Nachdem wir uns erst einmal ausgeschlafen haben, springen wir am nächsten Tag hochmotiviert aus den Federn. Wir freuen uns darauf, nun auch ein paar Tage auf Öland verbringen zu können und haben uns gleich eine ausgiebige Fahrradtour vorgenommen, die das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden soll. Zunächst soll es die Westküste ein ganzes Stück entlang nach Norden gehen bis zur nächsten größeren Stadt Mörbylånga, denn dort ist der nächste Geldautomat zu finden und wir müssen ja auch unsere Liegegelder bezahlen können. Dann wollen wir die Insel queren und dabei das Stora Alvaret anschauen und dann an der Ostküste zurück nach Grönhögen, das ja praktischerweise so ziemlich am südlichsten Zipfel der Insel gelegen ist.
Das Stora Alvaret ist die wohl größte Alvar-Landschaft, die es gibt. Es handelt sich bei Alvars um karge Kalksteinebenen mit nur einer ganz dünnen Erdschicht, die für die Kultivation nicht geeignet ist aber dafür eine ganz eigene Flora (mit einer Vielzahl von Orchideenarten) und Fauna entwickelt hat und auch als Weideland genutzt wird, was zu einer ganz einzigartigen Symbiose von Mensch und Natur geführt hat.
Und Öland ist die Insel, um sich Alvarlandschaften anzuschauen – insbesondere auf der südlichen Hälfte, wo quasi das gesamte Inland eine einzige große Alvar-Hochebene ist: das Stora Alvaret eben.
So radeln wir also gut gelaunt los, Rückenwind schiebt sanft, das Wetter ist herrlich, alles wunderbar. In Mörbylånga fangen wir Geld und ein Eis und schauen uns auch den Hafen mal an. Ach ja, wohl ganz nett, aber wenn wir wiederkommen, dann doch eher nach Grönhögen … zudem der Hafen deutlich tiefer liegt als die Stadt selbst und man so also für jede Besorgung erst mal den den Berg hinauf müsste. Unterwegs machen wir Halt in Bårby, den Überresten einer alten Befestigungsanlage und erkunden die schöne, saftig grüne Ecke ein wenig zu Fuß. Hinter Mörbylånga dann überqueren wir die Stora Alvaret, die an dieser Stelle 10 km breit ist – die Insel ist ja doch sehr viel länger als breit – und beschauen uns auch die Landschaft ganz genau. Der Reiz der Blumenteppiche offenbart sich erst, wenn man genauer hinschaut – auf den ersten Blick ist die Landschaft in erster Linie trocken und karg aber damit auch außergewöhnlich. Bei einem Päuschen halten wir auch an einer der allgegenwärtigen kleinen Holzmühlen, die offenbar gepflegt werden, denn was wir vorfinden, sieht ziemlich funktionstüchtig aus.
Auf der Ostseite angelangt merken wir erst einmal, was uns noch blüht. Der schöne Rückenwind aus SW hat sich soeben in Gegenwind verwandelt, der noch zu allem Überfluss aufgefrischt hat. Wir haben schon viele Kilometer zurückgelegt, viel mehr als wir eigentlich überschlagen hatten, weil wir wohl nicht allzu präzise kalkuliert hatten. Dazu kommt, dass wir auch schon einiges bergauf gefahren sind (um aufs Alvar zu kommen, das ja eine Hochebene ist) und eigentlich jetzt schon geschafft sind. Tja, und nun ist schon Nachmittag und wir haben noch über 40 km bei Gegenwind vor uns. Prost Mahlzeit! Es wird ein ziemlicher Kampf, der wirklich keinen Spaß mehr macht und zu recht fortgeschrittener Stunde fallen wir dann im Hafen von Grönhögen von den Rädern und geloben, niemals mehr wieder aufzustehen …
Am nächsten Tag also lassen wir es ganz ruhig angehen, holen erst mal schön Brötchen und haben für den Vormittag nur eines vor: Loppis! Überall verstreut findet man so eine Art fest installierten Garagenverkauf/Privatflohmarkt, wo man per Schild eingeladen wird, mal im Hinterhof oder der Scheune zu stöbern und zumeist dann per SB-Prinzip das Geld für die gefundenen Schätze in eine Büchse zu werfen. Und es gibt da einen Loppis-Laden, den wir schon beim letzten Urlaub entdeckt hatten – da muss man ja mindestens schon aus Nostalgie stöbern, aber auch so macht es einfach Spaß.
Für den Nachmittag haben wir dann doch was vor, so ganz gar nix tun fällt uns ja auch nicht so leicht. Wir radeln ganz zum Südende der Insel, der Södra Udde, denn dort steht zum einen der Långe Jan (der höchste Leuchtturm Skandinaviens, siehe auch Ende des letzten Eintrags) und zum anderen ist die Ecke besonders unter Ornithologen beliebt und es gibt auch eine Vogelbeobachtungsstation mit angeschlossenem Museum. Natürlich gibt es auf dem Weg nach Süden den gleichen Wind wie gestern: von Vorne. Bevor wir uns fragen, wieso wir uns das schon wieder antun, sind wir aber schon da, es ist ja nicht weit. Wir kämpfen uns noch an wilden Stieren vorbei (die dort so vor sich hin grasen) und verbringen dann einige Zeit vor Ort. Es gibt viel zu sehen, denn nicht nur ein kostenloses und sehr informatives und interessantes Vogelmuseum gibt es, auch das Leben der einstigen Leuchtturmwärter ist in einem anderen Museum dokumentiert. Auch das ist kostenlos, was wir sehr zu schätzen wissen. Möchte man auf den Leuchtturm, kostet das allerdings, doch die spektakuläre Aussicht und das Farbenspiel der Küste von Oben sind mehr als Entschädigung genug.
Wir haben keine Eile, hier wegzukommen und bleiben auch noch ein wenig. Am Tag drauf geht das historische Programm weiter, es gibt einfach eine Menge hier zu sehen. Ganz in der Nähe von Grönhögen findet sich die Festung Eketorp, die voll wieder aufgebaut worden ist und nun ein Museum beheimatet. Wir fahren hin und stellen fest, dass der Museumsbetrieb noch nicht aufgenommen ist, obwohl Midsommar doch schon vor der Tür steht. Das ist in diesem Fall aber ganz praktisch, denn das Museumslädchen ist zwar geschlossen und man bekommt auch keine Führung, aber die Festung ist grundsätzlich geöffnet und zugänglich, so dass wir uns in Ruhe umschauen können und auch geraume Zeit bleiben, weil es doch sehr interessant ist, wie diese Festung zu ganz unterschiedlichen Epochen genutzt wurde, um dann wieder über Generationen leer zu stehen. Auf dem Rückweg halten wir an einem Kalksteinbruch und stellen fest, dass die Kalksteine und die in ihnen eingeschlossenen Fossilien ganz anders als auf Gotland sind: während in Gotland alle Steine aus versteinerten Korallen zu bestehen schienen, finden wir hier hauptsächlich versteinerte Tintenfische (oder ihre Vorgänger). Da fragt man sich ja schon, wie die Ostsee damals wohl so gewesen sein mag …
Unseren letzten Tag auf Öland verbringen wir wie die anderen: ein kleiner Radausflug nach Södra Möckleby, mit einer letzten Runde über das Alvar. Unterwegs machen wir noch einen kleinen Spaziergang im ganz reizenden Wäldchen bei Albrunna, welches mit seinem saftigen Grün ein völliges Kontrastprogramm zum Alvar ist. Außerdem schauen wir uns bei der Gelegenheit den Hafen von Degerhamn an, sind aber auch da eher nicht angetan und bleiben dabei, dass wir uns wieder für Grönhögen entscheiden würden. Übrigens, hatten wir erwähnt, dass man die 5. Nacht in Folge dort kostenlos liegen darf, wenn man denn so lange bleibt? Und nein, wir werden nicht für die Werbung bezahlt, wir haben uns dort nur wohlgefühlt … 😉
Wir genießen jedenfalls unseren letzten Tag, machen ein ganzes Weilchen Pause auf dem Stora Alvaret und erkunden ganz genau die Blumenteppiche und Fossilien im Kalkgestein. Auf dem Rückweg dann aber wieder Déja Vu von der schlimmsten Sorte: zunehmender Gegenwind und zudem noch drohender Regen. Und in der Tat bleiben wir nicht verschont, kurz vor dem Hafen fängt es an zu gießen … nun ja, später wird es auch wieder trocken, so dass die Räder sicher weggestaut werden können, denn morgen soll es weitergehen – sonst schaffen wir es gar nicht, uns loszureißen. Aber, wir kommen wieder, ganz bestimmt!