia zu machen..
Während wir uns langsam von der Küste entfernen, nimmt die Windgeschwindigkeit ab statt zu; nach einer halben Stunde haben wir völlige Flaute und müssen uns tatsächlich unter Motor dort herausschieben – denn dass es sich nur um die Abdeckung von Kalymnos handelt, das ist uns schon klar.
Nach einer weiteren halben Stunde sehen wir dann voraus weiße Kronen auf den Wellen, und schlagartig ist der Wind wieder da, aber nicht mit den angekündigten 5 Beaufort, sondern mit knackigen 7 Windstärken, in den Spitzen lesen wir auch 36 Knoten ab (Windstärke 8) – und das mit nur einmal gerefftem Groß und vollem Klüver! Die Wellen wachsen innerhalb weniger Minuten zu beeindruckenden Bergen; trotz des raumen Windeinfallwinkels schieben wir ordentlich Lage, während die ‘Orion’ mit über 8 Knoten durchs Wasser schießt – schön schnell, aber doch etwas unheimlich, wir sind definitiv übertakelt. Richtig wäre natürlich, das zweite Reff ins Groß zu binden und den Klüver gegen den Kutter zu tauschen, das ergibt einen ausgewogenen Segeldruckpunkt – aber das Groß reffen bei stürmischem Wind und drei bis fünf Meter hohen Wellen grenzt ja an Arbeit, also beschließen wir das Groß im ersten Reff zu belassen und dafür gar kein Vorsegel zu setzen – natürlich wird das Boot so luvgierig durch das Drehmoment des weit offenen Großsegels, aber eine Viertelumdrehung des Steuerrads genügt, um dies zu kompensieren, und unsere Aries-Windsteueranlage kommt offenbar auch damit klar – also erfreuen wir uns die nächsten Stunden an immer noch gut 6 Knoten Fahrt und der glitzernden Sonne auf der aufgewühlten See!
Bald können wir Astypalaia am Horizont ausmachen, und schnell kommt die Insel näher. Am frühen Mittag geht der Wind tatsächlich etwas zurück, wir messen nur noch eine 6 im Mittel, und die Böen erreichen gerade die 7; wir können nun auch das Kuttersegel hinzunehmen, und gegen 14 Uhr haben wir die Insel umrundet und legen an der Pier von Maltezana an – hätten wir geahnt, dass wir so schnell unterwegs sind, hätten wir auch ausschlafen können.
Von hier sind wir nach dem endlosen Lockdown-Winter vor knapp 6 Monaten und rund 1600 Seemeilen zu unserer Runde durch die nördliche Ägäis aufgebrochen, und nun zurückzukehren fühlt sich fast wie eine Heimkehr an – der Fischer, der unsere Leinen annimmt, begrüßt uns gleich als alte Bekannte, und bald schon heißen uns unsere Freunde, die wir im letzten Winter hier gewonnen haben, herzlich willkommen auf Astypalaia!
Skala / Astypalaia
Freitag weht dann endlich wirklich nicht mehr so viel Wind, und wir verholen uns die drei Seemeilen bis in den Hafen der Insel – wie oft haben wir diese Strecke schon zurückgelegt! Nach dem Anlegen begrüßt uns auch unser Hafenkater und holt sich die lange vermissten Streichel- und Futtereinheiten ab; er ist gesprächig wie immer und wohlgenährter denn je, offenbar hatte er einen guten Sommer 🙂
Auch hier verbringen wir einige (sehr!) lange Wiedersehens-Abende – und leben uns schnell wieder ein, so als seien wir kaum weg gewesen. Nach dem Wochenende verholen wir uns nochmal nach Maltezana, dann wieder zurück in den Hafen, wie immer es der Wind so will; auch ein Ausflug zum Ankern in die Bucht von Glyno bei 7 bis 8 Windstärken aus Südost bleibt uns nicht erspart – letztes Jahr um diese Zeit hatten wir noch stabilen Nordwind, nun ist es viel unbeständiger. Auf der Insel wartet man allerdings verzweifelt auf Regen, da sich der Wassersepeicher über den Sommer bedrohlich geleert hat, wir wollen uns also über ein paar Wolken nicht beschweren …
Winterlager
Am 1. Dezember ist es dann soweit: es ist sonniges Wetter und kaum Wind angesagt, also begeben wir uns an die Pier von Maltezana, wo gegen Mittag Nikitas vom Boatyard mit einem großen Schlepper mit Kranausleger ankommt, um erst mal unseren Mast zu legen – was keine Probleme bereitet, wir haben da ja genug Übung. Interessanter wird schon der Transport zum etwa einen Kilometer entfernten Werftgelände: ein mit Mais beladener LKW bekommt unseren Mast kurzerhand oben aufgelegt und nimmt ihn eben mit …
Wir fahren danach um die Ecke zum Strand von Schoinondas, wo schon der Slipwagen auf uns wartet: das Einfahren und Fixieren des Bootes läuft erst mal völlig problemlos, nur als der Schlepper den (gewaltig schweren!) Slipwagen zusammen mit der ‘Orion’ auf den Strand ziehen will, gibt es Ärger: die Räder drehen durch und graben sich tief in den Sand. Aber zum Glück gibt es ja hier für alles eine Lösung: binnen kurzer Zeit kommt ein großer Radlader angefahren und wird mit Stahlseilen noch vor den Schlepper gespannt! Ob das europäischen Standards entspricht darf angezweifelt werden, aber es funktioniert – bald darauf stehen wir auf dem Strand und wenig später, nach einer gemächlichen Fahrt über 100 Meter Straße, erreichen wir den Boatyard. Der Kiel wird unterfüttert, der Slipwagen hydraulisch abgesenkt, sechs massive Stützen in Position gebracht – und nach insgesamt 5 Stunden sind wir auf unserem Winterplatz angekommen!